Einleitung
Die globale Wasserkrise zählt zu den anhaltenden Problemen der internationalen Politik. Obwohl der Handlungsbedarf unumstritten ist, wurden in den vergangenen Jahrzehnten keine signifikanten Verbesserungen erzielt. Über eine Milliarde Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, und mehr als doppelt so vielen fehlt eine sanitäre Grundversorgung.
Die Vereinten Nationen riefen deshalb im vergangenen Jahr eine neue Wasserdekade (2005 - 2015) aus. Bis 2015 soll entsprechend den UN-Millenniumszielen die Anzahl der Menschen ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitärer Grundversorgung halbiert werden. Dafür müssen jeden Tag ca. 275.000 Menschen an die Wasserversorgung angeschlossen und für ca. 375.000 Menschen Sanitäreinrichtungen neu bereitgestellt werden.
Die klassische zwischenstaatliche Entwicklungszusammenarbeit (EZ) versagt bisher bei der Lösung der globalen Wasserkrise. Als Schlüssel zur Umsetzung gelten deshalb freiwillige Partnerschaftsinitiativen zwischen staatlichen Akteuren (Regierungen, internationalen Organisationen) und nichtstaatlichen Akteuren aus Privatsektor und Zivilgesellschaft. Sie sollen die rein staatliche Umwelt- und Entwicklungspolitik nicht ersetzen, aber als neue Steuerungsform - Stichwort: Governance - ergänzen.
Beim Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg 2002 wurden Partnerschaften erstmals neben den zwischenstaatlichen, nunmehr "Typ 1"-Abkommen (Johannesburg Plan of Implementation, Political Declaration), als so genannte "Typ 2"-Partnerschaften zu den offiziellen Gipfelergebnisse gerechnet. Dies löste heftige Diskussionen aus. Die einen sehen in den Typ 2-Partnerschaften einen neuen lösungsorientierten Ansatz - "einen jazzigen, improvisationsfreudigen Tanz" gegenüber dem "steifen formalen Waltz traditioneller Diplomatie"
Ein viel beachtetes Beispiel für eine Partnerschaftsinitiative, die in Johannesburg auf den Weg gebracht wurde, ist die EU-Initiative "Wasser fürs Leben" (EUWI). An ihr sind staatliche Akteure, Unternehmen und zivilgesellschaftliche Akteure beteiligt.
Was versteht man unter Wasser-Partnerschaften? Unter Wasser-Partnerschaften werden hier institutionalisierte, kooperative Beziehungen zwischen staatlichen Akteuren, dem Privatsektor und zivilgesellschaftlichen Akteuren mit der Absicht verstanden, zur Umsetzung der wasserbezogenen UN-Ziele beizutragen. Ihr institutioneller Kontext entspricht einem Netzwerk. Partnerschaften sind freiwillig und entsprechend autonom. In der Regel verfügen sie über eine horizontale Struktur, d.h. staatliche und nichtstaatliche Akteure sind in Partnerschaften grundsätzlich gleichrangige Partner am Verhandlungstisch.
Die EU-Wasserinitiative
Die EUWI gliedert sich in vier regionale, voneinander weitgehend unabhängige Partnerschaften für Afrika, den Mittelmeerraum, Lateinamerika sowie die Staaten Osteuropas, des Kaukasus und Zentralasiens. Alle vier verfolgen den Auf- und Ausbau der Wasserversorgung und sanitärer Anlagen (Water Supply and Sanitation - WSS) in den Partnerregionen sowie IWRM. Hinzu kommt zum Beispiel bei der EUWI für den Mittelmeerraum und für Lateinamerika ein Schwerpunkt zu nachhaltiger Wassernutzung in der Landwirtschaft, die den höchsten Wasserverbrauch hat. Die EUWI dient dabei in erster Linie als Plattform für kleinteiligere Projekte auf regionaler, nationaler und lokaler Ebene unter den Partnern. Ein Beispiel ist der Länderdialog Kasachstan, der unter Beteiligung der verschiedenen "betroffenen Kreise", der so genannten Stakeholder, Strategien zum nachhaltigen Umgang mit den Wasserressourcen in Kasachstan erarbeitet.
Dieser Länderdialog umfaßt vier Schwerpunktbereiche:
1. Institutionelle Verwaltung der Wasserqualität und Ökologie: Die zentrale Wasserzuteilung und Verwaltung verschwand in Kasachstan buchstäblich mit der Auflösung der Sowjetunion. Zuständigkeiten sollen deshalb geklärt, Informationslücken identifiziert und Kooperation gefördert werden.
2. Erreichung der UN-Wasserziele bis 2015: Qualitativ besseres und günstigeres Leitungswasser soll in Verbindung mit Kapazitätenbildung erhältlich werden. Da der Ausbau der Infrastruktur den Wasserverbrauch erhöhen wird, Kasachstans absolutes Wasseraufkommen jedoch bereits an seine Grenzen stößt, soll Nachfragesteuerung eingeführt werden. Die dahinterstehende Einführung von Wasserpreisen stößt jedoch auf wenig Sympathie in der Bevölkerung.
3. Wassernutzungseffizienz: Durch öffentliche Kampagnen soll ein Bewusstseinswandel für die Knappheit der Wasserressourcen angeregt werden, hin zu Wasserpreisen und institutioneller Kooperation.
4. Vorbereitung grenzüberschreitenden IWRM: Bilaterale Abkommen und Flussgebietsorganisationen sollen gefördert werden.
Staatliche Akteure
Staatliche Akteure haben die globale Wasserkrise bisher nicht zu lösen vermocht. Die Problematik ist hoch komplex, und ihre Bewältigung erfordert weit mehr als das zur Verfügung stehende Kapital und Know-how. Mit der Initiierung von Partnerschaften sollen deshalb neue, zusätzliche Ressourcen aus dem Privatsektor und der Zivilgesellschaft zur Umsetzung der UN-Wasserziele mobilisiert werden. Erwartet wird, dass sich so die Treffsicherheit staatlicher Investitionen und Maßnahmen erhöht. Im Vordergrund stand zunächst privates Kapital zum Ausbau der Infrastruktur in Entwicklungs- und Schwellenländern (Hardware). So sollten unzureichende öffentliche Mittel ergänzt und die öffentliche Haushalte entlastet werden.
Am Beispiel der EU-Wasserinitiative zeigt sich, dass das Potenzial der Partnerschaften von den staatlichen Akteuren zunächst überschätzt wurde. Es ist nicht ansatzweise gelungen, das für die Umsetzung der UN-Wasserziele notwendige Kapital aus privaten Quellen zu mobilisieren. In allen vier regionalen Komponenten der EUWI leisten die staatlichen Akteure den höchsten personellen und finanziellen Einsatz. Dabei hat sich der Druck auf die EU von allen Seiten, insbesondere von den staatlichen Akteuren der Partnerländer, die mehr Entwicklungshilfe fordern, noch erhöht. Anfang 2004 schließlich wurde die EU-Wasserfazilität mit öffentlichen Mitteln in Höhe von 500 Millionen Euro für die AKP-Staaten (afrikanische, karibische und pazifische Staaten, ehemalige Kolonien der EU-Mitgliedstaaten) parallel zur EUWI für Afrika geschaffen.
In ähnlicher Weise werden die Erwartungen der staatlichen EU-Akteure in Bezug auf das Wissen und die Informationen nicht-staatlicher Akteure verkehrt. Zivilgesellschaftliche Akteure wie die "Global Water Partnership" (GWP) liefern im Rahmen der EUWI zwar Know-how, werden dafür aber von staatlicher Seite bezahlt. Beim Jahrestreffen der EUWI in Stockholm 2005 bildeten die so genannten "Consultants", die Politikberatung in Form von Auftragsstudien u. ä. anbieten, zeitweise die Mehrheit der Anwesenden.
Zugleich schließt sich eine Teilnahme für das Gros der wasserbezogenen Zivilgesellschaft aus. Denn die meisten zivilgesellschaftlichen Akteure im Non-Profit-Bereich richten sich gegen die (Teil-)Privatisierung im Wassersektor und sind deshalb nicht bereit, mit den privaten Wasserkonzernen zu kooperieren. Gerade in Afrika gibt es zum Beispiel mit der "Free Water"-Bewegung eine starke zivilgesellschaftliche Bewegung gegen Wasserpreise und die Privatisierung der Wasserversorgung. Sie meint, eine Zuteilung von Wasser über Marktmechanismen widerspreche dem Menschenrecht auf Wasser, weil nicht alle Menschen die zu zahlenden Preise aufbringen können und damit von der Wasserversorgung ausgeschlossen werden. Die Privatisierung verschärft die Problematik, die in der Regel in einer Erhöhung der Wasserpreise resultiert.
An der EUWI nehmen nur solche zivilgesellschaftlichen Akteure teil, die nicht grundsätzlich gegen eine Privatisierung gerichtet und oft bereits eng mit dem Privatsektor verwoben sind - wie z.B. Water Aid oder GWP. Sie stammen fast ausschließlich aus Europa, verfügen allerdings über Verbindungsbüros in den Partnerregionen. Insofern können sie als eine Art Bindeglied zwischen globaler und lokaler Ebene agieren und mit ihrem Know-how zu einer höheren Treffsicherheit und Wirksamkeit der Partnerschaft gegenüber rein staatlichen Maßnahmen beitragen. Damit entlasten sie die staatlichen Akteure. Deren Erwartungen an die nicht staatlichen Akteure im Vorfeld der EUWI waren nichtsdestotrotz sehr viel höher.
Unternehmen - zwischen gesellschaftlicher Verantwortung und Lobbying
Die Erwartungen staatlicher Akteure richteten sich zunächst auf die Unternehmen. Sie werden durch Partnerschaften in ein gutes Licht gerückt. Ihnen wird deshalb häufig "Green Washing"
Die großen transnationalen Wasserkonzerne - RWE Thames Water, Suez und Veolia - sind von Seiten der Unternehmen an der EUWI beteiligt.
Für die Wasserunternehmen ist es derzeit wichtig, im Informationsfluss zu bleiben und ihren Zugang zu staatlichen Entscheidungsträgern zu festigen, da die EU-Wasserpolitik sich in einer Phase der Umstrukturierung befindet. Zum einen gewinnt die EU durch die Verlagerung von Kompetenzen auf die Europäische Ebene gegenüber den Mitgliedstaaten an Bedeutung. War früher die französische Regierung stärker Ansprechpartnerin für die französischen Unternehmen, so ist es heute die Europäische Kommission. Zum anderen ist Wasser auf EU-Ebene nicht mehr nur Thema der Umweltpolitik, sondern wird mit der Liberalisierung der Wassermärkte zunehmend zum wirtschaftspolitischen Thema - sowohl in Bezug auf den Binnenmarkt als auch international im Rahmen der Welthandelsorganisation (General Agreement on Trade in Services/GATS).
Da die EUWI kaum auf öffentliches Interesse stößt und deshalb - anders als gemeinhin angenommen -, wenn überhaupt, nur implizit zur Verbesserung des öffentlichen Images der Unternehmen beiträgt, muss die Imageverbesserung als zweitrangig gegenüber dem Motiv der direkten Lobbyingmöglichkeiten erachtet werden. Dafür spricht auch, dass die Unternehmen sich bisher nicht mit ihren Ressourcen in konkrete Projekte, wie etwa den Länderdialog mit Kasachstan, einbringen.
Zivilgesellschaftliche Akteure - zwischen gesellschaftlichem Engagement und Eigeninteressen
Zivilgesellschaftliche Akteure gelten gemeinhin als Bindeglied zur lokalen Bevölkerung. Aufgrund ihres Selbstverständnisses als "moralischer Gegenpol" zu Staat und Privatsektor werden sie zudem als Legitimationsressource globaler Politik erachtet. Das vordergründige Motiv zivilgesellschaftlicher Akteure, sich an Partnerschaften zu beteiligen, läge dementsprechend in der Kontrolle von Staat und Unternehmen.
Wie bei den Unternehmen sind es bei diesen NGOs auch die für die politischen Institutionen in Brüssel zuständigen Mitarbeiter/innen, die an den Treffen der EUWI beteiligt sind. Eine Mitarbeiterin erklärte: "Es bestehen unterschiedliche Motive von Seiten der Stakeholder. Für einige NGOs wird es um die Umsetzung und einen größeren Druck zum Ausbau des Zugangs zu Wasser und sanitärer Versorgung gehen. Aber für einige NGOs wird es auch um mehr Geld, den Erwerb eines größeren Einkommens und größeren Profils durch Partnerschaften gehen."
Durch das Engagement in Partnerschaften und die Zusammenarbeit mit staatlichen Akteuren und Unternehmen werden die NGOs zu relevanten Stakeholdern. Dadurch ändern sich die Instrumente, die ihnen für ihre Arbeit zur Verfügung stehen; z.B. wird die Expertise von Water Aid oft durch die Medien angefragt, was den Bekanntheitsgrad und damit das Spendenaufkommen der NGO erhöht. Das öffentliche Ansehen von NGOs wie Water Aid steigt deshalb parallel zu ihrer Beteiligung an der EUWI. Zivilgesellschaftliche Akteure, die die Einführung von Wasserpreisen und die Privatisierung der Wasserversorgung nicht ablehnen, profitieren somit von der Teilnahme an Partnerschaften.
Die Motive der Partner sind unterschiedlich: So richten sich die Partnerschaftsmotive staatlicher Akteure auf eine Mobilisierung nichtstaatlicher Ressourcen (Kapital, Know-how), eine höhere Treffsicherheit und Wirksamkeit von Maßnahmen zur Umsetzung der UN-Ziele sowie die Öffentlichkeit. Die Partnerschaftsmotive von Unternehmen orientieren sich am Zugang zu Entscheidungsträgern und Lobbyisten, an frühen Informationen, Planungssicherheit und "first-mover advantage" sowie an der Unternehmensverantwortung. Die Partnerschaftsmotive der zivilgesellschaftlichen Akteure bevorzugen die Umsetzung normativer Ziele, wie z.B. den Ausbau der Wasserversorgung, höhere öffentliche Aufmerksamkeit und eine erhöhte Spendenbereitschaft der Bevölkerung sowie den Zugang zu Informationen.
Schlussbemerkungen
Am Beispiel der EUWI wird deutlich, dass Partnerschaften durchaus "Win-win"-Potenzial aufweisen - wenn auch nicht im erwarteten Maße. Die staatlichen Akteure profitieren vom nichtstaatlichen Know-how und der damit verbundenen höheren Wirksamkeit staatlicher Interventionen. Die Unternehmen erhalten Zugang zu Entscheidungsträgern. Die zivilgesellschaftlichen Akteure werden als Stakeholder anerkannt. Damit bleiben die Partnerschaften allerdings vor allem für die staatlichen Akteure aus der EU hinter den Erwartungen zurück.
Mit der EUWI wuchs der Druck zur Erhöhung der öffentlichen Mittel für die wasserbezogene EZ, anstatt sie zu entlasten. Nichtstaatliches Know-how konnte mobilisiert werden - allerdings finanziert aus öffentlichen Mitteln. Zudem beteiligt sich das Gros der zivilgesellschaftlichen Akteure im Wassersektor nicht an Partnerschaften wie der EUWI, so dass ihr Wissen nicht einfließt. Negative Erfahrungen mit der Einführung von Wasserpreisen und der Privatisierung der Wassermärkte bleiben so ausgeblendet. Dies birgt nicht nur die Gefahr in sich, Fehler zu wiederholen. Auch drohen Partnerschaften spätestens in der Phase der Umsetzung auf Ablehnung der breiten Bevölkerung zu stoßen, wie z.B. in Afrika, wo es die "Free Water"-Bewegung gibt, oder auch in den ehemaligen Sowjetrepubliken, in denen Wasserpreise ebenfalls auf wenig Sympathie stoßen.
Partnerschaften wie die EUWI bieten somit "Win-win"-Potenzial für die beteiligten Partner. Der kooperative Ansatz stößt jedoch an deutliche Grenzen aufgrund grundsätzlicher Interessenkonflikte in Bezug auf die Privatisierung der Wasserversorgung. Mit der Entscheidung, eine Partnerschaft unter Beteiligung des Privatsektors zu initiieren, hat sich die EU implizit gegen eine Kooperation mit jenen zivilgesellschaftlichen Akteuren entschieden, die sich gegen die Privatisierung der Wasserversorgung richten. Ein Beweggrund dafür war, dass auf privates Kapital zum Ausbau der Infrastruktur gesetzt wurde - eine Erwartung, die sich nicht erfüllte. Als Konsequenz wäre eine verstärkte Zusammenarbeit mit öffentlichen anstatt privaten Unternehmen denkbar, so dass zugleich das Gros der wasserbezogenen Zivilgesellschaft ins Boot geholt werden könnte. Auch öffentliche Unternehmen verfügen über das gefragte technologische und betriebswirtschaftliche Know-how.
Der wachsende Druck auf die EU, die wasserbezogene Entwicklungshilfe zu erhöhen, führt zudem deutlich vor Augen, dass öffentlichen Investitionen und damit den staatlichen Akteuren weiterhin die entscheidende Rolle bei der Umsetzung der UN-Wasserziele zukommt. Als Geber bestimmen die staatlichen Akteure aus der EU weiterhin die "Spielregeln". Nur wenn sie die Finanzierung leisten, können Partnerschaften mit dem Privatsektor und der Zivilgesellschaft zum Erfolg führen. Insofern können Partnerschaften zwar einen Beitrag zur Umsetzung der UN-Wasserziele leisten, aber die globale Wasserkrise nicht abschließend lösen.