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Föderale Finanzautonomie im internationalen Vergleich

Hans-Peter Schneider

/ 19 Minuten zu lesen

Die Bundesländer haben kaum Einfluss auf ihre Einnahmen. Der internationale Vergleich bietet für die Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern (Föderalismusreform II) interessante "lessons to be learned".

Einleitung

Bei einer Analyse der Finanzverfassungen von Australien, Kanada, der Schweiz und den USA steht die Frage im Mittelpunkt, wie viel finanzpolitische Gestaltungsfreiheit die jeweiligen föderalen Glieder (Einzelstaaten, Provinzen, Länder, Kantone, föderative Subjekte) und Kommunen bei ihren Einnahmen und Ausgaben unabhängig von den Zentralregierungen in den genannten Bundesstaaten besitzen. Demgemäß sind in erster Linie Umfang und Grenzen der Steuerautonomie dieser Einheiten (in Bezug auf Gesetzgebungskompetenzen, Ertragshoheit und Verwaltungszuständigkeiten) in den Blick zu nehmen, wobei aus Gründen des Systemvergleichs zwischen einzelnen Steuerarten unterschieden werden muss. Einbezogen wurden aber auch konditionierte Zuwendungen (grants) der Zentralregierungen, die den finanzpolitischen Handlungs- und Entscheidungsspielraum der Glieder mindestens ebenso stark einschränken können wie unzureichende Besteuerungsrechte. Deshalb ist die gesamte Einnahmesituation der Glieder vor und nach solchen Transfers zu untersuchen.



Nur exemplarisch erörtert werden die Verfahren und Instrumente eines Finanzausgleichs. Dies hat mehrere Gründe: Erstens gibt es in einigen Staaten nur Formen eines vertikalen Ausgleichs. Horizontale Ausgleichsmechanismen (wie der Länderfinanzausgleich in Deutschland nach Art. 107 Abs. 2 GG) sind sonst nirgendwo in der Welt üblich. Zweitens sagt die Art und Weise eines Finanzausgleichs nur wenig aus über Umfang und Grenzen der finanziellen Autonomie von subnationalen und kommunalen Einheiten. Drittens gibt es Staaten, in denen trotz erheblicher Unterschiede der Gliedstaaten in Größe, Bevölkerungszahl und Wirtschaftskraft keinerlei auf eine Angleichung der Lebensverhältnisse abzielender Finanzausgleich existiert. Viertens sind da, wo ein Ausgleich vorgesehen ist, die Systeme so kompliziert, dass für deren Darstellung ein eigene Monographie erforderlich wäre. Fünftens schließlich würde eine solche Studie keinen Vergleich der Harmonisierungsniveaus erlauben, weil die jeweiligen Ausgleichsparameter erheblich voneinander abweichen: Während in Deutschland die durchschnittliche Steuerkraft pro Einwohner maßgeblich ist, orientieren sich andere Länder am Bedarf ihrer subnationalen Einheiten, an deren Einwohnerzahl, am Bruttoinlandsprodukt (BIP), an der Wachstums- oder Arbeitslosenquote und meist sogar an einer Kombination aus solchen und anderen Indikatoren.

Australien

Das Commonwealth of Australia entstand als Bundesstaat 1901 durch einen Zusammenschluss von ehemals sechs britischen Kolonien, der später um zwei unabhängige Gebiete, das Northern Territory (1978) und das Australian Capital Territory (1989) erweitert wurde. Hinzu kommen sechs relativ autonome Verwaltungsbezirke. Australien hat 20,1 Mio. Einwohner und erstreckt sich auf ein Gebiet von 7,7 Mio. km2. Das Wachstum des BIP liegt zwischen 3,5 und 4 Prozent pro Jahr; das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen betrug 2004 knapp 43 000 AU$ (32 000 US$).

Die Verfassung von 1900 weist in Art. 51 Abs. 2 die Gesetzgebungskompetenzen auf dem Gebiet der Besteuerung generell dem zentralen Parlament zu. Die wichtigsten nationalen Gesetze sind das Einkommensteuergesetz (Income Tax Act, 1986), das Einkommensteuer-Veranlagungsgesetz (Income Tax Assessment Act, 1997), das Zusatzleistungen-Veranlagungsgesetz (Fringe Benefits Assessment Act, 1986; besteuert werden unentgeltliche Zusatzleistungen; es handelt sich um eine Art Schenkungsteuer), das Umsatzsteuergesetz (Goods and Services Tax Act, 1999) sowie zahlreiche Zoll- und Verbrauchsteuergesetze (Customs and Excise Tax Acts), wobei letztere vor allem den Energieverbrauch betreffen.

Obwohl die Verfassung eine ergänzende Besteuerung durch die Gliedstaaten nicht ausschließt, verfügt das Commonwealth bei der Steuergesetzgebung über eine Art Monopol. Auch der Vollzug ist ausschließlich Sache der Zentralregierung. Die Staaten haben keinen Gestaltungsspielraum, sondern werden ausdrücklich an die Vorgaben des zentralen Gesetzgebers gebunden. Entsprechend hoch ist der Anteil des Bundes am Gesamtsteueraufkommen (2004: 80 %, während auf die Staaten nur 16 und auf die Gemeinden 4 % entfielen). Bezogen auf sämtliche Einnahmen öffentlicher Kassen erhielten 2004 der Bund 61, die Staaten 34 und die Gemeinden weniger als 5 %. Die Zentralisierung der Besteuerungsrechte erfolgte im Einvernehmen zwischen den Regierungen beider Ebenen: Es wurde ein System vertikaler Transfers vom Bund zu den Staaten in Gestalt sog. Steuerrückerstattungen installiert, das zugleich Ausgleichsfunktionen erfüllt und von einer unabhängigen Kommission überwacht wird. Dieses gigantische Umverteilungssystem "von oben nach unten" ist konstitutionell, institutionell und prozedural abgesichert.

Außerdem wurde 1933 die Commonwealth Grant Commission (CGC) geschaffen, die den Dreh- und Angelpunkt des gesamten Transfersystems bildet. Das Prinzip, nach dem sich der Finanzausgleich in Australien richtet und auf dem die Empfehlungen der CGC basieren, lautet: "Jeder Staat soll die Fähigkeit erhalten, für den durchschnittlichen Standard an staatstypischen öffentlichen Leistungen zu sorgen, vorausgesetzt, dass er dabei für ein durchschnittliches Niveau effizienter Leistungserbringung (operational efficiency) Sorge trägt und angemessene Anstrengungen unternimmt, Einnahmen aus eigenen Quellen zu erschließen." Der Finanzausgleich ist dazu bestimmt, die staatlichen Leistungsmöglichkeiten im Angebot von Diensten auszugleichen, nicht aber deren Ergebnisse. Deshalb beziehen sich die Empfehlungen der CGC auch nur auf ungebundene (untied) Einnahmezuschüsse, über die jeder Staat frei entscheiden kann.

Die Gliedstaaten verfügen kaum über nennenswerte Kompetenzen bei der Erhebung von Steuern, und zwar weder auf legislativem noch auf administrativem Gebiet. Trotz dieser Zentralisierung der Besteuerungskompetenzen sichert ihnen ein System vertikaler Transfers und Ausgleichszahlungen, deren Höhe und Verteilung mit dem Bund ausgehandelt werden, Handlungs- und Entscheidungsspielräume auf der Einnahmen- und Ausgabenseite. Allein die ungebundenen Rückerstattungen der Umsatzsteuer beliefen sich in den Jahren 2002/03 auf 29,3 Mrd. AU$. Hinzu kommen 1,74 Mrd. AU$ an freien Ausgleichsleistungen und 755 Mio. AU$ an weiteren allgemeinen Zuweisungen. Andererseits schlagen aber auch besondere Zweckzuweisungen (special purpose payments), bei denen die Zentralregierung ihre Zahlungen auf Politikfeldern, die zur Domäne der Staaten gehören, an Bedingungen knüpft, mit insgesamt 15,8 Mrd. AU$ zu Buche. Australien bewegt sich mit dem Grad der Finanzautonomie seiner Gliedstaaten auf der Skala von absoluter Selbständigkeit hin zu totaler Abhängigkeit in einem mittleren Bereich. Etwas anders stellt sich die Situation auf Ebene der Kommunen dar - dort ist der Grad an Einnahmenautonomie mit einem Anteil von 88 % bemerkenswert hoch.

Kanada

Kanada, als Bundesstaat geschaffen durch den British North America Act von 1867, setzt sich aus zehn Provinzen und zwei Territorien (Northwest Territories, Yukon) zusammen. Das Land hat knapp 29 Mio. Einwohner, die auf 9,9 Mio. km2 verteilt sind, und ist damit nach Russland in der Fläche der zweitgrößte Staat der Welt, gleichzeitig aber der am dünnsten besiedelte. Fast der gesamte französischsprachige Bevölkerungsteil ist in der Provinz Quebec konzentriert. Das Wachstum des BIP liegt zwischen 2 und 2,7 % pro Jahr; das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen betrug 2004 rund 40 500 CA$ (31 000 US$). Die Verfassung von 1867 weist sowohl dem Gesamtstaat als auch den Provinzen für sämtliche Steuern Gesetzgebungs- und Ertragskompetenzen zu. Nach Art. 91 Nr. 3 verfügt das Parlament über die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit für die Aufbringung von Geld durch jedwedes Verfahren oder System der Besteuerung. Zugleich erklärt Art. 92 Nr. 2 direkte Besteuerung innerhalb einer Provinz zur Erzielung von Einnahmen für provinziale Zwecke zur ausschließlichen Zuständigkeit der Provinzparlamente. In Kanada bestehen die Besteuerungskompetenzen des Gesamtstaates und der Provinzenrelativ unverbunden nebeneinander und sind Gegenstand permanenter Verhandlungen zwischen beiden Ebenen. Die wichtigsten zentralen Steuergesetze sind das Einkommensteuergesetz (Income Tax Act, 1985, in der Fassung von 2004), das Verbrauchsteuergesetz (Excise Tax Act, 1985, in der Fassung von 2003, mit der Mehrwertsteuer für bestimmte Waren) sowie das Gesetz über den Finanzausgleich (Federal-Provincial Fiscal Arrangements Act, 1985), das sich über die Regelung der Finanztransfers hinaus auch mit Fragen der Steuerharmonisierung sowie mitder intergouvernementalen Finanz- und Wirtschaftspolitik befasst.

Im Gegensatz zur australischen Finanzverfassung können in Kanada sowohl der Bund als auch die Provinzen unabhängig voneinander auf alle wichtigen Steuern getrennt zugreifen. Das gilt nicht nur für die Einkommen- und Körperschaftsteuer, sondern zumindest theoretisch auch für die Umsatzsteuer (sales tax, auf Bundesebene als goods and services tax [GST] bezeichnet), nachdem die Rechtsprechung auch letztere als Form der "direkten Besteuerung" im Sinne von Art. 92 Nr. 2 der Verfassung interpretiert hatte. Die Steuerautonomie der Provinzen ist nahezu schrankenlos und findet ihre Grenzen lediglich in der finanziellen Belastbarkeit der Bürger. Entsprechend groß ist daher auf dem Gebiet von Steuern und Finanzen der intergouvernementale Koordinierungs- und Harmonisierungsbedarf, der dem komplexen kanadischen System die Bezeichnung eines executive fiscal federalism eingetragen hat. Dennoch spielen Transferzahlungen des Bundes auch an die Provinzen mit 21,1 % (1986), 19,8 % (1996) bzw. 23,9 % (2005) aller Einnahmen der subnationalen Einheiten keineswegs nur eine marginale Rolle. Soweit es sich um Transfers handelt, deren Verwendung an Bedingungen geknüpft ist, dienen sie der Finanzierung gesamtstaatlicher Förderprogramme. Die übrigen bedingten Zuweisungen (conditional grants) sind dagegen nicht besonders hoch; sie betrugen 2004 nur 3,3 % aller Einnahmen der Provinzen. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass in Kanada ein opting-out möglich ist, das heißt, die Provinzen können entscheiden, ob sie die meist ihre ausschließlichen Zuständigkeiten tangierenden Bundesmittel annehmen. Der Bund kann den Provinzen zwar Förderprogramme anbieten, ihnen jedoch keine Finanzhilfen aufzwingen.

Die ungebundenen, bedingungsfreien Zuweisungen an die Provinzen (unconditional grants) sind ein wesentlicher Bestandteil des Finanzausgleichssystems, das in der Verfassung verankert ist. In Art. 36 Abs. 2 der Schedule B des Constitution Act von 1982 verpflichten sich Parlament und Regierung auf das Prinzip von Ausgleichszahlungen, um sicherzustellen, dass die Provinzregierungen über ausreichende Einnahmen verfügen, die es ihnen erlauben, "vernünftige vergleichbare Niveaus öffentlicher Dienstleistungen zu vernünftigen vergleichbaren Niveaus der Besteuerung" anzubieten. Der Finanzausgleich ist ein vertikaler Einnahmenausgleich ohne horizontale Komponenten.

Anstelle einer zentralen Kommission, die wie in Australien die Transfers an subnationale Einheiten steuert, hat sich in Kanada seit den sechziger Jahren ein Verfahren permanenter intergouvernementaler Verhandlungen herausgebildet, die sich nicht nur mit Finanzhilfen beschäftigen, sondern auch mit der Steuerharmonisierung und der Kooperation bei der Steuererhebung. So haben alle Provinzen mit Ausnahme von Alberta, Ontario und Quebec aufgrund von Vereinbarungen dem Bund nach dessen Bemessungsgrundlagen und Tarifen den Einzug ihrer Einkommensteuer übertragen. New Brunswick, Nova Scotia und Newfoundland haben ihre Umsatzsteuern harmonisiert. Umgekehrt nimmt Quebec für die Zentralregierung die Umsatzsteuern ein.

Die kanadischen Provinzen weisen im Vergleich zu anderen föderalen Gliedstaaten ein hohes Maß an finanzieller Autonomie auf. Zum einen verfügen sie über einen relativ hohen Anteil an selbst bestimmten Steuereinnahmen und sind demzufolge weniger abhängig von zentralen Zuweisungen - ein Effekt, der durch ihre Möglichkeit, auf dem Weg eines opting out Transferzahlungen des Bundes abzulehnen, noch verstärkt wird. Zum anderen steht den Provinzen mit den zwischenstaatlichen Verhandlungen ein Verfahrensweg offen, über den sie ihre finanziellen Interessen wirksam durchsetzen können. Allerdings wird es in jüngster Zeit immer schwieriger, dort Konsens zu erzielen, weil einige Bundesprogramme, die inzwischen ähnlich wie in Deutschland eine Kofinanzierung durch die Provinzen voraussetzen, von der Zentralregierung gekürzt wurden. Dies hat 1999 zu einem neuen Abkommen, dem Social Union Framework Agreement, geführt. Mit dieser Übereinkunft soll das wechselseitige Vertrauen wiederhergestellt werden.

Die Schweiz

Die Schweizerische Eidgenossenschaft ist seit 1848 ein Bundesstaat (Confoederatio Helvetica) und besteht aus 26 Kantonen, darunter sechs Halbkantone, mit einer Gesamtfläche von 41 293 km2, auf der 7,32 Mio. Einwohner leben. Bei den Kantonen gibt es in Bezug auf Größe, Bevölkerungszahl und Wirtschaftskraft erhebliche Unterschiede. Das BIP erreichte 2004 die Summe von knapp 446 Mrd. SFR (360 Mrd. US$) mit einem mäßigen Wachstum von unter 0,5 %. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei 61 500 SFR (49 500 US$). Die Schweiz zeichnet sich durch ein hohes Maß an Dezentralisierung aus, verbunden mit einer strikten Trennung der Kompetenzen zwischen den drei Ebenen (Bund, Kantone, Gemeinden).

Das gilt nicht zuletzt für den Bereich der Steuern und Abgaben, der in den Grundzügen durch die neue Bundesverfassung (BV) von 2000 festgelegt und für den Gesamtstaat klar abgegrenzt ist. Nach Art. 128 Abs. 1 BV darf der Bund eine direkte Steuer von höchstens 11,5 % auf das Einkommen natürlicher Personen, von höchstens 9,8 % auf den Reinertrag juristischer Personen und von höchstens 0,825 % auf das Kapital und die Reserven juristischer Personen erheben. Für diedarüber liegenden Besteuerungsmargen haben die Kantone und Gemeinden weitestgehende Gestaltungsfreiheit, wobei der Bund bei seiner Tarifgestaltung auf die Belastung der Kantone und Gemeinden durch die direkten Steuern Rücksicht zu nehmen hat (Art. 128 Abs. 2 BV). Auch die Gesetzgebungüber Zölle und andere Abgaben auf dengrenzüberschreitenden Warenverkehr ist Sache des Bundes (Art. 133 BV). Die wichtigsten Steuergesetze sind das Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (1990), das Mehrwertsteuergesetz (2001), das Bundesgesetz über die Stempelabgaben (1973) und das Bundesgesetz über die Verrechnungssteuer (1965) sowie verschiedene Verbrauchsteuergesetze. Hinzu kommen die Steuergesetze der Kantone und die Abgabensatzungen der Gemeinden.

Jede Ebene regelt, erhebt, verwaltet und kassiert ihre eigenen Steuern, verfügt im Rahmen ihrer Kompetenzen also über ein Höchstmaß an Finanzautonomie. Bei den direkten Steuern teilen sich die Kantone mit den Gemeinden nach bestimmten Prozentsätzen die Steuern auf Lohn- und Einkommen, Unternehmensgewinne, Vermögen und Kapital sowie auf Erbschaften, Schenkungen und Liegenschaften. Die indirekten Steuern, insbesondere das Aufkommen aus der Umsatzsteuer, stehen ausschließlich dem Bund zu und brachten 2004 17,6 Mrd. SFR ein (36,1 % aller Einnahmen des Bundes, aber nur 13,2 % der Gesamteinnahmen aller drei Ebenen). Insgesamt werden der Finanzautonomie der drei Ebenen nur durch die Verfassung Grenzen gesetzt. Alles andere ist Sache der Gesetzgebungsorgane, die auch über Staatsverträge (Konkordate) mit Regelungen zum Finanzausgleich und zu intergouvernementalen Transfers zu befinden haben. Daher verfügen die Kantone und Gemeinden über ein Höchstmaß an Steuer- und Abgabenautonomie, von dem sie in der Praxis vor allem bei direkten Steuern intensiv Gebrauch machen. Dies hat zur Folge, dass es zwischen den Kantonen zu erheblichen Differenzen in der Steuerbelastung kommt. So lag beispielsweise 2004 bei den Steuern auf Einkommen und Vermögen der Kanton Obwalden mit 158,3 % des Durchschnitts an der Spitze, der Kanton Zug mit nur 49,2 % am unteren Ende der Skala. Sogar die Kraftfahrzeugsteuer variiert von Kanton zu Kanton. Ein erheblicher Steuerwettbewerb ist sogar erwünscht, weil sich herausgestellt hat, dass er keineswegs zu Steuerdumping führt, sondern damit natürliche Standortvor- oder -nachteile ausgeglichen werden können. Auch die Behauptung, reiche Kantone könnten sich niedrige Steuern leisten, während arme Kantone hohe erheben müssten, um sich die erforderlichen Einnahmen zu beschaffen, wird widerlegt.

Die Besteuerungsunterschiede werden auch in der Schweiz durch ein System des Finanzausgleichs abgemildert, das erstmals im Haushaltsjahr 2008 wirksam werden soll. Die Neugestaltung des Finanzausgleichs (NFA) ist Teil einer Föderalismusreform, mit der folgende Ziele verfolgt werden: Sie soll die Wirksamkeit des Staates verbessern und die Effizienz staatlicher Leistungserbringung fördern, die Geldflüsse zwischen Bund und Kantonen transparent machen, die Unterschiede in der Finanzlage der Kantone abbauen, für eine klare Aufgabenverteilung zwischen Bund und Kantonen sorgen und die interkantonale Zusammenarbeit stärken. Anders als in Deutschland wurde bei dieser Reform die Neuverteilung von Aufgaben mit einer Revision der Finanzverfassung verbunden.

Der Finanzausgleich wird aus zwei Instrumenten bestehen: dem Ressourcen- und dem Lastenausgleich. Der Ressourcenausgleich wird aus Mitteln des Bundes und der fünf ressourcenstarken Kantone auf der Basis eines neuen Ressourcenindex (RIX) finanziert, setzt sich also aus einer vertikalen und einer horizontalen Komponente zusammen. Die Einzahlungen der Geber-Kantone in den horizontalen Ausgleich erfolgen proportional zu ihren Ressourcen; die Auszahlungen und die Verteilung der Bundesmittel an die Nehmer-Kantone sind progressiv gestaltet. Ziel des Ressourcenausgleichs ist es, alle Kantone auf ein Niveau von mindestens 85 % der kantonalen Durchschnittsressourcen zu bringen. Ergänzt wird dieser Ressourcenausgleich durch einen Lastenausgleich, der Sonderlasten einzelner Kantone kompensiert, die ihnen aufgrund ihrer geographischen Lage oder Bevölkerungsstruktur entstehen. Die Finanzverfassung ist durch Vielfalt, Selbstbestimmung und Wettbewerb zwischen allen Ebenen gekennzeichnet, wobei die Finanzautonomie der Kantone im Vordergrund steht.

Dieses Maß an finanzieller Autonomie, vor allem bei der Festsetzung und Erhebung von Steuern, muss auch im Lichte der Verfahren und Mechanismen direkter Demokratie gesehen werden. In der Schweiz sind die Bürgerinnen und Bürger schon deshalb an einer wirtschaftlichen Mittelverwendung interessiert, weil sie in vielen Kantonen und Städten darüber (mit-)entscheiden, wie hoch ihre Abgaben sind, mit denen die Haushalte finanziert werden. Allerdings zeigen die Bemühungen um eine Steuerharmonisierung vor allem auf administrativem Gebiet (z.B. im Wege interkantonaler Abkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung), dass man sich der Kosten dieser Finanzautonomie und des Steuerwettbewerbs durchaus bewusst ist.

Vereinigte Staaten von Amerika

Die USA sind seit 1787 ein Bundesstaat (federation), dem heute 50 Einzelstaaten (states) sowie der District of Columbia (mit der Hauptstadt Washington) angehören und der sich auf eine Fläche von 9,372 Mio. qm2 mit 292,2 Mio. Einwohnern erstreckt. Texas als größter Flächenstaat (696 Mio. km2) hat 20,8 Mio., Kalifornien als bevölkerungsreichster Staat (410 Mio. km2) sogar 35,8 Mio. Einwohner. Auf der anderen Seite des Spektrums steht Rhode Island als kleinster Einzelstaat mit nur 4 Mio. km2 und etwas über einer Million Einwohner. Das BIP erreichte 2004 beinahe 12 000 Mrd. US$. Damit sind die USA die größte Volkswirtschaft der Welt. Das Pro-Kopf-Einkommen liegt weltweit an vierter Stelle (nach Norwegen, Luxemburg und der Schweiz) und belief sich 2004 auf fast 40 000 US$.

Die Verfassung von 1787 sah zunächst in Art. I, Sect. 8 vor, dass der Kongress nur für Zwecke der Schuldentilgung, der gemeinsamen Landesverteidigung und der allgemeinen Wohlfahrt befugt sein sollte, Steuern, Abgaben und Gebühren zu erheben. Erst das XVI. Amendment von 1913 verschaffte dem Kongress die Kompetenz zur Erhebung von Einkommensteuern aus Quellen jeder Art. Daraufhin wurde das erste Einkommensteuergesetz des Bundes verabschiedet, das Jahreseinkünfte über 3000 US$ mit nur 1 % und über 500 000 US$ mit weiteren 6 % besteuerte. Das heutige Steuersystem des Bundes beruht auf dem Internal Revenue Code (IRC) von 1986, der seitdem fast jährlich geändert und auch zu außersteuerlichen Zwecken (Wirtschaftslenkung, Sozialpolitik) benutzt wurde. Alle übrigen Steuergesetze sind Gesetze der Staaten, die sich in Steuerquellen, Steuersätzen, Tarifen und Bemessungsgrundlagen stark voneinander unterscheiden.

Die Einnahmen des Bundes lagen 2003 bei 1859,7 Mrd. US$ (55,6 % der staatlichen Gesamteinnahmen). Sie setzten sich aus Steuern und Abgaben auf alle persönlichen Einkünfte und Unternehmensgewinne sowie für Sozialleistungen und auf den Verkauf von Tabak, Alkohol und Mineralöl sowie auf hochwertigen Grundbesitz, Schenkungenund Lizenzen zusammen. Hingegen sind die Einnahmen der Staaten aus eigenen Steuern und Abgaben in Höhe von 767,7 Mrd. US$ (23 % der staatlichen Gesamteinnahmen) ebenso vielfältig wie unübersichtlich. Im Vordergrund stehen Grund- und Umsatzsteuern, die den Staaten fast ausschließlich zustehen, sowie ebenfalls Einkommensteuern, die von den entsprechenden Bundessteuern abgezogen werden können, schließlich Kraftfahrzeugsteuern und dieselben Verbrauchsteuern wie beim Bund. Die Vergleichbarkeit dieser Einnahmen wird dadurch erschwert, dass sie nicht bei allen Staaten in ähnlicher Form anfallen.

Die Finanzautonomie der Staaten und Kommunen findet ihre Schranken in der Bundesverfassung, den subnationalen Verfassungen, den Gesetzen der Einzelstaaten und in kommunalen Statuten. Bundesorgane haben darauf keinen Einfluss, wenn man einmal von der Aufzählung der Steuerarten (und damit der möglichen Steuerquellen) im IRC absieht. Da ein Teil der Steuern und Abgaben, die ein Staat oder eine Gemeinde erhebt, von entsprechenden Bundessteuern abgezogen werden darf (tax deduction), kann man in den USA sogar von einem Wirksamkeitsvorrang der Finanzautonomie subnationaler Einheiten sprechen. Dieses klare Bild wird jedoch dadurch "getrübt", dass die Staaten ebenso wie die Kommunen auf intergouvernementale Transferleistungen angewiesen sind - erstere vom Bund, letztere vom Bund und ihrem jeweiligen Einzelstaat. Zu diesen Transfers gehören: Finanzhilfen (grants-in-aid), Anteile an Steuern der höheren Ebene (shared taxes), Zahlungen anstelle von Steuern bei steuerbefreiten Objekten (payments-in-lieu-of-taxes), zweckgebundene Kredite und Vorschüsse (contingent loans and advances), Rückerstattungen von Kosten durch andere Ebenen für die Erfüllung von deren Aufgaben (reimbursements) sowie alle übrigen Zuschüsse anderer Ebenen zur Voll- oder Teilfinanzierung von Vorhaben der Empfängerebene (categorial grants). Seit einiger Zeit ist man dazu übergegangen, solche Finanzhilfen auch als weniger strikt gebundene Zuschüsse für einen weiten Verwendungskreis (z.B. für Familien, für Bildung und Erziehung) nach festen Sätzen (block grants) zur Verfügung zu stellen.

Trotz dieser vertikalen Transferzahlungen kennen die USA keinerlei Mechanismen und Instrumente eines Finanzausgleichs, dessen spezielle Funktion - wie in Deutschland - darin besteht, die Lebensverhältnisse in den Gliedstaaten aneinander anzugleichen. Obwohl die Disparitäten in der Steuerkraft unter den Gliedstaaten beträchtlich sind (sie schwankten 1994 zwischen Nevada mit 141 % und Mississippi mit 71 % des Durchschnitts), gehören die USA zu einer Minderheit unter den Bundesstaaten, die wirtschaftliche und soziale Unterschiede in einem Gemeinwesen eher für nützlich und anregend als für schädlich halten. Die USA setzen auf Beweglichkeit, Mobilität und interne Migration. Etwas verkürzt wird das System des amerikanischen Bundesstaates deshalb auch als bus-ticket federalism bezeichnet.

Auf den ersten Blick scheint die Finanzverfassung Bund, Staaten und Kommunen geradezu ein Höchstmaß an Finanzautonomie zu bieten, zumal sie kein auf Nivellierung abzielendes Finanzausgleichssystem vorsieht. Diese Einschätzung bedarf jedoch der Korrektur. Zu den wirksamsten, die finanziellen Gestaltungsmöglichkeiten unterer Ebenen besonders stark beeinträchtigenden Instrumenten des Bundes gegenüber Staaten und Kommunen und der Staaten gegenüber ihren Kommunen gehören die zweckgebundenen Finanzhilfen (categorial grants) mit der Verpflichtung, sie als Teile obligatorischer Bundes- oder Staatenprogramme auch dann anzunehmen und sachgerecht zu verwenden, wenn dadurch Aufgaben mitfinanziert werden, die zum Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich der jeweiligen Ebene gehören. Traditionell erzeugt die föderative Aufgabentrennung und Kompetenzverteilung keine Sperrwirkung gegenüber Fremdfinanzierungen der übergeordneten Ebenen. Die USA sind daher ein Musterbeispiel für fiskalische Verflechtungen. Gegen diese Art monetärer Fremdbestimmung haben sich die Staaten und Kommunen immer wieder - wenn auch vergebens - zu wehren versucht.

Vergleich mit Deutschland

In keinem der betrachteten Länder kann von einer umfassenden Finanzautonomie der föderalen Glieder die Rede sein. Andererseits sind aber zumindest Teile oder Komponenten rechtlich abgesicherter Einflussmöglichkeiten der subnationalen Ebene auf die Gestaltung und Verwendung ihrer Einnahmen in jedem dieser Staaten nachweisbar. Um die vergleichende Analyse zu erleichtern, soll als Gradmesser ein grobes Raster von Kriterien zugrunde gelegt werden, nach denen das jeweilige "Autonomieniveau" besser eingeschätzt werden kann. Dabei ist zwischen sechs Dimensionen von Finanzautonomie zu unterscheiden: Regelungs-, Ertrags-, Verwaltungs-, Verfügungs- und Verteilungsautonomie.

Als Regelungsautonomie wird die Fähigkeit bezeichnet, die rechtlichen Grundlagen der Besteuerung unabhängig von anderen Gliederungsebenen nach eigenen finanzpolitischen Vorstellungen zu gestalten. Dazu gehört grundsätzlich ein Vollbesitz der Gesetzgebungskompetenzen über dem Ertrag nach "eigenen" Steuern oder Steueranteilen (z.B. an Gemeinschaftssteuern) und damit letztlich die im Prinzip freie Entscheidungsbefugnis über die eigenen Einnahmen. In Deutschland ist dies - bis auf wenige Ausnahmen (z.B. Zweitwohnungsteuer) - nicht der Fall. Den Bundesländern fehlt von Verfassungs wegen jene Regelungsautonomie, da das GG dem Bund ermöglicht, auf alle konkurrierenden Besteuerungsbefugnisse zuzugreifen. Das ist in Australien zwar mit dieser Rigidität nicht der Fall; aber auch dort liegt das Schwergewicht der Steuer- und Abgabengesetzgebung eindeutig beim Gesamtstaat. Ganz anders in der Schweiz und den USA: Hier sind die Kantone und die Staaten im Rahmen der Verfassung für alle Steuern, die ihnen ganz oder teilweise zustehen, selbst auch gesetzgebend verantwortlich, und zwar de jure unbegrenzt, so dass es dort zu einem Steuerwettbewerb mit entsprechendem Angleichungsdruck kommt. In Kanada bestehen Besteuerungsrechte des Bundes und der Provinzen in Bezug auf dieselben Steuern sogar relativ unverbunden nebeneinander, so dass - um die Bürger nicht zu überfordern - über die jeweiligen Steuersätze immer wieder neu verhandelt werden muss.

Unter Ertragsautonomie ist der Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum föderaler Gliedstaaten über die Verwendung von Steuern und Abgaben zu verstehen, den sie dadurch erhalten, dass sie entweder selbst und allein über die Höhe ihres Steueraufkommens befinden können (absolute Ertragsautonomie) oder ihnen die Verfassung, die Gesetze oder besondere Verträge eines Staates feste (nicht variable) Anteile am Ertrag einzelner Steuern zuweisen (relative Ertragsautonomie). In Deutschland sind die Länder insoweit nur relativ autonom: Das GG sichert ihnen zwar den Ertrag bestimmter Steuern (Ländersteuern) oder fester Anteile daran (die Hälfte der Einkommen- und Körperschaftsteuer); dessen Höhe wird jedoch einseitig vom Bund festgelegt, ebenso die Höhe der Umsatzsteuer, über deren Anteile Bund und Länder regelmäßig zu verhandeln haben. In Australien erhalten die Provinzen neben geringen eigenen Steuern im Wege der Rückerstattung den gesamten Ertrag aus der Umsatzsteuer, deren Höhe sie ebenfalls über Verhandlungen mit dem Bund zu beeinflussen vermögen. Über absolute Ertragsautonomie verfügen die Provinzen in Kanada, die Kantone in der Schweiz und die Staaten in den USA mit der Folge, dass dort ein entsprechender, wenngleich durch Harmonisierungsregelungen begrenzter Steuerwettbewerb existiert.

Mit Verwaltungsautonomie ist die Befugnis gemeint, Steuern und Abgaben durch eigene Behörden zu erheben, festzusetzen und einzutreiben. In Deutschland ist dies Sache der Länder, welche die Steuergesetze - wie fast alle Gesetze des Bundes unter seiner Kontrolle - im Wege landeseigener Verwaltung vollziehen. Gleiches gilt für Kanada, aber mit der Besonderheit, dass dort die Kontrolle durch Zentralinstanzen sehr viel schärfer und intensiver ausgeübt wird als hierzulande. Umgekehrt sind in Australien die Gliedstaaten überhaupt nicht an der Steuerverwaltung beteiligt; die wichtigsten Steuern und Abgaben werden durch Bundesbehörden eingezogen. Dagegen bestehen in der Schweiz und den USA Steuerverwaltungen des Bundes und der Gliedstaaten nebeneinander, und zwar mit getrennten Zuständigkeiten jeweils für die Bundes- oder Landessteuern. Von finanzieller Verwaltungsautonomie der Gliedstaaten im strengen Sinne kann man daher nur bei der Schweiz und den USA sprechen, vielleicht auch noch bei Kanada und mit gewissen Einschränkungen selbst bei Deutschland.

Verfügungsautonomie bezieht sich auf den Grad der Unabhängigkeit eines föderalen Gliedstaats von bedingten Finanzhilfen (conditional/categorial grants) des Gesamtstaates, genauer: auf den Spielraum, der jenem bei der Verfügung über seine Einnahmen verbleibt, wenn er einen Teil davon zur Mitfinanzierung von Programmen der Zentralregierung aufwenden muss. In diesem Sinne kann die Verfügungsautonomie sowohl quantitativ (durch Höhe und Umfang der Transfers) als auch qualitativ (durch Übergriffe mit Transfers in ausschließliche Zuständigkeiten des Gliedstaats) beeinträchtigt sein. In Deutschland ist die Verfügungsautonomie der Länder über ihre Steuern und Abgaben nicht unerheblich durch die Mitfinanzierung von Gemeinschaftsaufgaben (vgl. Art. 91 a und b GG), von Investitionshilfen des Bundes (vgl. Art. 104 a Abs. 4 GG) und von Teilen des Solidarpakts II (zur Entwicklung der ostdeutschen Länder) eingeschränkt. Das gilt in noch stärkerem Maße für die USA, wo fast alle Bundeszuschüsse an die Einzelstaaten einen bestimmten Zweck verfolgen, also an mehr oder weniger strikte Bedingungen geknüpft sind. Ähnliches gilt in abgeschwächter Form für Kanada. Auch in Australien spielen gesamtstaatliche Transfers eine erhebliche Rolle. Sie sind dort jedoch überwiegend als feststehende Steuererstattungen oder Ertragsanteile zur Aufstockung der allgemeinen Haushaltsmittel bestimmt und damit in erheblich geringerem Umfang konditioniert, so dass dort der Verfügungsspielraum weniger tangiert ist. Am weitesten reicht die Unabhängigkeit von bedingten Zuweisungen bei den Kantonen in der Schweiz.

Von Verteilungsautonomie kann gesprochen werden, wenn der finanzielle Handlungs- und Entscheidungsspielraum föderaler Gliedstaaten bei ihren Einnahmen und Ausgaben nicht oder nur unwesentlich durch Umverteilung von freien Haushaltsmitteln im Rahmen eines System des vertikalen und/oder horizontalen Finanzausgleichs in Mitleidenschaft gezogen wird. In Deutschland werden die Steuerkraftunterschiede zwischen den Ländern nach Art. 107 GG seit 2005 so weitgehend ausgeglichen, dass Länder mit einer Differenz zwischen ihren Einnahmen und einem Betrag von 99,5 % der durchschnittlichen Ländereinnahmen pro Einwohner (sog. Ausgleichsmesszahl) davon noch 77,5 % als Bundesergänzungszuweisungen erhalten - und somit ein generelles Ausgleichsniveau von bis zu 98 % erreichen. Dieser hohe Prozentsatz wird nur durch den vollständigen Einnahmenausgleich in Australien übertroffen, der allerdings ein geringeres Volumen hat und ausschließlich vertikaler Natur ist, d.h. allein aus Bundesmitteln erfolgt. Demgegenüber gleicht die Schweiz Steuerkraftunterschiede zwischen den Kantonen (unter Beteiligung der "reichen") zu 85 % und Kanada solche Differenzen zwischen ihren Provinzen (ohne deren Beteiligung) immerhin zu 95 % aus. Nur die USA verzichten auf jede Form eines Finanzausgleichs, der darauf abzielt, Unterschiede in den Lebensverhältnissen abzubauen. Sie vertrauen vielmehr darauf, dass ihre federal grants bedarfsgerecht alloziert sind.

Versucht man eine Rangfolge nach dem Grad der finanziellen Autonomien ihrer Glieder herzustellen, so scheinen sich - mit allem Vorbehalt gegenüber pauschalen Zuordnungen - drei deutlich voneinander unterscheidbare Gruppen herauszubilden: In die erste Gruppe mit einem hohen Grad von Autonomie der Glieder gehören die Schweiz und die USA, und zwar vor allem wegen des Vorhandenseins eigener Besteuerungskompetenzen, klarer Zuständigkeitstrennungen sowie des Fehlens nivellierender Ausgleichsmechanismen. Die zweite Gruppe eines mittleren Autonomiegrades bilden Kanada sowie - mit gewissem Abstand - Australien, die sich einerseits durch Zentralisierung der Besteuerungskompetenzen, andererseits aber auch durch Steuerrückerstattungssysteme nach festen Sätzen auszeichnen. In der dritten Gruppe mit einem nur geringen Potenzial an finanzieller Autonomie von Gliedstaaten findet sich zweifellos Deutschland, wo die Bundesländer kaum Einfluss auf ihre Einnahmen haben und ihre Haushalte nur durch Ausgabenkürzungen oder Kreditaufnahmen ausgleichen können. Gemessen an der föderalen Grundidee einer ausgewogenen Balance zwischen shared rule und self rule legt diese Eingruppierung eine Ausweitung der finanziellen Gestaltungsspielräume der Länder nahe. Der internationale Vergleich bietet für eine Fortführung der deutschen Bundesstaatsreform einige interessante "lessons to be learned".

Fussnoten

Fußnoten

  1. Dieser Beitrag beruht auf meiner Studie: Finanzautonomie von föderalen Gliedstaaten und Kommunen. Ein internationaler Vergleich (Forum Föderalismus 2006), Gütersloh u.a. 2006; dort auch ausführliche Quellenangaben sowie Ausführungen über Österreich und Russland.

  2. Bei diesen und den folgenden Länderangaben zum BIP handelt es sich um die nominalen Werte zu laufenden Preisen. Die Angaben entstammen der World Economic Outlook Database des IWF und beziehen sich auf das Jahr 2004.

Dr. jur., Dr. h.c., geb. 1937; Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Hannover, Direktor des Deutschen Instituts für Föderalismusforschung e.V., Rominteweg 3, 30559 Hannover.
E-Mail: E-Mail Link: kramer@iff.uni-hannover.de