Einleitung
Die "New Partnership for Africa's Development" (NEPAD) wurde am 23. Oktober 2001 von 15 afrikanischen Staats- und Regierungschefs in Abuja, der Hauptstadt Nigerias, ins Leben gerufen.
Die Ursprünge von NEPAD gehen auf den damaligen südafrikanischen Vizepräsidenten Thabo Mbeki zurück, der als designierter Nachfolger von Nelson Mandela Mitte der neunziger Jahre nach einer eigenen Vision für die Zukunft seines Landes wie für die des Kontinents suchte. Er fand diese Vision in dem Leitbegriff von der "afrikanischen Renaissance", die er seit 1996 beharrlich in den Mittelpunkt seiner Reden und offiziellen Äußerungen stellte.
Mit seinen Bemühungen um ein innerafrikanisches Programm zur Erneuerung des Kontinents stieß Mbeki bereits im Jahr 2000 beim Gipfeltreffen der acht wichtigen Industrieländer (G8) in Japan auf offene Ohren. Die hohe Zahl innerstaatlicher Konflikte, die HIV/Aids-Pandemie, steigende Flüchtlingszahlen, Staatsverfall und Staatszerfall, die Zunahme der Massenarmut und die unverkennbare Abkoppelung des Kontinents von den dynamischen Globalisierungsprozessen der Weltwirtschaft waren den Staats- und Regierungschefs westlicher Länder nicht entgangen. Nachdem sich die Zusammenführung der diversen afrikanischen Programmentwürfe abzuzeichnen begann, beschloss der G8-Gipfel in Genua 2001 die Einsetzung von Afrika-Beauftragten, die dem G8-Gipfel in Kanada im folgenden Jahr einen G8-Afrika-Aktionsplan vorlegten. Dieser Aktionsplan griff die Themen von NEPAD auf, machte die Unterstützung durch die G8-Staaten aber indirekt von der Akzeptanz stärkerer Mechanismen der Überwachung und Selbstkontrolle abhängig. Der "African Peer Review Mechanism" (APRM)
Gleichwohl setzten die G8-Staaten den Dialog und die Unterstützung von NEPAD fort. So verabschiedete der G8-Gipfel 2003 in Frankreich eine Initiative zum Ausbau der Fähigkeiten Afrikas zur Konfliktprävention und -bewältigung, u.a. mittels der Förderung von Kapazitätsbildung sowie von Trainings- und Ausbildungsstätten für afrikanische Friedenstruppen. Auch der G8-Gipfel in Schottland 2005 widmete sich in einem Schwerpunkt erneut den Problemen des Kontinents und wiederholte das Bekenntnis zum Erreichen der Millenniumsziele, um auch in Afrika bis 2015 eine Halbierung der Armut zu erreichen. Zweifellos hat NEPAD dazu beigetragen, das Interesse und die Aufmerksamkeit für die (Fehl-)Entwicklungen Afrikas zu schärfen und gleichzeitig neue Perspektiven zu eröffnen.
Erfahrungen mit der Selbstüberwachung
Ziel des "African Peer Review Mechanism" ist es, Regierungen durch Regierungen anderer afrikanischer Staaten unter sanften Druck zu setzen, die im Rahmen von NEPAD festgesetzten Standards und Ziele, insbesondere die Kriterien einer "guten Regierungsführung", auch einzuhalten.
Ob diese Zielsetzung auch erreicht werden kann, lässt sich noch nicht beurteilen. Zweifel erscheinen zumindest angebracht. Dass die ursprünglich vereinbarten Zeitpläne für Beginn und Verlauf des Prozesses nicht eingehalten werden konnten, finanzielle und administrative Ressourcen für die Durchführung fehlen oder knapp sind und die Transparenz des Prozesses verbesserungsfähig erscheint, gehört zu den wohl unvermeidlichen Startproblemen einer solchen Initiative in Afrika. Immerhin beteiligen sich am APRM inzwischen 25 der insgesamt 53 NEPAD-Mitgliedsstaaten (Stand vom Frühjahr 2006). Ghana und Ruanda, deren Überprüfungen im Mai 2004 begonnen wurden, haben als erste Staaten den vierstufigen Prüfungsprozess abgeschlossen. Die betreffenden Länderberichte sollen demnächst veröffentlicht werden. Sie werden jedoch voraussichtlich keine großen Überraschungen enthalten: Der Reformmusterschüler Ghana wird vermutlich wegen seiner überbordenden Bürokratie und Ruanda wegen des Mangels an Verwaltungskapazität auf milde Weise kritisiert werden.
Letztlich wird die Entscheidung über Erfolg oder Scheitern des APRM davon abhängen, ob alle Staaten des Kontinents APRM beitreten und wie die Regierungen und Zivilgesellschaften, die bisher erst in Ansätzen in den Selbstüberwachungsprozess einbezogen worden sind, auf die Kritik bzw. die Empfehlungen reagieren werden.
Ökonomische Zwischenbilanz
Stein des Anstoßes in der ökonomischen Debatte über NEPAD war von Beginn an eine Zahl, die bereits im Gründungsdokument auftaucht.
Tatsächlich haben die ominösen 64 Mrd. US-Dollar einen anderen Hintergrund: Einmal handelt es sich dabei um ein Zugeständnis von Thabo Mbeki an den "Omega-Plan" des senegalesischen Präsidenten Abdoulaye Wade, der weit offener als die programmatischen Vorstellungen von Mbeki die großen Lücken in der afrikanischen Infrastruktur benennt und neue und zusätzliche ODA einfordert. Dass die Zahl im NEPAD-Gründungsdokument auftaucht, ist auch darauf zurückzuführen, dass NEPAD alle damals kursierenden afrikanischen Programmentwürfe berücksichtigen musste. Unabhängig von diesen Querelen ist es kein Geheimnis, dass der schlechte Zustand der Infrastruktur, unsichere Transportwege und hohe Transportkosten die Entfaltung wirtschaftlicher Produktivkräfte in Afrika massiv behindern.
Der andere Grund ist dagegen vorwiegend rechnerischer Natur. Während die südost- und ostasiatischen Schwellenländer über lange Zeiträume eine Investitionsquote von über 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aufrechterhalten konnten, lagen die vergleichbaren Quoten für Afrika südlich der Sahara zuletzt unter 20 Prozent. Das Wachstum des BIP betrug im Durchschnitt der Jahre 1960 bis 2000 zudem nur zwei Prozent pro Jahr, weit unter den ca. vier bis fünf Prozent, die notwendig wären, um das gegenwärtige Armutsniveau zu halten, bzw. noch weiter unter der Marke des jährlichen Wachstums des BIP von sieben Prozent, das pro Jahr bis 2015 benötigt würde, um die Millenniumsziele zu erreichen.
Wird eine vorläufige Bilanz der ökonomischen Aspekte von NEPAD gezogen, so erweist sich der Streit um die Interpretation der 64 Mrd. US-Dollar im Gründungsdokument eher als nachrangig. Zwar gibt es inzwischen spezielle Investitionsprogramme im Rahmen von NEPAD - z.B. für regionale und kontinentweite Infrastrukturmaßnahmen über einen längeren Zeitraum mit einem Volumen von acht Mrd. US-Dollar oder über ein "Comprehensive Africa Agricultural Development Programme" (CAADP), das die Weltbank mit 500 Mio. US-Dollar unterstützt -, aber die Weichenstellungen für die ökonomische Entwicklung des Kontinents werden andernorts vorgenommen. Das zuletzt robuste weltwirtschaftliche Wachstum hat zu einer steigenden Nachfrage und höheren Preisen für afrikanisches Öl und andere mineralische Rohstoffe geführt. Insbesondere die verstärkte Nachfrage aus den asiatischen Regionalmächten China und Indien hat zu einer Diversifizierung der afrikanischen Exportziele geführt und neue ausländische Direktinvestitionen generiert, die jedoch wie in der Vergangenheit in erster Linie in die Erschließung der afrikanischen Rohstoffreserven fließen.
Auch die Hoffnungen, die öffentliche Entwicklungshilfe für Afrika nach den Tiefstständen von Mitte der neunziger Jahre wieder signifikant anzuheben, wobei NEPAD in Verbindung mit den Millenniumszielen zumindest als Katalysator fungieren sollte, haben sich nur bedingt erfüllt. Die jüngste Zwischenbilanz der Weltbank über die Verwirklichung der Millenniumsziele zeigt schonungslos auf, dass in Afrika südlich der Sahara bisher kein bzw. nur ein sehr geringer Fortschritt zu verzeichnen ist und 44 Prozent der Bevölkerung weiter als extrem arm gelten müssen.
Was die öffentliche Entwicklungshilfe betrifft, so ist zwar mit den neuen Zusagen der OECD-Staaten und der Selbstverpflichtung der EU, den Anteil der ODA bis 2015 auf 0,7 Prozent des BIP anzuheben, inzwischen wieder ein markanter Anstieg zu verzeichnen, aber das Niveau von Anfang der neunziger Jahre ist noch nicht wieder erreicht worden.
Fazit und Perspektiven
Fünf Jahre nach dem Inkrafttreten der NEPAD-Initiative fallen die politischen und ökonomischen Bilanzierungsversuche notgedrungen unvollständig aus. Der APRM steckt noch in den Kinderschuhen und muss sein Potenzial erst noch unter Beweis stellen. Die am stärksten betroffenen Länder haben sich dem Prozess der Selbstüberwachung bisher entzogen. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wurden von NEPAD allenfalls am Rande mit beeinflusst, ohne dass bisher eine signifikante Verbesserung der tiefgreifenden Probleme des Kontinents zu verzeichnen wäre. NEPAD ist daher eher als ein mögliches Hoffnungszeichen denn als tatsächliche Erfolgsgeschichte zu deuten. Jubelchöre sind ebenso wenig angebracht wie Frontalkritik.
NEPAD stellt den selbstkritischen, aber auch selbstbewussten Versuch afrikanischer Staats- und Regierungschefs dar, sich den Globalisierungsprozessen zu öffnen und sich in erster Linie auf das endogene Entwicklungspotenzial und einen strukturierten Kontroll- und Selbstreinigungsprozess zu besinnen. Im Umfeld der Verkündung der Millenniumsziele und der Ereignisse vom 11. September 2001 hat NEPAD mit dazu beigetragen, der weiteren Marginalisierung Afrikas entgegenzuwirken.
Die Herausforderungen für NEPAD werden in den nächsten Jahren darin bestehen, den Vorwurf des "Elitenprojekts" weiter zu entkräften und die afrikanische Zivilgesellschaft umfassend in die Selbstüberwachung und die Beobachtung der politischen wie der sozioökonomischen Parameter einzubeziehen. Bisher sind noch zu viele afrikanische Staats- und Regierungschefs den nachhaltigen Beweis schuldig geblieben, dass Armutsbekämpfung und Entwicklungsorientierung ohne das Beachten aller Ziele einer guten Regierungsführung wirklich erreicht werden können. Der Westen bleibt aufgefordert, Afrika auf seinem schwierigen Weg weiter zu begleiten.