Einleitung
Rückkehr der Folter" lautet der Titel eines kürzlich erschienenen Buches,
Diesem erschreckenden Befund steht ein mit Absolutheitsrang ausgestattetes Verbot der Folter im Völkerrecht entgegen.
Dasselbe gilt für später entstandene Spezialkonventionen wie das im Rahmen der Vereinten Nationen erarbeitete Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (Anti-Folter-Übereinkommen, CAT) von 1984 und die Europäische Konvention zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (ECPT) von 1987. Diese sowie eine Reihe weiterer Abkommen konkretisieren das Folterverbot und sehen spezielle "Ausschüsse" und Verfahren zu seiner Überwachung vor.
Begriff der Folter
Von der Verankerung eines absoluten Folterverbots im Völkerrecht ist die Frage zu unterscheiden, was eine Handlung zu Folter im Sinne des Völkerrechts macht. Nicht jede erniedrigende und unmenschliche Behandlung stellt bereits Folter dar. Dies ergibt sich schon aus dem Titel des Anti-Folter-Übereinkommens.
Was Folter ist, definieren die verschiedenen völkerrechtlichen Abkommen. Im Vergleich zum nationalen Recht, das die Folter nicht eigenständig für strafbar erklärt,
Erforderlich sind also zunächst einmal "große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden", die sich zudem nicht aus "gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind". Was die zuletzt genannte Einschränkung betrifft, so kann diese offensichtlich nicht so verstanden werden, dass sie den innerstaatlichen Gesetzgeber zur Legalisierung von Folterhandlungen ermächtigt. Nur was völkerrechtlich erlaubt ist, darf durch den innerstaatlichen Gesetzgeber auch als "zulässige Sanktion" (insbesondere im Strafvollzug) vorgesehen werden.
Von erheblicher praktischer Bedeutung ist ferner die Frage, ob auch schon die Androhung von Folterhandlungen als Folter oder zumindest "unmenschliche oder erniedrigende Behandlung" anzusehen ist. Die Frage stellt sich mit Blick auf den eingangs erwähnten Daschner-Fall.
Schließlich muss, um von Folter im Sinne der völkerrechtlichen Verbotsnorm sprechen zu können, die Folterhandlung staatlichen Stellen zugerechnet werden können. Dieser Zusammenhang kommt insbesondere in Art. 1 CAT in mehrfacher Weise zum Ausdruck. So muss die Handlung "von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden" und ein bestimmtes Ziel verfolgen, zum Beispiel, um vom Folteropfer oder einem Dritten "eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen".
Umsetzung des Folterverbots
Das grundsätzliche Verbot der Folter bedarf, soll es nicht zahnlos bleiben, der Durch- und Umsetzung. Ihr dienen eine Reihe völkerrechtlicher Sekundärnormen, die das Folterverbot ausgestalten und die so unterschiedliche Bereiche wie das Straf- und Strafanwendungsrecht, das Ausländerrecht oder das Prozessrecht betreffen.
Pflicht des Heimatstaates zur Ahndung der Folter
Folter kann nur effektiv bekämpft werden, wenn die Staaten gegen sie vorgehen. Diese Bekämpfung ist vor allem eine Aufgabe des direkt betroffenen Staates - d.h. des Staates, auf dessen Gebiet bzw. durch dessen Staatsangehörige die Folterhandlungen vorgenommen werden. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass das Anti-Folter-Übereinkommen Staaten zur Ahndung der Folter verpflichtet. In erster Linie verlangt es, dass jeder Staat nach seinem nationalen Recht Folterhandlungen unter Strafe zu stellen und die Wiedergutmachung von Schäden vorzusehen hat.
Sanktionsrechte anderer Staaten
Würden die direkt betroffenen Staaten Folter wirksam ahnden, wäre viel erreicht. Oft jedoch sind sie dazu entweder nicht bereit oder nicht in der Lage. Daher ist es wichtig zu betonen, dass das Völkerrecht auch andere Staaten zur Sanktionierung von Folterhandlungen ermächtigt.
Verfahren vor Gerichten fremder Staaten: Besondere Bedeutung haben Verfahren vor Gerichten fremder Staaten, d.h. Staaten, die weder einen örtlichen noch personellen Bezug zu den begangenen Folterhandlungen aufweisen. In jüngerer Zeit sind derartige Verfahren - etwa gegen den ehemaligen chilenischen Diktator Augusto Pinochet oder den früheren Präsidenten des Tschad Hissène Habré
Die Gerichte des betreffenden Staates müssen zunächst für Klagen wegen im Ausland begangener Folterhandlungen überhaupt zuständig sein. Ob dies der Fall ist, hängt vom jeweiligen nationalen Recht ab. Das Völkerrecht steht einer solchen Jurisdiktionsausübung über Fälle der so genannten "Auslandsfolter" aber jedenfalls nicht entgegen. Vielmehr betont das Anti-Folter-Übereinkommen (wenn auch nicht mit der wünschbaren Klarheit), dass alle Staaten Anklage gegen Personen erheben dürfen, die der Folter verdächtig sind und sich auf ihrem Staatsgebiet aufhalten.
Das Recht fremder Staaten zur gerichtlichen Verfolgung ausländischer Folterhandlungen ist allerdings durch die Regeln über die völkerrechtliche Immunität beschränkt. Diese beruhen auf dem Grundsatz, dass ein Staat nicht über das Verhalten eines anderen Staates bzw. seiner Organe zu Gericht sitzen darf - par in parem non habet imperium. Aber nicht jedes staatliche Verhalten genießt den Schutz der Immunität; spätestens seit In-Kraft-Treten des Anti-Folter-Übereinkommens werden Immunitätsausnahmen diskutiert. Viele Fragen sind dabei bis heute nicht abschließend geklärt. Jedoch lassen sich die folgenden Kernaussagen treffen:
- Amtierende Staatsoberhäupter, Regierungschefs und Außenminister genießen sehr weitgehende, so genannte "persönliche Immunität". Selbst wegen schwerster Menschenrechtsverletzungen wie etwa Folter dürfen sie daher nicht vor Gerichten ausländischer Staaten belangt werden.
- Ehemalige Würdenträger wie auch sonstige Staatsorgane genießen eine eingeschränkte Form der so genannten "funktionellen Immunität"
- Schließlich genießen auch Staaten selbst vor ausländischen Gerichten Immunität. Die Reichweite dieser Staatenimmunität entspricht im Ergebnis weitgehend der soeben erwähnten funktionellen Immunität.
Insgesamt verhindert das Immunitätsrecht daher weiterhin eine umfassende Ahndung der Folter durch ausländische Gerichte. Man mag dies bedauern, darf dabei aber nicht übersehen, dass die Grundsätze der Immunität selbst der Sicherung der Kooperation zwischen den Staaten dienen. Die Erkenntnis, dass Staaten und Staatsorgane, die für Folter verantwortlich sind, unter Umständen ihr Recht auf Kooperation verwirken, muss in der Staatenwelt noch wachsen. Schon jetzt lässt jedoch das Völkerrecht Einschränkungen der Immunität aber immerhin zu.
Sonstige Sanktionen: Staaten können Fälle der "Auslandsfolter" nicht nur durch Verfahren vor ihren eigenen Gerichten ahnden. Daneben existieren verschiedene andere Formen der Sanktion.
Möglich ist etwa zum einen die Einleitung offizieller zwischenstaatlicher Klage- oder Beschwerdeverfahren. Erwähnung verdient hier das Staatenbeschwerde-Verfahren gegen den Folterstaat nach Art. 21 des Anti-Folter-Übereinkommens; denkbar ist daneben auch eine Klage vor internationalen Gerichten wie etwa dem Internationalen Gerichtshof in DenHaag. Beide Mechanismen sind relativ stumpf, da sie nur gegenüber Staaten in Betracht kommen, welche die Zuständigkeit der jeweiligen Gremien anerkannt haben. Dies ist zwar häufiger der Fall, als gemeinhin angenommen wird;
Wirksamer scheinen demgegenüber politische oder Wirtschaftssanktionen gegenüber einem Folterstaat. In der völkerrechtlichen Terminologie handelt es sich um Repressalien bzw. Gegenmaßnahmen. Diese sind zur Durchsetzung der Menschenrechte durchaus zulässig.
Abschiebungsverbot bei drohender Folter
Das völkerrechtliche Regime wäre unvollständig, würde es nur Regeln gegen bereits durchgeführte Folterhandlungen enthalten. Die bisher beschriebenen Regelungen werden ergänzt durch ein Verbot der Abschiebung bei drohender Folter. Dieses Verbot greift in das nationale Ausländerrecht ein, dem die Regelungen über die Abschiebung typischerweise zugeordnet sind.
Umstritten ist dagegen die Reichweite des Abschiebungsverbotes. Für die Europäische Menschenrechtskonvention hat der EGMR entschieden, dass die Abschiebung nicht nur in Staaten, die selber Folter praktizieren, unterbleiben müsse. Vielmehr verbiete die EMRK die Abschiebung auch dann, wenn die Behörden des Zielstaates keinen ausreichenden Schutz gegen Folterhandlungen nicht-staatlicher Stellen böten.
Verbot der Verwertung von Folteraussagen
Schließlich erlangt eine letzte Dimension des völkerrechtlichen Anti-Folter-Regimes zunehmend Bedeutung: das Verbot der gerichtlichen Verwertung von Aussagen, die durch Folter erlangt wurden.
Unumstritten ist zunächst, dass Folteraussagen nicht in Verfahren gegen das Folteropfer selbst verwendet werden dürfen, da eine solche Verwertung gegen das fundamentale Verbot der Selbstbelastung - den so genannten nemo tenetur-Grundsatz - verstieße. Dieses Verbot gilt für Verfahren sowohl vor Gerichten des Folterstaates als auch vor Gerichten anderer Staaten, denn Art. 15 spricht bewusst von "durch Folter herbeigeführt(en)" Aussagen, ohne die Identität des Folterers zu spezifizieren. Um es an einem Beispiel zu illustrieren: Deutsche Gerichte dürften einen ausländischen Angeklagten nicht auf der Basis eines Geständnisses verurteilen, das dieser unter Folter gegenüber ausländischen Geheimagenten abgegeben hat.
Problematischer ist die Verwertung von Folteraussagen in Verfahren nicht gegen das Folteropfer, sondern gegen Dritte. So mag ein Inhaftierter unter Folter den Namen eines Mittäters preisgegeben haben, der nun wegen der Tat angeklagt worden ist. Auch eine derartige Verwertung schließt das Völkerrecht jedoch aus. Art. 15 CAT ist auch insofern bewusst weit formuliert: Ausgeschlossen ist die Verwertung "in einem Verfahren", was nicht mit "einem Verfahren gegen den Betroffenen" gleichgesetzt werden darf. Zudem zeigt der letzte Halbsatz des Art. 15 CAT ("es sei denn ..."), dass das Verbot grundsätzlich auch in Verfahren gegen einen Folterer, also ein Nicht-Opfer, eingreift. Nach allgemeinen Menschenrechtsverträgen kommt man zum gleichen Ergebnis, da erfolterte Geständnisse unzuverlässige Beweismittel sind und Verdächtige unter Druck dazu neigen, andere fälschlich zu belasten. Wiederum gilt dieses Verbot unabhängig vom Ort des Verfahrens, also sowohl vor Gerichten des Folterstaats als auch vor Gerichten anderer Staaten.
Insgesamt verbietet das Völkerrecht damit die gerichtliche Verwertung erfolterter Aussagen in umfassender Weise. Dieses Verbot ergänzt die Regelungen über Ahndungspflichten, Sanktionsrechte und Abschiebungsverbote und verdeutlicht den Querschnittscharakter des völkerrechtlichen Anti-Folter-Regimes.
Aufweichung des Folterverbots im "Ausnahmefall"?
Eine gefährliche Aufweichung droht dem Folterverbot gegenwärtig unter Berufung auf die Erfordernisse "nationaler Sicherheit", insbesondere im Zuge des "war on terror". Guantánamo und Abu Ghraib, aber auch manche Verhörpraktiken des israelischen Geheimdienstes, stehen für diese äußerst gefährliche Entwicklung.
Allen diesen Praktiken ist unter dem Völkerrecht eine Absage zu erteilen. Für die "torture light" ist das schon oben festgestellt worden. Aber auch eine "Verteidigungsfolter" sowie "torture via detention" haben vor dem Völkerrecht keinen Bestand. Die Rechtfertigung von Folter zum Zwecke der Verteidigung kollidiert nicht nur mit dem ius cogens-Charakter und dem Absolutheitsanspruch des Folterverbots. Die Legitimierung von Folter zum Zwecke der Prävention terroristischer Anschläge hat in ihrer rechtsauflösenden Logik auch einiges mit der gleichermaßen völkerrechtswidrigen Bush-Doktrin prä-emptiver Kriegsführung gemein. Erst recht völkerrechtswidrig ist die "Verbringung" von Gefangenen in Gefängnisse und Internierungscamps außerhalb des Staatsgebiets, um sie dort unter dem Versuch der Umgehung der rechtsstaatlichen Bindungen und Verfahrensgarantien des nationalen Rechts foltermäßigen oder sonstigen unmenschlichen und erniedrigenden Verhörmethoden zu unterziehen. Wenn schon die Abschiebung von Personen in Staaten, in denen ihnen die Folter droht, völkerrechtswidrig ist, dann ist es erst recht die ziel- und zweckgerichtete "Verbringung" von Personen an "extraterritoriale" Folterplätze. Nicht der Ort der Folterhandlung, sondern deren Zurechnung zu einem Staat begründet die Erfüllung des Foltertatbestandes. Erfreulicherweise hat mittlerweile auch der U.S. Supreme Court zunächst aus Gründen des innerstaatlichen Rechts, dann aber auch des Völkerrechts Gegenkurs zur Regierung aufgenommen und gerichtlichen Rechtsschutz für die Gefangenen von Guantánamo eingefordert.
Schlussbemerkungen
Die Ausführungen haben gezeigt, dass es sich beim Folterverbot um eine mit Absolutheitsanspruch ausgestattete völkerrechtliche Fundamentalnorm handelt, von der keine Abweichungen erlaubt sind. Sie machen ebenfalls deutlich, dass das Verbot der Folter durch Umsetzungsnormen ergänzt wird, die querschnittsmäßig in das nationale Recht eingreifen.
Das strenge Regime des völkerrechtlichen Folterverbots ist vor allem mit den besonderen Gefährdungen zu erklären, welche dem grundlegenden Menschenrecht auf Freiheit von Folter in weiten Teilen der Welt drohen. Die appellative Funktion eines absoluten Folterverbots ist gerade im Völkerrecht unverzichtbar;