Einleitung
Als die Europäische Kommission am 16.Mai 2006 ihre Fortschrittsberichte für Rumänien und Bulgarien vorstellte, blieb sie der bislang verfolgten Linie treu. Die Berichte enthalten weder eine Empfehlung des Beitritts der beiden Länder zur Europäischen Union (EU) zum 1. Januar 2007, noch wird er abgelehnt.
Prinzipiell war und ist die Aufnahme beider Länder, anders als im Fall der Türkei, in der EU politisch unumstritten. Rumänien und Bulgarien gehören zum europäischen Kontinent, haben eine lange europäische Geschichte und sind politisch, wirtschaftlich und kulturell fest mit Europa verbunden. Dennoch gestaltet sich der Beitrittsprozess schwieriger als für die anderen, bereits beigetretenen Staaten Mittel- und Osteuropas. Politische und wirtschaftliche Defizite führen dazu, dass beide Länder unter permanenter Beobachtung der EU stehen und dass immer wieder mit einer Rücknahme der Beitrittszusage gedroht wird. Im Falle Rumäniens enthielt eine Entschließung des Europäischen Parlaments im Februar 2004 ungewöhnlich deutliche Worte: "Das Europäische Parlament bedauert, dass trotz der Fortschritte in einer Reihe von Bereichen Rumänien derzeit ernste Schwierigkeiten bei der Erfüllung der Anforderungen der politischen Kriterien von Kopenhagen hat, und äußert sich besorgt darüber, dass der Abschluss der Beitrittsverhandlungen Ende 2004 und der Beitritt im Jahr 2007 nicht möglich sein wird."
Rumänien und Bulgarien reagierten auf den Europäisierungsdruck mit der Versicherung, die notwendigen Reformen zur absoluten Priorität zu machen. Dieser Beitrag blickt auf den schwierigen Weg der beiden Länder in die EU und untersucht die politischen und wirtschaftlichen Probleme, die eine Aufnahme zum 1. Januar 2007 gefährden könnten.
Der schwierige Weg in die EU
Bereits im Februar und März 1993 hatten Rumänien und Bulgarien Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnet, die am 1. Februar 1995 in Kraft traten. Aufgrund ihrer Bedeutung werden sie auch als Europa-Verträge bezeichnet. Obwohl beide Länder stark unter den politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der kommunistischen Herrschaft litten und zum damaligen Zeitpunkt kaum assoziierungsfähig waren, profitierten sie doch von einem außenpolitischen Umfeld, das von europäischer "Wiedervereinigungseuphorie" sowie der Furcht der westeuropäischen Staaten vor einer sozialen Explosion im östlichen Teil des Kontinents geprägt war. Die Europa-Verträge sahen die Schaffung einer Freihandelszone vor und enthielten Regelungen für eine intensivierte Wirtschaftskooperation und eine Zusammenarbeit im Kultur- und Finanzbereich. Ihre besondere Bedeutung ist darin zu sehen, dass die Heranführung erstmals in ein rechtlich verbindliches Verhältnis gegossen worden ist. Zudem wurden beide Länder an das Rechtssystem der Union gekoppelt und müssen seither auch Novellierungen des Gemeinschaftlichen Besitzstands (acquis communautaire) übernehmen.
Das Beitrittsgesuch Rumäniens am 22. Juni 1995 erfolgte als viertes eines Landes in Mittel- und Osteuropa, Bulgarien folgte am 14. Dezember 1995. Obwohl beide Länder von den jeweiligen KP-Nachfolgeparteien regiert wurden, unterstrichen die politischen Führungen den Wunsch nach Aufnahme in die EU und bekräftigten den Willen zu Kooperation und Transformation.
Allerdings sah die EU auch, dass beide Länder in besonderem Maße unter den Balkankriegen und den westlichen Boykotten litten. Sie entschied sich deshalb dafür, die Entwicklung in Rumänien und Bulgarien mit hohen Mittelzuteilungen aus unterschiedlichen Förderprogrammen zu stabilisieren und die Länder allmählich an die europäischen Strukturen heranzuführen. Ein im Vergleich zur vorherigen Periode härterer Reformkurs unter den Präsidenten Emil Constantinescu in Rumänien und Petar Stojanow in Bulgarien konsolidierte die politische und ökonomische Lage. Im Fortschrittsbericht 1999 sprach sich die Kommission erstmals für eine Aufnahme von Beitrittsverhandlungen aus. Der Europäische Rat von Helsinki schloss sich im Dezember desselben Jahres dieser Empfehlung an und entschied, dass im Hinblick auf den Verhandlungsverlauf und den Abschluss jedes Land für sich betrachtet werden solle. Im Februar 2000 begannen die Beitrittsverhandlungen mit beiden Ländern. Aufgrund des schleppenden Abschlusses einzelner Verhandlungskapitel gehörten Rumänien und Bulgarien jedoch nicht zu den zehn Kandidaten, die nach Beschluss der Staats- und Regierungschefs auf dem Gipfel in Kopenhagen im Dezember 2002 zum 1. Mai 2004 beitreten konnten. Allerdings war dies auch nicht das Ziel der bulgarischen und rumänischen Verhandlungsführung. Die "Road Map" der EU avisierte eine Aufnahme für das Jahr 2007, ein Datum, mit dem Sofia und Bukarest einverstanden waren.
In der Zwischenzeit führte eine Politik der kleinen Schritte zu weiterer Annäherung. Bulgarien und Rumänien nahmen von Februar 2002 bis Juni 2003 an den Beratungen des Verfassungskonvents in Brüssel teil, dessen Abschlussdokument zum ersten gesamteuropäischen Verfassungsvorschlag wurde.
Die Verhandlungen zwischen der EU und Bulgarien wurden im Juni 2004 mit der Schließung aller 30 Verhandlungskapitel erfolgreich beendet. Die rumänische Regierung geriet dadurch unter Druck, denn immer mehr wurde deutlich, dass die Verhandlungen mit beiden Ländern weitgehend synchron verlaufen, ohne dass sie voneinander abhängen. Ende 2004 konnte schließlich auch Rumänien die Verhandlungen mit der EU abschließen. Im Februar 2005 befürwortete die Kommission einen Beitritt beider Länder.
Doch die Erfolgsgeschichte Rumäniens und Bulgariens ist nicht ungetrübt. Unter den mehr als 800 Seiten des Beitrittsvertrages erweisen sich insbesondere die so genannten Schutzklauseln als brisant. Sollte die Europäische Kommission in der Zeit bis zum vorgesehenen Beitritt zum Januar 2007 feststellen, dass ein Land die Vorbereitungen nicht mehr mit dem nötigen Nachdruck vorantreibt und nicht in der Lage ist, "die Anforderungen der Mitgliedschaft zu erfüllen", dann kann der Beitritt um ein Jahr auf den 1. Januar 2008 verschoben werden (Art. 39 des Beitrittsvertrages). Dabei beschließt der Rat einstimmig auf Empfehlung der Kommission. Aber auch nach einem Beitritt behält sich die Union Schutzklauseln in den Bereichen Wirtschaft (Art. 36), Binnenmarkt (Art. 37) sowie Justiz und Inneres (Art. 38) vor.
Die Aufschubklausel setzte beide Länder unter beträchtlichen Anpassungsdruck. Da der Rat einem Beitritt nur auf Empfehlung der Kommission zustimmt, kommt ihren regelmäßigen Fortschrittsberichten eine besondere Bedeutung zu. Die letzten umfassenden Berichte erschienen Ende Oktober 2005.
Politische Herausforderungen
Die Europäische Kommission bescheinigt beiden Ländern eine funktionierende Demokratie und die Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze. Positiv wird für Rumänien hervorgehoben, dass in den Bereichen Medienfreiheit, Eigentumsrückgabe sowie Schutz von Minderheiten und Kindern große Fortschritte erzielt worden sind. Auch die Situation in den Waisenhäusern, deren Schreckensbilder nach dem Fall des Ceausescu-Regimes großes Aufsehen in Europa hervorgerufen hatten, ist deutlich verbessert worden. Reformbedarf besteht noch immer bei der Bekämpfung des Menschenhandels (Rumänien gilt als Transitland) sowie bei der Eindämmung des Gewaltmissbrauchs durch die Polizei insbesondere im Umgang mit der Minderheit der Roma. Diese Einschätzung wird auch durch Berichte von Amnesty International geteilt.
Bulgarien steht vor vergleichbaren Herausforderungen. Die EU würdigt zwar die Anstrengungen, die zur Änderung der Rechtsvorschriften seit Beginn der Justizreform im Jahr 2002 gemacht worden sind, kritisiert jedoch die Beharrungskraft des Justizsystems insgesamt. Die Schnelligkeit, Spezialisierung und Professionalisierung des Gerichtswesens lässt trotz aller Reformen zu wünschen übrig. Auch in Bulgarien müssen der Umgang mit Minderheiten, die Bekämpfung des organisierten Menschenhandels sowie die Situation im Polizeigewahrsam und in den Gefängnissen verbessert werden.
Das größte Problem in beiden Ländern ist die grassierende Korruption. Die allgegenwärtige Armut, von der bis zu einem Drittel der Bevölkerung betroffen ist, die Wucherungen der Bürokratie in Verbindung mit ungeklärten Zuständigkeiten und Parallelkompetenzen, die Unterbezahlung der Bediensteten in der öffentlichen Verwaltung sowie Mängel der politischen Kultur, die sich in einer ausgeprägten Selbstbereicherungsmentalität der politischen und ökonomischen Eliten ausdrücken, führen dazu, dass in Rumänien und Bulgarien die Korruption ein immenses Ausmaß angenommen hat. Eine "Bakschisch-Mentalität" scheint alle Bereiche des öffentlichen Lebens zu durchdringen und keine sozialen Schranken zu kennen. So haben bei einer Umfrage in Rumänien 80 Prozent der Befragten zugegeben, dass sie schon einmal Schmiergeld gezahlt haben.
Bereits im Oktober 2001 wurde von der rumänischen Regierung ein Nationaler Plan sowie ein Nationales Programm zur Korruptionsvorbeugung verabschiedet. Beide Pläne sollten die Gesetzeslage präzisieren und stellten Strategien zur Korruptionsbekämpfung auf. Neu eingerichtet wurde die vom Generalstaatsanwalt koordinierte Nationale Staatsanwaltschaft für die Bekämpfung der Korruption (NAPO). Seit 2002 existiert ferner die Nationale Antikorruptionsbehörde (PNA). Politische Wellen schlug im Oktober 2003 der Rücktritt von drei Ministern aufgrund von Korruptionsvorwürfen. Die NAPO kündigte an, die Kontrollen des Militärs fortzusetzen und verstärkt auch gegen Unregelmäßigkeiten im Justizapparat vorzugehen. Nach dem Regierungswechsel Ende 2004 sorgte der von der Regierung vorangetriebene Personalwechsel für Aufsehen. Mit der Generaldirektion Korruptionsbekämpfung (DGA) im Ministerium für Verwaltung und Inneres wurde Ende Oktober 2005 eine weitere Antikorruptionseinheit insbesondere für den öffentlichen Sektor geschaffen. Noch immer wartet die Öffentlichkeit auf die Aufarbeitung spektakulärer Fälle.
Auch in Bulgarien ist im Bereich der Korruptionsbekämpfung weniger die mangelnde Existenz von Strategien und Aktionsplänen das Problem, sondern die fehlende Verfolgung insbesondere hochrangiger Fälle. Seit Oktober 2001 gibt es eine nationale Antikorruptionsstrategie, die im Februar 2005 vom Ministerrat um Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption auf höchster Ebene ergänzt worden ist. Auf der mittleren Ebene bilden Präventions- und Schulungsprogramme zur Korruptionsbekämpfung sinnvolle Maßnahmen. Insbesondere im Baubereich, beim Zoll, im Gesundheitssektor und bei der Polizei sollen diese Maßnahmen greifen. Die Integrität der staatlichen Beamten soll regelmäßig überprüft werden. Die Bekämpfung der "großen" und "kleinen" Korruption sowie des Bandenwesens, das mit Menschenhandel, Auftragsmorden und ausgedehntem Schmuggel erhebliche Summen verdient, sind die vordringlichsten Anliegen der EU.
Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International nahm Bulgarien im Jahr 2005 von 158 weltweit untersuchten Ländern zusammen mit Kolumbien Rang 55 ein. Rumänien lag gleichauf mit der Dominikanischen Republik und der Mongolei auf Rang 85.
Wirtschaftliche Probleme
Die größten Defizite beider Länder liegen im ökonomischen Bereich. Bulgarien und Rumänien teilten mit den übrigen Staaten Mittel- und Osteuropas in der Zeit unmittelbar nach dem Ende des Kommunismus das "Tal der Tränen" eines sinkenden Bruttosozialprodukts, verbunden mit zurückgehender Industrieproduktion und schrumpfender Volkswirtschaft. Auffällig ist, dass in beiden Ländern dieses Tal tiefer war als in den anderen Beitrittsstaaten der Region. Das lag vor allem am mangelnden politischen Willen, durchgreifende Umstrukturierungen einzuleiten. Stattdessen wurde die Krise mit staatlicher Wirtschaftstätigkeit und Inflation lange Zeit weitgehend kaschiert. Unter dem Druck der EU und internationaler Organisationen wurden Reformen in Angriff genommen, die seit 1998 zunächst Bulgarien, seit 2000 auch Rumänien einen Aufschwung mit Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts um rund neun Prozent brachten, der allerdings von einem sehr niedrigen Niveau ausging und allmählich wieder sinkt.
Das größte ökonomische Problem der vergangenen Dekade war die jahrelang horrend hohe Inflationsrate. Der Verfall der Landeswährungen begann in der unmittelbaren Nachwendezeit. Insbesondere in Rumänien stieg die Inflationsrate rasch an und lag 1997 bei 155 Prozent. Seitdem sinkt sie beständig, ohne sich jedoch gänzlich festigen zu können, und lag im Jahr 2005 noch bei rund neun Prozent. Bulgarien, das seit 2001 über eine vergleichsweise stabile Währung verfügt, verzeichnete im vergangenen Jahr eine Inflation von fünf Prozent. Nach den ehrgeizigen Planungen beider Regierungen sollen die Inflationsraten kurzfristig sinken, obwohl Schwierigkeiten bei der Begrenzung der öffentlichen Ausgaben bestehen.
Bulgarien und Rumänien verfügen über den niedrigsten Kaufkraftstandard aller Staaten Mittel- und Osteuropas. Gemessen an der alten Union der 15 Mitgliedstaaten verfügten sie nur über ein Viertel der Kaufkraft der Westeuropäer; nach der EU-Osterweiterung sind es rund 35 Prozent. Doch selbst die wenig wohlhabenden baltischen Staaten können Werte von deutlich über 50 Prozent vorweisen. In Bulgarien und noch deutlicher in Rumänien gibt es einen Hauptstadtbonus: Das regionale Bruttoinlandsprodukt liegt in Sofia um rund 50, in Bukarest um 100 Prozent höher als im übrigen Land. Im europäischen Vergleich befinden sich die zehn Regionen mit dem niedrigsten Bruttoinlandsprodukt allesamt in Bulgarien und Rumänien. Ein Grund für den niedrigen Kaufkraftstandard sind extrem niedrige Löhne: Im europäischen Vergleich rangieren beide Länder mit einem Bruttostundenverdienst von 0,88 EUR (Bulgarien) bzw. 1,04 EUR (Rumänien) an letzter Stelle; in der alten EU der 15 werden im Durchschnitt 14,18 EUR gezahlt. Die Bruttostundenverdienste streuen zwischen den verschiedenen Berufsgruppen wenig, sondern liegen in allen Bereichen auf einem niedrigen Niveau. Darüber hinaus haben Bulgarien und Rumänien die geringste Arbeitsproduktivität aller mittel- und osteuropäischen Staaten. Bulgarien war und ist kaum industrialisiert, und in Rumänien zeugen veraltete Industrieanlagen von Ceausescus Modernisierungswahn. Die ökologisch bedenklichen und volkswirtschaftlich unsinnigen Anlagen erfordern einen hohen Personaleinsatz bei zu geringem quantitativen Output. Lange Zeit galten die einstigen Prestigeprojekte als reformresistent. Unter dem Druck der Europäisierung wird die Wirtschaft unter hohen Transformationskosten nun an den europäischen Standard herangeführt.
Ein weiteres Dauerproblem in den beiden agrarisch geprägten Staaten ist die Landwirtschaft: Sie ist ineffizient, erwirtschaftet zu wenig Ertrag und ist durch Überbeschäftigung gekennzeichnet. In Bulgarien liegt der Anteil der in Land- und Forstwirtschaft sowie in der Fischerei Beschäftigten mit knapp zehn Prozent noch vergleichsweise niedrig. Ihr Anteil an der Bruttowertschöpfung des Landes entspricht in etwa diesem Anteil. In Rumänien dagegen sind noch immer rund 30 Prozent aller Beschäftigten im Agrarsektor tätig, im Jahr 2000 waren es sogar noch 42,8 Prozent. Der Anteil der Landwirtschaft an der Bruttowertschöpfung des Landes ist mit rund 14 Prozent jedoch unverhältnismäßig gering. Hinzu kommen politische Fehlentscheidungen: Bei der Rückführung der Genossenschaften und Staatsfarmen wurden viele durchaus rentable Großbetriebe zugunsten von rund 3,5 Millionen Einzelhöfen zerschlagen. Kredite für die Anschaffung von Maschinen und Saatgut wurden nicht gewährt oder in zu geringem Umfang bereitgestellt. So sind die Hektarerträge mittlerweile auf das niedrigste Niveau in der Region gesunken. Wichtige Grundnahrungsmittel wie Kartoffeln, Weizen und Zucker müssen importiert werden. Der Fortschritt scheint über den Agrarsektor hinwegzugehen, zumal die Landwirtschaft eher subsistenzwirtschaftlichen Charakter hat. Bei einer Befragung der Zeitschrift "Curierul National" im Jahr 2004 gaben 83 Prozent der Befragten an, nur für den Eigenbedarf zu produzieren. 17 Prozent erklärten, dass sie ihre Produkte zum Teil verkauften, und nur vier Prozent verkauften mehr als die Hälfte der Produktion. So wird wohl auch weiterhin in Westeuropa längst vergessenes Handwerkszeug den bäuerlichen Alltag in Rumänien prägen, gehören Pferd und Wagen wie selbstverständlich zum Straßenbild.
Die ökonomischen Daten für Bulgarien und Rumänien deuten auf eine schwierige Transformation der Länder im Vergleich zu den übrigen Staaten Mittel- und Osteuropas hin. Ob Bruttoinlandsprodukt, Inflationsrate, Handelsbilanz, Infrastruktur, Ausgaben für Innovation und Forschung, Anschluss an moderne Informations- und Kommunikationstechnologien, aber auch Lebensstandard, Lebenserwartung und Säuglingssterblichkeit - fast immer liegen beide Länder am falschen Ende der Skala. Im Fortschrittsbericht 2002 der Kommission hieß es daher: "Es besteht zunehmende Übereinstimmung über die wesentlichen Ziele der Wirtschaftspolitik, doch verhindert die Angst vor den hohen politischen und sozialen Kosten nach wie vor, dass die Strukturreformen mit dem nötigen Nachdruck durchgesetzt werden. Häufig wurden makroökonomische Stabilisierung und Strukturreform nur halbherzig unterstützt, was dazu führte, dass die politischen Ziele bei weitem nicht erreicht wurden."
Das bulgarische und rumänische Wirtschaftsleben leidet unter einer Gemengelage aus verschleppten Reformen, unrentablen Staatsbetrieben, Bürokratismus, Zentralismus und Korruption, die die Modernisierung nachhaltig hemmen. Aufgrund bescheidener, aber stetiger Fortschritte in der Wirtschaftsentwicklung konnte die Kommission erstmals im Jahr 2004 beiden Ländern eine funktionierende Marktwirtschaft bescheinigen.
Fazit
Die Rückkehr Rumäniens und Bulgariens nach Europa gestaltet sich auch rund 16 Jahre nach dem Ende des Kommunismus in Mittel- und Osteuropa sehr schwierig.
Die Fortsetzung des Erweiterungsprozesses stellt die EU vor große Herausforderungen. Mehr denn je übt sie magische Anziehungskraft auf die umliegenden Staaten aus. Kroatien und Mazedonien gehören dazu, aber auch Bosnien-Herzegowina und ein unabhängiges Montenegro. Zudem möchten auf lange Sicht die Ukraine, Albanien und vor allem auch die Türkei Mitglieder der Gemeinschaft werden. Die zahlreichen Aufnahmewünsche mit der Folge einer Überdehnung gefährden die innere Stabilität und Kohärenz der Union. Umgekehrt wird diese die weit gespannten Hoffnungen auf Wohlstand, Stabilität und Modernisierung kaum erfüllen können. Ob die Europäische Nachbarschaftspolitik und der Barcelona-Prozess mit den Mittelmeer-Anrainern ein hinreichender Ersatz für einen Beitritt sind, wird sich erst noch erweisen müssen.
Seit den gescheiterten Referenden in Frankreich und den Niederlanden steckt die EU in einer strukturellen Krise. Der "feste Wille, die Grundlagen für einen immer engeren Zusammenschluss der europäischen Völker zu schaffen", wie es in der Präambel des Gemeinschaftsvertrages so optimistisch formuliert ist, scheint mit der Unterbrechung des Verfassungsprozesses abhanden gekommen zu sein. Regierungen wie Bevölkerungen sind gleichermaßen ratlos, ob und wie die Vertiefung der Gemeinschaft vorangetrieben werden kann. Doch darf diese Krise nicht den beiden südosteuropäischen Beitrittskandidaten angelastet werden. Die Union wird künftig genau abwägen müssen zwischen Beitrittsversprechen an einzelne Länder und der eigenen Zukunftsfähigkeit.