Einleitung
Der Schlager "On the Sunny Side of the Street" erinnert daran: Städte sind Orte der Begegnung und der Abkapselung, der Integration und der Spaltung. Sonnen- und Schattenseiten liegen oft nur eine Straßenbreite voneinander entfernt. Dieser Sachverhalt tritt zusehends und länderübergreifend ins öffentliche Bewusstsein, wenn er auch oft einseitig - etwa als in der Existenz städtischer Ghettos sichtbar werdendes Scheitern der "Integration" ethnischer Minderheiten - thematisiert wird. Die Songwriter haben es sich relativ einfach gemacht: "Just direct your feet to the sunny side of the street", so lautet ihre lapidare Empfehlung - womit das Problem, in der humorlosen Sprache der Sozialwissenschaft ausgedrückt, individualisiert und privatisiert wird. Nüchtern betrachtet, scheint es keineswegs eine plausible Empfehlung zu sein, einfach die Seite zu wechseln. Individuelle Anpassungsstrategien an den Prozess des Verfalls von Stadtteilen sind eher Teil des Problems, nicht dessen Lösung. Wenn die dazu Fähigen die problematischen Stadtteile verlassen, bleiben die zurück, welche dazu nicht in der Lage sind. Die im Niedergang begriffene Umgebung verstärkt dann Benachteiligung, verbindet sich mit symbolischer Stigmatisierung und wird so zu einem sozialen Gefängnis für die Hängengebliebenen - und das zum Teil über Generationen hinweg.
Die Globalisierung von Informations- und Kapitalströmen hat offensichtlich nicht die Stadt als solche überflüssig gemacht - sie stellt diese aber als den Ort in Frage, an welchem Modernisierungsprozesse in ihren Folgen erkannt und in Richtung höherer Sozialverträglichkeit bearbeitet werden (etwa durch lokale Sozialpolitik und Stadtplanung). Die heutigen Probleme sind jedoch, das muss gegenüber einer einseitigen Bezichtigung unkontrollierter Marktkräfte festgehalten werden, auch Folgen von Problemlösungsversuchen der Vergangenheit und damit ein Ausdruck von "Staatsversagen": Typischerweise gehören heute nicht zuletzt solche Stadtgebiete zu den "benachteiligten" Vierteln, welche in den sechziger und siebziger Jahren als besonders zukunftsweisend - nämlich als funktional vorbildlicher und für breite Bevölkerungsschichten erschwinglicher "sozialer Wohnungsbau" - galten, heute aber als seelenlose Wohnmaschinen verworfen werden. Das zeigt die Kurzfristigkeit politischer und planerischer Ideologien, zu denen etwa auch die der "autogerechten Stadt" gehörte. Die Forderung nach "Nachhaltigkeit" nicht nur im Bereich der Ökologie gewinnt angesichts solcher Beispiele an Dringlichkeit. Offensichtlich lässt sich (lokale) Gesellschaft nicht in der Weise planen wie damals erhofft; auf die zentrifugalen Kräfte des Marktes muss anders - intelligenter und kreativer - reagiert werden. Da man neue Stadtviertel nur noch in Ausnahmefällen wird bauen können (und in der Regel nicht für die sozial Benachteiligten bauen wird), muss man sich den Menschen dort zuwenden, wo sie wohnen.
Soziales Kapital und Zivilgesellschaft als Hoffnungsträger
Vor dem beschriebenen Hintergrund wächst die Erkenntnis, dass bestehende Nachbarschaften im Ganzen, d.h. als komplexe Sozialsysteme, erneuert werden müssen. Dass dies nicht nur eine Erneuerung der baulichen Substanz bedeuten kann, sondern auch eine Änderung sozialer Praktiken beinhaltet, wird ebenfalls zunehmend deutlicher erkannt. Gemeinsames Handeln bedarf jedoch vielfältiger, miteinander verknüpfter Ressourcen, eines verlässlichen institutionellen Rahmens und Sinn stiftender Leitbilder. Bei derartigen Überlegungen gerät man unversehens in einen zirkulären Zusammenhang: Eine der entscheidenden Voraussetzungen gelingender Kooperation ist die Erfahrung erfolgreichen gemeinsamen Handelns. Wie kann dann aber Kooperation "von außen" ermöglicht werden?
Gerade solche zirkulären Zusammenhänge sind in den letzten Jahren stärker ins Blickfeld der Sozialwissenschaften gerückt und haben auch die öffentliche Diskussion über neue Formen des Regierens belebt. Sowohl in der Zivilgesellschaftsdiskussion als auch in der Sozialkapitaldebatte wird die wechselseitige Bedingtheit und Verstärkung von politisch-kulturellen Faktoren einerseits und demokratischen Institutionen andererseits herausgestellt und mit einem Bedeutungsgewinn der lokalen Politikebene verbunden.
Zivil- oder Bürgergesellschaft steht zunächst für eine Sphäre jenseits von staatlich organisierter Herrschaft und marktlich organisierter Ökonomie, d.h. für einen von Machtinteressen und ökonomischen Zwängen freigehaltenen Raum, der von bürgerschaftlichen Praktiken auf freiwilliger Basis gefüllt wird. Der Begriff "soziales Kapitel" signalisiert, dass Handlungsmöglichkeiten und gesellschaftliche Anerkennung nicht nur von Eigentum (ökonomisches Kapital) und Wissenskompetenzen (kulturelles Kapital), sondern auch von der Qualität sozialer Beziehungen abhängen. Er bezeichnet in der Regel die sozialen Netzwerke, das wechselseitige Vertrauen und die Anerkennung geteilter Normen, von denen Individuen, Gruppen oder ganze Gesellschaften profitieren. Das sind gewiss sehr weite und zudem kontrovers diskutierte Definitionen. Man kann versuchen, sie im Rahmen begrifflicher Bemühungen näher zu bestimmen, was hier aber nicht das Ziel ist. Stattdessen soll der Schwerpunkt darauf gelegt werden, den Konzepten der Zivilgesellschaft und des Sozialkapitals im Lichte des bereits genannten spezifischen urbanen Problemhorizonts, nämlich des Problems der Marginalisierung von Teilen der Stadtgesellschaft im sozialen Raum, klarere Konturen zu verschaffen. Einige konzeptionelle Überlegungen sollen dennoch vorangestellt werden, weil sie den Blick auf diese Probleme schärfen und die Kreativität bei der Suche nach möglichen Lösungsansätzen stimulieren können.
So lassen sich im Anschluss an die vorgestellten Begriffsbestimmungen einige wichtige Gemeinsamkeiten, aber auch Komplementaritäten zwischen dem Konzept der Zivilgesellschaft und dem des sozialen Kapitals benennen: Beides bezeichnet Qualitäten sozialen Zusammenlebens, die nicht einfach "machbar" bzw. "herstellbar" und dennoch von entscheidender Bedeutung für die Qualität demokratischer Politik und sozialer Integration sind. Das wird in Formulierungen deutlich wie der von den "entgegenkommenden Lebenswelten" als Voraussetzung einer zivilgesellschaftlichen Öffentlichkeit (Jürgen Habermas) und der vom sozialen Kapital als "Nebenprodukt" alltagsweltlicher Praktiken (Robert Putnam). Beide Perspektiven stehen zudem für soziale Praktiken, in denen Handelnde sich als wertvoll erfahren und in denen ihnen Anerkennung widerfährt. So wird, insbesondere von kommunitaristischen Theoretikern der Bürgergesellschaft, von der "Würde" (Charles Taylor) und der "Selbstachtung" (Michael Walzer) gesprochen, welche Bürgerinnen und Bürger zugleich demonstrieren und erfahren, wenn es ihnen gelingt, gemeinsam Ziele zu erreichen. Umgekehrt wird etwa vom unlängst verstorbenen französischen Soziologen Pierre Bourdieu auf die gegenteilige Erfahrung von "Entwürdigungen" u.a. in den deklassierten Stadtvierteln Europas hingewiesen, wo mangelhaftes Sozialkapital in symbolische Bedeutungslosigkeit mündet. Ohne Sozialkapital kann sich keine zivilgesellschaftliche Öffentlichkeit herausbilden, weil Engagementbereitschaft auf Vertrauen und soziale Netzwerke angewiesen ist; und umgekehrt bedarf es einer zivilgesellschaftlichen Öffnung sozialen Kapitals in Form einer demokratischen Öffentlichkeit und identitätsstiftender Institutionen, damit soziales Kapital "überbrückenden" Charakter annimmt, d.h. zu sozialer Integration und breiter gestreuten Anerkennungsmöglichkeiten im Lichte geteilter Werte führt.
Städtischer Raum und die Dynamik sozialer Exklusion
Soziale Exklusion, also die Entwertung des Status als vollberechtigtes und teilhabefähiges Gesellschaftsmitglied, kann mit vielerlei Ursachen und Diskriminierungspraktiken (etwa ökonomischer, geschlechtsspezifischer und ethnischer Natur) zusammenhängen. Immer aber spielen drei Faktoren eine entscheidende Rolle: (1) politische Organisationsdefizite der Betroffenen, (2) staatliche Steuerungsdefizite im Hinblick auf die Ursachen von Exklusion und (3) das Zusammenspiel von den verschiedenen persönlichen oder kollektiven Merkmalen der Exkludierten und der Dynamik marktvermittelter Ungleichheit. Wie einleitend erwähnt, spielt sich in der sozialräumlichen Strukturierung von Städten heute eine Art potenzierter Exklusionsprozess ab, welcher die europäische Stadt als Integrationsmodell bedroht. Damit wird zunächst darauf verwiesen, dass sich im Zuge eines liberalisierten Wohnungsmarktes und zunehmender Einkommensungleichheiten sozioökonomische Ungleichheiten in zunehmender räumlicher Segregation sozialer Gruppen und Schichten niederschlagen, häufig korrelierend mit bestimmten ethnischen Zugehörigkeitsmerkmalen.
In früheren Zeiten waren Strukturen sozialräumlicher Segregation oft mit einer engmaschigen lebensweltlichen Vernetzung durch spezifische Milieus (Arbeiter, Kirche) verbunden, so dass die sozialräumliche Trennung mit einem soziokulturellen Rückhalt korrespondierte. Außerdem waren diese Milieus häufig mit schlagkräftigen und zugleich gesellschaftlich anerkannten Formen politischer Organisation verknüpft, so dass Konfliktfähigkeit gewährleistet war, über die auch Selbstachtung aufgebaut werden konnte. Unter heutigen Bedingungen ist dies nur noch bedingt der Fall, wie insgesamt die Bildung sozialen Kapitals einem Individualisierungseffekt zu unterliegen scheint. Diese Privatisierung der Sozialkapitalbildung resultiert aus dem Bindungsverlust gesellschaftlicher Institutionen (z. B. Parteien, Gewerkschaften und Kirchen). Sie trifft verschiedene gesellschaftliche Gruppen ungleich, weil einige von ihnen eher dazu in der Lage sind, Verluste im Bereich des organisierten und institutionalisierten Sozialkapitals durch kreative informelle Netzwerkbildung zu kompensieren.
Die etablierten Artikulationskanäle für die Interessen der Betroffenen - Parteien, Interessenorganisationen, Medien - funktionieren nur unzulänglich. Folge ist eine gewisse Unsichtbarkeit sozialer Exklusion in der organisierten Form politischer Öffentlichkeit - ein weiterer Verstärkereffekt, der vielleicht der fatalste von allen ist. Dessen Bedeutung wird erst vollends sichtbar, wenn man, wie etwa die amerikanische Theoretikerin Iris Marion Young, soziale Räume im Lichte zivilgesellschaftlicher Demokratiekonzepte betrachtet und dabei auf deren besondere Bedeutung für die Chancen politischer Kommunikation achtet.
Mangelnde Sichtbarkeit bedeutet nicht, dass der betreffende Stadtteil im öffentlichen Bewusstsein nicht als "problematisch" wahrgenommen würde - das Gegenteil ist der Fall, was ja am Phänomen der Stigmatisierung deutlich wird. Sichtbarkeit verweist vielmehr auf einen gemeinsamen Raum, in welchem Erfahrungen und Leistungen darstellbar, kritisierbar und anerkennungswürdig werden können. Raum als Interaktionsraum wird damit zu einem entscheidenden Faktor bei der öffentlichen Erörterung von Gerechtigkeit und der mit ihr verbundenen Rechte und Pflichten. Wie Young feststellt: "Der Raum selbst ist bedeutsam. Nur wenige Demokratietheorien haben jedoch die normativen Implikationen räumlicher Sozialbeziehungen thematisiert."
Hieraus wird auch die besondere Problematik der gated communities ersichtlich, jener Selbst-Exklusion der Reichen, die in Nordamerika inzwischen gang und gäbe, in Europa bislang nur rudimentär verbreitet ist. In verschanzten Privatsiedlungen versucht man, der auseinander driftenden Stadt zu entfliehen.
Man entzieht sich der Stadt als einer lokalen Gesellschaft, die aus Gruppen unterschiedlichster Art besteht und gemäß demokratischen Ansprüchen ihre Grundlagen öffentlich berät, aber auch in Konflikten neu bestimmt, und man entzieht sich der Konfrontation mit den Verlierern der Modernisierung und ihren peinlichen Fragen. Doch auch in Bezug auf hiesige Gefilde wurde von einem "schwindenden Zauber der europäischen Stadt" gesprochen, und zwar im Zuge einer Aneignung und Umstrukturierung städtischer Räume durch eine globale informationsgesellschaftliche Elite, die ihren mobilitätssüchtigen Lebensstil durch eine von lokalen Traditionen losgelöste Stadtarchitektur erträglicher macht.
Es wäre jedoch verfehlt, sozialräumlich manifeste Formen von Ungleichheit ausschließlich als Krisenphänomen zu begreifen und nicht auch als Chance.
Perspektiven städtischer Politik
Wenn man nach den Konsequenzen aus alledem für die Stadtpolitik fragt, so muss zunächst darauf aufmerksam gemacht werden, dass auch Sozialkapital und Zivilgesellschaft als Leitkonzepte einige Gefahren bergen, wenn man sie undifferenziert als Generalschlüssel für die Lösung sozialer Probleme verwendet. So sind die verschiedenen Arten des Kapitals - ökonomisches, kulturelles und soziales - zwar wechselseitig voneinander abhängig, aber damit nicht beliebig gegenseitig ersetzbar. Deshalb ist es ebenso unsinnig, Geld und Wissen zusammenzutragen und in öffentliche Programme zu investieren, ohne auf Form und Bestand vorhandenen Sozialkapitals zu achten, wie die Förderung von Sozialkapital schlechthin an die Stelle von Geld- oder Wissenstransfer zu setzen. Wenn zudem soziales Kapital oft als Nebenprodukt von Tätigkeiten produziert wird, deren Zweck vielleicht nicht unmittelbar auf die Lösung konkreter gesellschaftlicher Probleme und die Erfüllung öffentlicher Aufgaben gerichtet ist, dann hat bürgerschaftliches Engagement, welches zu stark auf bestimmte Zwecke ausgerichtet ist, einen prekären Charakter, weil es zweckspezifische Enttäuschungen nur schwer überdauert. Die Einbindung in kulturelle Gemeinschaften ist deshalb besonders wichtig, weil diese eine Vielzahl von Zwecken verfolgen und mit einer weiter gefassten geteilten Lebensweise verbinden, in der Anerkennungserfahrungen vermittelt und Solidarität praktiziert werden.
Vor diesem Hintergrund seien einige Reformperspektiven, aber auch -hindernisse lokaler Politik genannt:
1. Sozialkapitalorientierte öffentliche Leistungserbringung und kommunale Leitbilder. Hierbei ist entscheidend, wie die Beziehungen zwischen öffentlicher Hand, Wohlfahrtsorganisationen und Selbsthilfegruppen strukturiert sind.
In diesem Sinne hat z.B. die langjährigeHeidelberger Oberbürgermeisterin Beate Weber, die durch Initiativen der partizipatorischen Verwaltungsmodernisierung überregionale Bekanntheit erlangt hat, auf die Grenzen von "Kategorien wie Gewinnorientierung und (oft kurzfristigem) betriebswirtschaftlichem Denken" hingewiesen, mit denen beispielsweise "Aufgaben der präventiven Jugendpolitik in sozialen Brennpunkten nicht zu bewältigen" seien.
2. Egalitär-partizipatorische Stadtplanung und sozialkapitalorientierte Quartierspolitik.
3. Steht dem nicht das Streben nach Wettbewerbsfähigkeit in einem für lokale Demokratie unempfänglichem weltwirtschaftlichen Zusammenhang entgegen? Die wichtigste Aufgabe sozialer Bewegungen und Institutionen als städtische Zivilgesellschaft liegt hier darin, den Glauben an die Alternativlosigkeit bestimmter lokaler Anpassungsstrategien im Angesicht verschärften Wettbewerbsdrucks zurückzuweisen. Ökonomische Herausforderungen lassen sich gewiss nicht straflos ignorieren, sie müssen aber nicht mit ökonomistischem Denken beantwortet werden. Ökonomismus ist ein Denken der Notwendigkeit, welches die Potenziale freien Handelns zu ersticken droht. Politiker bedienen sich seiner gerne, um die Unausweichlichkeit bestimmter Maßnahmen zu begründen, ökonomische Akteure versuchen auf diese Weise, Partial- als Gemeininteressen darzustellen. Gerade in Zeiten der Bedeutungsabnahme nationaler Strukturpolitik sind Unternehmen jedoch daran interessiert, auf die lokale, insbesondere die regionale Organisation von Produktionsbedingungen einzuwirken. Außerdem diversifizieren sich die Interessen auf der Kapitalseite, wodurch sich unterschiedliche Möglichkeiten der Etablierung von Netzwerken und Koalitionen bieten. Eine deterministische Sicht der Transformation städtischer Räume im Zeitalter globaler "Ströme" bekommt diese mikropolitische Dimension nicht in den Blick.
4. Das führt zu der abschließenden Frage, welche institutionellen Designs demokratischer Partizipation geeignet sind, Reflexivität und authentische Teilhabe zu befördern, statt zu symbolischer Politik und Verstärkung ohnehin einflussreicher Positionen zu degenerieren. Nicht jede Form von Beteiligung führt zu einer qualifizierten Diskussion örtlicher Probleme, was wesentlich für eine zivilgesellschaftliche Anreicherung lokaler Politik wäre. Exemplarisch lässt sich dies an der Diskussion um den "Bürgerhaushalt" verdeutlichen, die etwa vom nordrhein-westfälischen Innenministerium und von wichtigen Meinungsführern wie der Bertelsmann Stiftung vorangetrieben wird. So hat beispielsweise die Stadt Hamm - immerhin eine "Modellstadt" der Bertelsmann-Aktion - eine Umfrage zum Bürgerhaushalt durchgeführt, mit dem Ergebnis, dass im Haushalt 2003/04 die Anlage eines Radweges beschlossen wurde, weil das Thema bei der Befragung angeblich den höchsten Rang zugesprochen bekommen hatte. Aus Gründen der Haushaltsknappheit habe man sich auf dieses Top-Anliegen beschränken müssen.
Tatsächlich jedoch hatten die Bürger in der Umfrage zwar den "Straßenbau" an die erste, die "Radwege" jedoch erst an die vierte Stelle gesetzt. Damit soll nicht angeraten werden, nun massiv in den Straßenbau zu investieren, um den "Bürgerwillen" zu befriedigen. Es geht vielmehr darum, dass Umfragen als Instrument der Bürgerbeteiligung nicht zu einer Erhöhung des Problemverständnisses in der Bevölkerung beitragen, weil sie nicht den Austausch von Problemperspektiven und Argumenten befördern. Als Alternative ließe sich das Konzept des "Raumhaushaltes" nennen, welches Bestandteil einer weiter gehenden Dezentralisierungsinitiative hin zur "raumorientierten Verwaltung" ist.
Das Grundproblem einer nachhaltigen Institutionenpolitik dürfte gut mit der These der "asymmetrischen Aufmerksamkeit" adressiert sein,