Am 12. Februar 1990 forderte Wolfgang Ullmann, Mitglied des Zentralen Runden Tisches, die Ernennung einer treuhänderischen Anstalt zur Wahrung der Rechte der Bevölkerung bei der Umwandlung des DDR-Volkseigentums in Privateigentum. Das DDR-Volkseigentum sollte "zugunsten der Bürgerinnen und Bürger der DDR" privatisiert werden, damit diese ihren Teil in "den vielfältigen Formen der Kapitalbeteiligung im Sinne der Marktwirtschaft" erhielten.
In diesem Beitrag beleuchte ich die Rolle der Treuhandanstalt (kurz Treuhand) bei der Privatisierung des DDR-Pressewesens vom Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 bis zur Privatisierung der großen ehemaligen SED-Bezirkszeitungen im April 1991 und danach. In dieser Zeit wurden nicht, wie einst als DDR-Reformziel gedacht, ehemalige SED-Zeitungsmonopole aufgespalten, sondern von finanzstarken westdeutschen Verlagen größtenteils weitergeführt. Bereits 1992 schlussfolgerte der Medienwissenschaftler Walter Mahle, die Gliederung des Pressemarkts in den neuen Bundesländern sei "den Grenzziehungen der SED nachgebildet (…) natürlich nicht aus politischen Gründen, sondern aus wirtschaftlichen Gründen".
Größter Verwaltungsapparat Deutschlands
Am 1. März 1990 folgte unter der Regierung Hans Modrow der Beschluss zur Gründung einer Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums. Darüber hinaus sollten Volkseigene Betriebe (VEB) in Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) umgewandelt werden. Modrow zufolge war das Ziel, die vorhandenen DDR-Wirtschaftsgüter in ihrer Substanz zu bewahren, vor kapriziösen Übernahmen zu schützen und Betrieben zu ermöglichen, sich bei Abschluss von Partnerschaftsvereinbarungen auf die neuen Bedingungen der privaten Marktwirtschaft einzustellen.
Nach den Volkskammerwahlen am 18. März 1990 wurde Lothar de Maizière für das konservative Bündnis Allianz für Deutschland offiziell erster Mann im Staat, und er führte den Kurs weiter. Der Plan: für den Privatisierungsprozess Wettbewerbsrichtlinien mittels eines Gesetzes ausarbeiten und umsetzen. Das Gesetz zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens (Treuhandgesetz) wurde am 17. Juni beschlossen. Nach diesem fiel das gesamte DDR-Volkseigentum ab dem 1. Juli unter das Treuhandgesetz. Bis zum 1. August sollten alle Betriebe in GmbHs umgewandelt werden, die dann im Eigentum der Treuhand standen. Darunter fielen zunächst 8.500 Betriebe mit rund vier Millionen Beschäftigten.
Schon im August 1990 wies Günter Nooke, Mitglied im Verwaltungsrat der Treuhand und Vertreter der DDR-Opposition, auf Probleme hin, die sich der Treuhand stellten: Die benötigten Daten, um die Sanierungs- und Marktfähigkeit der Betriebe zu bewerten, lagen nicht vor.
Schließlich wurde die Treuhand in Artikel 25 des Einigungsvertrags verankert. Zur deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 war sie jedoch kaum funktionsfähig – es mangelte an Personal und Einrichtungen. Innerhalb eines Jahres beschäftigte sie dann 3.000 neue Mitarbeiter, 1993 waren es 4600.
Zerschlagung politischer Monopole
Die Produktion der Tages- und Wochenpresse war in einigen Konglomeraten organisiert, die als Vereinigung Organisierter Betriebe (VOB) bezeichnet wurden. Der wichtigste, VOB Zentrag, gehörte der SED.
90 Prozent der Druckkapazitäten und der Papierzuteilung entfielen auf Zentrag. 13 von 15 Druckereien in der DDR wurden von ihr kontrolliert. Von der gesamten Produktion von Tageszeitungen in der DDR – 1987 lag die Auflage bei 9,7 Millionen Exemplaren – hielt die SED rund 70 Prozent (6,5 Millionen). Zu den SED-Zeitungen gehörten 14 Bezirkszeitungen mit einer Auflage von jeweils 200.000 bis 700.000 (mit den dazugehörigen Lokalausgaben für über 200 Kreise), das landesweit vertriebene "Neue Deutschland" (1,2 Millionen) und die verschiedenen Titel des Berliner Verlags. Die SED besaß somit 16 von 39 Tageszeitungen in der DDR.
Reformziel im Herbst 1989 war, diese Konzentration und Monopolisierung im Pressewesen zu beenden. Am 21. Dezember 1989 ratifizierte der DDR-Ministerrat den "Beschluß zur Neugründung von Zeitungen und Zeitschriften". Er unterstützte damit den im Dezember gegründeten Zentralen Runden Tisch und sicherte allen an ihm vertretenen Gruppen Zugang zu Medien, die Zuteilung von Papier, Druckkapazitäten und Lizenzen sowie von Kommunikations- und Vertriebsressourcen zu. Der Beschluss garantierte Informationsfreiheit, indem er diese weit definierte und die nötigen Infrastrukturen (zum Beispiel Technologieimporte) einbezog. Ziel war es, den neuen politischen Parteien und Oppositionsgruppen Zugang zu Medien und Informationen in "ihrer gesellschaftlichen Arbeit" zu sichern.
Kurz darauf, am 5. Februar 1990, verabschiedete die Volkskammer der DDR den Beschluss zur Meinungs-, Informations- und Medienfreiheit. Damit wurde Neuerscheinungen ein rechtlicher Rahmen bei den großen finanzstarken Verlagen geboten, und alte Monopolstrukturen wurden angegangen. Jegliche Art der Zensur war verboten. Die Presse sollte frei sein von politischen und wirtschaftlichen Monopolen und damit frei sein, um eine Plattform öffentlicher Debatten und freier Meinungsbildungsprozesse mündiger Bürger zu werden. Jede natürliche und juristische Person in der DDR hatte das Recht zur Veröffentlichung von Printmedien. Die Lizenzierung wurde abgeschafft, nur eine Registrierung war nötig.
Es folgte eine Flut an Neuerscheinungen auf dem Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt, womit sich in Ostdeutschland die Hoffnung auf Pressevielfalt verband. Laut einer Umfrage des DDR-Nachrichtendienstes ADN gab es bereits Anfang Februar 1990 16 Neuerscheinungen in der DDR, von denen vier westdeutsche Investoren hatten. Andere Titel wurden von basisdemokratischen Bürgergruppen oder politischen Parteien herausgegeben. Wieder andere waren lokale Initiativen ostdeutscher Journalisten und Bürger, teilweise in Zusammenarbeit mit Verlagen der Bundesrepublik.
Marktaufteilung
Parallel zu diesen politischen Initiativen wurde der DDR-Pressemarkt früh wirtschaftlich durch westdeutsche Verlage erschlossen. Schon im Februar 1990 problematisierte die "Tageszeitung" das "Einsteigen bundesdeutscher Großverlage über Joint-ventures in [die ostdeutsche] Presselandschaft".
Diese deutsch-deutschen Kooperationsverhandlungen liefen in einer rechtlichen Grauzone und waren laut dem Medienwissenschaftler Horst Röper "sehr vielgestaltig".
Diese Prozesse liefen so schnell, dass nur die Beteiligten wussten, wer mit wem verhandelte. Im Mai 1990 versuchte sich die DDR-Regierung darüber einen Überblick zu verschaffen. Danach hielt der Axel Springer Verlag (inklusive Tochtergesellschaften) mit insgesamt elf Zeitungen Kooperations-, Joint-Venture- oder Kaufgespräche. Die Bauer Verlagsgruppe hatte fünf Joint-Venture-Abkommen geschlossen, und fünf weitere waren in Vorbereitung. Gruner + Jahr plante ein Joint Venture mit der "Sächsischen Zeitung" (Auflage 544.700) und wollte zwei Zeitschriften kaufen. Die WAZ-Gruppe plante Joint Ventures mit vier Zeitungen, darunter die "Leipziger Volkszeitung" (Auflage rund 500.000).
Vor allem die 14 großen ehemaligen SED-Bezirkszeitungen, wozu die "Sächsische Zeitung" und die "Leipziger Volkszeitung" gehörten, standen bei den großen finanzstarken Verlagen hoch im Kurs. Mit hohen Auflagenzahlen und den nach wie vor bestehenden strukturellen Privilegien (etwa bei der Papierversorgung und beim Druck) hielten sie in ihren jeweiligen Bezirken eine quasi-Monopolstellung und waren damit die "Filetstücke" unter den DDR-Zeitungen.
Insbesondere die "Großen Vier" – Springer, Burda, Gruner + Jahr und Bauer – waren aktiv damit beschäftigt, ihre Ansprüche in der DDR anzumelden. Laut Andreas Ruppert, Vertreter von Gruner + Jahr, hatten die Großverlage bereits im Mai 1990 die DDR-Zeitungen und -Zeitschriften untereinander aufgeteilt. Es kursierten Listen, auf denen kauffreudige westdeutsche Verlage neben "ihren" hilfsbedürftigen DDR-Partnern positioniert waren. Letztere waren, so Ruppert, auf finanzielle Hilfe angewiesen – sie alle steckten in den roten Zahlen und brauchten Investitionen.
Tatsächlich kämpften DDR-Zeitungen mit schlechter Papier- und Druckqualität, Papierknappheit und der Streichung von Subventionen. Vor allem aber massive Importe westdeutscher Presseprodukte und die Dumpingpreise westdeutscher Zeitungen ab März 1990 setzten sie früh unter hohen wirtschaftlichen Druck.
Beispiel Bauer: Der Verlag hatte sich bis August 1990 ein großes Stück des DDR-Kuchens gesichert. Bis Juni 1990 hielt Bauer 49 Prozent der Eigentumsanteile an den "Brandenburgischen Neuesten Nachrichten", der "Märkischen Oderzeitung", den "Norddeutschen Neusten Nachrichten", dem "Nordkurier", der "Schweriner Volkszeitung" und der "Volksstimme", die eine Gesamtauflage von rund 1,2 Millionen Exemplaren hatten. Der Verlag leistete technologische Unterstützung (etwa Lieferung von Redaktionstechnik und Kopiergeräten) und zielte auf die Modernisierung der veralteten Druckereien seiner Partner.
Der Hauptkonkurrent von Bauer war der Axel Springer Verlag. Mit seinen Tochtergesellschaften und Beteiligungen unter anderem an der "Märkischen Volksstimme", der "Norddeutschen Zeitung" und der "Ostsee-Zeitung" hielt er Anteile an 30 Prozent der DDR-Gesamtauflage.
Treuhand übernimmt
Bevor die Treuhand ab Oktober 1990 die treuhänderische Verwaltung der SED-Presse übernahm, konsultierte sie im Juli das Amt für Wettbewerbsschutz der DDR und das Ministerium für Medienpolitik, um "offizielle und rechtlich gesicherte Aussagen" zu westlichen Kapitalbeteiligungen und Kooperationsvereinbarungen mit DDR-Verlagen zu erhalten.
Letztlich erhielt die Treuhand rund 80 Kauf-Anfragen für 40 Verlage – die wichtigsten waren die für die ehemaligen SED-Bezirkszeitungen. Deren Eigentümerschaft mit 8.000 Mitarbeitern und einer Gesamtauflage von 2,7 Millionen Exemplaren wurde offiziell am 13. April 1991 an "ausgewählte Erwerbsinteressenten" übertragen.
Laut Birgit Breuel, nach der Ermordung Detlev Rohwedders neue Treuhand-Vorsitzende, hatte Vorstandsmitglied Karl Schirner im April 1991 diese "Gesamtlösung" entwickelt.
Niemand ist verantwortlich
Im Vorfeld der Verkaufsentscheidung vom April 1991 hatte Peter Hoss, Geschäftsführer des Verbandes der Lokalpresse, dem Dachverband der lokalen Zeitungsverleger, "mit größter Sorge" beim Bundesministerium des Innern (BMI), dem Bundeswirtschaftsministerium sowie beim Treuhand-Verwaltungsrat und Vorstand gegen die Übertragung der Zeitungen "an wenige westdeutsche Großverlage" protestiert.
Hoss’ Bitten blieben erfolglos. Das BMI antwortete erst ein halbes Jahr später und berief sich auf den "Grundsatz der Staatsferne der Medien".
Ein Blick in die interne Kommunikation offenbart jedoch anderes: Es gab keine kohärente Linie oder Vorgehensweise verschiedener Bundesbehörden bezüglich der Privatisierung ehemaliger SED-Bezirkszeitungen. Konflikte zwischen den Behörden, Kompetenzstreitigkeiten und gegenseitiges Zuschieben von Verantwortung bestimmten den Kurs.
Um einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten und kleine Verlage zu schützen, nahm der Treuhand-Verwaltungsrat stattdessen eine "Wohlverhaltensklausel" in alle Privatisierungsverträge auf. Käufer wurden verpflichtet, "in wirtschaftlich vertretbarem Umfang" die Entfaltung "von kleinen Lokalzeitungen nicht zu behindern".
Pressemonopole im Osten
Regionalmonopole ehemaliger SED-Bezirkszeitungen standen bereits frühzeitig im Visier finanzstarker westdeutscher Verlage, wurden unter diesen aufgeteilt und letztlich von ihnen übernommen. So wurden Monopolstrukturen der DDR nicht, wie ursprünglich gedacht, zerschlagen, sondern mit wirtschaftlichem Kalkül weitergeführt. Laut dem Verband der Lokalpresse haben westdeutsche Verlage einen "nach den Gesetzen des staatlichen Zentralismus als Monopol aufgebauten Markt in unveränderter Struktur übergeben bekommen, sich danach zunehmend konsolidiert und den Markt weiter zementiert."
Die Folge waren Pressekonzentration und Zeitungssterben: Innerhalb von zwei Jahren ging die Zahl der Zeitungen in Ostdeutschland drastisch zurück. Von den ursprünglich 120 Zeitungen, die bis Mitte 1990 neu gegründet worden waren, waren im Mai 1992 nur noch etwa 65 Zeitungen aus etwa 50 Verlagen übrig. Bis November fiel die Zahl auf 50 Zeitungen aus 35 Verlagen. Bei der Lokalpresse sah es nicht anders aus: Lokalzeitungen waren von 98 auf 24 Zeitungen aus 23 Verlagen zurückgegangen. Bis November 1992 fiel diese Zahl auf 30 Zeitungen von 19 Verlegern.