"Die Wirtschaft" steht im Zentrum der Kritik vieler Klimaschützer. Sie sehen in Unternehmen einen doppelten Gegner: einerseits als direkte Verursacher von Treibhausgasemissionen, weil Unternehmen für den Produktionsprozess Energie nutzen und damit zum Ausstoß von Kohlendioxid beitragen. In Haftung genommen werden Unternehmen andererseits auch für den gesamten CO2-Ausstoß, der von der Nutzung der von ihnen verkauften Produkte oder Dienstleistungen ausgeht. Erst in zweiter Linie richtet sich Kritik der Klimaschützer also an die Nachfrageseite, an die Millionen Kunden, die ihr Geld für die kritisierten Angebote ausgeben. Sie gelten als schutzbedürftig, verführbar, als zu uninformiert oder zu arm, um ihren Konsum und ihre Lebensgewohnheiten freiwillig schnell genug in die von Klimaschützern für notwendig gehaltene Richtung zu verändern.
Deshalb konzentriert sich der Druck vieler, die für Klimaschutz auf die Straße gehen oder in den Parlamenten sitzen, vorrangig auf die Unternehmen: Gefordert werden nicht nur strenge staatliche Vorgaben für CO2-sparende Angebote. Verlangt wird immer öfter auch, das Angebot direkt per Gesetz einzuschränken, um so die Vielfalt und damit möglichst auch Konsum und Mobilität zu begrenzen. Als überflüssig und schädlich angeprangert werden zum Beispiel Stadtgeländewagen, Fleisch, Plastiktüten oder Inlandsflüge.
Mit diesen Forderungen verbunden ist meist offene oder verdeckte Wachstums- und Kapitalismuskritik. Klimaschutz sehen viele Aktivisten ebenso wie linke Politiker als einen Weg, das ihnen aus anderen Gründen (Einkommensungleichheit, Konkurrenzdruck) schon immer verpönte private Unternehmertum und das über Wettbewerb funktionierende freie Marktsystem auszuhebeln. Andere glauben schlicht nicht daran, dass sich Wirtschaftswachstum und Klimaschutz verbinden lassen, und setzen deswegen auf Verzicht und Askese zur Minderung der Treibhausgase.
Wirtschaft als Schlüssel
So verkehrt diese Frontstellung zur (Markt-)Wirtschaft ist, so birgt sie doch die Erkenntnis, dass private, im Wettbewerb stehende Unternehmen der wichtigste Schlüssel zum Ziel einer klimaverträglichen Wirtschafts- und Lebensweise sind, zu der sich Deutschland in verschiedenen Abkommen international verpflichtet hat. Aus dieser Erkenntnis müssen allerdings die richtigen Schlüsse gezogen werden. Der wichtigste lautet: Unternehmen und der Markt müssen endlich als Verbündete betrachtet werden im Klimaschutz – aus drei Gründen.
Erstens ist Klimaschutz vorerst sehr teuer. Seine Finanzierung wird noch über lange Zeit in Konkurrenz zu anderen wichtigen staatlichen Ausgaben stehen, ob für soziale Sicherheit, Bildung, öffentliche Infrastruktur, Polizei oder Verteidigung. Ein reiches Land hat es zwar leichter, diese Ziele nebeneinander zu verfolgen, und damit gute Voraussetzungen, dem Klimaschutz langfristig die in einer Demokratie nötige Akzeptanz der Mehrheit zu sichern. Die erforderlichen Steuereinnahmen liefert aber nur eine starke, wachsende Wirtschaft.
Zweitens braucht es für dauerhaft bezahlbaren Klimaschutz sinkende Kosten durch neue Technologien und innovative Lösungen. Welche das sein werden, weiß heute niemand genau. Der Staat kann über Investitionen in Grundlagenforschung Innovationen vorantreiben. Doch wird diese Anstrengung verpuffen, wenn es an Unternehmen fehlt, die darum wetteifern, diese Erkenntnisse für neue Angebote zu nutzen – und die auch selbst in Forschung und Entwicklung investieren. Märkte treiben einen offenen Suchprozess schnell voran, wenn die Anreize stimmen, wenn denjenigen, die vorne dran sind, auch Gewinne oder höhere Einkommen winken. Überall dort, wo die Politik Marktmechanismen und privates Unternehmertum als Verbündete betrachtet, kommt es zu enormen Fortschritten im Kampf gegen die großen Lebensrisiken Armut, Hunger und Krankheit, verbessern sich Bildung und Umwelt, steigt die Lebenserwartung.
Drittens sind Märkte auch darin überlegen, Millionen Verbraucher auf einem freiheitlichen Weg in Klimaschutz einzubinden. Über CO2-Preissignale lassen sich ihre Entscheidungen auf das staatlich festgelegte Ziel hin koordinieren, ohne dem Einzelnen vorzuschreiben, wie er sich am besten anpasst. Statt Zwang bleibt die Wahl unter verschiedenen Optionen: Pendler können dann beispielsweise entscheiden, ob sie lieber auf ein CO2-ärmeres Transportmittel umsteigen, näher an den Arbeitsort ziehen oder die höheren Kosten für den CO2-Ausstoß des alten Fahrzeugs tragen, dafür aber vielleicht die Heizung austauschen, das Haus dämmen oder auf einen Fernurlaub verzichten.
Klimaschutzpotenzial des Marktes
Dazu muss man kurz die ökonomische Theorie bemühen. Angebot und Nachfrage werden in einer Marktwirtschaft über Preise koordiniert. Ein steigender Preis liefert den Marktteilnehmern den Hinweis, dass ein Gut knapp ist. Produzenten können das zum Anlass nehmen, von der begehrten Ware mehr herzustellen, Kunden überlegen, ob sie auf günstigere Alternativen ausweichen. Das hat den enormen Vorteil, dass es keine zentrale Planungsinstanz braucht, um die Wünsche der Menschen zu erkunden und sie mit dem Angebot der Wirtschaft zusammenzubringen. Ein Marktsystem ist überdies sehr flexibel. Es basiert tagtäglich auf unzähligen freien Entscheidungen aller Teilnehmer, die diese natürlich im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten treffen.
In den Marktpreisen sind aber etwaige Kosten für unerwünschte Folgen der Produktion oder des Gebrauchs eines Gutes für die Allgemeinheit nicht automatisch enthalten. Volkswirte sprechen von negativen externen Effekten.
Ökonomen sind sich schon länger weithin einig, dass nach diesem Prinzip auch Klimaschutz erfolgen sollte. Da übermäßiger Ausstoß von Kohlendioxid nach Erkenntnissen der Klimaforschung zum unerwünschten Anstieg der Erdtemperatur beiträgt, sollen die Emittenten dafür zahlen. Bekommt der Ausstoß klimaschädigender Treibhausgase, allen voran des Kohlendioxids, einen Preis, werden Waren und Dienstleistungen, die viel CO2 ausstoßen, teurer. Das dämpft die Nachfrage, denn Nutzer und Anbieter suchen nach Wegen, die zusätzlichen Kosten zu vermeiden.
Zwei Lösungskonzepte stellt die ökonomische Theorie für eine solche Bepreisung zur Verfügung: eine CO2-Steuer auf Schadstoffemissionen oder einen Emissionshandel. Im Fall der Steuer legt die Politik den Preis für jede ausgestoßene Tonne Kohlendioxid fest – mit dem Ziel, dass die höheren Kosten nach und nach zur gewünschten CO2-Senkung führen. Wie hoch die Steuer sein muss, damit sie in der Volkswirtschaft genügend Wirkung entfaltet, ohne die Konjunktur abzuwürgen, ist vorab schwer zu sagen. Die Schmerzgrenze des Verbrauchers hängt von seinen Präferenzen und finanziellen Möglichkeiten ab. Wie hoch die "Strafe" sein muss, damit ein Pendler auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigt oder ein Elektroauto kauft, weiß die Regierung nicht. Sie muss sich auf eine Phase von Versuch und Irrtum einstellen.
Das zweite Modell funktioniert, indem eine Regierung eine Obergrenze für den noch zulässigen Ausstoß an Treibhausgasen auf ihrem Gebiet definiert. In diesem Umfang gibt sie "Verschmutzungsrechte" aus, die die CO2-verursachenden Unternehmen für jede Tonne ersteigern müssen. Über diese Auktionen bildet sich ebenfalls ein Preis. Hier hat die Politik die Reduktion fest in der Hand, allerdings weiß sie nicht, welche wirtschaftlichen Risiken ein fester CO2-Deckel birgt, der Branchen und Konsumenten ganz unterschiedlich treffen kann.
Entscheidender Vorteil beider Modelle: Der Ausstoß an Treibhausgasen wird zunächst dort gesenkt, wo volkswirtschaftlich die geringsten Kosten entstehen. Klimaschutz erfolgt dann im Idealfall dort, wo er am wirtschaftlichsten ist und den Wohlstand der beteiligten Länder insgesamt am wenigsten dämpft.
Theorie und Praxis
Ökonomen streiten noch darüber, welches Instrument effektiver ist, auch gibt es Vorschläge, Steuer und Zertifikatehandel zu kombinieren, um die Gefahr unerwünschter wirtschaftlicher und sozialer Nebenwirkungen zu bannen.
Die Krux liegt aber zunächst darin, den Preis oder die Menge so festzulegen, dass am Markt der gewünschte Effekt erzielt wird: den CO2-Ausstoß im Rahmen dessen zu halten, was zur Abwendung eines übermäßigen Temperaturanstiegs auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse geboten scheint. Diese Festlegung ist Aufgabe der Politik. Wie schwierig sie ist, zeigt die diskutierte Preisspanne für eine Tonne CO2: Der Klimaökonom William Nordhaus hat ausgerechnet, dass eine Tonne eigentlich rund 275 US-Dollar kosten müsste.
International hat sich Deutschland im Klimavertrag von Paris 2015 zu dem Ziel verpflichtet, die Erdtemperatur bis Ende des Jahrhunderts um höchstens zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit ansteigen zu lassen. Allerdings ist es politisch unrealistisch, die mehr als 190 Vertragsstaaten unter ein abgestimmtes Preisregime zu bringen. Das wäre am besten, um den Klimanutzen zu sichern, ohne den weltweiten Wohlstand zu gefährden; je besser die Arbeitsteilung funktioniert, desto effizienter und preisgünstiger der Klimaschutz.
Klimaschutz ist aber sehr anfällig für Trittbrettfahrer. Der Beitrag der meisten Länder ist für sich genommen zu gering, um die Erderwärmung zu beeinflussen. Auch Deutschland als viertstärkste Wirtschaftsmacht der Welt (gemessen am BIP) hat nur rund zwei Prozent Anteil an den jährlichen menschengemachten globalen Treibhausgasemissionen. Die größten Emittenten sind China (29 Prozent), die USA (14 Prozent) und Indien (7 Prozent).
Daher plädieren Klimaökonomen für Koalitionen der Willigen, die mit der CO2-Bepreisung vorangehen, in der Hoffnung, dass sich im Wettbewerb der Konzepte zeigt, was funktioniert und was nicht – und sich die unterschiedlichen Ansätze nach und nach zusammenführen lassen. Was den Emissionshandel angeht, liegt die EU vorne, die 2005 ein Emissionshandelssystem (ETS) eingerichtet hat, das den Ausstoß dreier Sektoren – Industrie, Energieversorger und innereuropäischer Flugverkehr – begrenzt. Es umfasst damit rund 40 Prozent (2017) der Treibhausgasemissionen der EU.
Wirtschaftswachstum und CO2
Klimaökonom Nordhaus hat bereits 1975 empfohlen, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. Dazu brauche es Wirtschaftswachstum. Er hält Forderungen für schädlich, das Wachstum zu stoppen. In den vergangenen 30 Jahren hätten sich die Lebensbedingungen in der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung sehr verbessert, aber noch immer lebten viele Menschen in der Welt nicht so komfortabel wie US-Amerikaner oder Deutsche. Allerdings koste das Einsparen von CO2 Geld, sodass das Wachstum etwas geringer ausfallen könnte: "Sie könnten die Hälfte des CO2-Ausstoßes einsparen, und das würde nur ein Prozent der Wirtschaftsleistung kosten."
Dass sich Wirtschaftswachstum und CO2-Ausstoß entkoppeln lassen, ist belegt. Seit 1990 hat Deutschland seinen Ausstoß an Treibhausgasen um 31 Prozent reduziert, während die Wirtschaftsleistung wesentlich stärker gestiegen ist. Auch Schweden hat sein Steuersystem unter Klimaschutzaspekten umgebaut, und seine Wirtschaft ist seit 1995 um 75 Prozent gewachsen, während die Emissionen um 25 Prozent gesunken sind.
Dieses "Wunder" basiert auf technologischem Fortschritt. Vieles mehr ist denkbar. Deutschland möchte 2050 CO2-neutral wirtschaften und leben. Das bedeutet nicht, dass dann gar keine Treibhausgase mehr verursacht werden dürfen. Neutral heißt: Es darf nicht mehr ausgestoßen werden, als sich anderweitig binden lässt. Steigende Kosten für die Vermeidung von CO2 werden dafür sorgen, dass Unternehmen neue Technologien entwickeln, um CO2 abzuscheiden und es in Produkte einzubauen oder sicher im Boden zu verwahren. Die Beratungsfirma Boston Consulting hält das Potenzial für enorm. Derzeit würden über solche Projekte erst 30 Millionen Tonnen CO2 "unschädlich" gemacht, langfristig könnten es zweistellige Milliarden Tonnen sein.
Ein Problem sieht der Ökonom Björn Lomborg darin, dass Unternehmen ihren Blick auf die nächsten zwei bis fünf Jahre richten, während der Horizont für Klimaschutz 20 bis 40 Jahre umfassen muss. Private Forschungsausgaben für Klimaschutz orientierten sich daher eher an kurzfristigen Erträgen, etwa durch Ausschöpfen vorhandener Einsparpotenziale. Die für eine klimaneutrale Welt nötigen Technologiesprünge seien darüber allein nicht zu erwarten, sondern kämen nur, wenn die Staaten viel größere Summen als heute in die Erforschung grüner Technologien steckten.
Internationale Koordination
Wie aber lässt sich verhindern, dass die Anstrengungen einzelner Länder zur CO2-Einsparung verpuffen, weil andere umso mehr ausstoßen, auch weil Produktionsprozesse verlagert werden? Ökonomen haben auch dafür eine Lösung ersonnen: die Grenzausgleichssteuer. Das ist eine Art CO2-Zoll, der auf dem Gedanken basiert, dass die Exporte der Länder, die keinen CO2-Preis haben und deswegen günstiger produzieren können, bei der Einfuhr in Länder, die einen CO2-Preis erheben, verteuert werden. Der Aufschlag entspricht dem CO2-Preis im Inland. Für jede Ware muss der mit der Produktion verbundene C02-Ausstoß gemessen und deklariert werden, ein höchst bürokratisches, missbrauchsanfälliges System. Länder, die beim Klimaschutz nicht mitmachen, hätten dann jedoch keinen unfairen Handelsvorteil mehr und bekämen einen Anreiz, sich der Bepreisung anzuschließen. Das Ausland könnte eine solche Politik aber mit handelspolitischen Gegenmaßnahmen (Strafzöllen) erwidern, warnt das Institut für Weltwirtschaft.
Fazit
Klimaschutz gelingt nicht ohne Kapital und Kapitalismus. "The Economist" drückt es so aus: "Es liegt ein immenser Wert in der Kraft, Innovation und Anpassungsfähigkeit, die freie Märkte in die Volkwirtschaften bringen. Marktwirtschaften sind die Brunnen, die die Antworten produzieren, die Klimawandel braucht."