Einleitung
Von der patriotisch geprägten Romantik im frühen 19. Jahrhundert bis zur deutschen Wiedervereinigung 1990 und darüber hinaus ist die deutsche bildende Kunst wohl konsequenter politisch gewesen als die Kunst anderer bedeutender Traditionen.
Die wesentlichen Phasen sind offensichtlich: die Förderung eines deutschen kulturellen Nationalgefühls in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts; die Feier oder Verurteilung der Revolutionen von 1848; die Dokumentierung und Memorialisierung der Deutschen Einigungskriege; die Ausbildung des Nationalbewusstseins und die Selbstverherrlichung im Kaiserreich; die kulturelle Antwort auf die politischen und sozialen Krisen des Ersten Weltkrieges und der Weimarer Republik; das rückwärts gewandte kulturelle Regime der Nationalsozialisten; die geteilte Kunst während des Kalten Krieges, verbunden mit der Erinnerung an Krieg und Völkermord; der Sozialistische Realismus in der DDR; Kunst als Mittel des politischen Protestes in der Bundesrepublik; und schließlich weitere Reflexionen über die deutsche Vergangenheit und Zukunft im Kontext der neuen Berliner Republik seit 1990.
Viele ähnliche Erscheinungen finden sich auch in den Kunsttraditionen anderer Länder; die deutsche Kunst hat sich stets in Wechselwirkung mit anderen Kulturen entwickelt. Gleichzeitig entfaltete sich ein Teil der bildenden Kunst in Deutschland - einschließlich einer so wichtigen Bewegung wie dem Expressionismus - weitgehend unabhängig von politischen Inhalten. Nichtsdestotrotz ist die uneinheitliche und unterbrochene Geschichte Deutschlands seit Napoleon fest in den bildenden Künsten verankert. Das Anliegen dieses Beitrages ist es, Verbindungslinien über die letzten zweihundert Jahre hinweg zu ziehen und damit eine umfassende Betrachtungsweise zu ermöglichen. Dabei soll es jedoch nicht um die chronologische Darstellung von Beispielen offenkundig politischer Kunst und Propaganda gehen, welche es sowohl auf staatskonformer als auch auf oppositioneller Seite in großer Zahl gibt. Stattdessen soll der Schwerpunkt auf der Untersuchung der Wiederkehr einiger starker Symbole liegen. Wie wurden diese von deutschen Künstlern zu verschiedenen Zeiten in die politische Ikonographie eingebunden?
Politik und Symbole
Die Verwendung des Begriffes Symbol in diesem Zusammenhang erfordert einige Vorüberlegungen. Zunächst können damit ganz bestimmte politische Embleme gemeint sein, wie im 20. Jahrhundert beispielsweise Hammer und Sichel oder das Hakenkreuz, obwohl selbst diese deutlich politischen Zeichen verschiedene Assoziationen hervorrufen.
Der Umstand, dass die künstlerische Erscheinung des Symbolismus Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts in Deutschland besonders präsent war, verkompliziert die Sache zusätzlich. Eine frühe französische Definition, von Jean Moréas in seinem Symbolistischen Manifest von 1886 vorgestellt, besagt, dass es bei dieser Kunstrichtung um die fassbare Darstellung der Idee gehe: "Die wesentliche Eigenschaft der symbolistischen Kunst besteht darin, eine Idee niemals begrifflich zu fixieren oder direkt auszusprechen. Und deshalb dürfen die Bilder der Natur, die Taten der Menschen, alle konkreten Erscheinungen in dieser Kunst nicht selbst sichtbar werden, sondern sie werden durch feinnervig wahrnehmbare Spuren, durch geheime Affinitäten zu den ursprünglichen Ideen versinnbildlicht."
Im Folgenden kommt der Symbolbegriff in verschiedenen Bedeutungen vor. Im Wesentlichen wird ein Symbol hier als visuelles Element verstanden, das als komplettes Bild oder als ein in ihm enthaltenes Detail eine über sich selbst hinausweisende Bedeutung trägt. Diese Bedeutung kann für alle potenziellen Betrachter aus der Zeit der Entstehung des visuellen Elements klar ersichtlich gewesen sein. Möglicherweise war sie aber auch nur unterschwellig wahrnehmbar. In bestimmten Fällen sind die Intentionen desjenigen, der ein Symbol schafft oder verwendet, für das Verständnis dieses Symbols entscheidend. In anderen Fällen wiederum ist das Erkennen einer eindeutigen Botschaft nicht notwendig, um das visuelle Element als Symbol beschreiben zu können. Gerade aus ihrer Mehrdeutigkeit schöpfen Symbole viel von ihrer Wirksamkeit. Drei Gruppen von Symbolen wurden für eine nähere Betrachtung ausgewählt: Bäume bzw. Wälder, die Rüstung und das Hakenkreuz. Die ersten beiden sind allgemeine Elemente, in denen über die ganze behandelte Zeitspanne hinweg politische Bedeutung mitschwingt. Das dritte ist eng mit den spezifischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts verbunden.
Bäume und Wälder
Einzelne Bäume und Wälder sind Themen, die in der deutschen Kunst immer wiederkehren. Sie sind eng mit Fragen der nationalen Identität verknüpft. Es kommen verschiedene Baumarten vor, wobei die Eiche und der Eichenwald wichtige nationale Werte verkörpern, wie etwa Standhaftigkeit, Langlebigkeit und Vertrauenswürdigkeit. Sie sind auch in anderen nationalen Traditionen verwendet worden, sehr häufig zum Beispiel in England. Doch von Caspar David Friedrichs Darstellungen der einzelnen Eiche bis hin zur Gestaltung der Euro-Münzen werden Eiche und Eichel mit Deutschland verknüpft. Ähnlich verhält es sich mit der Kiefer und dem Kiefernwald.
Die einzelne Eiche erscheint wiederholt in Friedrichs Werk, einerseits im voll belaubten Zustand, wie zum Beispiel in Der einsame Baum (1822), andererseits im winterlich kahlen Zustand, wie zum Beispiel in Eichbaum im Schnee (1829).
Friedrichs Freund und Bewunderer Georg Friedrich Kersting verwendete das Motiv der Eiche noch offenkundiger politisch. In den zusammengehörenden Bildern Theodor Körner, Friesen und Hartmann auf Vorposten (1815) und Die Kranzwinderin (1815) verbindet Kersting eine Geschichte von patriotischer Selbstaufopferung mit seiner eigenen Trauer.
Das Motiv der Schlacht im Teutoburger Wald erschien während des 19. Jahrhunderts wiederholt in Gemälden und Denkmälern und wurde dann im 20. Jahrhundert mindestens zweimal in bedeutender Weise wieder aufgenommen. 1939 fertigte Werner Peiner acht großformatige Entwürfe für einen Wandteppichzyklus mit Schlachtmotiven für die Marmorgalerie in Hitlers Reichskanzlei. Die (letztlich nicht vollständig realisierten) Motive sollten die Entwicklung der deutschen Nation anhand von Schlachten darstellen. Die erste davon war Die Schlacht im Teutoburger Wald (1939).
Bereits lange vor Kiefer hatte auch John Heartfield die Aufmerksamkeit auf die Selbstidentifikation der Deutschen durch Bäume und die Pervertierung des Themas durch die Nationalsozialisten gelenkt. In seinen satirischen Fotomontagen nahm er die Motive der Eiche und des Tannenbaums auf. In Deutsche Eicheln 1933 (1933) gießt ein winziger Hitler sehr ertragreich eine Eiche mit einer Gießkanne. Über ihm wachsen riesige granatenförmige Eicheln mit militärischen Kopfbedeckungen von der Pickelhaube bis hin zum hakenkreuzgeschmückten modernen Helm. Heartfield "feierte" Weihnachten 1934 dann mit einem kahlen Baum, der nur wenige Äste hatte: O Tannenbaum im deutschen Raum, wie krumm sind deine Äste! (1934). Die Äste sind zu Hakenkreuzen verbogen.
Heartfields Bearbeitung des Themas ist verknüpft mit einem anderen wirkungsvollen Baummotiv im 20. Jahrhundert: der verstümmelte Baum. Das häufig verwendete Motiv verbindet Ideen von Natürlichkeit und kultureller Kontinuität mit der grausamen Zerstörung durch Krieg und Völkermord. Zwischen 1914 und 1918 entstandene Darstellungen des Grabenkrieges sind zum Beispiel voller zerstörter Baumstämme und Äste. Im Triptychon Der Krieg (1932) und in Flandern (1934 - 36), zwei von Otto Dix' wichtigsten Werken, finden sich ähnliche Motive.
Das Motiv fand auch nach 1945 weiterhin Verwendung. 1969 stellte Georg Baselitz, wie in vielen anderen seiner Bilder aus dieser Zeit, die Bäume des Waldes buchstäblich auf den Kopf. Der Baum, der in Der Wald auf dem Kopf (1969) untergraben und umgedreht wird, ähnelt in gewisser Hinsicht Caspar David Friedrichs einsamem Baum. Einige Jahre zuvor war Baselitz' Darstellung noch brutaler: In Der Baum I (1965 - 66) trieft der blattlose Baum geradezu vor Blut. Die Äste sind gebrochen und abgetrennt, und das Messer, das den Schaden verursacht hat, steckt neben den Wurzeln im Boden.
Rüstungen und Ritter
Adolph Menzel fertigte 1866, im Jahr des Preußisch-Österreichischen Krieges, zwei bemerkenswerte Reihen von Skizzen mit Bleistift und Aquarellfarbe an. Diese enthalten extrem gegensätzliche Kriegsbilder. Im Sommer des Jahres zeichnete er halbnackte, tot in einer Scheune liegende Soldaten. Einige Monate zuvor, als er gerade Die Krönung König Wilhelms I. in Königsberg am 18.10.1861 (1865) beendet hatte, produzierte er in schneller Folge etwa zwanzig außergewöhnliche Bilder, die unter dem Titel Rüstkammerphantasien (1866) bekannt wurden.
Die deutsche Romantik zeigte sich fasziniert von Geschichten über Ritter aus alten Zeiten. Die Artussage und die Kreuzzüge herrschten als Themen vor, aber auch die Legende vom Heiligen Georg und dem Drachen war sehr beliebt. Ritter, Tod und Teufel (1513) von Albrecht Dürer verknüpfte die Themen Rittertum, Sterblichkeit und Selbstzweifel und diente als Vorbild für zahlreiche spätere Bilder.
Figuren mit Rüstungen mussten nicht zwingend männlich sein. Schillers Drama Die Jungfrau von Orleans (1801) regte im 19. Jahrhundert einige Darstellungen von Jeanne d'Arc in Kampfrüstung an. Obwohl die Legende wegen ihres französischen Hintergrunds in Deutschland umstritten war, erwies sich die Idee von tapferem Widerstand und kühner Entschlossenheit im Angesicht des Feindes als wirksam. In den folgenden Jahrzehnten ging man jedoch bei der visuellen Darstellung der bewaffneten Frau mehr und mehr zum Germania-Motiv über. Im revolutionären Bild Germania (1848) von Philipp Veit trägt die allegorische Figur die republikanische schwarz-rot-goldene Flagge. In der Zeit der Reichsgründung sowie in den Jahren vor und während des Ersten Weltkrieges machte dieser demokratische Aspekt jedoch einer stärker militaristischen Haltung Platz. Hermann Wislicenus stellte Die Wacht am Rhein (Germania) (1874) als Rüstung tragende Figur mit Helm und Schwert dar. Sie steht am Fluss, begleitet von einem Adler und einer Schlange. Deutsche Eichenblätter vervollständigen das patriotische Bild.
Zur gleichen Zeit brachte der Bismarck-Kult viele Bilder hervor, auf denen Rüstungen zu sehen sind. In Bismarck-Apotheose (1890) von Ludwig Rudow erscheint der große Mann mit Germania an seiner Seite,
Zwei bekannte Bilder aus der NS-Zeit, in denen sich Rüstungen finden, sind Der Bannerträger (1937) von Hubert Lanzinger und Blinde Macht (1935 - 37) von Rudolf Schlichter.
In der Nachkriegszeit nahmen Künstler in beiden Teilen Deutschlands weiterhin das Bild der Rüstung in ihren Werken auf. Markus Lüpertz' Sicht eines demokratischen Deutschland wirkt nicht gerade tröstlich; sein Triptychon Schwarz-Rot-Gold (1974) zeigt vordergründig Helme und Rüstungen.
Hakenkreuz
Im Vergleich zum Wald und zur Rüstung handelt es sich beim Hakenkreuz ganz offensichtlich um ein politisches Symbol. Die kulturellen Ursprünge des Hakenkreuzes, auch bekannt als Swastika, Fylfot oder Tetraskelon, liegen in vielen östlichen und westlichen Religionen. Die Art, wie sich die extreme Rechte in Deutschland im 20. Jahrhundert das Zeichen zu Eigen machte, hatte weitreichende Konsequenzen für seine weitere Rezeption. In welcher Weise wurde das Symbol von Anhängern und Gegnern des nationalsozialistischen Regimes genutzt, und welche Verwendung fand es nach dem Krieg in beiden Teilen Deutschlands?
Abgesehen von seiner offensichtlichen Verwendung für nationalsozialistische Uniformen, Fahnen und Kunstwerke wurde das Hakenkreuz seit den zwanziger Jahren in vielfältiger Weise eingesetzt. Oft erfolgte eine Anspielung lediglich über ein kleines Detail im Bild. In der im Simplicissimus erschienenen Karikatur Der Münchner (1923) von Karl Arnold zum Beispiel hat der abgebildete bayerische Royalist mit dem Walrossschnauzer Hakenkreuze in den Augen.
Der wichtigste Vertreter hinsichtlich der Manipulation des Hakenkreuzes für satirische Zwecke war jedoch zweifellos John Heartfield. Neben dem bereits erwähnten Tannenbaum ist Heartfields Werk voller einfallsreicher Neuerfindungen des Symbols, die allesamt auf die Verspottung und Ablehnung der Taten des nationalsozialistischen Regimes zielen: Ein Hakenkreuz aus Markstücken verbindet Nationalsozialismus und Kapitalismus in In diesem Zeichen will man euch verraten und verkaufen (1932); Hitlers Herz ist ein Hakenkreuz in Adolf, der Übermensch: schluckt Gold und redet Blech (1932); Kruzifixe werden zu Hakenkreuzen in Der Reichsbischof richtet das Christentum aus (1934); und blutige Äxte formen das Symbol in Der alte Wahlspruch im neuen Reich: Blut und Eisen (1934). Dies sind nur einige von zahlreichen eindrucksvollen Beispielen.
Das Hakenkreuz wurde vom NS-Regime permanent für Propagandaeffekte genutzt. Ein Künstler, der hiermit in besonders engem Zusammenhang stand, war Mjölnir [Hans Schweizer].
In der Nachkriegszeit war das Hakenkreuz als öffentliches Symbol untragbar. Von Zeit zu Zeit wurde es in Ost- wie auch in Westdeutschland verwendet, um öffentlich zu provozieren, aber nicht zwangsläufig in Zustimmung zum NS-Regime. In der bildenden Kunst wurde es normalerweise indirekt eingesetzt. An dieser Stelle seien nur einige Beispiele genannt. Kurz nach dem Krieg malte Otto Dix Hiob (1946), in dem die über und über mit Blasen bedeckte biblische Figur in den Ruinen einer modernen Stadt liegt. Über Hiobs Kopf befinden sich verkohlte Dachsparren, die ein schwarzes Hakenkreuz andeuten, aber nicht direkt abbilden.
In der DDR arbeiteten sowohl Werner Tübke als auch Bernhard Heisig nationalsozialistische Uniformen und Hakenkreuze in ihre Kritik am "Dritten Reich" und dem Zweiten Weltkrieg ein. In Tübkes Lebenserinnerungen des Dr. jur. Schulze III (1965) lässt sich eine winzige Hakenkreuz-Armbinde im surrealen Durcheinander der Umgebung ausmachen.
Mit dem für ihn typischen Humor schuf Martin Kippenberger ein ähnlich mehrdeutiges Werk, machte aber durch den Titel auf die Interpretationsmöglichkeiten aufmerksam: Ich kann beim besten Willen kein Hakenkreuz erkennen (1984).
Schlussbetrachtung
Drei Motive allein können der Vielfalt der politischen Symbolik in der modernen deutschen Kunst nicht gerecht werden. In diesem Beitrag sollte jedoch gezeigt werden, inwiefern eine weit gefasste Definition des Politischen geeignet ist, um Kontinuitäten in der Ikonographie einer Kunsttradition nachzuzeichnen, die stark von politischen Bezügen geprägt ist. Andere Motive könnten in ähnlicher Weise untersucht werden, so zum Beispiel Farben und Flaggen, industrielle und militärische Ausrüstung, Raubvögel, die Person Friedrichs II. oder sogar die einfache deutsche Wurst.
Interessant ist, dass in den hier diskutierten sowie auch in anderen möglichen Fällen Künstler aus unterschiedlichen Zeiten und politischen Systemen wiederkehrende Motive aufnahmen, diese aber in unverwechselbarer Weise für ihre eigenen Zwecke einsetzten. Mitunter ist eine klare politische Botschaft zu erkennen, häufiger jedoch handelt es sich um Bedeutungen und Anspielungen, die den Betrachter zu tieferem Nachdenken anregen. In diesen Mehrdeutigkeiten liegt der Reiz der politischen Kunst.
Übersetzung aus dem Englischen: Wiebke Düwel (Leipzig).