Einleitung
Kaum waren am 18. September die ersten Wahlergebnisse bekannt geworden, war bereits von einem "Desaster für die Demoskopen" die Rede.
Wählerinnen und Wähler entscheiden sich erst kurzfristig, ob sie überhaupt wählen gehen, und wenn ja, welcher Partei sie ihre Stimme geben wollen. Von Wahl zu Wahl wechseln sie ihre Parteipräferenzen und überlegen es sich dann auch noch im Laufe des Wahlkampfes anders. Diese Unentschlossenheit besteht bei einem beträchtlichen Teil der Wählerschaft bis unmittelbar vor der Wahl. Wie schon bei den Bundestagswahlen 1998 und 2002 galt auch 2005 mindestens ein Viertel der Wahlberechtigten als "unentschieden". Schließlich sind da auch noch diejenigen, die ihre Stimmen zum taktischen Wählen einsetzen, um bestimmte Koalitionen zu fördern oder gerade zu verhindern. Das hohe Zweitstimmenergebnis der FDP bei der zurückliegenden Wahl spricht zum Beispiel dafür, dass wenigstens bei einem Teil ihrer Wählerschaft solche taktischen Überlegungen eine Rolle spielten.
Diese Unsicherheiten über die Wählerinnen und Wähler machen den Umfrageinstituten das Leben schwer. Es ist noch gar nicht so lange her, da war das Verhalten der Wählerschaft erheblich besser vorauszusagen. Mit den klassischen Theorien des Wählerverhaltens konnte aufgrund soziologischer Merkmale oder aufgrund der langfristig stabilen Parteineigung mit hoher Wahrscheinlichkeit berechnet werden, wem ein Wähler seine Stimme geben wird.
Die Strategien, die in einem Wahlkampf zum Einsatz kommen, folgen gewissen Routinen, müssen aber auch den neuen Gegebenheiten des Wählerverhaltens sowie der jeweils aktuellen Situation vor einer Wahl angepasst werden - und dies alles zu den Bedingungen der medialisierten Gesellschaft. Diese erweitert zwar die Kommunikationsmöglichkeiten für die Wahlkämpfer, verlangt aber zugleich die Adaption an die Logik der Medien in formaler und inhaltlicher Hinsicht. Schließlich spielt sich Wahlkampf im Mit- und Gegeneinander von Parteien und Kandidaten ab, die beim Entwurf eines Wahlkampfkonzeptes nicht außer Acht gelassen werden können.
Welchen Strategien die Parteien jeweils für ihre Präsentation gegenüber der Wählerschaft folgen, lässt sich am sichersten an denjenigen Kampagnemitteln ablesen, die nicht den Selektions- und Bearbeitungsweisen der Medien unterliegen. Das sind vorrangig die Fernseh- und Radiospots der Parteien, Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften, die von den Massenmedien in unveränderter Form abgedruckt werden, sowie die Wahlplakate. Die Strategien treten außerdem bei solchen Medienauftritten von Kandidatinnen und Kandidaten hervor, die deren Selbstdarstellung nur wenig beeinflussen, also bei allen Formen von Gesprächssendungen. Analysen der Medienberichterstattung über Wahlkämpfe spiegeln zwar ebenfalls die Angebote der politischen Akteure wider, geben aber mehr noch Aufschluss über den Umgang der Medien mit diesen Angeboten und damit über die journalistischen Aufmerksamkeits- und Bearbeitungsroutinen.
Wahlkampfstrategien
Insbesondere die Bundestagswahlkämpfe seit 1998, an denen der medienversierte Kanzler (-kandidat) Gerhard Schröder beteiligt war, haben die Diskussion über die vermeintliche Personalisierung der Parteienkampagnen angefacht und der Politik den Vorwurf der Themenarmut eingebracht. Personalisierung ist allerdings keineswegs eine neue Strategie. Politik und Politikvermittlung war schon immer mit Personen verbunden, und politische Ideen wurden mit einzelnen Politikern identifiziert. Das heißt auch, dass Personalisierung nicht notwendigerweise den Verzicht auf Sachthemen bedeuten muss. Es ist durchaus ein Unterschied, ob Themen und Programme mit und über eine Kandidatin oder einen Kandidaten präsentiert werden oder ob der Kandidat selbst das Thema darstellt. Was die heute viel gehörte Diagnose "Personalisierung" daher wohl eigentlich meint, ist die Fokussierung der Kampagnen auf die Spitzenkandidaten - und das, obwohl das deutsche Wahlsystem auf die Parteien ausgerichtet ist und ein Wahlslogan wie "Zweitstimme ist Kanzlerstimme" eine Personenwahl nur vortäuscht.
Die Bundestagswahlkämpfe mit Gerhard Schröder führen in besonderer Weise vor Augen, wie eine auf den Kanzlerkandidaten zugespitzte Kampagne aussieht und wie sich die Kandidatenkampagne bei einem geschickten Selbstdarsteller unter Umständen zu verselbstständigen droht. Geradezu symptomatisch für die kandidatenzentrierten Wahlkämpfe der SPD war die Kampagne zur Bundestagswahl 1998. Die SPD startete ihre Kampagne rund ein Jahr vor dem Wahltermin. Weil zu diesem Zeitpunkt aber der Kanzlerkandidat noch nicht feststand, stieg sie zunächst mit dem Slogan Wir sind bereit in den Wahlkampf ein. Kaum stand Gerhard Schröder als Kanzlerkandidat fest, zog dieser die Kampagne an sich, und ab sofort lautete der Slogan Ich bin bereit. Der parteibezogene Mobilisierungsslogan mutierte zu einem Kandidatenslogan. Hier ist ein Kandidat, der die Ärmel hochzukrempeln scheint, dynamisch, das Angebot für den Wechsel. In ironisch-humorvoller Weise wurde damals zugleich Helmut Kohl, Kanzler seit 16 Jahren, als verbraucht, antiquiert und unbeweglich vorgeführt. Dieses Bild vermittelten etwa die Saurier-T-Shirts mit der Unterschrift "Kohl muß weg!" oder ein Science-Fiction-Kinospot der SPD, der zu dem Schluss kommt: "Die Zukunft - nicht jeder ist dafür geschaffen", als die Energie nicht ausreicht, um Kohl als Mitglied eines Hilfstrupps in den Weltraum zu beamen. In typischer Amtsinhaberstrategie fuhr dagegen die CDU ihre Erfolgsbilanz auf und empfahl ihren Kanzler als "Weltklasse für Deutschland". Sie assoziierte ihn dadurch mit der Außenpolitik, bei der Herausforderer üblicherweise nicht punkten können.
Mit der Schröder-zentrierten Kampagne gewann zugleich ein anderes Element der Selbstdarstellung an Bedeutung, das zwar Ende der neunziger Jahre ebenfalls nicht mehr neu war, nun aber zu einer systematischen Strategie entwickelt wurde: Der Kandidat empfiehlt sich gezielt auch durch persönliche, rollenferne Charakteristika für das politische Amt und setzt zudem seine private Seite - Ehefrau, Familie - für die Imagewerbung ein. Die SPD ließ Gerhard Schröder 1998 in einem Fernsehspot auftreten, der wegen seiner Ähnlichkeit zur Werbung für das norddeutsche Bier schnell als "Jever-Spot" bezeichnet wurde: Verpackt mit schönen, emotionalen Bildern vom Nordseestrand im Sonnenlicht spricht der Kandidat über sein Verhältnis zur Politik und seine Visionen und vermittelt damit den Eindruck persönlicher Nähe.
Noch deutlicher traten die Strategien der kandidatenzentrierten Kampagnen im Wahlkampf 2002 hervor. Als der Wahlkampf begann, war der SPD-Kanzler in der Wählerschaft deutlich beliebter als seine Partei. Er musste daher versuchen, seine Popularität auf die Partei zu übertragen. Plakate und Fernsehwerbung führten Schröder als Staatsmann vor und als einen Kanzler, der überall und rund um die Uhr für das Volk arbeitet.
Die Personalisierung der SPD-Kampagne diente gleichzeitig dazu, von dem Thema abzulenken, das die Union beharrlich auf die Agenda zu setzen versuchte, nämlich die Arbeitslosigkeit. Mit dem konkreten Versprechen, die Zahl der Arbeitslosen unter 3,5 Millionen zu senken, und der Aufforderung, ihn daran zu messen, war Schröder 1998 in den Wahlkampf gezogen. Vier Jahre später fiel die Aussage auf ihn zurück. Die Union machte die Zahl der Arbeitslosen zum zentralen Thema ihres Angriffswahlkampfes, der in den Werbematerialien allerdings kaum als direkte persönliche Attacke auf den Kanzler daherkam, sondern eher humorvoll oder ironisch verpackt war. Auf einen direkten Angriff setzte hingegen der Herausforderer Edmund Stoiber, besonders auch im Fernsehduell. Davon fühlten sich jedoch lediglich die Anhänger der Opposition angesprochen.
Die Polarisierung, die sich bereits in der Doppelstrategie der SPD-Kampagne 1998 - positive Selbstdarstellung und Negativkampagne gegenüber dem Gegner - gezeigt hatte, wurde 2002 auf die Spitze getrieben, als Schröder gleich zu Beginn des Wahlkampfes die Parole ausgab: "Ich oder der". Er erklärte Stoiber damit einen persönlichen Konkurrenzkampf. Angesichts der deutlich größeren Popularität des SPD-Kandidaten blieb die Gegenseite zurückhaltend und ließ sich nur zögernd auf die Herausforderung ein. Dass 2002 zum ersten Mal in der deutschen Wahlkampfgeschichte ein Aufeinandertreffen der beiden Kanzlerkandidaten in Fernsehduellen zustande kam, unterstrich nicht nur die Fokussierung der Parteienkampagnen auf die Kandidaten, sondern demonstrierte auch einen Strategiewechsel. Bis zu dieser Bundestagswahl hatte es eine solche Zweierdebatte nicht gegeben. Insbesondere Helmut Kohl hatte als Bundeskanzler entsprechende Aufforderungen der jeweiligen Opponenten immer abgelehnt und sich damit an eine typische Amtsinhaberstrategie gehalten, die dem Herausforderer keine Bühne bieten will und ihm so öffentliche Aufmerksamkeit versagt. Schröder hingegen schätzte - nicht zu Unrecht, wie sich 2002 und auch 2005 wieder gezeigt hat - die Vorteile der direkten Zweierkonfrontation für sich selbst offenbar höher ein als den Aufmerksamkeitsgewinn für den Kanzlerkandidaten der Union und ließ sich gerne auf das spektakuläre "Duell" ein.
Zur vollen Entfaltung und womöglich noch ausgeprägter in der Stoiber- als in der Schröder-Kampagne kam 2002 schließlich die Privatisierung des Wahlkampfes in dem Sinne, dass die Kandidaten ihre private Seite gezielt für ihre Imagekampagnen einsetzten. Gattinnen, Kinder, Enkel und Cousinen wurden für den Wahlkampf eingespannt. Die Privatisierung ist eine Strategie der Selbstdarstellung, die zugleich mehreren Zielen dienen kann,
Mit der Instrumentalisierung des Privaten antwortete die Stoiber-Kampagne auf eine gezielte Herausforderung der SPD. Diese hatte den Unionskandidaten schon früh in seinem Image als konservativer Hardliner und wegen seines vermeintlich rückständigen Frauenbildes attackiert.
Die neuartige und auch für die Kampagnenprofis ungewohnte Kandidatenkonstellation des Wahlkampfes 2005, in dem zum ersten Mal eine Frau als Kanzlerkandidatin antrat, bestätigte zwar die Entwicklungen der früheren Jahre, stellte aber auch manche der eingefahrenen Strategien in Frage. Die SPD-Kampagne setzte wiederum ganz auf ihr "Zugpferd Schröder", zumal dieser nach wie vor deutlich populärer war als seine Partei und auch in der Kanzlerfrage in der Vorwahlzeit fast durchgehend besser punktete als Angela Merkel. Eine Strategie des "Ich oder sie", die womöglich einen Gender-Bezug eröffnet hätte, wurde allerdings vermieden, um die eine oder andere Wähler(innen)gruppe nicht zu verschrecken.
Um potenziell "unangenehmen" Sachthemen aus dem Weg zu gehen, die die Opposition auf die Agenda zu setzen versuchte, also vor allem die wirtschaftliche Situation in Deutschland sowie die Arbeitslosigkeit, baute die SPD mit ihrem Slogan "Vertrauen in Deutschland" auf eine allgemeine Vertrauenswerbung. Sie bemühte sich ihrerseits, das Thema soziale Gerechtigkeit in die Diskussion zu bringen und dieses mit der Frage "Aber wofür stehen die anderen?" zugleich zum Defizit von Union und Liberalen zu erklären. Mit Porträtplakaten wurde Gerhard Schröder in die Themenkampagne einbezogen und ansonsten mit den persönlichen Eigenschaften "Kraftvoll. Mutig. Menschlich." für die Wiederwahl empfohlen. In diese Richtung zielte auch der öffentlich-rechtliche Fernsehspot der SPD, der auf Schröder zugeschnitten war und mit verschiedenen Themen dem Publikum nahe legte: "Deutschland braucht einen Bundeskanzler, der (...)". Dieser wie auch der für das kommerzielle Fernsehen produzierte Spot, der komplett von Schröder gesprochen wurde, schloss mit einem Kandidatenstatement, das die Politik der Partei wiederum personalisierte: "Deutschland ist auf dem richtigen Weg. Es ist der sicherste und gerechteste Weg in eine gute Zukunft. Dafür stehe ich."
Eine weitergehende Privatisierung der Kandidatenkampagne war 2005 kaum möglich - nicht nur, weil sich Angela Merkel bemühte, ihre private Seite aus dem Wahlkampf herauszuhalten, sondern auch, weil sich Schröder bei einer Frau als Gegenkandidatin nicht mehr direkt den Wählerinnen empfehlen konnte, wie er es 2002 in der Kampagne gegen Edmund Stoiber getan hatte. Alles, was den Eindruck eines Wettbewerbs zwischen "Frau und Mann" erwecken konnte, wurde vermieden, weil sich dieser für Schröder, der sich bis dahin gerade in der weiblichen Wählerschaft starker Unterstützung erfreute, negativ ausgewirkt hätte. Wie schwierig diese Situation für die Schröder-Kampagne war, zeigten zum Beispiel die empörten Reaktionen auf eine Äußerung von Doris Schröder-Köpf, die - gewissermaßen stellvertretend - Angela Merkel in einem Interview vorwarf, ihr würden wegen ihrer Kinderlosigkeit angeblich die Erfahrungen der meisten Frauen fehlen. Als Schröder im Fernsehduell darauf angesprochen wurde, antwortete er mit einer Liebeserklärung an seine Frau. Diesmal aber blieb das Publikum zurückhaltend und reagierte kaum auf die emotionale Einlassung des Kanzlers. Offenbar hatte er "zu dick aufgetragen".
Es mag an der Kürze des Wahlkampfes gelegen haben, könnte aber auch einen Trend für den verschärften Aufmerksamkeitswettkampf anzeigen, dass der jüngste Bundestagswahlkampf für deutsche Verhältnisse ungewöhnlich negativ ausfiel. Wenn überhaupt, bezogen sich negative Kampagnen bislang selten direkt auf die Kandidaten, sondern eher auf die Parteien oder kamen mit einem ironischen Augenzwinkern daher. Für ihre Kampagne 2005 nutzte zum Beispiel die SPD das Internet für einen so genannten Flip-Flop-Spot. Dieses in den USA gebräuchliche Format prangert die Wankelmütigkeit eines Kandidaten an, der zu einem Thema heute so und morgen so abstimmt. Die SPD konterte damit den "Kugel-Spot" der CDU, der die Politik der rot-grünen Koalition angriff, indem sie Angela Merkel wechselnde Positionen zu verschiedenen Themen vorwarf. In einem Fernsehspot der Grünen stellte Joschka Fischer fest, im Wahlkampf seien die Grünen immer an allem schuld, bekräftigte dann jedoch, schuld an Angela Merkel seien die Grünen nun aber nicht. Schlagwörter wie Merkel-Steuer oder die Rede vom "Professor aus Heidelberg" unterstrichen den negativen Unterton der Kampagne, demonstrierten zugleich aber auch, dass solche Strategien insofern erfolgreich sind, als sie die Aufmerksamkeit der Medien finden und damit das Potenzial haben, Images von Politikerinnen und Politikern zu beeinflussen.
Jeder Wahlkampf ist anders
Im Zuge der gesellschaftlichen Entwicklungen, in denen sich die sozialen Milieus differenziert haben, neue Bindungen kurzfristig variabel sind und Interessen sich schneller wandeln, ist auch der Themenwahlkampf schwieriger geworden. Zudem hat die nationale Politik auf vielen Feldern einen eingeschränkten Handlungsspielraum, so dass sie sich mit konkreten Versprechen zurückhält. Vor allem die großen Parteien setzen daher auf eine allgemeine Vertrauensstrategie und möglichst unverbindliche Vorschläge, um einzelne Wählergruppen nicht abzuschrecken. Dazu dienen bevorzugt diffuse Slogans ("Ein neuer Anfang", "Vertrauen in Deutschland"), unumstrittene Werte ("Frieden", "Freiheit", "Gerechtigkeit") und Personen, die den Eindruck von Kompetenz vermitteln.
Die Untersuchung von Bundestagswahlkämpfen im Zeitverlauf macht deutlich, dass es für die Selbstdarstellung von Parteien und Kandidaten ein festes und auch parteienübergreifendes Repertoire von Strategien gibt, die zur Ansprache der Wählerschaft eingesetzt werden. Allerdings zeigen Langzeitanalysen auch,
Aufschlussreich sind in dieser Hinsicht insbesondere die Wahlkämpfe, in denen derselbe Kandidat antrat, so zum Beispiel Willy Brandt oder Helmut Kohl. Beide Kandidaten waren über mehrere Wahlkämpfe hinweg in unterschiedlichem Ausmaß in den Fernsehspots ihrer Partei präsent; noch deutlicher schwanken die Werte für die Thematisierung der Person. Hier spiegeln sich über die Persönlichkeit des jeweiligen Kandidaten hinaus andere Faktoren wider, die auf die Wahl der Werbestrategien Einfluss haben. Der Rückhalt aus der eigenen Partei spielt dabei eine Rolle, ebenso die Bekanntheit und die Popularitätswerte eines Kandidaten. Außerdem dürfte für die Strategie eines Kandidaten auch entscheidend sein, wer als Gegenkandidat antritt, denn die Kampagne einer Partei und eines Kandidaten orientiert sich immer auch an der Konkurrenz.
Die Bekanntheit und die Popularität des Gegenkandidaten und die gegnerische Strategie entscheiden darüber, ob zum Beispiel der Gegner ignoriert werden kann, um zu demonstrieren, dass er nicht ernst zu nehmen ist (Kohl vs. Scharping, 1994), die Polarisierung ins Leere läuft (in der frühen Phase des Wahlkampfes Schröder vs. Stoiber, 2002) oder sich eine Kandidatenstrategie gar nicht empfiehlt, weil der Kandidat auch in der eigenen Partei umstritten ist (Kohl, 1998) oder aber der Gegner in der Wählerschaft zu populär ist (Schröder vs. Merkel, 2005).
Nicht zuletzt weil also Selbstdarstellungsstrategien immer auch in einer gewissen Abhängigkeit von der Kampagne der Opponenten stehen, erst recht aber wegen der Notwendigkeit, auf aktuelle Ereignisse und veränderte Situationen der Vorwahlzeit zu reagieren, ist der Aufbau einer langfristigen Kampagnenstrategie immer nur bedingt möglich. Der Wahlkampf 2005 war ohnehin zu kurz, um eine ausgeklügelte und sich langfristig entwickelnde Strategie zu entwerfen. In besonderer Weise war auch der Bundestagswahlkampf 2002 ein Lehrstück für die bedingte Planbarkeit der Kampagnenstrategien: Die Flut verlangte von den Wahlkampfmanagern kurzfristige Reaktionen und eine Anpassung ihrer Strategiepläne.