Einleitung
Die Sicherung eines menschenwürdigen Auskommens durch ein existenzsicherndes Einkommen gehört zu den vornehmsten Aufgaben der Sozialpolitik. Dabei hat sich im Verlauf des 20. Jahrhunderts gezeigt, dass eine Entkopplung der marktgesteuerten Produktion von Gütern und Dienstleistungen von der staatlich gesteuerten Distribution von Sozialeinkommen sowie dem Zugang zu sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Diensten den Bedürfnissen und Werten der Bevölkerung wie den Funktionsanforderungen einer hoch arbeitsteiligen Gesellschaft entgegenkommt. Gosta Esping-Andersen bezeichnete diesen Prozess als "Dekommodifizierung".
Die Entgegensetzung von nationaler und betrieblicher "Arbeiterpolitik" (Sozialversicherungen) und kommunaler "Armenpolitik" (Fürsorge, Sozialhilfe), von fleißigem Arbeitnehmer und "unwürdigem" Armen prägte gerade die deutsche Sozialpolitik. Mit der "Agenda 2010" der rot-grünen Bundesregierung im Jahr 2003 und der seit 2005 wirksamen Zusammenlegung der bundesfinanzierten Arbeitslosenhilfe mit der kommunal finanzierten Sozialhilfe zu einem aus Bundesmitteln finanzierten "Arbeitslosengeld II" bzw. "Sozialgeld" ("Hartz IV") wurde die Grundeinkommenssicherung in Deutschland strukturell neu geordnet. Im Folgenden werden die Möglichkeiten eines garantierten, bedingungslosen Grundeinkommens insbesondere am Beispiel einer "Grundeinkommensversicherung" und eines "Solidarischen Bürgergeldes" diskutiert.
Einkommenssicherung im Sozialstaat
Im Grundgesetz (GG) wird die Bundesrepublik Deutschland als ein sozialer Bundesstaat und sozialer Rechtsstaat ausgewiesen (Art. 20 und 28). Dieser Staatszielbestimmung wird im Wesentlichen durch einen Mix sozialer Sicherungssysteme nachgekommen, die als zentrale Systemprinzipien den deutschen Sozialstaat kennzeichnen: die Fürsorge, die Versorgung und die Sozialversicherung. Seit dem Jahr 2003 wird auch in Deutschland ein viertes Sicherungssystem diskutiert: die Bürgerversicherung, die es bei vielen europäischen Nachbarn (z.B. Schweiz, Niederlande) schon seit Langem gibt und auch in der früheren DDR ansatzweise existierte.
Die Fürsorge bezieht sich in erster Linie auf die sozialstaatlichen Hilfen im Falle des Armutsrisikos. Zuständig dafür war bis 31. Dezember 2004 das System der Sozialhilfe, das Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Dies ist seit dem 1. Januar 2005 ersetzt worden durch das Sozialgesetzbuch (SGB) II und durch das SGB XII. Gekennzeichnet ist das System der Fürsorge durch die konsequente Orientierung am Bedarf, die Steuerfinanzierung, eine Nachrangigkeit gegenüber sonstigen Vermögen, Einkommen und Unterhaltsansprüchen, durch eine bedingte Rückzahlungsverpflichtung und, bezogen auf das SGB II, durch ein Sanktionsinstrumentarium zur Verpflichtung auf Erwerbsarbeit.
Das Prinzip der Versorgung beinhaltet die Entschädigung aus Steuermitteln für besondere Opfer, die dem Staat erbracht wurden (vor allem Kriegsopfer, Bundesversorgungsgesetz/BVG mit Nebengesetzen), sowie für soziale Status, die dem Staat besonders wichtig erscheinen, zum Beispiel für Beamte, aber auch die zentralen familienpolitischen Leistungen Kinder- und Elterngeld folgen diesem Prinzip, ebenso die Ausbildungsförderung. Diesen Leistungsansprüchen gehen keine Beitragszahlungen voraus.
Durch das Prinzip der Sozialversicherung werden im Kern die klassischen Risiken im gesamten Lebenslauf abgedeckt. Leistungsansprüche werden hier in erster Linie über das Lohnarbeitsverhältnis begründet und Leistungen erfolgen vorwiegend in Form von Geldleistungen, die als Ersatz für Arbeitslohn fungieren (z.B. Rente, Krankengeld, Arbeitslosengeld) und insoweit den bisherigen Lebensstandard sichern sollen. Das auf Bismarck und seine Sozialgesetze zurückgehende Sozialversicherungsprinzip gilt als spezifisch deutsche Errungenschaft und ist gekennzeichnet durch eine lohnbezogene Beitragserhebung, durch die paritätische Finanzierung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie durch eine Äquivalenz von Beiträgen und Leistungen.
Das Prinzip der Bürgerversicherung als egalitaristische Erweiterung der lohnarbeitszentrierten Sozialversicherung auf alle Bürger gehört neuerdings zur politischen Reformdiskussion in Deutschland. Erstmals wurde es im 2003 veröffentlichten Bericht der Kommission "Nachhaltigkeit in der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme", nach ihrem Vorsitzenden Bert Rürup auch "Rürup-Kommission" genannt, als Alternative zur lohnzentrierten Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung diskutiert.
In Tabelle 1 (vgl. PDF-Version) werden die vier Systemprinzipien der deutschen Sozialpolitik vergleichend dargestellt. Ergänzend wird aufgeführt, wie die Sicherung eines Mindesteinkommens im Rahmen dieser vier Prinzipien erfolgt bzw. erfolgen kann: Das Fürsorgeprinzip kennt hierfür die Sozialhilfe; innerhalb der Sozialversicherung geschieht dies durch die so genannte (bedarfsorientierte) Grundsicherung, seit 2003 in der Gesetzlichen Rentenversicherung, seit 2005 in der Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosengeld II/"Hartz IV"); im Rahmen des Versorgungsprinzips wäre ein allgemeines Grundeinkommen möglich, beispielsweise in Form einer Sozialdividende oder einer Negativen Einkommensteuer; schließlich wäre auch denkbar, eine Bürgerversicherung als Grundeinkommensversicherung auszugestalten. Diese Reformoptionen werden noch genauer ausgeführt.
Mit der spezifischen Ausgestaltung der sozialen Sicherung als Mix der drei erstgenannten Systemprinzipien, mit dem Schwerpunkt auf der Sozialversicherung, gilt der deutsche Sozialstaat als konservatives wohlfahrtsstaatliches Arrangement, das sich vom liberalen Typus angelsächsischer Prägung und dem sozialdemokratischen Typus skandinavischer Prägung unterscheidet. Diese Differenzierung wurde von Esping-Andersen mit der Typologie der "Drei Welten des Wohlfahrtskapitalismus" eingeführt. Esping-Andersen unterschied drei verschiedene Ausprägungen wohlfahrtsstaatlicher Regime: der liberale, der sozialdemokratische (sozialistische) und der konservative Typus.
Seit 2003 entbrannte eine hitzige politische Debatte um die Zukunft des deutschen Wohlfahrtsstaatsmodells. Das Handeln der politischen Eliten war dabei eingebettet in einen Modernisierungsdiskurs, der dem Sozialstaat scharfe Kritik, vorrangig mit Bezug auf Finanzierbarkeit, Kostenineffizienz und mangelnde Problemlösungskompetenz einbrachte. Der angestrebte Umbau des Sozialstaats erfolgte dabei unter der Signatur der "Aktivierung" und der mit ihr verbundenen Maxime des "Fördern und Fordern". Beide Begriffe sind seit den 1990er Jahren zu einem zentralen Leitbild der westlichen "Transformation des Wohlfahrtsstaates" geworden.
Über das 4. "Hartz-Gesetz" wurde die Zusammenlegung der Arbeitslosen- mit der Sozialhilfe vollzogen. Als SGB II implementiert, regelt es seit 1. Januar 2005 in Form des Arbeitslosengeldes II (ALG II) die Grundsicherung für Arbeitsuchende, die länger als ein Jahr arbeitslos sind, und das Sozialgeld für deren nichterwerbsfähige Angehörige. Es löste damit das bis zum 31. Dezember 2004 bestehende Bundessozialhilfegesetz (BSHG) ab, das seither - als SGB XII - nur noch für solche Erwerbslose gilt, die länger oder dauerhaft erwerbsunfähig sind. Alle drei Systeme sind als Fürsorgeleistungen konsequent nach der Bedarfsorientierung ausgerichtet und unterscheiden sich damit vom klassischen System der Arbeitslosenversicherung (ALG I), das als Sozialversicherungssystem die am früheren Lohn orientierte Standardabsicherung gegen das Risiko Arbeitslosigkeit darstellt (vgl. Tabelle 2 der PDF-Version).
Mit der Einführung des SGB II wurde das System der Arbeitslosenhilfe abgeschafft. Wo noch bis 31. Dezember 2004 die frühere Erwerbseinkommenssituation ausschlaggebend für die Höhe der Leistung war, orientiert sie sich nun an den Regelsätzen der Sozialhilfe und einer hinzuzurechnenden Pauschale für einmalige Leistungen vor allem für Kleidung, Wohnungsausstattung, Renovierungen usw. Das Arbeitslosengeld II beträgt für das erste (volljährige) Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft 347 Euro (seit dem 1. Juli 2007). Miet- und Heizkosten werden, sofern angemessen, zusätzlich in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen gezahlt. Vor Inanspruchnahme muss ein Langzeitarbeitsloser, und als solche gelten die meisten Leistungsempfänger, von seinem anrechenbaren Vermögen leben. Wer mit den Pauschalen nicht umgehen kann, wird auf Sachleistungen verwiesen. Lebt der Arbeitslose in einer Ehe oder eheähnlichen Gemeinschaft, wird er zuerst auf die Unterstützung seines Partners verwiesen, erst danach werden öffentliche Leistungen gewährt. Kombiniert ist diese reduzierte Leistungsgewährung mit einer restriktiveren Zumutbarkeitsregelung, die durch Sanktionen durchsetzbar ist.
Die Details, aber auch die Gesamtheit dieser Reformmaßnahmen offenbaren den Paradigmenwechsel und verweisen deutlich auf das neue sozialpolitische Leitbild. Es verabschiedet sich vom bisherigen deutschen Modell der Sozialversicherung und ihrem Ziel der Lebensstandardsicherung und versucht durch finanzielle Einsparungen bei Erwerbslosen und einem vermehrten Druckpotenzial, die Vermittlung von Erwerbslosen in jegliche Form von Arbeit zu erreichen. Doch unter den gegenwärtigen konjunkturellen Bedingungen und einem strukturellen Arbeitsplatzdefizit von annähernd sieben Millionen erscheint die Verpflichtung auf jegliche Form zumutbarer Arbeit, unterstellte man das alleinige Ziel der Arbeitsmarktintegration, als sozial- und arbeitsmarktpolitisch wenig angemessen. Damit kommt die Frage nach einer Einkommenssicherung ohne Arbeitsverpflichtung in den Blick.
Der Diskurs um ein Grundeinkommen
Bereits in den 1980er Jahren begann in (West-) Deutschland die Diskussion um ein von der Erwerbsarbeit entkoppeltes garantiertes Grundeinkommen.
In den vergangenen zwanzig Jahren sind zahllose Veröffentlichungen erschienen, welche die Idee des Grundeinkommens diskutieren, wurde eine Reihe von Kostenrechnungen angestellt, diskutierte man in praktisch allen politischen Lagern über ein Grundeinkommen oder "Bürgergeld" und wurden ein internationales (Externer Link: www.basicincome.org ) wie ein deutsches Externer Link: www.grundeinkommen.de ) Grundeinkommensnetzwerk gegründet.
Die Frage nach den Chancen eines Grundeinkommens in Deutschland kann jedoch nicht nur auf dem Wege der akademischen Diskussion beantwortet werden.
Wie Tabelle 3 zeigt (vgl. PDF-Version), hatten die Deutschen ihre subjektive Schichteinstufung im Zeitraum von 1993 bis 2002 fast generell nach oben korrigiert. Umso bemerkenswerter ist die Entwicklung zwischen 2002 und 2004 - also genau im Zeitraum der "Agenda 2010" der rot-grünen Bundesregierung: Die subjektive Wahrnehmung eines Aufstiegs wich einer des Abstiegs.
Seit den 1980er Jahren wurde in akademischen Kreisen und zunächst im Umfeld der Grünen die Idee eines Grundeinkommens diskutiert. Die deutsche Einheit unterbrach die Diskussion, während sie in vielen anderen Ländern weiter geführt wurde. Dass sie erneut aufgeflammt ist, ist wohl eine Folge der Abstiegsangst bis in die Mittelschichten. Die Idee des Grundeinkommens bildet in den Augen ihrer Befürworter eine Antithese gegen gesellschaftliche Spaltung und Exklusion. Sie steht insoweit für ein Programm sozialer Grundrechte.
Insoweit verwundert es nicht, dass in der liberalen FDP Anfang 2005 eine "Kommission Bürgergeld" unter dem Vorsitz des (unterdessen) stellvertretenden Ministerpräsidenten Nordrhein-Westfalens Andreas Pinkwart ein Grundeinkommen vorschlug, das allen Bürgern in Form einer Negativen Einkommenssteuer garantiert würde, unabhängig von der Erwerbsarbeitsleistung. Verwunderung löste in der deutschen Öffentlichkeit eher aus, dass im Sommer 2006 der CDU-Ministerpräsident von Thüringen, Dieter Althaus, ein "Solidarisches Bürgergeld" in die Diskussion brachte.
Der Vorzug dieses Modells besteht darin, dass die Tradition der Sozialversicherung nicht abgebrochen würde, wie das bei einem rein steuerfinanzierten Grundeinkommen des Typs "Bürgergeld", "Negative Einkommenssteuer" oder "Sozialdividende" der Fall wäre. Sie würde aber modernisiert, da sich nun alle Bürger beteiligten. Der Nachteil ist, dass das Modell zwar jedem ein Grundeinkommen garantieren würde,aber im ersten Schritt diejenigen, die sich dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stellen wollen - und auch keine kleinen Kinder erziehen, nicht studieren, krank, behindert oder alt sind -, nur ein reduziertes Grundeinkommen (partial basic income) erhalten würden: ein "Bafög für alle", bei dem wie im heutigen "Bafög", der Ausbildungsförderung für Studierende, die Hälfte des Betrags als Darlehen gezahlt würde. Anstelle der für viele diskriminierend klingenden so genannten "Ein-Euro-Jobs" könnte der Darlehensanteil bei gemeinnützigem Engagement entfallen. Vor dem Hintergrund immer flexiblerer und prekärer Erwerbsarbeit wäre damit ein Instrument geschaffen, mit dem sich die Bürger neben und statt der Erwerbsarbeit phasenweise anderen Aufgaben zuwenden können. Wer sich erwerbslos meldet, erhält bei einer Grundeinkommensversicherung ohne Zeitbegrenzung einen Betrag zwischen Grundeinkommen und maximal dem Doppeltem, ohne Einkommensanrechnung und ohne Darlehensanteil. Die Gesellschaft bleibt in der Verantwortung für den Zugang zur Erwerbsarbeit. Ein Mix von Grundeinkommen und Erwerbseinkommen wird nicht als Problem, sondern als Chance gesehen.
Dieses neue Modell lässt sich als "garantistisch" bezeichnen. Der Sozialstaat garantiert das Existenzminimum und maximal das Doppelte. Wer mehr möchte,muss sich individuell oder gemeinschaftlich absichern, beispielsweise durch betriebliche und überbetriebliche Vereinbarungen. In der Schweiz hat die Rentenversicherung AHV dieses Prinzip verwirklicht: Alle Bürger zahlen 10,1 Prozent auf ihr gesamtes steuerliches Einkommen und erhalten eine existenzsichernde - im Einzelfall um einen AHV-Zuschlag ergänzte - Grundrente und maximal das Doppelte davon garantiert.
Im Rahmen dieses Modells werden unterschiedliche Steuersätze für Nettozahler und Nettoempfänger vorgeschlagen. Der Steuersatz unterhalb der Transfergrenze soll 50 % und oberhalb davon 25 % betragen. Der (Negativ-)Steuersatz 50 % bedeutet letztlich eine Transferentzugsrate, um die sich der Zuschuss zum Bruttoeinkommen verringert, und liegt deutlich unter den jetzigen Anrechnungsbeträgen beim Arbeitslosengeld II. Die positive Steuerzahlung beginnt erst ab der Transfergrenze. Der Grenzsteuersatz beträgt dann 25 %, der Durchschnittssteuersatz beginnt hier mit Null und steigt dann mit steigendem Einkommen bis auf 25 % an. Der Satz von 25 % ist also der Spitzensteuersatz. Damit es einen durchgängigen Steuertarif gibt, muss das Bürgergeld für die Nettozahler die Hälfte betragen wie für die Nettoempfänger. Sowohl das "große" wie das "kleine" Bürgergeld enthalten eine Gesundheitsprämie von 200 Euro monatlich, die für die Kranken- und Pflegeversicherung bestimmt ist. Kinder erhalten 300 Euro Bürgergeld, und zusätzlich eine Gesundheitsprämie von ebenfalls 200 Euro monatlich. Bewertung beider Modelle: In unserer Studie wird der Frage nachgegangen, ob, und wenn ja, wie das Bürgergeld durch die Einkommensteuer finanziert werden kann und welche Rolle ergänzende Finanzierungen für die Kranken- und Pflegeversicherung spielen (z.B. Lohnsummensteuer, Sozialsteuer). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es durch das "Solidarische Bürgergeld" zu erheblichen Ersparnissen bei bisher steuerfinanzierten Leistungen kommt, die zu einem großen Teil wegfallen können. Wie im Gutachten im Einzelnen diskutiert, wird das gesamte Einsparpotential auf etwas über 200 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Andererseits müssen einige bisher durch Beiträge finanzierte Sach- und Dienstleistungen nach Einführung des "Solidarischen Bürgergeldes" durch Steuern finanziert werden, beispielsweise Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik oder Rehabilitationsleistungen der Rentenversicherung. Dieser Zusatzbedarf wird auf etwa 10 Milliarden Euro geschätzt. Insgesamt liegt das gesamte Einsparvolumen etwa 5 bis 15 Milliarden Euro jährlich über den bisherigen Einnahmen der Lohn- und Einkommensteuer (einschließlich Solidaritätszuschlag).
Im Detail sind im Althaus-Modell des "Solidarischen Bürgergeldes" interessante Ergänzungen vorgesehen, beispielsweise, nach Schweizer Vorbild, für Rentner eine Zusatzrente bis zum Doppelten des Grundeinkommens und ein Rentenzuschlag, der die bestehenden Rentenansprüche sichert (finanziert über eine "Lohnsummensteuer", wiederum nach österreichischem Vorbild), oder für besondere Lebenslagen (z.B. Behinderung, überdurchschnittliche Wohnkosten oder für Alleinerziehende) ein "Bürgergeldzuschlag". Das "Solidarische Bürgergeld" soll einerseits einen "echten" Arbeitsmarkt schaffen, denn jede und jeder kann für oder gegen Erwerbsarbeit optieren, Teilzeitarbeit lohnt und freiwilliges Engagement, Familienarbeit wie Bildungsphasen sind abgesichert. Die Lohndifferenzierung im unteren Einkommensbereich führt nicht mehr zu Armut.
Ob ein Grundeinkommen finanzierbar ist, hängt von seiner Ausgestaltung ab. Das Modell der nach dem Vorbild der Schweizer Rentenversicherung AHV konstruierten "Grundeinkommensversicherung", die jedem ein Grundeinkommen in Höhe des Existenzminimums und maximal das Doppelte garantiert, würde über eine Sozialsteuer von 17,5 % auf alle Einkommen finanziert. Auch der Vorschlag des "Solidarischen Bürgergeldes" erscheint finanzierbar, wenn Modifikationen vorgenommen werden. Es zeigt sich, dass je nach politischer Präferenz bei einer Transferentzugsrate von 80 % und einem Spitzensteuersatz von 35 % oder auch bei einer Transferentzugsrate von 70 % und einem Spitzensteuersatz von 40 % sowohl das Bürgergeld als auch die Gesundheitsprämie in den genannten Größenordnungen kostenneutral finanzierbar sind. Diese Steuersätze klingen im Vergleich zum Ursprungsvorschlag (Transferentzugsrate von 50 % und Steuersatz von 25 %) relativ hoch, allerdings ist zu bedenken, dass heute in Deutschland die maximale Durchschnittsbelastung mit Steuern und Arbeitnehmerbeiträgen für die Sozialversicherung für einen abhängig Beschäftigten bis zu 50 % und die Grenzbelastung bis zu 70 % beträgt. Es wird gezeigt, dass die simulierten Durchschnittssteuersätze für alle Einkommensgruppen deutlich unterhalb der jetzigen Belastungsquoten mit Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen liegen.
Die Finanzierbarkeit des Modells "Solidarisches Bürgergeld" - und generell eines Grundeinkommens in Deutschland - wurde in unserem Gutachten eher konservativ betrachtet. Thomas Straubhaar und Ingrid Hohenleitner argumentieren, dass man nach einer Körperschaftssteuerreform das "Volkseinkommen" der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) als Bemessungsgrundlage des "Solidarischen Bürgergeldes" heranziehen könnte, das im Jahr 2004 mit 1 650,6 Mrd. Euro um 22,6 Prozent höher lag als unsere Bezugsgröße. Dies würde zu Mehreinnahmen zwischen 75 und 150 Mrd. Euro führen und damit auch zu deutlich niedrigeren Steuerbelastungen bzw. dazu, dass die im Konzept von Althaus angesetzten Werte (Transferentzugsrate, Steuersätze) ohne oder nur mit sehr geringen Modifikationen erreichbar wären.
Ausblick
Die beiden hier ausführlicher dargestellten Grundeinkommensmodelle - Grundeinkommensversicherung und Solidarisches Bürgergeld - sind Gegenstand einer regen Debatte um eine grundlegende Reform der Einkommenssicherung im deutschen Sozialstaat. Dabei fällt auf, dass die Diskussion mittlerweile im gesamten konservativen, liberalen, grünen und linken Spektrum stattfindet. Selbst in der bislang äußerst zurückhaltenden sozialdemokratischen Partei, die das Konzept der "Grundsicherung" innerhalb der lohnarbeitszentrierten Sozialversicherungen favorisiert, werden unterdessen Konferenzen zu einer Grundeinkommensreform veranstaltet.
Die zwischen 1968 und 1980 in den USA durchgeführten und differenziert evaluierten Großexperimente mit einer "Negativen Einkommensteuer" zeigen, dass sich die Arbeitsmarktorientierung nur bei wenigen Gruppen, im Wesentlichen alleinerziehende Frauen mit mehreren Kindern, reduziert hat.
Ist ein Sozialreform in Richtung Grundeinkommen wünschenswert? Verfechter einer Politik der "Aktivierung" befürchten, dass ein Grundeinkommen die moralischen Grundlagen des Wohlfahrtsstaates erodiert, indem Selbständigkeit, Eigenverantwortlichkeit und Leistungsmotivation zurückgedrängt werden.