Seit ihren ersten größeren Demonstrationen – in Deutschland ab Januar 2019 – erfährt die klimapolitische Bewegung Fridays for Future (FFF) nicht nur eine außergewöhnliche Beachtung, sondern auch eine überwiegend positive Resonanz. Ein Schlüssel zum Verständnis der Dynamik dieser Bewegung liegt in der Analyse ihrer Wechselbeziehung mit den Medien. Diesem Aspekt widmet sich der erste Teil des vorliegenden Beitrags. Im zweiten Teil wird vor dem Hintergrund der verbreiteten Annahme, es handle sich um eine "neuartige Bewegung", FFF in seinen generellen Merkmalen wie auch seinen Besonderheiten vorgestellt. Drittens soll im Lichte von Stilisierungen sowohl der Massenmedien als auch in den Selbstportraits der Bewegung aufgezeigt werden, vor welchen Herausforderungen sie steht.
FFF und die Massenmedien
Das Verhältnis von sozialen Bewegungen und Medien ist verallgemeinernd als Symbiose beschrieben worden.
Die typische Verknüpfung von hoher Sichtbarkeit und schroffer Ablehnung in Reaktion auf Protestgewalt gilt in schwächerem Maße auch für kollektiven zivilen Ungehorsam, der einen strikt gewaltfreien Regel- beziehungsweise Gesetzesbruch umfasst und an weitere Voraussetzungen gebunden ist. Nicht unbeeinflusst von Inhalten, Trägern, Zahl der Beteiligten und dem Verhalten der Ordnungskräfte verspricht ziviler Ungehorsam mediale Aufmerksamkeit, kann aber, im Unterschied zur Protestgewalt, bei Teilen der etablierten Medien wie auch in der Bevölkerung durchaus Verständnis oder gar ausdrückliche Billigung finden. Beispielhaft dafür stehen in Deutschland Sitzblockaden gegen die Stationierung von Mittelstreckenraketen in der ersten Hälfte der 1980er Jahre sowie die Platzbesetzungen in Wyhl 1975 und im Hambacher Forst 2018. Wie kontextabhängig im Unterschied zu brachialer Protestgewalt der Umgang mit zivilem Ungehorsam ausfällt, illustriert ein Vergleich zweier Aktionen: Die kurzzeitige Blockade einer Rheinbrücke im März 1994 durch in Deutschland lebende Kurden wurde fast einhellig verurteilt. Dagegen gab es viel Verständnis für die Blockade des Brenner-Passes an der österreichisch-italienischen Grenze durch rund 4.000 Lastwagenfahrer im Februar 1984.
Im Vergleich zu zivilem Ungehorsam wie auch gewaltförmigem Handeln ist regelkonformen Protesten mediale Aufmerksamkeit keineswegs garantiert. Es bedarf dann einer relativ großen Zahl von Protestierenden, der Unterstützung durch Prominente oder einer spektakulären Aktionsform, um eine Berichterstattung auszulösen. Vor diesem Hintergrund ist die enorme und bis dato anhaltende mediale Aufmerksamkeit auch für kleinere Aktionen von FFF nicht selbstverständlich. Diese Reaktion ist nur durch die Kombination einer Reihe von Faktoren zu erklären. Dazu gehören der Aktionsimpuls der zugleich kindlich wie entschlossen wirkenden Greta Thunberg, die Prägung der Proteste durch sehr junge und teilweise gut informierte Schüler:innen, die heiß debattierte Regelverletzung in Form des "Schulstreiks", die kritischen Attacken vonseiten einzelner Presseorgane und Politiker:innen im Kontrast zu der breiten medialen und politischen Unterstützung unter Einschluss von eigens gebildeten Gruppierungen wie Parents for Future.
Neben diesen eher an Oberflächen angesiedelten Faktoren sorgen auch einige teils strukturelle Gründe für die sich anbietende Mediatisierung von FFF. Zu nennen ist die objektive Dringlichkeit der seit gut drei Jahrzehnten zunächst primär wissenschaftsintern, dann auch öffentlich debattierten "Klimakrise" als einer "Menschheitsherausforderung" (Angela Merkel), die Erkenntnis, dass eine Reihe von Ländern, darunter auch Deutschland, ihre klimapolitischen Zwischenziele nicht einhalten wird, die Problematisierung und Politisierung der Umwelt- und Klimafrage durch die beharrliche Vorarbeit von Umweltverbänden, die offensiven Aktionen von Gruppen wie Ende Gelände gegen den weiteren Abbau von Braunkohle, die Einsetzung der sogenannten Kohlekommission und die Ankündigung konkreter klimapolitischer Weichenstellungen seitens der Bundesregierung. Hinzugekommen ist die Erfahrung von klimabedingten Extremwetterlagen mit Stürmen, Hochwasser und Trockenheit. All dies machte die Klimafrage zu einem Großthema.
Ohne dieses Faktorenbündel wäre die mediale Präsenz von FFF und die damit eng zusammenhängende Massenmobilisierung weitaus schwächer ausgefallen und hätte auch durch die ungefilterte Online-Kommunikation der Bewegung nicht kompensiert werden können. Die Stärke der Online-Medien und der darauf basierenden sozialen Netze liegt primär in der Kommunikation und Mobilisierung einer bereits sensibilisierten und motivierten Anhängerschaft. Neue, bis dato auf Distanz gebliebene soziale Kreise werden dagegen in erster Linie durch die online wie offline präsenten etablierten Medien und durch persönliche Gespräche informiert und mobilisiert. Dies zeigt auch eine Befragung von Teilnehmer:innen an FFF-Protesten.
Wenngleich die etablierten Medien fast ausnahmslos in relativ großer Breite und Dichte über FFF berichteten, so weisen sie doch in ihrer Fokussierung und besonders in ihren Bewertungen markante Unterschiede auf. Hier zeigt sich erneut ein Grundmuster, das bereits in der Berichterstattung über andere linke beziehungsweise "progressive" Bewegungen zutage getreten ist:
Auffällig ist die große Konvergenz bei der Bildauswahl. Gezeigt werden vornehmlich die ganz jungen Demonstrierenden mit selbst gebastelten Schildern und individuellen Sprüchen; gezeigt wird häufig auch eine Menschenmasse, die in starkem Kontrast zu den düsteren Szenarien einer möglichen Klimakatastrophe den Eindruck von Zuversicht vermittelt. Wird in der bewegungssoziologischen Literatur zuweilen die Kombination eines zugleich anziehenden und bedrohlichen Erscheinungsbilds als besonders wirksam beschrieben,
Im Großen und Ganzen entspricht das bewegungsseitige Angebot in hohem Maße der medialen Nachfrage. Beide Seiten sind an einer Wechselbeziehung interessiert, sie profitieren davon und tätigen entsprechende Investitionen. Auch der Sachverhalt, dass einzelne Journalist:innen sich vehement gegen den medialen Mainstream stellen und Greta Thunberg scharf attackieren, ist mit der Medienlogik völlig kompatibel, kann man doch individuelle Sichtbarkeit erlangen, indem man gegen den Strom schwimmt.
Es wäre übertrieben, FFF als Kind der Medien zu bezeichnen. Die Medien haben FFF nicht geschaffen, aber sie waren bis heute ganz wesentlich für das Wachsen und Gedeihen der Bewegung verantwortlich. Diese Quasi-Symbiose konnte allerdings nur aufrechterhalten werden, weil FFF etliche der Fehler vermieden hat, die andere Bewegungen beeinträchtigt oder gar zu Fall gebracht haben.
Einzigartig?
Die Konkurrenz um knappe öffentliche Aufmerksamkeit begünstigt die Neigung, FFF als etwas ganz Neues zu beschreiben und die Bewegung mit Superlativen zu versehen. Die Rede ist dann von der Politisierung einer ganzen Generation oder von einer weltweiten Bewegung. Überhöhte Angaben zur Zahl der Demonstrierenden und die Aufzählung exotisch anmutender Demonstrationsorte ("Auch Ugandas Jugend streikt fürs Klima") verstärken diesen Effekt. Von solchen Signalen können durchaus Sogwirkungen für weitere Mobilisierungen ausgehen, sie können aber auch zu einer verfehlten Messlatte für künftige Proteste werden.
Die Behauptung, mit FFF betrete erstmals eine ganz junge Generation die außerparlamentarische Bühne, ist nicht haltbar. Es ist daran zu erinnern, dass im Kontext der Studentenbewegung in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre eine Schüler- und Lehrlingsbewegung existierte. Auch die Proteste gegen den Golfkrieg 1991 wurden zumindest in Deutschland überwiegend von Jugendlichen getragen, darunter viele Gymnasiasten. Weiterhin bestand die prodemokratische Protestbewegung in Hongkong 2014, anders als die in ihrer Altersstruktur stärker gemischte derzeitige Massenmobilisierung, vor allem aus sehr jungen Leuten. In den USA trat 2018 eine überwiegend von den Schulen ausgehende jugendliche Protestbewegung auf den Plan, um angesichts tödlicher Amokläufe an Schulen eine restriktive Waffengesetzgebung einzufordern. Aber auch im Lichte dieser Beispiele bleibt festzuhalten, dass die an FFF Beteiligten ein außergewöhnlich niedriges Durchschnittsalter aufweisen.
Die Behauptung, mit FFF ginge praktisch eine ganze Generation auf die Straße, ist angesichts der verfügbaren Zahlen zu bezweifeln.
Auch ist der Eindruck zurückzuweisen, dass mit FFF erstmals eine relevante klimapolitische Bewegung auf den Plan tritt. Mit FFF hat diese Bewegung eine bislang unerreichte Breite und Stoßkraft erlangt, doch ist ihr Mobilisierungserfolg auch Ergebnis der jahrzehntelangen Kärrnerarbeit von umwelt- und klimapolitischen Organisationen, darunter die großen Umweltverbände und spezialisierte Gruppierungen wie Climate Justice Now! und die offensiv gegen die Braunkohleförderung agierende Gruppe Ende Gelände. Nicht zuletzt diese Vorarbeit hat im Verbund mit der international aufgestellten Klimaforschung zu den Beschlüssen der Pariser Klimakonferenz vom Dezember 2015 geführt. Daher ist es auch übertrieben zu behaupten, dass gerade die ganz Jungen sich um die Zukunft des Planeten im Allgemeinen und den Klimaschutz im Besonderen kümmern. Vielmehr werden die Sorgen um die Zukunft altersübergreifend geteilt, wie Befragungen von Protestierenden im Kontext von FFF,
Ein Unikum bildet allerdings der Sachverhalt, dass mit Greta Thunberg eine damals 15-Jährige eine Protestlawine internationalen Ausmaßes lostreten konnte. Im Vergleich dazu war die Ausstrahlung anderer Ikonen eines überwiegend jugendgeprägten Protests weitaus begrenzter. Das gilt für den charismatischen Aktivisten Xiuhtezcatl Martinez, der 2015 mit 15 Jahren einen Auftritt vor der UN-Versammlung in New York hatte und bald als "Star" der US-amerikanischen Anti-Fracking-Bewegung bezeichnet wurde, wie für Joshua Wong, der 2011 als 14-Jähriger die Hongkonger Bewegung Scholarism gegen die Einführung des ideologisch gefärbten Schulfachs zur "moralischen und nationalen Erziehung" mitinitiierte, 2014 zu einem Wortführer der Regenbogenproteste wurde und heute als wichtiger Protagonist der Demokratiebewegung in Hongkong auftritt. Aber selbst bei FFF zündet der Funke nicht überall. Inspiriert durch Thunberg hatte die 13-jährige Alexandria Villaseñor ab Mitte Dezember 2018 freitags vor dem Sitz der Vereinten Nationen in New York für den Klimaschutz protestiert, war aber mit dieser Aktion monatelang allein geblieben.
Die bisherigen Aktionen von FFF in Form der routineförmigen Freitagsproteste sind konventionell; allerdings erhalten sie durch die Deklaration als "Schulstreik" eine besondere Note. Ein kollektiver "Schulstreik", so in München im Februar 2010, war in der Vergangenheit ein seltenes Ereignis und zielte auf Missstände im Schul- und Bildungssystem. Die mit FFF einsetzenden freitäglichen Schulstreiks fanden dagegen bundesweit statt, galten nicht dem Bildungssystem und wurden fortlaufend ohne Aussicht auf ein absehbares Ende durchgeführt. Damit sorgten sie vor allem in der Anfangsphase der Bewegung für erheblichen Diskussions- und Zündstoff. Teilweise überschattete die Debatte um die Angemessenheit des "Streiks" vor dem Hintergrund der in Deutschland geltenden allgemeinen Schulpflicht das Anliegen des Klimaschutzes. Einzelne Lehrer:innen, Schulleiter:innen und Vertreter:innen der Schulbehörden vertraten eine restriktive Linie, forderten Sanktionen und behaupteten, die Lust am Schulschwänzen sei das eigentliche Motiv der Schüler:innen. Substanzieller war allerdings das Argument, die Hinnahme von Schulstreiks – und sei es auch für einen guten Zweck – öffne den Weg für jegliche Art politischer Agitation während der Schulzeit und könne somit auch von extremistischen Gruppen genutzt werden.
Das Gros der direkt oder indirekt Beteiligten, darunter auch die Mehrheit der Elternschaft, vertrat dagegen einen liberalen Kurs. Dieser umfasste den Verzicht auf rigide Kontrollen, die Akzeptanz von "Krankschreibungen" der Schüler:innen, die an Demonstrationen teilnahmen, zuweilen auch die Legitimation der Teilnahme an Demonstrationen als Teil eines Projektunterrichts. Die protestierenden Schüler:innen entschärften ihrerseits den auf ihnen lastenden Sanktionsdruck, indem sie an vielen Orten davon absahen, wöchentlich zu demonstrieren oder Demonstrationen zeitlich so ansetzten, dass lediglich zwei oder drei Schulstunden betroffen waren.
Im Vergleich zu Bewegungen, die andere Themen und Anliegen vertreten, sind mit Blick auf FFF in Deutschland mehrere Merkmale hervorzuheben: das niedrige Durchschnittsalter, die Herkunft aus Schichten mit hohem Bildungsniveau, der überproportionale Frauenanteil, die weitgehende Informalität der Organisationsstrukturen, die Präsenz in fast allen Regionen, die Internationalität der Bewegung, die relativ enge, Systemfragen weitgehend ausklammernde thematische Begrenzung, der friedliche Charakter der Aktionsformen und die große Unterstützung der Bewegung auch durch etablierte Gruppen und Organisationen. All dies sind keine exklusiven Kennzeichen von FFF, aber machen in dieser Kombination die Bewegung doch ziemlich einzigartig. Vermutlich kommt die Friedensbewegung in der Bundesrepublik in der ersten Hälfte der 1980er Jahre dem Profil von FFF am nächsten. Bewegungen der jüngeren Vergangenheit, darunter Occupy, Pulse of Europe und #unteilbar, entsprechen FFF immerhin zum Teil.
Erfolge, Probleme und Herausforderungen
Während der ersten neun Monate seiner Existenz hat sich der deutsche Ableger von FFF in erstaunlicher Weise entwickelt und gefestigt. Neben den routineförmigen Freitagsdemonstrationen hat die Bewegung mehrfach außerordentliche Anlässe geboten, um Massen zu mobilisieren und mediale Resonanz zu erzeugen. Dazu gehören die internationalen Aktionstage am 15. März und 20. September 2019, die Demonstrationen gegen die Internationale Automobil-Ausstellung in Frankfurt, der zweimalige Besuch Thunbergs in Deutschland, das Sommercamp in Dortmund und die auch von anderen Organisationen unterstützten Proteste (#allefürsklima) gegen den Braunkohleabbau im Großraum Köln-Aachen mit dem Hambacher Forst als einem Brennpunkt der Auseinandersetzung.
FFF hat die Mehrzahl der Herausforderungen bislang gut gemeistert. Die Bewegung blieb bei ihren Kernforderungen und hat der Versuchung widerstanden, ihr Themenspektrum weit zu öffnen. Damit kamen individuelle Motive und Ziele der Bewegung in hohem Maße zur Deckung. Anders als Occupy entwickelte FFF bald eine zumindest nach außen hin geräuscharm funktionierende Kommunikations- und Mobilisierungsstruktur, blieb offen und kooperativ gegenüber externen Unterstützergruppen, vor allem den etablierten Umweltverbänden, und erfuhr durch angelagerte Sympathisantengruppen (Parents/Scientists/Entrepreneurs/Artists/Doctors for Future) eine symbolische wie praktische Verstärkung. Zudem verstand es FFF, vereinzelte Anbiederungen von Trittbrettfahrern wie der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands abzublocken. Vertreter:innen von FFF agierten geschickt bei medialen Auftritten in Interviews und Talkshows. Vor allem aber bot FFF ein weithin überzeugendes Deutungsangebot (Framing)
Trotz aller bisherigen Pluspunkte ist nicht sehr wahrscheinlich, dass der Höhenflug von FFF einfach fortgesetzt werden kann. Probleme und Herausforderungen zeichnen sich in mehrfacher Hinsicht ab: Bezogen auf seine Organisation und interne Verfassung wird FFF kaum umhinkommen, sein Stadium der Informalität und Improvisation ein Stück weit zu überwinden und sich stärker zu strukturieren. Dazu bedarf es mehr Transparenz über Kompetenzen, Verantwortlichkeiten und Entscheidungen einzelner Personen und Gruppen, nicht zuletzt auch einer Rechtsform, die es erlaubt, finanzielle Transaktionen in eigener Regie und in eigenem Namen zu tätigen. Das muss, wie andere Bewegungen gezeigt haben, nicht in Vereinsmeierei münden. Aber solche Schritte werden doch interne Spannungen erzeugen, wenn zum Beispiel Zielkonflikte zwischen schnellen und klaren Entscheidungen einerseits und basisdemokratischen Prinzipien andererseits anstehen.
Für jede über einen längeren Zeitraum existierende Bewegung stellt sich die Herausforderung, ihrer Veralltäglichung und Entzauberung entgegenzuwirken. Das Repertoire von Originalität und Kreativität ist begrenzt. Begeisterung und damit verbundene Opferbereitschaft sind nur für einen relativ kleinen Kreis auf Dauer zu stellen. Der hohe Zeit- und Energieeinsatz, den ein Kern von Basisaktivist:innen derzeit zu leisten bereit ist, kann schnell zu einem Burnout führen, den größere Organisationen durch eine professionalisierte und bezahlte Mitarbeit auffangen. Die jugendliche Trägerschaft von FFF hat auch eine Kehrseite: Jugendliche neigen zu Formen des situativen Engagements.
Zu einem weiteren Problem kann sich auch die inhaltliche Ausrichtung entwickeln. Bisher erwies sich die Beschränkung der Themen und Forderungen von FFF auf ein – allerdings breites – Politikfeld als Vorteil, weil sie für ein klares Profil sorgte. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass die von der Klimakrise inspirierte Kritik allmählich von punktuellen Forderungen zu grundsätzlicheren Fragen führt: nach der Verflechtung politischer und wirtschaftlicher Eliten, der Begrenzung marktwirtschaftlicher Dynamiken durch eine straffe Ordnungspolitik, der Reichweite und Akzeptanz von Verboten, schließlich auch der angeblichen Alternativlosigkeit eines kapitalistisch getriebenen Wirtschaftswachstums. Die Antworten auf derartige Fragen werden innerhalb von FFF unterschiedlich ausfallen. Sie können eine Quelle von Spannungen und Differenzierungsprozessen bilden, am Ende sogar zu Abspaltungen führen, wie es die Geschichte zahlreicher sozialer Bewegungen lehrt.
In enger Verbindung mit der Frage nach der inhaltlich begründeten Eingriffstiefe angestrebter gesellschaftlicher und politischer Zielsetzungen steht die Frage nach den angemessenen Strategien. Radikale Zielsetzungen sind häufig, aber nicht zwangsläufig, mit der Wahl offensiver beziehungsweise radikaler Mittel des Protests verbunden – vor allem dann, wenn bei einer Festlegung auf harmlose Aktionsformen sichtbare Erfolge ausbleiben, zugleich aber Zeitdruck beschworen wird, dessen Missachtung irreversible globale Schäden nach sich ziehen würde. FFF wird sich also der Frage stellen müssen, ob es weiterhin auf Information, Aufklärung und regelkonforme Aktionen setzt und/oder zu offensiven Protestformen einschließlich zivilen Ungehorsams übergeht. Auch wenn entgegen manchen Behauptungen die Praxis des wohl verstandenen zivilen Ungehorsams keineswegs eine Vorstufe zur Protestgewalt darstellt, so markiert sie doch einen qualitativen Schritt, den viele nicht mitzugehen bereit sind, sei es aus prinzipieller Gesetzestreue, sei es aus Furcht vor Sanktionen. Die Existenz von klimapolitisch engagierten Gruppen, die zivilen Ungehorsam propagieren und praktizieren, wird sowohl einzelne Aktivist:innen als auch FFF als organisatorischen Verbund zu einer Positionierung nötigen, die kaum ohne Streit verlaufen dürfte. Die Hinwendung zu einer radikaleren Haltung, zuletzt sichtbar bei Thunbergs "Wutrede" vor der New Yorker UN-Klimakonferenz, mag innerhalb von FFF begrüßt werden, hat aber aufgrund ihrer Tonlage zahlreiche kritische Kommentare provoziert.
Die Diagnose einer "Bewegung auf der Kippe"