Einleitung
Bürgerschaftliches Engagement als Selbstorganisation von Bürgern und Bürgerinnen findet, wie die Ergebnisse des zweiten Freiwilligensurveys zeigen,
Diese bilden zusammengenommen den Dritten oder Nonprofit-Sektor. Während Ausprägung und Motive bürgerschaftlichen Engagements in den vergangenen Jahren zunehmend ins Zentrum des Interesses von Wissenschaft, Politik und allgemeiner Öffentlichkeit gerückt sind,
Hier setzt der folgende Beitrag an, in dem dieorganisationale Basis bürgerschaftlichen Engagements, der Dritte Sektor und seine gemeinnützigen Organisationen im Zentrum der Betrachtung stehen. Gleichzeitig stellen die Organisationen in maßgeblichem Umfang bezahlte Arbeitsplätze zur Verfügung. Zwischen ehrenamtlicher Tätigkeit und Erwerbsarbeit bestehen dabei vielschichtige Schnittstellen, Wechselwirkungen und teilweise fließende Übergänge.
Strukturbesonderheiten
Initiiert und auch zu einem beachtlichen Teil von bürgerschaftlichem Engagement getragen, zeichnen sich Dritte-Sektor-Organisationen im Vergleich zu den Organisationen und Einrichtungen der Konkurrenzsektoren Markt und Staat durch Strukturbesonderheiten aus. Hierzu zählt vor allem, dass sie nachhaltig auf die Ressource "Solidarität" angewiesen sind. Ohne kontinuierlichen Zufluss von "Solidarität", deren Gestaltungsformen von einfacher Mitgliedschaft, freiwilliger Mitarbeit und ehrenamtlichem Engagement über Geld- und Sachspenden bis hin zur Unterstützung der von den Organisationen vertreten Werte und Ziele reichen, sind Dritte-Sektor-Organisationen, im deutlichen Gegensatz zu marktwirtschaftlichen, aber auch staatlichen Einrichtungen, nicht lebensfähig. Als "Wertgemeinschaften" sind diese Organisationen daher mit einem unschätzbaren gesellschaftlichen Integrationspotenzial ausgestattet.
Neben der "Wertorientierung" konstituiert die Multifunktionalität der Organisationen eine weitere Strukturbesonderheit.
Arbeitsmarktpolitische Relevanz
International hat das Johns Hopkins Comparative Nonprofit Sector Project
Wie die Ergebnisse unserer Deutschlandstudie zeigen,
Betrachtet man dagegen den deutschen Dritten Sektor im internationalen Vergleich, so liegt die Beschäftigungsintensität seiner Organisationen nur im guten Mittelfeld. Gemäß den Ergebnissen des Johns Hopkins-Projektes verfügen aus beschäftigungspolitischer Sicht gerade jene Länder über einen großen Dritten Sektor, in denen eine enge Kooperation zwischen Staat und gemeinnützigen Organisationen besteht. Dies trifft im besonderen Maße für die Niederlande zu, in denen der Dritte Sektor einen Anteil von 12,4 Prozent an der Gesamtbeschäftigung des Landes hat. Dieser besondere arbeitsmarktpolitische Stellenwert basiert auf enger "Public Private Partnership" zwischen gemeinnützigen Organisationen und dem Staat in nahezu allen Kernbereichen der wohlfahrtsstaatlichen Dienstleistungserstellung - nämlich Bildung (insbesondere Schulen), Gesundheit (insbesondere Krankenhäuser) und soziale Dienste (Beratungs- und Betreuungseinrichtungen).
Nimmt man die Einbindung gemeinnütziger Organisationen in das wohlfahrtsstaatliche Arrangement oder Regime auf Länderebene näher in den Blick, so zeigt sich, dass diese sich weltweit zunehmend über Gebühren und Entgelte und damit am Markt finanzieren, während in Europa nach wie vor eine Finanzierung der in den Kernbereichen der wohlfahrtsstaatlichen Leistungserstellung eingebundenen Dritte-Sektor-Organisationen über öffentliche Zuwendungen sowie über Leistungsentgelte der Sozialversicherungen erfolgt.
Professionalisierung als Trend
Aus arbeitsmarktpolitischer Sicht hat der Dritte Sektor in Deutschland, wie zahlreiche Studien zeigen,
Es waren daher auch nicht diese Bereiche des Dritten Sektors, die in den neunziger Jahren prozentual betrachtet die größten Zuwachsraten in puncto Beschäftigung aufwiesen. Dies traf vielmehr für jene vergleichsweise jungen und sich dynamisch entwickelnden Arbeitsbereiche wie etwa Umwelt- und Naturschutz oder Internationale Aktivitäten zu, die - wenn auch ausgehend von einem teilweise sehr niedrigen Niveau - Zuwachsraten bei der Beschäftigung von 90 (Internationale Aktivitäten) bis zu mehr als 300 Prozent (Umwelt- und Naturschutz) verzeichneten. Gleichfalls zeigt sich an dieser Entwicklung deutlich die zunehmende Professionalisierung gerade jener Arbeitsbereiche von Dritte-Sektor-Organisationen, die im Kontext der neuen sozialen Bewegungen entstanden und vor allem in den Politikfeldern Ökologie und humanitäre Hilfen bzw. Entwicklungspolitik inzwischen in einem beachtlichen Umfang als "Partner des Staates" tätig sind.
In puncto Beschäftigung blicken diese vergleichsweise jungen Dritte-Sektor-Organisationen jedoch deutlich positiver in die Zukunft als die Mitgliederorganisationen der Wohlfahrtsverbände. Dies ist primär auf ihren jeweils unterschiedlichen Finanzierungsmix zurückzuführen. Während Dritte-Sektor-Organisationen in den Bereichen Umweltschutz und Internationales mehrheitlich eine gemischte Finanzierungsstruktur aufweisen, die sich aus selbst erwirtschafteten Mitteln, Mitgliedsbeiträgen, zum Teil beachtlichen Spendenleistungen sowie öffentlicher Förderung zusammensetzt, finanzieren sich die Organisationen der Bereiche Gesundheitswesen und Soziale Dienste primär aus Leistungsentgelten der Sozialversicherungen und öffentlichen Zuwendungen. Wenngleich nach Angaben der Wohlfahrtsverbände die Gesamtzahl der Beschäftigten in ihren Mitgliederorganisationen bisher nur deshalb nicht zurückgegangen ist, weil der Abbau von Vollzeit- zugunsten von Teilzeitarbeitsplätzen und geringfügiger Beschäftigung kompensiert wurde, wird mit Blick auf die anstehenden Sparpakete der öffentlichen Hand die zukünftige Beschäftigungsentwicklung aus der Sicht der Organisationen eher pessimistisch eingeschätzt.
Heterogenität der Beschäftigungsstrukturen und Engagementmotive
Gemeinsam ist den neuen und alten Organisationen, dass sich auch bei den etablierten und hoch professionalisierten Organisationen ein "Kern" ihres bürgerschaftlich bewegten Ursprungs und damit ihres spezifischen Charakters als Wertgemeinschaft feststellen lässt: Sie sind nach wie vor nicht nur attraktiv für Ehrenamt und freiwillige Mitarbeit bzw. Volunteering, sondern in ihrem Kontext findet auch tatsächlich mehr als 80 Prozent des bürgerschaftlichen Engagements statt.
Damit ist gleichzeitig eine weitere Strukturbesonderheit von Dritte-Sektor-Organisationen angesprochen: das Neben- und Miteinander von Lohnarbeit als hauptamtlicher Beschäftigung und bürgerschaftlichem Engagement als ehrenamtliche Leitungs- und Führungstätigkeit wie auch als freiwillige unbezahlte Mitarbeit (Volunteering). Im Alltag der Organisationen sind die Übergänge zwischen bürgerschaftlichem Engagement und bezahlter Beschäftigung häufig fließend. So zeigen Untersuchungen zu Sportvereinen in Ostdeutschland, dass auch nach Auslaufen der ABM-Programme und -Verträge die Tätigkeit als Übungsleiter bzw. -leiterin, als Sportwart oder Trainer in den Vereinen ehrenamtlich fortgesetzt wurde.
Christiane Frantz
Doch sind in Dritte-Sektor-Organisationen nicht "traditionelle Altruisten" tätig. Besonders die Studie von Christiane Frantz zeigt, dass der Berufsalltag auch hier in hohem Maße von Pragmatismus geprägt ist. Zur Professionalität gehört auch der Blick für das Machbare. Der Wunsch, eigenen Vorstellungen und Neigungen nachgehen zu können - Selbstverwirklichungsmotive - ist ein wesentlicher Anreiz sowohl für die Aufnahme einer hauptamtlichen Tätigkeit, also für Beschäftigung, wie auch für ein Aktivsein in einer Leitungstätigkeit auf Vorstandsebene im Ehrenamt oder aber als freiwilliger Mitarbeiter bei einer Dritte-Sektor-Organisation. Hierbei variieren die Motive durchaus zwischen "Spaß an der Tätigkeit" und "Etwas dazulernen zu wollen". Letzteres ist, wie verschiedene Studien zeigen,
Ferner weisen neuere Studien die Vielschichtigkeit und die multiplen Verbindungen zwischen bürgerschaftlichem Engagement und beruflicher Tätigkeit außerhalb des Dritten Sektors aus. Gemäß der qualitativen Studie von Ulrike Schumacher
Die besondere Arbeits- und Beschäftigungsstruktur in Dritte-Sektor-Organisationen, die sich durch ein Miteinander von bürgerschaftlichem Engagement und bezahlter Tätigkeit auszeichnet, wird weiter verstärkt durch die Heterogenität der Beschäftigungsverhältnisse. Diese schließen haupt- und nebenamtliche Tätigkeiten ebenso ein wie Voll- und Teilzeitarbeit, Honorartätigkeit, stundenweise Beschäftigung sowie auch besondere Beschäftigungsformen, wie etwa in der Vergangenheit Zivildienst oder ABM und gegenwärtig die so genannten Ein-Euro-Jobs. Analog zu den Sektoren Staat und Markt lässt sich bei den beschäftigungsintensiven Organisationen derzeit ein deutlicher Trend zur Flexibilisierung der Beschäftigungsformen und insbesondere die Zunahme von Teilzeitbeschäftigung feststellen. Ferner sind gemeinnützige Organisationen ein wichtiger Arbeitsmarkt für Frauen. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die beschäftigungsintensiven Organisationen vorrangig in den Bereichen Soziale Dienste und Gesundheitswesen zu finden sind. Allerdings sind, analog zur Beschäftigungssituation in Marktunternehmen und staatlichen Einrichtungen, auch in Dritte-Sektor-Organisationen Frauen in Leitungs- und Führungspositionen eher selten tätig.
Eine Beschäftigungsstruktur, die sich durch einen hohen Frauenanteil und flexible Arbeitsformen auszeichnet, kann sowohl negativ als Ausdruck von Kürzungsmaßnahmen und "Billigjobs" gebrandmarkt als auch positiv als Chance zur Integration und damit als Brücke in den Arbeitsmarkt eingeschätzt werden. Je nach Perspektive wird dies sehr unterschiedlich wahrgenommen, wobei jedoch nicht vergessen werden darf, dass der Dritte Sektor aufgrund seiner Spezifik kein Äquivalent zum "normalen" Arbeitsmarkt darstellt. Dafür sind seine Organisationen zu sehr durch bürgerschaftliches Engagement geprägte und auf die Ressource Solidarität angewiesene Wertgemeinschaften, die jedoch gerade aufgrund dieser Strukturbesonderheit flexibel auf gesellschaftliche Bedarfe reagieren und damit maßgeblich zur gesellschaftlichen Integration beitragen können. Nicht zuletzt infolge der Heterogenität der Beschäftigungsstrukturen und der engen Verbindung zwischen bürgerschaftlichem Engagement und beruflicher Tätigkeit sind Dritte-Sektor-Organisationen unter anderem in der Lage, den Übergang zwischen verschiedenen Lebensphasen oder auch Beschäftigungsverhältnissen zu erleichtern. Die besondere Eignung des Dritten Sektors als "Übergangsarbeitsmarkt"
Die hohe Attraktivität von Dritte-Sektor-Organisationen als Arbeitsplatz bestätigen Befragungen von Beschäftigten in Dritte-Sektor-Organisationen.
Attraktivität und Erfolg als Herausforderung
Dritte-Sektor-Organisationen sehen sich aber nicht nur als Arbeitgeber gestiegenen Anforderungen gegenüber, die im Wesentlichen auf Veränderungen ihrer Organisationsumwelt - wie etwa die Einführung des Kontraktmanagements im Sozialbereich - zurückzuführen sind. Entsprechendes gilt auch für ihre Funktion als organisationale Basis bürgerschaftlichen Engagements. Wachstum und damit die Attraktivität der Organisationen werden hierbei zur Herausforderung ihrer Existenzsicherung. So ist die Zahl der eingetragenen Vereine
Dieser Gründungsboom hat insofern auch eine Schattenseite, als die Zunahme der Organisationen mit deutlichen Problemen ihrer Ressourcensicherung einhergeht. So wurden im Kontext einer Münsteraner Vereinsstudie
Die Bereitschaft zum bürgerschaftlichen Engagement befindet sich in Deutschland auf Wachstumskurs, gleichzeitig ist jedoch ein Wandel der Formen des Engagements festzustellen. Es werden eher zeitlich begrenzte und mehr projektartige Tätigkeiten nachgefragt. Dies ist insofern ein Problem für Dritte-Sektor-Organisationen, da Leitungstätigkeit eine gewisse Erfahrung und eine genaue Kenntnis der Organisation voraussetzt. Gemeinnützige Organisationen müssen sich daher auf die veränderte Situation einstellen und sich mehr als bisher bemühen, ihre Mitglieder und Engagierten an Leitungs- und Führungsaufgaben heranzuführen und diese auch für das gesamte Spektrum der Mitglieder - also auch für Frauen und Jüngere - attraktiv zu gestalten. Ferner sollte freiwilliger Mitarbeit auch unterhalb der Vorstandsebene ein höherer Stellenwert eingeräumt werden, etwa durch die Einrichtung der Position eines "Freiwilligenkoordinators" oder durch Schulungs- und Fortbildungsangebote. Solche Angebote vermitteln Know-how, das man für die persönliche Zukunft auch außerhalb des Engagements im Dritten Sektor nutzen kann. Mit diesen Maßnahmen könnte das Engagement in Vereinen gerade für die jüngere Generation attraktiver gemacht werden.
Es ist bekannt, dass Kontakte und Informationen gerade auch für den Einstieg und weiteren Erfolg im Beruf und am Arbeitsplatz von zentraler Bedeutung sind. Das Fehlen von Kontaktnetzwerken - und insofern Desintegration - ist heute der entscheidende Grund dafür, dass Jugendliche und junge Erwachsene keine Lehrstelle und keine feste Anstellung finden. Es verwundert nicht, dass hier besonders die so genannten benachteiligten Jugendlichen und jungen Erwachsenen - aus einkommensschwachen und/oder defekten Elternhäusern sowie auch aus Familien mit Migrationshintergrund - den Eintritt in den Berufsalltag und damit in eine dauerhafte Beschäftigung in deutlich geringerem Umfang als Jugendliche aus so genanntem "gutem Hause" meistern. Gemäß den Ergebnissen des zweiten Freiwilligensurveys sind gerade diese Jugendlichen und jungen Erwachsenen kaum bürgerschaftlich engagiert und damit auch nicht in die Infrastruktur der gemeinnützigen Organisationen des Dritten Sektors eingebunden, die aber zweifellos ein wichtiges Informationsnetzwerk und - indirekt - auch eine Art Vermittlungsbörse für Kontakte und Wege in den Arbeitsmarkt darstellen.
Vor diesem Hintergrund gewinnt das Thema bürgerschaftliches Engagement und Beschäftigung eine ganz andere Bedeutung. Ein florierender Dritter Sektor, der alle Gruppen der Bevölkerung einschließt und einen Raum des sozialen wie berufspraktischen Kompetenzgewinns bietet, wird zur Investition in die Zukunft. Insofern sollten gemeinnützige Organisationen sich auch nicht scheuen, Position zu beziehen und sich noch stärker als bisher gesellschaftspolitisch einmischen. Um sich aber heute in öffentlichen Debatten Gehör zu verschaffen, ist es notwendig, Kräfte zu bündeln und gemeinsam Position zu beziehen. Dritte-Sektor-Organisationen haben allen Grund dazu, sich stärker einzubringen als bisher: Als Ausdruck, Infrastruktur und Motor bürgerschaftlichen Engagements befinden sie sich nachweislich und kontinuierlich auf Wachstumskurs. Sie sind daher ein Positivmodell für eine bürgernahe und dynamische Zukunftsgestaltung.