Einleitung
Dass man auf weltgesellschaftliche Herausforderungen und Konflikte mit Dialog reagiert, liegt nahe. Und dass die Antipoden des Dialogs Kulturen seien, scheint auch plausibel zu sein. Wie sollte man auch sonst zwischen Unterschieden vermitteln? Wie sonst ließe sich das Trennende zugunsten des Gemeinsamen überwinden? Wie sonst wären Missverständnisse auszuräumen, wenn nicht durch die Kraft der vermittelnden Rede und der Anerkennung des sprechenden Gegenübers? Und wie sonst könnte man wenigstens Konsens über letzte unheilbare Dissense erzielen, wenn nicht durch den Dialog?
Die Lösungsrichtung ist damit angezeigt - und die Problemstellung ebenfalls. Das Problem wird allenthalben im Mangel an unmittelbarer Wechselseitigkeit ausgemacht, und die Lösung kann dann folgerichtig nur ihre Herstellung sein. Zur Debatte stehen nun nur noch die Inhalte: wie "der Orient" und "der Westen" zusammenkommen, wie sich "der Islam", "das Christentum" und "das Judentum" zueinander verhalten sollen, wie sich ökonomische Interessen und politische Anerkennung miteinander verbinden lassen und wie man sich auf gleicher Augenhöhe begegnen kann. So ähnlich wie sich die römisch-katholische Kirche und der Lutherische Weltbund am 31. Oktober 1999 nach einem halben Jahrtausend auf eine gemeinsame Formel über die Rechtfertigungslehre geeinigt haben, erwartet man nun im weltweiten Dialog der Kulturen Dialogergebnisse, denen Ausgleich und Verständigung oder wenigstens eine Entdramatisierung des Trennenden zu entnehmen sind. Die europäischen Konfessionskriege stehen dem, was derzeit als "Kampf der Kulturen" inszeniert wird, in nichts nach. Und doch, so lässt sich dem Exempel entnehmen, hätte es nur ein wenig Dialogbereitschaft bedurft, und man hätte sich darauf einigen können, dass es zwar einen Unterschied macht, ob nun eher Glaube oder eher Gnade der Quell der Wiederherstellung der Gerechtigkeit zwischen Gott und den Menschen sei, dass es am Ende aber doch auf das Verbindende ankomme. Nach diesem Modell die Kulturkonflikte der globalen Welt zu behandeln, bietet einen wunderbaren Maßstab: Ohne von der eigenen Position prinzipiell Abschied nehmen zu müssen, lässt sich die Anerkennung des anderen im Dialog der Kulturen inszenieren.
Einen solchen zu postulieren liegt so nahe, dass man ihm wohl kaum widersprechen kann. Nur eine Frage wird selten gestellt: Wer spricht da? Wer ist es, der oder die als Kultur auftritt? Warum erscheinen Konflikte als Konflikte von Kulturen, die dann durch Dialog zu lösen sind? Um die Frage zu beantworten, werde ich zunächst einen Blick auf "Kultur" werfen - denn ein Dialog der Kulturen ist es ja, was postuliert wird.
Kultur als Beobachtungsschema und Ressource
"Kultur" ist ein Un-Begriff, weil sich letztlich nichts identifizieren lässt, was nicht Kultur ist. Es waren die modernen Kulturwissenschaften, die Ethnologie, die Geschichtswissenschaften, die Philologien und neuerdings die cultural studies, die uns mit dieser merkwürdigen Chiffre versorgt haben und vor deren Zugriff nichts sicher ist: Alles, was sich beobachten lässt, kann auch als Kultur beobachtet werden. Das Konzept Kultur scheint einen Beobachter mit einem Schema zu versorgen, das Eindeutigkeiten verspricht und Muster erkennbar macht, Regelmäßigkeiten und Erwartbarkeiten. Man weiß dann etwa, dass sich Angehörige bestimmter ethnischer oder nationaler Kulturen so und nicht anders verhalten; man weiß, dass Angehörige der Arbeiterklasse dieses oder jenes tun und rundet dieses oder jenes dann zur Arbeiterkultur auf; man möchte, dass in bestimmten Unternehmen ein bestimmter Umgangston und eine spezifische Form der Identifikation herrschen und redet dann von Unternehmenskultur - der Beispiele wären viele.
Kultur wäre dann so etwas wie ein verhaltensrelevanter Deutungsvorrat, der den Angehörigen einer solchen Kultur Hinweise an die Hand gibt, wie sie sich verstehbar zeigen können und wie sie die anderen verstehen können. Und exakt so wird dann auch der klassische soziologische Kulturbegriff gebildet: Kultur bezeichnet dann, in einer Formulierung von Hans Georg Soeffner, einen "symbolisch ausgedeuteten Sinnhorizont, in den alle unsere Wahrnehmungen, Deutungen und Handlungen eingebettet sind".
Die Aufgabe der Kulturwissenschaften besteht einerseits darin, solche Algorithmen und ihre Signifikationssysteme zu entbergen, das Unsichtbare sichtbar zu machen, andererseits ihre Praxisrelevanz, ihren Niederschlag in Handlungs- und Einstellungssyndromen zu untersuchen.
Diese reifizierende (vergegenständlichende) Perspektive auf "Kultur(en)" ist einer eingehenden kulturwissenschaftlichen Kritik unterzogen worden. Auf die Hybridität des Kulturellen, auf die geradezu künstliche Konstruktion kultureller Identitäten ist in den Kulturwissenschaften von sich hybride inszenierenden Sprechern hingewiesen worden, von einer nicht-westlichen Perspektive in den Metropolen des Westens, wie es Homi Bhaba formuliert.
Edward Said etwa prangert eine kulturwissenschaftliche "Politik der Identität" an: "Diese Politik musste davon ausgehen, ja fest daran glauben, dass alles, was für Orientalen oder Afrikaner zutrifft, ganz sicher nicht für Europäer zutreffen kann."
Was Said geradezu paradox vorschlägt, ist so etwas wie ein echter Dialog - nicht ein Dialog der Kulturen, sondern einer, der sich den reifizierenden, Identitäten konstruierenden "Kulturen" geradezu entzieht und authentische Sprecher einsetzt. Als Literaturwissenschaftler geht es Said um die Frage, wie man im Westen mit der Literatur aus Asien und Afrika umzugehen hat. Er schreibt: "Wenn wir Werke miteinander in Verbindung bringen, entreißen wir sie der Missachtung und Zweitklassigkeit, zu der sie zuvor aus verschiedenen politischen und ideologischen Gründen verurteilt waren. (...) Nur indem man diese Werke als Literatur untersucht, als Ausdruck eines Stils, als Unterhaltung und als Erhellung, kann man sie mit einbeziehen und sozusagen nicht mehr loslassen. Andernfalls wird man lediglich aufschlussreiche ethnographische Zeugnisse in ihnen sehen (...)."
Said ist insofern aufschlussreich, als er die Kultur "wegschreibt", um ihr dann doch wieder auf den Leim zu gehen. Denn die Konsequenz seiner Kulturkritik ist nicht die Abschaffung des Schemas "Kultur". Er bringt es vielmehr zu seiner eigentlichen Blüte. Jedenfalls vertraut Said nicht wie etwa Niklas Luhmann auf den intellektuell abgeklärten Umgang mit Kontingenz. Luhmann behandelt den Kulturbegriff als historischen, empirischen Begriff, der mit seiner vergleichenden Intention darauf verweist, "dass das, was verglichen wird, auch anders möglich (ist) (...), und eben das belastet die Kultur mit dem Geburtsfehler der Kontingenz".
Solche Stoppregeln lassen sich spätestens dann nicht mehr in die Beobachtung einbauen, wenn es zu gepflegten Formen des Vergleichs kommt, der empirisch nachweist, dass auch die eigene Beobachtung nur eine Beobachtung ist, die auch anders hätte ausfallen können. Das Beobachtungsschema Kultur ist gefangen in der Dynamik der Geschlossenheit seiner Beobachtung, seiner Unterscheidungspraxis - und Luhmann scheint den Hinweis darauf, dass man all das inzwischen beobachten kann, mit einer gewissen Hoffnung aufzuladen. Ohne es ausdrücklich zu sagen, macht Luhmann darauf aufmerksam, dass man die Sprengkraft des Kulturellen dadurch überwindet, dass man neben sich treten kann, weil man ja weiß, dass Kulturen nur Vergleichsinstrumente zur wechselseitigen Stabilisierung sind. Die historisch so folgenreiche Lösung, die Kontingenz der Unterscheidung wenigstens durch stabile Asymmetrien unsichtbar zu machen, scheint erkenntnistheoretisch gebannt. Die andere Seite - der Wilde für den Zivilisierten, der Franzose für den Deutschen, der Prolet für den Bürger, der Protestant für den Katholiken, der Orientale für den Europäer - hatte geradezu unsichtbar stets dazu gedient, die andere Seite der Unterscheidung in Anspruch zu nehmen. Das Beobachtungsschema Kultur stabilisierte sich also durch seine Instabilität. Es machte aus der Not der Geschlossenheit seiner Unterscheidungspraxis die Tugend der Stabilität, die präferierte Seite der Unterscheidung mit Erhabenheit zu belegen und so einen Wechsel zu unterbinden. Das Schema Kultur erzeugte damit stabile Kontexturen (Zusammenhänge) mit relativ eindeutigen Präferenzwerten - und erkaufte sich all das durch die permanente Konfrontation mit anderen Möglichkeiten.
Anders als Luhmann setzt Said freilich nicht auf den nun möglichen abgeklärten Umgang mit Kontingenz, sondern darauf, die Stabilität einer asymmetrischen Unterscheidung durch die Instabilität einer symmetrischen Unterscheidung zu ersetzen. Der andere soll als Kultur sichtbar werden, aber das nun auf gleicher Augenhöhe. Besonderheiten in der einen menschlichen Kultur machen Sprecher sichtbar, deren Authentizität von nun an nicht mehr relativiert werden kann - weder durch den abgeklärten Hinweis auf den Geburtsfehler der Kontingenz noch durch legitime Asymmetrien der klassischen Beschreibung von Kulturen.
Ist eine solche Etablierung symmetrischer Sprecherverhältnisse nicht die beste Voraussetzung für den Dialog der Kulturen? Ja und Nein! Ja, weil tatsächlich ein Dialog entsteht, nein, weil dieser ganz anders aussieht, als man es sich womöglich erträumt hatte. Ich komme auf dieses Argument zurück. Zunächst sei jedoch betont, dass mit der Erfahrung der Multiplikation von Sprechern auf gleicher Augenhöhe nicht nur mehr Kommunikation stattfindet und nicht nur mehr Sprecher sichtbar werden, sondern auch weniger Widerspruch denkbar wird. Kulturell authentische Sprecher lassen sich letztlich nicht kritisieren - sie nutzen die Ressource, authentische Kultur zu sein, und erzeugen damit authentische, politisierbare Kollektive, die strategisch in Anspruch genommen werden können. An der Politisierbarkeit solcher Positionen erweist sich ihre Modernität, und die Ressource "Kultur" kann dann sogar westliche Großstädter mit für sie eher gewöhnungsbedürftigen normativen Erwartungen versöhnen. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Shalini Randeria etwa beschreibt, wie indisches Kastenrecht dadurch zivilgesellschaftliche Qualität bekommt, dass es politisierbar wird und seine kulturelle Bedeutung reflektiert.
Die moderne Weltgesellschaft nimmt an sich selbst wahr, dass es kein Außen mehr gibt, dass aber die Innenverhältnisse komplizierter geworden sind. Man trifft nicht nur auf authentische, sondern auch auf selbstbewusste "Kulturen", die insofern "modern" geworden sind, als sie dieselben praktischen Formen in Anspruch nehmen, mit denen sie vom modernen Westen traktiert wurden: elektronische Medien, politische Mobilisierbarkeit, die Theodizee der Zukunft
Dialog der Kulturen als "Kultur"
In der globalisierten Weltgesellschaft, in der sich Beobachter und Sprecher wechselseitig wahrnehmen und aufeinander reagieren, kommt man am Beobachtungsschema Kultur nicht vorbei. Insofern ist die Kulturalisierung, die Ethnisierung und Konfessionalisierung globaler und lokaler politischer Konflikte in der Weltgesellschaft unvermeidbar. Selbst wer auf die alten Asymmetrien pochen will, sieht sich der Erfahrung ausgesetzt, dass es auf kugelförmigen Gebilden keine Peripherie geben kann. Die Welt wird multizentrisch, sie etabliert Sprecher überall - und macht sie damit zu "Kulturen", die verglichen werden wollen. Nur diejenigen, die den "Dialog der Kulturen" propagieren, ob mit den noch protestierenden Mitteln Edward Saids oder mit der ethischen Maxime einer "Dialogkultur", scheinen die Kulturalisierung zu unterlaufen und wirkliche Sprecher zu installieren, die einerseits zu ihrem kulturellen Gewand stehen, es aber nicht mehr wie einen Herrenmantel vor sich hertragen. Diese Position setzt tatsächlich voraus, was sie anstrebt: eine "Kultur" des Dialogs - doch das führt, wie man an Said demonstrieren kann, doch wieder nur zur Kulturalisierung von Positionen.
Die Position, man müsse einen "Dialog der Kulturen" führen, wird selbst zur "Kultur". Man denke an zwei prominente Protagonisten einer solchen, die Kulturen unterlaufenden Kultur: etwa an Hans Küngs wahrhaftkatholische Idee des "Weltethos", das, Gleichheit und Verschiedenheit versöhnend, letztlich in der Aufhebung aller Kultur kulminiert: "Jeder Mensch muß menschlich behandelt werden."
Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich spreche hier weder gegen ein Weltethos, das den Menschen menschlich behandeln will, noch soll irgend etwas gegen den Kosmopolitismus einer neuen soziologischen Moralwissenschaft gesagt werden. Demonstrieren möchte ich nur, dass auch der Appell, die kulturellen Grenzen zu überwinden, nur eine kulturelle Stellungnahme sein kann und letztlich ästhetisch eine ähnliche Form annimmt wie all jene, die Kultur als Ressource in Anspruch nehmen. Auf den "Dialog der Kulturen" zu setzen, ist damit selbst eine kulturalisierende Reaktion auf die Differenzen und Unterschiede, die sich in weltgesellschaftlich inszenierbaren Konflikten zeigen. Auf den "Dialog der Kulturen" zu setzen bedeutet, sich in Differenz zu setzen zu solchen "Kulturen", die sich dem verweigern.
Der Dialog der Kulturen findet längst statt
Die Erfahrung der Globalisierung der Weltgesellschaft hat nicht nur mit der realen Intensivierung ökonomischer und politischer Verflechtungen zu tun - Verflechtungen, die ohnehin viel älter sind, als unsere historische Mikroperspektive auf das 20. und 21. Jahrhundert es nahe legt. Das Neue an der Globalisierung der Weltgesellschaft ist die Erfahrung der gleichzeitigen und wechselseitigen Sichtbarkeit anderer Räume. Weltgesellschaftliche, globale Ereignisse finden überall statt - soweit sie auch (wenigstens potenziell) überall sichtbar gemacht werden.
Dass man in arabischen Metropolen vor einer Weltöffentlichkeit dänische Flaggen verbrennt, hat seinen sozialen Sinn nicht in dem pyrotechnischen Akt selbst, sondern in seiner weltweiten Sichtbarkeit nahezu in Echtzeit. Lokale politische Mobilisierungen werden damit nicht nur sichtbar, sondern entstehen erst durch ihre potenzielle Sichtbarkeit. Letztlich treten solche weltpolitischen Ereignisse als Dialog der Kulturen auf, d.h. sie bekommen auch ihren lokalen Sinn nur dadurch, dass sie anderswo anders gelesen werden. Es ist dies eine dialogische räumliche Struktur. Die Mobilisierung islamischer Empörung im "Orient" und die Erstarkung evangelikaler Fundamentalismen im bible-belt in den USA, die Instrumentalisierung von Nukleartechnik als Symbol nationalkultureller Autonomie im Iran oder die eigentümliche chinesische Interpretation der Menschenrechte als kulturelle Eigenart sind bereits ein Dialog, der Kultur in Anspruch nimmt: Kultur als Sprecherposition, die allein schon aufgrund ihrer Existenz gehört werden muss. Die eigentümliche "Kultur" westlicher Universalisten dagegen scheint darin zum Ausdruck zu kommen, dass sie die kosmopolitische Anerkennung der anderen "als verschieden und gleich" bejaht. Sie setzt sich damit - wie alle Kultur - dem Vergleich aus, ist ganz anders als andere "Kulturen" und damit selbst: Kultur.
Damit jedenfalls ist wenigstens erwiesen, dass es zum "Dialog der Kulturen" keine Alternative gibt - weder normativ in dem Sinne, dass man ihn suchen muss, wo es geht, noch analytisch in dem Sinne, dass er bereits stattfindet, als Ausdruck einer Weltgesellschaft, deren Einheit zumindest darin besteht, dass man in ihr sehen kann, dass dieselbe Welt aus unterschiedlichen Perspektiven sehr unterschiedlich erscheint. Es entsteht weltweit eine Situation, die man soziologisch "Interaktion" nennen könnte. Der Begriff meint Kommunikation unter Anwesenden, die sich wechselseitig wahrnehmen und deshalb schnell und unmittelbar aufeinander reagieren müssen. Man nimmt wahr, dass man wahrgenommen wurde, und kann nun nicht mehr ausweichen, denn das Ausweichen selbst würde als Kommunikation registriert werden. Man kann Kommunikation nicht mehr vermeiden. Üblicherweise stellen wir uns Gesellschaft als eine Einheit vor, die vor allem durch Abwesenheit geprägt ist, durch die Abwesenheit anderer Kontexte und Räume. "Kulturen" freilich scheinen sich derzeit, vermittelt über eine schnelle Weltpresse, im Modus der wechselseitigen Sichtbarkeit zu begegnen und erzeugen dadurch Identitäten, von denen man meinen könnte, dass sie tatsächlich "sprechen". Es entsteht damit ein "Dialog der Kulturen", ob wir wollen oder nicht, vor allem anders, als wir womöglich wollen. Man muss dann sogar jemandem wie dem iranischen Präsidenten Ahmadinedschad zuhören, der die Klaviatur dieser Art Dialog jedenfalls meisterlich beherrscht.
Gegen meine Gedankenführung kann man einwenden, das sei ja gar kein "echter Dialog" - aber das ist ja gerade der empirische Punkt: Den "echten Dialog" kann man normativ fordern, geführt wird ein anderer. Es gibt kein Entkommen: Wer den "echten" Dialog fordert, befindet sich bereits mitten im kulturalisierenden Spiel und muss dann auch Ungeheuerlichkeiten ertragen. Das ist kein versöhnliches Argument, aber es hilft, die Kultur des "Dialogs der Kulturen" in ihren "kosmopolitischen" Dimensionen sowie in ihren selbst kulturalisierenden Grenzen zu erkennen.
Um noch einmal auf den gelösten Kulturkonflikt um die Rechtfertigungslehre zu sprechen zu kommen: An diesem Beispiel kann man lernen, dass der "Dialog der Kulturen" wohl erst dann gelingt, wenn man ihn nicht mehr braucht. Hier waren es Theologen der beiden Seiten, die zwar immer noch mit Unbehagen, aber in der zivilisierten Atmosphäre des akademischen Diskurses zu einer Verständigung über Trennendes gekommen sind. Der Dialog funktionierte vor allem deshalb, weil er keine praktisch-politische Bedeutung mehr hat. Es ist leider unmöglich, dieses Beispiel auf das zu übertragen, was Gegenstand des "Dialogs der Kulturen" ist. Am besten würde er in der Tat gelingen, wenn man ihn praktisch-politisch nicht bräuchte - im Stile des west-östlichen Diwans vielleicht, womöglich als kulturwissenschaftlich-philologischen Diskurs über apokryphe Texte oder in Form eines Theologenpapiers, das keiner liest, das es aber dennoch für zwei Tage in die Weltpresse schafft - und noch wichtiger: das danach wieder verschwindet.