Einleitung
Arbeitgeberverbände haben in den Interaktionen zwischen Arbeit und Kapital, den so genannten "industriellen Beziehungen", in den meisten Ländern Westeuropas nach dem Zweiten Weltkrieg eine bedeutsame Rolle inne.
Ihre hervorgehobene Stellung ist in jüngerer Zeit jedoch unter Druck geraten. Mit Bezug auf die Lage in Deutschland wird mitunter sogar von einer ausgemachten Krise der Arbeitgeberverbände gesprochen.
Traditionelles Kerngeschäft
Generell organisieren Unternehmerverbände die Mitgliederinteressen von wirtschaftlichen Konkurrenten, indem sie versuchen, gemeinsame Interessen gegenüber den Gewerkschaften, dem Staat und der "Wirtschaft" selbst zu artikulieren, zu repräsentieren und durchzusetzen. Hierbei kommt es teilweise zu einer organisatorischen Ausdifferenzierung in eine güter- und arbeitsmarktbezogene Verbändelandschaft. Im Folgenden bleiben aber die sich nur auf Gütermärkte beziehenden Verbände und die auf regionaler Ebene wichtigen Industrie- und Handelskammern ausgeblendet.
Der Fokus liegt hier auf den Spitzen- bzw. Dachverbänden der privatwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände, welche die für den Gesamtverband wichtigen Koordinations- und Integrationsaufgaben erfüllen - also die heterogenen Arbeitgeberinteressen zu tragfähigen Kompromissen bündeln - und die gemeinsamen Interessen ihrer Mitglieder in Bezug auf den Arbeitsmarkt und die Arbeitsbeziehungen vertreten.
Arbeitgeberverbände haben traditionell im Wesentlichen vier Funktionen:
2. Lobby- bzw. Pressure Group-Funktion: Gegenüber der Öffentlichkeit sowie Regierungen, Parlamenten und staatlicher Bürokratie treten Arbeitgeberverbände als Interessengruppe auf. Durch Publikationen, die Veranstaltung von Pressekonferenzen etc. versuchen sie die öffentliche Meinung von ihren Positionen zu überzeugen und politisch Einfluss auszuüben.
3. Staatsentlastende Funktion durch Selbstregulation und kooperatives Verhältnis zum Staat: Die Arbeitgeberverbände üben neben einer staatsfreien Selbstregulation zusammen mit Gewerkschaften und dem Staat auch prinzipiell öffentliche Aufgaben in zwei- oder dreiseitig besetzten Institutionen aus. Diese so genannte korporatistische Einbindung der Verbände betrifft insbesondere die Sozial-, die Arbeitsmarkt- und die Berufspolitik sowie die Übernahme ehrenamtlicher Richteraufgaben bei Arbeits- und Sozialgerichten und Schiedsstellen. Zu nennen ist aber auch die Einbeziehung der Sozialpartner in Sozialpakte, die gesamtwirtschaftliche Probleme, etwa hohe Arbeitslosigkeit, lösen sollen.
4. Funktion als Selbsthilfeverband: Im Rahmen dieses internen Funktionsbereichs der Arbeitgeberseite erbringen die Arbeitgeberverbände regelmäßig Beratungsleistungen für ihre Mitglieder, etwa bei Rechtsfragen oder in Form von personalwirtschaftlichen Statistiken sowie Musterbetriebsvereinbarungen. Zudem veranstalten sie Informations- und Fortbildungsveranstaltungen und unterstützen die Mitgliedsunternehmen bei Arbeitskämpfen.
Sowohl reine Arbeitgeberverbände als auch so genannte integrierte oder duale Verbände, die mittlerweile im Ausland dominieren, übernehmen diese Aufgaben. Letztere vereinen die gütermarkt- sowie arbeitsmarkt-, tarif- und sozialpolitikbezogenen Funktionen unter einem Dach und werden im Folgenden betrachtet. Auf regionaler Ebene existieren hierzulande häufig integrierte Verbände, während die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) als privatwirtschaftlicher Dachverband auf Bundesebene angesiedelt ist.
Strukturmerkmale
Empirische Untersuchungen zeigen,
Die Studie von Martin Behrens und Franz Traxler, die darin die Rolle der Arbeitgeber- und Integrationsverbände in den einzelnen Ländern der "alten" Europäischen Union (EU-15), in zwei neuen Mitgliedsstaaten (Ungarn und Slowenien) sowie in Norwegen auf der Basis einer Expertenbefragung in diesen Ländern untersucht haben, offenbart zentrale Strukturmerkmale:
Die Anzahl der Spitzenverbände in den einzelnen Ländern unterscheidet sich erheblich (vgl. die Tabelle, die auch die vollen Namen der im Text abgekürzten Arbeitgeberorganisationen enthält). Sie reicht von einem einzigen wie in Belgien, Deutschland, Luxemburg und dem Vereinigten Königreich bis zu sieben oder mehr in Italien, Portugal und Ungarn.
In fast allen untersuchten Ländern mit mehr als einem Spitzenverband gibt es einen allgemeinen Verband, dessen relevanter Organisationsbereich nicht näher definiert ist, während die Zielgruppe des oder der anderenarbeitsmarktbezogenen Spitzenverbände durch nähere Spezifikation des Mitgliederprofils eingegrenzt ist. Letztere sind in der Regel nach Wirtschaftssektoren oder nach der Unternehmensgröße gegliedert.
Konkurrenzkämpfe um Mitglieder oder bestimmte Vertretungsaufgaben sind angesichts der meist klaren Abgrenzungen weitgehend ausgeschlossen. Allerdings gibt es in fast jedem Land mit mehreren Spitzenverbänden einen alles übergreifenden Verband, der mit den Übrigen zumindest teilweise in Konkurrenz steht. Auf den unteren Ebenen besteht ebenfalls bisweilen Konkurrenz, etwa in Frankreich.
Die Mitgliedsverbände der Spitzenverbände sind Teil eines integrierten, mehrere hierarchische Organisationsebenen umfassenden Systems der Arbeitgebervertretung, das branchen- und gebietsbezogen differenziert ist. Die Tabelle verdeutlicht, dass die Anzahl der Mitgliedsverbände sowohl innerhalb der betrachteten Staaten als auch im Ländervergleich stark differiert. Unter der Dachverbandsebene gibt es zudem noch stärker abgegrenzte Verbände, die auch völlig eigenständig existieren können. Letztere vertreten jedoch meist Gruppen außerhalb der industriellen Kernbereiche.
Aufgaben- und Zuständigkeitsverteilung
Die Arbeitgeberinteressen vertretenden Spitzenverbände übernehmen in den hier ausgewählten Ländern nach wie vor die Kernaufgaben der Arbeitgeberseite, also die politische Interessenvertretung vor allem in den Bereichen Arbeitsmarkt, Arbeitsbeziehungen und Sozialpolitik, Tarifverhandlungen - entweder durch direkte Aushandlung von Vereinbarungen mit den Gewerkschaften oder indirekt durch die Koordinierung der Verhandlungstätigkeiten ihrer Mitgliedsverbände - sowie die Durchsetzung von Marktinteressen, soweit duale Verbände mit ihrem Mischcharakter als Arbeitgeber- und Handelsverband zum Zuge kommen. In zehn der betrachteten 18 Länder - in Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Schweden, Spanien, Ungarn und Großbritannien - arbeiten die Mitgliedsverbände zum Beispiel im Bereich der Tarifautonomie (weitgehend) unabhängig von ihren Spitzenverbänden. Die Spitzenverbände in Belgien, Dänemark, Griechenland, Norwegen und Slowenien haben hingegen deutlich größere Rechte. Sie können Tarifvereinbarungen entweder direkt aushandeln oder den Mitgliedsverbänden bestimmte Verhandlungsziele vorgeben.
Erwähnenswert ist auch die Rolle der Arbeitgeberverbände bei zwei- oder dreiseitigen korporatistischen Institutionen, an denen sie in allen ehemaligen EU-Ländern außer im Vereinigten Königreich sowie in einigen neuen EU-Mitgliedsländern zeitweise oder permanent beteiligt waren oder sind. Insbesondere kam es in den letzten Jahren verstärkt zu einer Wiederbelebung dreiseitiger sozialer Pakte unter verschiedenen Voraussetzungen und mit unterschiedlichen Erfolgen.
Europa-Koordinierung
Die Interessenvertretung der privatwirtschaftlichen Arbeitgeberspitzenverbände auf europäischer Ebene erfolgt meist über die Mitgliedschaft im Europäischen Wirtschafts- und Arbeitgeberverband (UNICE - Union des Confédérations de l'Industry et des Employeurs) oder in der Europäischen Union des Handwerks und der Klein- und Mittelbetriebe (UEAPME - Union Européene de l'Artisanat et des Petites Moyennes Entreprises) - Letzteres, wenn die Interessen speziell von kleinen und mittleren Unternehmen vertreten werden. Außerdem gibt es branchenspezifische Spitzenverbände, die häufig Mitglied der entsprechenden europäischen Arbeitgeberverbände und Dachverbände sind, jedoch in der Regel unabhängig von UNICE agieren.
Die Kernaufgaben der europäischen Interessengruppen bestehen in der Information der nationalen Mitglieder über das Geschehen auf der EU-Ebene, in der Vertiefung des wechselseitigen Erfahrungsaustausches sowie der Formulierung gemeinsamer europäischer Positionen und Forderungen. Hinzu kommt die Vertretung der Arbeitgeber- und Unternehmerinteressen gegenüber den EU-Entscheidungsinstanzen und anderen europäischen Einrichtungen.
UNICE als der wichtigste europäische Unternehmensdachverband nahm lange Zeit als Sprachrohr der Arbeitgeber nur Lobbytätigkeiten wahr und setzte sich für die Schaffung günstiger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen ein. Dies entsprach dem Mitgliederinteresse, da dies erfolgreich eine weit greifende supranationale Regulierung der Wirtschafts- und Arbeitsbeziehungen verhinderte. Seit dem Erlass der Sozialcharta im Jahr 1989 änderte UNICE jedoch seine Strategie. Durch das Maastrichter Sozialprotokoll eröffneten sich ab 1993 faktisch den Sozialpartnern weit reichende sozialpolitische Anhörungs- und Partizipationsrechte. Arbeitgeberverbände können seither - gemeinsam mit den Gewerkschaften - unter anderem auch eigenständig sozialpolitische Maßnahmen implementieren. UNICE verfügt nun zwar über ein entsprechendes Verhandlungsmandat der Mitgliedsverbände, ist in dessen Ausübung jedoch äußerst zurückhaltend.
Herausforderungen durch Megatrends
Die Strukturen und Aufgabenbereiche der Arbeitgeberverbände sind durch die Megatrends Globalisierung und Europäisierung sowie durch den Wandel zur individualisierten Dienstleistungs- und internetvernetzten Wissensgesellschaft unter Druck geraten. Gemutmaßt wird, dass dieser Strukturwandel einen fortlaufenden Verlust des Einflusses der Wirtschaftsverbände zur Folge habe. Dies wird etwa auf einen Zuwachs der Bedeutung multinationaler wirtschaftlicher Aktivitäten der Unternehmen und prominenter Konzernlenker in der politischen Sphäre zurückgeführt. Zudem vertrauen größere Unternehmen nicht mehr allein auf die Arbeit der Verbände, wie der Aufbau von Repräsentanzen dieser Firmen in europäischen Hauptstädten und insbesondere in Brüssel zeigt.
Als zentral wird aber vor allem die Verschiebung eines wesentlichen Teils der relevanten Gesetzgebung auf die EU-Ebene und die damit verbundene Abnahme nationaler Gestaltungsmöglichkeiten angesehen sowie eine bisher zu inkonsequente entsprechende Neuausrichtung der Verbände. Soweit diese Vermutungen zutreffen, müssten die Arbeitgeberverbände auf nationaler Ebene wegen sinkender Bindungsfähigkeit deutlich an Bedeutung verlieren. Was zeigen die Daten?
Empirische Ergebnisse lassen zwar darauf schließen, dass Erosionstendenzen bei Arbeitgeber- bzw. dualen Verbänden in Europa - in den meisten europäischen Ländern sind die beschäftigungsstarken Unternehmen nach wie vor mehrheitlich in solchen Verbänden organisiert
- eine gewisse Rolle spielen. Obwohl die Verbandsmitgliedschaft meist freiwillig ist, haben sich diese Tendenzen aber noch nicht länderübergreifend in einem generellen Trend niedrigerer Organisationsgrade niedergeschlagen. Vor allem in Deutschland und Großbritannien war zwischen 1990 und 2003 allerdings ein Mitgliederrückgang zu verzeichnen. Der Gesamtbefund spricht aber dafür, dass die Attraktivität dieser Verbände bei den Unternehmen trotz geänderterRahmenbedingungen nicht zwangsläufig nachlässt. Unternehmen streben jedoch nicht nur in Deutschland oft größere Freiräume bei der betrieblichen Tarifpolitik und ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis der Verbände an, um weiter Mitglied zu bleiben oder dort beizutreten. Die Hände können folglich nirgendwo in den Schoß gelegt werden. Denn die bisherige Mitgliederstabilität konnte vielfach nur durch erhebliche strategische Anpassungsleistungen bewältigt werden. Außerdem bleiben die Zukunftsaussichten unklar. Beispiel Deutschland
Greift man das Beispiel Deutschland heraus, so zeigen sich folgende zentrale Ursachen der abnehmenden Bindekraft der Arbeitgeberverbände:
Wenn der gewerkschaftliche Organisationsgrad niedrig, das Unternehmen relativ klein, vergleichsweise jung, stark exportorientiert ist oder ein vergleichsweise geringes branchenspezifisches Arbeitskampfrisiko aufweist, dann ist die Wahrscheinlichkeit einer Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband eher niedrig. Strukturwandelbedingt spielen Firmen mit solchen Charakteristika heute und in Zukunft tendenziell eine größere Rolle als in der Vergangenheit.
Da es weder sinnvoll noch leicht möglich wäre, diese Trends zu ändern, die unter sonst gleichen Bedingungen zu weiter zunehmenden Mitgliederproblemen der Arbeitgeberverbände führen würden, müssen die Arbeitgebervertreter in erster Linie ihre Produktpalette so umgestalten, dass Verbandsabstinenzlern und Austrittswilligen ein Beitritt bzw. Verbleib im Arbeitgeberverband als lukrative Investition erscheint. Dabei muss eine Fokussierung auf kleinere und mittelgroße Unternehmen erfolgen, da sich heute überwiegend kleine und einige mittlere Unternehmen von Arbeitgeberverbänden fern halten. "Sie stellen zwar immer noch die Mehrheit der Mitglieder, sehen jedoch generell ihre Interessen in Arbeitgeberverbänden schlechter vertreten und leisten dort auch weniger aktive Mitarbeit als Großunternehmen."
Werden die richtigen Schritte eingeleitet, die zudem insbesondere auf Ostdeutschland auszurichten sind - dort haben Arbeitgeberverbände besonders starke Loyalitäts- und Rekrutierungsprobleme -, so ist der Trend einer abnehmenden Mitgliedschaft bei Arbeitgeberverbänden möglicherweise auch in Deutschland zu stoppen. Strategische Anpassungsreaktionen
Zahlreiche Arbeitgeberverbände haben sich den neuen wirtschaftlichen Gegebenheiten entlang ihrer Kernfunktionen angepasst; andere weisen noch ungenutzte Anpassungspotenziale auf.
1. Reform der Tarifpolitik: Beim Prozedere der Tarifverhandlungen kam es in einigen Ländern Europas in der jüngeren Vergangenheit zu deutlichen Verschiebungen,die vielfach zu einer weniger zentralisierten Lohnfindung führten, bei der Kosten- und Produktivitätsentwicklung häufig besser als zuvor in Einklang gebracht werden können. In Dänemark werden beispielsweise - einhergehend mit einem Prozess der "zentralisierten Dezentralisierung", der finanzielle Ressourcen vom dänischen Arbeitgeberdachverband DA zu seinen Mitgliedsverbänden verlagerte - die meisten Tarifverhandlungen seit den neunziger Jahren nicht mehr branchenübergreifend, sondern speziell für die betreffenden Branchen geführt. Eine ähnliche Entwicklung gab es in Schweden, wo sich der SAF (jetzt Dachverband schwedischer Unternehmen) im Jahr 1991 aus den zentralen Lohnverhandlungen zurückzog und die Verantwortung für diesen Bereich an seine Mitgliedsverbände übertrug. In Großbritannien hatte ein Prozess der Dezentralisierung der Verhandlungsstrukturen hin zu Verhandlungen ohne Arbeitgeberverbände bereits in den achtziger Jahren eingesetzt. In den neuen EU-Mitgliedsländern dominiert ebenfalls die dezentrale Ebene. Einige entgegengesetzte Entwicklungen führten dazu, dass Tarifverhandlungen (wieder) zentralisiert wurden, etwa in Belgien oder in Irland. Prozesse der Rezentralisierung der Verhandlungsstrukturen gab es aber nur unter den Sonderbedingungen kleiner Länder, denen in der Regel korporatistisch organisierte Lohnzurückhaltung zum Abbau einer gestiegenen Arbeitslosigkeit leichter fällt, während größere Länder wie Großbritannien und die USA ausschließlich mit einer stärkeren Dezentralisierung Beschäftigungs- und Arbeitslosigkeitsprobleme erfolgreicher als etwa Deutschland, Frankreich oder Italien lösen konnten. Um sowohl das Problem der Arbeitslosigkeit als auch die gestiegene Verbandsabstinenz in Deutschland besser in den Griff zu bekommen, sehen deutsche Arbeitgeberverbände die sinnvollste Lösung darin, die lange Zeit relativ starren tarifpolitischen Regelungen abzubauen und den Betrieben mehr Kompetenzen in der Arbeitszeit und der Entlohnung zuzubilligen. Zudem haben die Verbände oft schnellere Kündigungen von Mitgliedschaften ermöglicht. Kompensiert wird der mit dieser - seit einiger Zeit zunehmend verfolgten - Strategie der tariflichen Dezentralisierung, Differenzierung und Flexibilisierung teilweise verbundene Kompetenzverlust durch verschiedene flankierende Maßnahmen. So werden etwa Aspekte der qualitativen Tarifpolitik wie Qualifizierung, Lebensarbeitszeitgestaltung oder Mitarbeiterbindung sowie sozialpolitische Themen (z.B. Zusatzrente) inTarifverhandlungen aufgenommen - eine Tendenz, die sich z.B. auch in Dänemark, Frankreich und den Niederlanden zeigt.
2. Flexibilisierung der Verbandsmitgliedschaft: In einigen Ländern haben die Arbeitgeberverbände Mitgliedschaften von Unternehmen ohne Tarifbindung geschaffen oder eigene Verbände ohne Tarifbindung. Angesichts steigender Probleme durch Verbandsabstinenz, Austritte und Austrittsdrohungen vor allem durch mittelständische Unternehmen setzen in Deutschland seit Anfang der neunziger Jahre Arbeitgeberverbände zunehmend auf eine gespaltene Verbandsmitgliedschaft, die sich bei solchen OT-Mitgliedern (OT = "Ohne Tarifbindung") auf sozial- und tarifpolitische Beratungs- und Lobbyarbeit beschränkt. Das OT-Modell dient den Arbeitgeberverbänden in Zeiten zunehmender Verbandsabstinenz zur Organisationssicherung und dazu, tarifpolitisch zusätzlichen Druck auf die Gewerkschaften auszuüben.Die vor allem in Ostdeutschland verbreiteten OT-Verbände gibt es in ähnlicher Form auch in Norwegen. Hier haben die Arbeitgeberverbände traditionell eine Reihe von Mitgliedern, die nicht an Tarifvereinbarungen gebunden sind. In jüngerer Zeit ist deren Anteil deutlich gestiegen.
3. Rationalisierung durch Fusionierung: Arbeitgeberverbände sehen sich bei tendenziell enger werdenden finanziellen Spielräumen der Unternehmen zunehmend dazu gezwungen, ihre Ressourcen ökonomischer als bisher zu nutzen.Die durch verschärften Wettbewerb zwischen den Unternehmen erforderlichen Kosteneinsparungen geben sie auch durch verringerte Mitgliederbeiträge an die Verbände weiter. Deshalb haben einige Dachverbände in Ländern wie Dänemark, Deutschland, Finnland, Schweden und Österreich seit Anfang der neunziger Jahre Strukturreformen eingeleitet, um deutliche Einsparungen in den Haushaltsmitteln, den Mitgliedsbeiträgen und/oder den Personalkosten zu erzielen. Darüber hinaus kam es verstärkt zu Zusammenschlüssen reiner Arbeitgeber- und reiner Handelsspitzenverbände; durch Bündelung der Kräfte sollen Aufgaben rationalisiert und gleichzeitig die Durchsetzungsfähigkeit gesteigert werden. Weiterhin wurden teils größere Verbände geschaffen sowie Überschneidungen der relevanten Bereiche zwischen angrenzenden Verbänden beseitigt. Diese Rationalisierungen auf Dach- und Mitgliedsverbandsebene spielten vor allem in Irland, den nordischen Ländern, den Niederlanden, Norwegen, Großbritannien sowie in den neuen Mitgliedsstaaten der EU eine wichtige Rolle. Auch in Deutschland werden immer wieder Forderungen nach weiteren Fusionen in der nationalen Verbändelandschaft erhoben, insbesondere von Seiten der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft, um die Schlagkraft in Deutschland und Europa zu erhöhen. In der Tat stellen manche Autoren fest, dass Deutschland mit seinen "generally frozen institutional structures" dem Trend der Entdifferenzierung von Spitzenverbandsfunktionen im europäischen Ausland hinterherhinkt. Gleichzeitig mutmaßen sie aber, dass insbesondere der auch in Deutschland in Gang gesetzte Abbau verbindlicher tarifpolitischer Vorgaben auf Branchenebene der Anfang vom Ende separater Spitzenverbände von Arbeitgebern und Industrie sein könnte.
4. Optimierung der Informations- und Beratungsfunktion für Mitglieder: Mit einer strukturwandelbedingt tendenziell sinkenden Streikhäufigkeit und der abnehmenden Bedeutung verbindlicher Tarifverträge sind - neben einer stärkeren Verlagerung auf qualitative Tarifpolitik - andere Verbandsleistungen erforderlich, um Mitglieder an sich zu binden. Es scheint ein genereller länderübergreifender Trend zu existieren, mehr Ressourcen als je zuvor dafür aufzuwenden, den Mitgliedern zusätzliche eigenständige Serviceleistungen etwa in Form von Beratung bei Rechts-, Personal- und verbleibenden Tariffragen zur Verfügung zu stellen. Dabei kommt es auch zur Bildung von kommerziell ausgerichteten Abteilungen und Tochterfirmen, die ihre Beratungsleistungen und -produkte zu Marktpreisen an Verbandsmitglieder und teilweise auch an Nichtmitglieder verkaufen.Darüber hinausgehend und in Verbindung mit dem Ansatzpunkt flexiblerer Verbandsmitgliedgschaft sind speziell in Deutschland unter anderem Vorschläge zu hören, mehr als bisher über die Schaffung eines Systems aus Basisleistungen und optionalen Verbandsleistungen sowie die konsequente Anwendung des Instrumentes der ausgegliederten Geschäftsbetriebe nachzudenken. Verbandsstrukturelle Reformen könnten auch darin bestehen, die Arbeitgeberverbände nach Unternehmensgrößen aufzuspalten, um so einen potenziell beschäftigungsschädlichen Einfluss prosperierender Großunternehmen auf das gesamtwirtschaftliche Tarifgefüge zu unterbinden.
5. Ausbau der gesellschaftspolitischen Lobbyfunktion: Befürworter liberalisierender Wirtschaftsreformen, wozu in der Regel die Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände zählen, können durch adäquate Informationspolitik reformvorbereitend wirken. Dass sich unternehmerisches Interesse bei verkrusteten Strukturen in aller Regel mit dem allgemeinen Interesse an Arbeitsplätzen und wirtschaftlichem Wachstum deckt, wird von einer von deutschen Arbeitgeberverbänden begründeten so genannten "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" mit einer längerfristig angelegten, primär informationsorientierten und über verschiedene Kommunikationskanäle agierenden Medienkampagne geschickt genutzt.Diese Initiative hat zu einer größeren Präsenz marktwirtschaftlicher Reformthemen in den Medien beigetragen. Sie wird jedoch mitunter kritisiert, da sie von Arbeitgeberverbänden und Unternehmen finanziert wird. Die Kritiker weisen jedoch nicht nach, dass die - häufig in salopp gestalteten Anzeigen vorgetragenen - wirtschaftspolitischen Forderungen, die durch wissenschaftliche Expertisen von Mainstream-Ökonomen gestützt werden können, nicht auf das gesamtwirtschaftliche Wohl Deutschlands ausgerichtet sind. Insgesamt kann der Ansatz helfen, Widerstände gegen gesamtgesellschaftlich wohlfahrtssteigernde Reformen durch adressatengerechte Aufklärung abzubauen. Ähnliche Beispiele für promarktwirtschaftliche Initiativen von Verbänden finden sich auch in Frankreich oder in Schweden.
6. Korporatistische Einbindung: Grundsätzlich liegt die Schwierigkeit von Sozialpakten darin, dass Arbeitgeberverbände - wie prinzipiell auch Gewerkschaften - bei korporatistischen Arrangements nur wenig Handlungsspielräume haben, soweit die hierin zu beschließenden Maßnahmenpakete den kurzfristigen Interessen wichtiger Mitglieder zuwiderlaufen. Insofern lassen sich trotz einiger erfolgreicher Pakte im Ausland wenig verallgemeinerungsfähige Handlungsanweisungen ableiten. Strategischen Spielraum haben sich allerdings einige Arbeitgeber vertretende Verbände in Europa dadurch verschafft, dass sie ihre Mitwirkung an öffentlichen Gremien systematisch reduziert haben. Im Jahre 2001 beschloss der französische Verband MEDEF, sich aus der direkten Leitung der gemeinsam geführten Sozialversicherungskassen Frankreichs zurückzuziehen, und der ebenfalls französische CGPME folgte seinem Beispiel. In den neunziger Jahren zog sich der Vorgänger des Dachverbands schwedischer Unternehmen formell aus Verwaltungsräten und anderen tripartistischen Gremien zurück, da der Regierung aus seiner Sicht durch eine solche Einbindung der Interessengruppen nicht das Einschwenken auf einen Erfolg versprechenden Reformpfad gelang. Diese längerfristig geplante Maßnahme zielte darauf ab, das Kräfteverhältnis zwischen Kapital und Arbeit zugunsten der Unternehmerseite zu verschieben und war der Beginn des mittlerweile ziemlich erfolgreich implementierten schwedischen Reformpfads zu mehr Wachstum und weniger Arbeitslosigkeit.
7. Sach- und verbandsgerechte Umsetzung der Europäisierungserfordernisse: Zahlreiche Interessenvertretungen haben ihre Europa-Aktivitäten in jüngerer Zeit deutlich verstärkt und sind vor Ort sowohl in Brüssel als auch in Straßburg zunehmend aktiv. Die organisierten Vertreter der Arbeitgeberinteressen spielen jedoch trotz der fortlaufenden Europäisierung in Bezug auf Ressourcenausstattung und politischen Einfluss in der Regel nach wie vor die zweite Geige hinter den nationalen Verbänden. Letzteres liegt unter anderem an der mangelnden Koordination zwischen UNICE, sektoralen Arbeitgebervertretern und großen Einzelunternehmen auf europäischer Ebene. Auch sind etwa länderübergreifende Tarifverhandlungen nicht in Sicht, weil sie von der Arbeitgeberseite als sachwidrig abgelehnt werden. Auch politökonomisch lässt sich der weitere Vorrang der Ebene der Einzelstaaten leicht erklären, da eine starke Kompetenzverlagerung von der nationalen auf die europäische Ebene häufig der Interessenlage der nationalen Verbandsvertreter widerspricht. Sie muss auch keineswegs zielführend sein.
Nach wie vor spielen die nationalen Politiker, die Ansprechpartner der Verbände des jeweiligen Staates sind, auch die entscheidende Rolle bei Entscheidungen auf EU-Ebene. Zudem kann es sein, dass in bestimmten Sektoren die nationalen Interessenlagen etwa aufgrund unterschiedlicher komparativer Produktionsvorteile differieren und eine gemeinsame europäische Verbandsposition deshalb nicht zustande kommt bzw. nur schwer gegenüber einzelnen Mitgliedsverbänden vertreten werden kann.Dennoch spielt Europa bei den Unternehmensverbänden auf nationaler Ebene eine erheblich größere Rolle als früher, wie die Anpassungsprozesse zum Beispiel in Deutschland zeigen, wo die Unternehmensverbände in den letzten Jahren systematisch ihre europapolitische Kompetenz auf nationaler Ebene ausgebaut und ihr Euro-Lobbying effektiviert haben.
Die organisierten Vertreter von Arbeitgeberinteressen werden aus Sicht vieler Unternehmer weiterhin ein gefragter Dienstleister bleiben, wenn sie sich durch ein ständig verbessertes Preis-Leistungs-Verhältnis und "kundengerechte" innovative Angebote den geänderten Marktgegebenheiten anpassen sowie das scheinbar Unmögliche schaffen: "Doing more with less". Gelingt dies, bleiben die organisierten Vertreter von Arbeitgeberinteressen in Europa auch in Zukunft zeitgemäß.