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Daten und Fakten zur Kulturwirtschaft | Kulturwirtschaft | bpb.de

Kulturwirtschaft Editorial Kulturwirtschaft und Raumentwicklung Essay Kultur- oder "Kreativwirtschaft": Was ist das eigentlich? Daten und Fakten zur Kulturwirtschaft Kulturberufe und Kulturwirtschaft - Gegensatz oder Symbiose? Strukturwandel durch Kulturwirtschaft

Daten und Fakten zur Kulturwirtschaft

Rainer Ertel

/ 14 Minuten zu lesen

Die Kulturwirtschaft zählt in Deutschland ca. 820 000 Erwerbstätige. Mit einer Bruttowertschöpfung von 35 Milliarden Euro liegt sie zwischen der Chemischen Industrie und der Energiewirtschaft.

Einleitung

Wenn Kulturwirtschaft als eine Querschnittsbranche beschrieben wird, die sowohl Dienstleistungs- als auch produzierende Bereiche umfasst, so kann sie empirisch abgebildet werden, indem man sich der umfassendsten Systematik bedient, die wirtschaftliche Strukturen beschreibt. Dies ist in Deutschland die Wirtschaftszweigsystematik des Statistischen Bundesamtes (aktuell in der Fassung WZ 2003). Sie ist in mehrere Ebenen gegliedert und unterscheidet dabei auf der tiefsten Ebene 1041 Unterklassen (5-Steller; so genannt wegen ihrer fünfziffrigen Kennzeichnung). Alle Ebenen werden durch die für sie charakteristischen Waren und Dienstleistungen beschrieben, in einigen Fällen allerdings auch durch Herstellungsverfahren oder die eingesetzten Rohstoffe.

Ein wichtiger Vorteil der Klassifikation besteht darin, dass sie bis zur 4-stelligen Ebene (hier werden 513 Klassen unterschieden) mit der europäischen Systematik NACE vergleichbar ist. Bis zu diesen 4-Stellern hat auf europäischer Ebene eine Arbeitsgruppe auch einen Vorschlag zur Abgrenzung der Kulturwirtschaft für den Zweck der Ermittlung der Beschäftigung in diesem Bereich entwickelt (vgl. Abbildung 1 der PDF-Version).

Dabei ist zu beachten, dass einige Kategorien nur zu Teilen berücksichtigt werden und einige Anteile geschätzt werden müssen. Nach diesem Vorgehen kommt man unter Verwendung der Zahlen des Mikrozensus für das Jahr 2004 auf etwa 820 000 Erwerbstätige in der Kulturwirtschaft in Deutschland. Dies entspricht einem Anteil von 2,2 Prozent an allen Erwerbstätigen. Rechnet man jene Personen hinzu, die zwar in Kulturberufen ausgebildet sind, diese aber in solchen Klassen ausüben, die außerhalb der Kulturwirtschaft liegen, kämen noch einmal ca. 150 000 Erwerbstätige hinzu. Zu beachten ist dabei, dass der Ausbildungsbereich (Hochschulen) ebenso wenig erfasst ist wie Aktivitäten aus dem Verarbeitenden Gewerbe, die gleichwohl in deutschen Kulturwirtschaftsberichten zumindest zu Teilen berücksichtigt werden.

Für eine Differenzierung dieser pauschalen Erwerbstätigenzahl kann auf eine Analyse Michael Söndermanns vom Arbeitskreis Kulturstatistik zurückgegriffen werden. Ausgangspunkt ist hier eine vergleichbare Zahl von 815 000 Erwerbstätigen unter Verwendung der Angaben des Mikrozensus 2003. Abbildung 2 zeigt, wie sich die Beschäftigung in der Kulturwirtschaft demnach zusammensetzt.

In den deutschen Kulturwirtschaftsberichten, die mittlerweile für alle Flächenländer (teilweise auch für Stadtstaaten und einzelne Städte/Regionen) vorliegen, gibt es - anders als bei der Frage nach der Erwerbstätigkeit in der Kulturwirtschaft in Europa - (noch) keine einheitliche Abgrenzung. Daten und Fakten zur Kulturwirtschaft werden aber analog mit Kategorien der Wirtschaftszweigsystematik als Gliederungsgerüst beschrieben. Ausgehend von Nordrhein-Westfalen, dem bei dieser Berichterstattung eine Vorreiterrolle zukommt, ist es üblich, kulturwirtschaftlich relevante Aktivitäten an 5-Stellern festzumachen. Dabei kommt man auf immerhin gut 100 derartige Unterklassen. Zur besseren Unterscheidung wird häufig zwischen engeren und weiteren kulturwirtschaftlichen Aktivitäten unterschieden, wobei Erstere den Kernbereich der Produktion von Inhalten und Letztere eher vor- und nachgelagerte Produktions- und Distributionsleistungen betreffen. Eine besonders wichtige Unterscheidung ergibt die Gruppierung der Unterklassen zu Teilmärkten der Kulturwirtschaft - und auch hier differiert die Vorgehensweise. Im Allgemeinen kann man aber von der Gliederung in fünf oder sechs Teilmärkte ausgehen, die beispielhaft wie folgt aussieht:

1. Literatur-, Buch- und Pressemarkt
2. Kunstmarkt
3. Film-, TV- und Videowirtschaft
4. Kulturelles Erbe
5. Musikwirtschaft
6. Darstellende Kunst

Diese Gliederung ist etwa im 1. Hessischen Kulturwirtschaftsbericht anzutreffen, der an den Kulturwirtschaftsberichten von Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen orientiert ist. Allerdings unterscheiden Letztere nur fünf Teilmärkte und ordnen dabei die Kategorien des "Kulturellen Erbes" den restlichen Teilmärkten zu.

Ein gebräuchliches Verfahren zur Beschreibung der Kulturwirtschaft ist auch die Unterscheidung von sieben marktwirtschaftlichen Branchen:

1. Musikwirtschaft
2. Verlagsgewerbe
3. Kunstmarkt
4. Filmwirtschaft
5. Rundfunkwirtschaft
6. Architektur
7. Designwirtschaft

Als Konsequenz der uneinheitlichen Vorgehensweisen (nämlich Auswahl und Berücksichtigung einschlägiger 5-stelliger Unterklassen und deren Gruppierung zu Teilmärkten)finden sich unterschiedliche Angaben über die Bedeutung der Kulturwirtschaft in Deutschland insgesamt sowie für die einzelnen Teilmärkte. Zwar sind unterschiedliche Abgrenzungen nicht per se problematisch, wenn man daran denkt, dass in einzelnen Bundesländern spezifische kulturwirtschaftliche Aktivitäten Berücksichtigung finden sollen, die in anderen Bundesländern nur geringe Bedeutung haben. Aber die Vergleichbarkeit der Ergebnisse ist eingeschränkt, zumal es (bisher) keinen bundesdeutschen Kulturwirtschaftsbericht gibt.

Insofern ist es zu begrüßen, dass im Rahmen der Beratungen der Länderwirtschaftsministerkonferenz beschlossen wurde, "... erstmals für Deutschland eine gemeinsame Abgrenzung der Kulturwirtschaft auf der Basis der amtlichen Statistik vorzunehmen und Bund, Ländern und Unternehmen als Planungs- und Analyseinstrument zur Verfügung zu stellen". Bis allerdings die Ergebnisse dieser als Forschungsarbeit anzulegenden Aufgabe vorliegen, sind quantitative Angaben zur Kulturwirtschaft vor allem aus den Berechnungen im Umfeld des Arbeitskreises Kulturstatistik (mit Blick auf die internationale Diskussion) oder aus den Kulturwirtschaftsberichten der Länder zu entnehmen. Im Folgenden soll hierzu exemplarisch der schon erwähnte 1. Hessische Kulturwirtschaftsbericht aus dem Jahre 2003 herangezogen werden. Dieser nimmt nicht nur einen Vergleich Hessens mit Deutschland insgesamt vor, sondern lässt auch einen Blick auf die anderen 15 Bundesländer zu - allerdings, wie erläutert, mit einer Gliederung, die vergleichsweise umfangreich ausfällt und somit Obergrenzen der Bedeutung dieser Querschnittsbranche abbildet, zumal es ausdrücklich um die Kulturwirtschaft im weiteren Sinne geht. Dabei werden prinzipiell auch Kategorien erfasst, innerhalb derer öffentlich finanzierte Angebote dominieren (wie Theater, Oper, Museen u.a.). Das bedeutet, dass (abhängig von dem jeweils betrachteten Indikator) im Zweifel nicht nur Aussagen für die Kulturwirtschaft im weiteren Sinne, sondern für den "Kultursektor" insgesamt möglich werden. Weniger problematisch ist das beim Indikator "steuerpflichtige Umsätze", schwerwiegender dagegen - wie noch zu zeigen sein wird - bei der Verwendung von Beschäftigungszahlen. Insofern hat der weite Ansatz des hessischen Berichtes auch zu kritischen Anmerkungen geführt.

Um deutlicher auf die erwerbswirtschaftliche Komponente abstellen zu können, hat sich der Arbeitskreis Kulturstatistik - anknüpfend an die in Abbildung 1 der PDF-Version dargestellte EU-Abgrenzung der Kulturwirtschaft - um eine Definition bemüht, die die Kategorien der Wirtschaftszweigsystematik so zusammenfasst, dass sie die Kernbranchen der Kulturwirtschaft in neun Gruppen abbildet:

1. Verlagsgewerbe
2. Filmwirtschaft
3. Rundfunkwirtschaft
4. Musik, visuelle und darstellende Kunst
5. Journalisten/Nachrichtenbüros
6. Museumsshops, Kunstausstellungen
7. Einzelhandel mit Kulturgütern
8. Architekturbüros
9. Designwirtschaft

Beschäftigung und Umsatz

Das Gliederungsgerüst aus Unterklassen der Wirtschaftszweigsystematik lässt sich mit konkreten Zahlenangaben aus unterschiedlichen amtlichen Statistiken füllen.

Interessiert man sich für den Arbeitsmarkt bzw. für die Beschäftigungseffekte, wäre zweifellos (wie schon für den eingangs zitierten Befund im europäischen Kontext) der Begriff der Erwerbstätigkeit geeignet. Hierzu liegen aber in der für Länderwirtschaftsberichte benötigten Tiefe - zum Teil wegen Geheimhaltungsvorbehalten - keine verlässlichen Angaben vor. Beschränkt man sich auf die Abgrenzung aus Abbildung 1 der PDF-Version, nimmt man zudem in Kauf, dass die umfassender abgegrenzte Kulturwirtschaft in den vorliegenden Länderberichten (deren Ausgangspunkt die 5-Steller-Ebene ist) nur teilweise abgebildet wird.

Die Statistik der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (SVB) bietet einen Arbeitsmarktindikator, der tief gegliedert, regional differenzierbar und relativ zeitnah zur Verfügung steht. Er bildet aber nur eine Teilmenge der Erwerbstätigkeit ab. Gleichwohl ist er aus pragmatischen Gründen einer der Indikatoren, die in der Kulturwirtschaftsberichterstattung der Länder bisher dominieren. Zwei weitere wichtige Indikatoren stammen aus der Umsatzsteuerstatistik. Dies sind zum einen die steuerbaren Umsätze für Lieferungen und Leistungen und zum anderen die Steuerpflichtigen. Diese von der Finanzverwaltung erhobenen Angaben sind aber auch mit Informationsdefiziten behaftet: Zum einen sind Umsätze nicht identisch mit der ökonomisch wichtigen Kenngröße der Wertschöpfung. Zum anderen erfasst die Umsatzsteuerstatistik nur Steuerpflichtige und steuerbare Umsätze ab einer bestimmten Bemessungsgrenze (derzeit 17 500 Euro pro Jahr).

Auch wenn man die Angaben in der Zusammenschau darstellen will, steht man vor Interpretationsproblemen. Diese resultieren zum einen aus dem Erhebungsverfahren (Ort der Erfassung) und zum anderen aus der nicht einheitlich vorgenommenen Zuordnung zur Wirtschaftszweigsystematik. Darauf kann an dieser Stelle nicht im Detail eingegangen werden.

Werfen wir nach diesen Vorbemerkungen nun einen kurzen Blick auf die Angaben aus dem 1. Hessischen Kulturwirtschaftsbericht. Dieser liefert - wie schon dargelegt - nicht nur Zahlen für Deutschland insgesamt, sondern auch (und zwar basierend auf identischer Abgrenzung) für alle 16 Bundesländer. Zugleich stellt er die weiteste Interpretation von "Kulturwirtschaft" in der aktuellen Diskussion dar.

Demnach waren in Deutschland im Jahr 2000 1,35 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in der Kulturwirtschaft im weiten Sinne tätig, was 4,9 Prozent der Gesamtbeschäftigten ausmacht. Die Anteile in den Bundesländern bewegen sich dabei zwischen 9,3 (Hamburg) und 3,2 Prozent (Saarland und Sachsen-Anhalt). Gemeint ist dabei der Anteil der Beschäftigten in der Kulturwirtschaft an der Gesamtbeschäftigung des jeweiligen Bundeslandes. Dieser Indikator enthält (wie erläutert) nur einen Teil der Erwerbstätigen in der Kulturwirtschaft. Besonders dürfte dabei zusätzlich interessieren, wie hoch die Zahl der Selbstständigen ist. Nach Angaben der Künstlersozialkasse können für das betrachtete Jahr noch einmal ca. 110000 selbstständige Künstler hinzugerechnet werden. Ein Teil von ihnen dürfte gleichzeitig in der Umsatzsteuerstatistik als steuerpflichtig erfasst sein, ein anderer Teil dagegen aufgrund zu geringer Jahresumsätze nicht. Allerdings wären dann auch jene Selbstständigen hinzuzurechnen, die in eigenen kulturwirtschaftlichen Unternehmen tätig sind und hier nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Konkrete Daten für die relativ einfache Frage nach dem Beschäftigungspotenzial der Kulturwirtschaft lassen sich also nur auf "Umwegen" ermitteln. Die Logik dieses Verfahrens zeigt Abbildung 2 der PDF-Version.

Ein Hinweis ist allerdings ausdrücklich nötig: Beim Indikator sozialversicherungspflichtige Beschäftigung führt die Tatsache, dass ein weiter Kulturwirtschaftsbegriff verwendet wird, dazu, dass die Beschäftigung in vorrangig öffentlich finanzierten Kultureinrichtungen, sofern diese zu solchen 5-Stellern zählen, die zugleich als kulturwirtschaftlich relevant gelten, automatisch mit erfasst wird. Vergleicht man die gerade genannte Größenordnung von 1,35 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (2000) mit den in Abbildung 2 der PDF-Version ausgewiesenen knapp 450 000 (2003) für die Kulturwirtschaft im Sinne der EU-Abgrenzung, so hat man zwei empirische Befunde zur Bedeutung der Kulturwirtschaft in Deutschland, die immerhin um den Faktor 3 differieren! Noch einmal wird deutlich, wie wichtig es gerade in dieser Diskussion ist, zu erklären, wovon man spricht und welche Indikatoren herangezogen werden. Der eben angebrachte kritische Einwand relativiert sich für die Umsätze: Da öffentlich finanzierte und betriebene Kultureinrichtungen in der Regel nicht umsatzsteuerpflichtig sind, erscheinen konsequenterweise bei den entsprechenden 5-Stellern auch nur die Umsätze der verbleibenden erwerbswirtschaftlich betriebenen, steuerpflichtigen Unternehmen. Vergleicht man hier die Angaben aus dem hessischen Bericht von 204 Milliarden Euro (2000) mit Umsatzangaben nach den neun Kernbranchen der Kulturwirtschaft, wie sie der Arbeitskreis Kulturstatistik abgrenzt (83 Milliarden Euro für 2000), so ist die Abweichung schon geringer als bei der Beschäftigung und erklärt sich aus der unterschiedlichen Breite der einbezogenen Kategorien.

Hinsichtlich der Anzahl der steuerpflichtigen Unternehmen und Selbstständigen kommt der hessische Bericht zu dem Ergebnis, dass im Jahr 2000 in Deutschland der Kulturwirtschaft 262 000 oder 9,0 Prozent aller Steuerpflichtigen zuzurechnen waren. Aus dem geringeren Anteil an den Umsätzen (4,9 Prozent) lässt sich bereits ablesen, dass der durchschnittliche Umsatz je Steuerpflichtigen geringer ist als in der Gesamtwirtschaft. Auf diese und andere Fakten zur Kulturwirtschaft in Deutschland wird noch einzugehen sein. Vergleicht man allerdings die hier genannte Zahl von 262 000 Steuerpflichtigen (2000) mit den Angaben aus Abbildung 2 der PDF-Version von 131 000 (2003), so ist dies "nur" (aber zugleich "immer noch") eine Abweichung um den Faktor 2. Aus den obigen Erläuterungen kann darauf geschlossen werden, dass dieser Unterschied tatsächlich im Wesentlichen durch eine weiter gefasste statistische Abgrenzung der Kulturwirtschaft im hessischen Bericht zustande kommt.

Weitere empirische Fakten und qualitative Befunde

Nach dem zuvor Gesagten liegt es nahe, auf eine Angabe konkreter Zahlen etwa zu der Bedeutung einzelner Teilmärkte oder eine Reihung der Bundesländer hinsichtlich ihres kulturwirtschaftlichen Gewichtes zu verzichten. Dies verbietet sich im Rahmen des vorliegenden Aufsatzes allein schon deshalb, weil die Entscheidung für eine bestimmte Abgrenzung zugleich die Entscheidung gegen eine andere bedeuten würde und weil für eine umfassende und vergleichende Gegenüberstellung der Platz fehlt. Ehe abschließend noch auf einige strukturelle Merkmale der Kulturwirtschaft eingegangen wird, die diese vom Durchschnitt gesamtwirtschaftlicher Betrachtungen unterscheiden, sei noch eine Angabe zu einer zentralen ökonomischen Kenngröße gemacht: der Bruttowertschöpfung. Unter Verwendung der EU-Abgrenzung erreicht diese in Deutschland im Jahr 2003 für die Kulturwirtschaft einen Betrag von insgesamt 35 Milliarden Euro, was einem Anteil von 1,6 Prozent am Bruttoinlandsprodukt entspricht. Vom Gewicht her liegt sie damit zwischen der Chemischen Industrie (44 Milliarden Euro) und der Energiewirtschaft (30 Milliarden Euro).

Es sollen nun weitere empirische Fakten aufgeführt werden, die das Bild abrunden. In diversen Länderberichten sind hierzu für unterschiedliche Zeiträume und für unterschiedliche Indikatoren Befunde herausgearbeitet worden, die hier in ihrem wesentlichen Kern angesprochen werden sollen. Auf diese Weise wird ein holzschnittartiges Bild jener Merkmale gezeichnet, die die Kulturwirtschaft als Querschnittsbranche vom Durchschnitt der gesamtwirtschaftlichen Strukturen und Entwicklungen unterscheiden.

Zur Wachstumsdynamik

Von besonderem wirtschaftspolitischen Interesse ist die Wachstumsdynamik der Kulturwirtschaft, hier gemessen an der Umsatzentwicklung. Entsprechende Befunde für die achtziger Jahre stellt bereits der 1. nordrhein-westfälische Bericht heraus. Demnach lag die Wachstumsrate von 1980 bis 1988 mit insgesamt 70 Prozent für die Kulturwirtschaft im weiteren Sinne deutlich über den Werten von Branchen wie dem Maschinenbau (23 Prozent) oder dem Bergbau (9 Prozent) in NRW. Dieser Trend wird auch im 4. Kulturwirtschaftsbericht in NRW bestätigt: Im Zeitraum 1996 bis 1999 war das Umsatzwachstum der Kulturwirtschaft mit knapp 21 Prozent doppelt so hoch wie das aller Wirtschaftszweige. Dieser Trend wird vergleichsweise in allen Länderberichten beschrieben und für den genannten Zeitraum auch für Deutschland insgesamt gesehen.

In jüngster Zeit gibt es allerdings gegenläufige Tendenzen. So wird im 2. Hessischen Kulturwirtschaftsbericht festgestellt, dass zwischen 2000 und 2002 die Kulturwirtschaft in Hessen um 14 Prozent an Umsatz einbüßte, während der Vergleich für die Gesamtwirtschaft mit einem Rückgang von knapp 3 Prozent geringer ausfiel. In diesem Bundesland waren die Werbebranche, das Druckereigewerbe und die Film- und Fernsehbranche maßgeblich am Umsatzrückgang beteiligt. In der engeren Abgrenzung der Kulturwirtschaft nach den Kriterien der EU (siehe die zuvor aufgeführten neun Kernbereiche) ergibt sich zwischen 2000 und 2003 auch für Deutschland ein Umsatzrückgang um 11,3 Prozent (gegenüber einem Wachstum der Gesamtwirtschaft von 2,3 Prozent) mit einem besonders spürbaren Rückgang in der Filmwirtschaft.

Dieser kurze Blick auf die Umsatzentwicklung zeigt, dass das überdurchschnittliche Umsatzwachstum, das zunächst den Blick der Wirtschaftspolitik auf die Kulturwirtschaft gelenkt hat, kein "Selbstläufer" war. Allerdings verbergen sich hinter pauschalen Befunden im Detail sehr unterschiedliche Entwicklungen nach Märkten, Kernbereichen, Regionen, aber auch nach Größenklassen der Unternehmen. So ist beispielsweise der für Deutschland dokumentierte Umsatzrückgang insbesondere bei großen Firmen aufgetreten, während sich kleinere gut behaupten oder sogar wachsen konnten.

Eine überdurchschnittliche Wachstumsdynamik ist auch für den Indikator Erwerbstätige in der Logik von Abbildung 2 festzustellen. Demnach stieg im Zeitraum von 1999 bis 2004 die Zahl der Erwerbstätigen in der Kulturwirtschaft um 7,2 Prozent, während sich die Erwerbstätigenzahl in der Gesamtwirtschaft im gleichen Zeitraum um 2 Prozent verringerte. Besonders auffällig war dabei der stark anwachsende Anteil der Selbstständigen bei deutlich langsamerer Entwicklung der abhängig Beschäftigten. Als Resümee ist festzuhalten, dass die Kulturwirtschaft aufgrund ihrer (allerdings nicht durchgängig belegbaren) Wachstumsdynamik gegenüber der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung herausgehoben ist. Sucht man hierfür nachfrageseitige Begründungen, so dürften unter anderem Einkommensanstiege, höheres Bildungsniveau und zunehmende Freizeit eine Rolle gespielt haben - Faktoren also, deren fortdauernder Einfluss nicht automatisch unterstellt werden darf.

Zur Unternehmensgröße

Ein weiterer Befund betrifft die Größe bzw. die Bedeutung der Unternehmer der Kulturwirtschaft. Generell gilt, dass die Umsätze in der Kulturwirtschaft je Steuerpflichtigen (Unternehmen und Selbstständigen) deutlich geringer ausfallen als für den Durchschnitt der Gesamtwirtschaft. Dies gilt für die Kulturwirtschaft insgesamt. In einzelnen Teilmärkten und Bundesländern zählen durchaus umsatzstarke Einzelunternehmen zur Kulturwirtschaft. Man denke etwa an die Bertelsmann AG oder an andere große Unternehmen der Kulturwirtschaft (speziell wenn eine weite Definition betrachtet wird). Aber auch ohne spektakuläre national und international bedeutsame Namen gibt es umsatzstarke Einzelunternehmen: In Niedersachsen, also einem Bundesland, das vergleichsweise unterdurchschnittlich auf die Kulturwirtschaft spezialisiert ist, sind es immerhin fünf der 100 umsatzstärksten Unternehmen, die zur Kulturwirtschaft zählen. Auch für die Beschäftigtengrößenklassen zeigt sich, dass Kulturwirtschaftsunternehmen eher kleiner sind als die Unternehmen im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt: Bis zur Klasse von neun Beschäftigten ist ihr Anteil überproportional, ab zehn Beschäftigten und noch deutlicher in höheren Beschäftigtengrößenklassen ist ihr Anteil geringer.

Zusammenfassend gilt somit, dass Unternehmen der Kulturwirtschaft im Allgemeinen umsatzschwächer und gemessen an der Beschäftigung kleiner sind als Unternehmen im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt. Allerdings bestätigen auch hier Ausnahmen die Regel.

Zur Beschäftigungssituation

Zur Beschäftigungssituation in der Kulturwirtschaft sind einige Ergänzungen erforderlich. Auf den umfassenderen Begriff der Erwerbstätigkeit gegenüber der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung wurde bereits hingewiesen. Der Arbeitsmarkt in der Kulturwirtschaft ist jedoch vielfältiger: In der Kulturwirtschaft haben andere Formen als das (bisher) klassische Vollzeit-Dauerarbeitsverhältnis eine stärkere Bedeutung. Hierunter fallen insbesondere Selbstständige, mithelfende Familienangehörige, die freie Mitarbeit, projektbezogene Arbeit, Praktika und Volontariate. Ebenso sind die Qualifikationsanforderungen und -möglichkeiten für den engeren Kern kulturwirtschaftlicher Tätigkeiten, die auf Kreativität und künstlerischem Talent basieren, häufig anders geartet, als sie dem Angebot betrieblicher und universitärer Ausbildungsgänge entsprechen. Dies kann Chance und Risiko zugleich sein.

Auch im Hinblick auf die Einbindung von Unternehmen und Personen in die Wertschöpfungskette ergeben sich insofern Modifikationen gegenüber klassischen Produktions- und Dienstleistungsbereichen, als vielfach temporäre, projektbezogene Zusammenarbeit für einen Auftrag die typische Art der Leistungserstellung ist. Die genannten Besonderheiten werden in der wissenschaftlichen Diskussion zu der These verdichtet, dass der Kulturwirtschaft insofern eine gewisse Vorreiterrolle zukomme, als dort bereits heute Strukturen und institutionelle Formen der Produktion und Vermarktung bestehen, die sich künftig auch in anderen Teilen gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Organisationsformen wiederfinden könnten.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Die WZ 2003 dient dazu, die wirtschaftlichen Tätigkeiten von Unternehmen, Betrieben und anderen statistischen Einheiten in allen amtlichen Statistiken einheitlich zu erfassen. Sie baut auf der durch EG-Verordnungen verbindlich eingeführten statistischen Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft (NACE Rev. 1.1) auf. An der Erarbeitung dieser Klassifikationen waren zahlreiche Wirtschaftsverbände, die fachlich zuständigen Behörden und andere Institutionen maßgeblich beteiligt. Als Ergebnis ist eine hierarchisch gegliederte Wirtschaftszweigklassifikation mit 17 Abschnitten, 31 Unterabschnitten, 60 Abteilungen, 222 Gruppen, 513 Klassen und 1041 Unterklassen entstanden, die eine statistische Zuordnung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten ermöglicht. Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Klassifikation der Wirtschaftszweige. Mit Erläuterungen, Wiesbaden 2003.

  2. Nomenclature générale des Activités économiques dans les Communautés Européennes.

  3. Vgl. hierzu Jeannine Cardona, Cultural Statistics in Europe: Updates and Trends, Montreal Symposium October 21 - 23, Paris 2002, S. 11.

  4. Der Mikrozensus ist eine amtliche Repräsentativstatistik, die mit einer Zufallsstichprobe 1 Prozent aller Haushalte in Deutschland erfasst und einmal jährlich Informationen zu Bevölkerung und Arbeitsmarkt erhebt.

  5. Vgl. Michael Söndermann, Beschäftigung im Kultursektor in Deutschland 2003/2004. Ergebnisse der Kulturstatistik, in: Jahrbuch für Kulturpolitik, Essen 2005, S. 459 - 476.

  6. Um exakt zu sein, ist allerdings darauf hinzuweisen, dass innerhalb der EU-Abgrenzung neben erwerbswirtschaftlichen Zweigen auch gemischte Unterklassen vorkommen, in denen gemeinnützige, öffentliche und privatwirtschaftliche Betriebsformen vertreten sind. Söndermann spricht daher korrekt von der Erwerbstätigkeit im "Kultursektor", beziffert aber den explizit privatwirtschaftlichen Anteil an der Erwerbstätigenzahl mit 528 000 auf gut ein Drittel. Dies wäre dann eine Angabe für die "Kulturwirtschaft" im strengsten Sinne. Da aber im Vergleich zum Ansatz der bisherigen Länder-Kulturwirtschaftsberichte die EU-Abgrenzung bereits deutlich enger gefasst ist und sich die EU-Abgrenzung (mit Modifikationen) durchzusetzen scheint, soll an dieser Stelle gleichwohl von Kulturwirtschaft (statt Kultursektor) gesprochen werden.

  7. Der erste nordrhein-westfälische Kulturwirtschaftsbericht datiert aus dem Jahr 1991/92.

  8. Vgl. Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung (Hrsg.), Kulturwirtschaft in Hessen, 1. Hessischer Kulturwirtschaftsbericht, Wiesbaden 2003.

  9. Niederschrift der Wirtschaftsministerkonferenz zu TOP 14, vom 13./14.12. 2005.

  10. Vgl. Michael Söndermann, Kulturwirtschaftsberichte der Bundesländer: Viele Sprachen - ein Ziel?, in: Friedrich-Naumann-Stiftung (Hrsg.), Kulturwirtschaft 2005, Berlin 2006, S. 47 - 52.

  11. Zu den Erwerbstätigen zählen neben den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten auch Beamte, Selbstständige und mithelfende Familienangehörige.

  12. Hier zeigt sich ein Strukturmerkmal, das auch bei einer engeren Abgrenzung der Kulturwirtschaft bestätigt wird, nämlich die Tendenz, dass sich kulturelles Beschäftigungspotenzial vorwiegend in urbanen Regionen konzentriert.

  13. Vgl. Michael Söndermann, Kulturwirtschaft - was ist das?, in: Friedrich-Naumann-Stiftung (Anm. 10), S. 16.

  14. Die Bruttowertschöpfung erfasst den Wert der in einem Jahr erzeugten Güter und Dienstleistungen abzüglich bezogener Vorleistungen. Ergänzt um Nettogütersteuern ergibt sich das Bruttoinlandsprodukt, das annähernd gleich groß ist.

  15. Vgl. M. Söndermann (Anm. 13), S. 14.

  16. Vgl. Arbeitsgemeinschaft Kulturwirtschaft NRW (Bearbtg.), Dynamik der Kulturwirtschaft in Nordrhein-Westfalen im Vergleich, 1. Kulturwirtschaftsbericht 1991/92, Bonn 1992, S. 7.

  17. Arbeitsgemeinschaft Kulturwirtschaft NRW (Bearbtg.), 4. Kulturwirtschaftsbericht. Kulturwirtschaft im Netz der Branchen, Dortmund-Witten-Bonn, 2001, S. 11.

  18. Vgl. Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung/Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst (Hrsg.), Kultursponsoring und Mäzenatentum in Hessen, 2. Hessischer Kulturwirtschaftsbericht, Wiesbaden 2005, S. 147.

  19. Vgl. M. Söndermann (Anm. 13), S. 16.

  20. Vgl. M. Söndermann (Anm. 5).

  21. Für 2003 betrug der durchschnittliche steuerbare Umsatz je Steuerpflichtigen in Deutschland über alle Wirtschaftszweige 1,46 Millionen Euro, für die Kulturwirtschaft in Abgrenzung des niedersächsischen Berichtes dagegen 0,68 Millionen Euro.

  22. Zusätzlich ergibt sich hier das Problem der Zuordnung der einzelnen Aktivitäten zum Literatur-, TV- und Musikmarkt.

  23. Vgl. Rainer Ertel/Friedrich Gnad, Kulturwirtschaft in Niedersachsen, Gutachten im Auftrag des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Technologie und Verkehr, Hannover, Januar 2002, S. 19.

  24. Vgl. 1. Hessischer Kulturwirtschaftsbericht (Anm. 8), S. 161.

  25. Vgl. Ivo Mossig, Die Branchen der Kulturökonomie als Untersuchungsgegenstand der Wirtschaftsgeographie, in: Zeitschrift für Wirtschaftsgeographie, 49 (2005), S. 109.

Dr. rer. pol., geb. 1947; Geschäftsführer des Nieder- sächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung e.V. (NIW), Königstr. 53, 30175 Hannover.
E-Mail: E-Mail Link: ertel@niw.de