Einleitung
Der Unterschied ist augenfällig: Die Regierungen in Berlin und in Warschau nennen die deutsch-polnischen Beziehungen ausgezeichnet, Publizisten beiderseits der Oder aber schreiben von Vertrauensverlust und Missverständnissen. Beide Einschätzungen sind zutreffend: Es gibt keine großen politischen Probleme zwischen Berlin und Warschau, die Zusammenarbeit der Behörden funktioniert. Doch die Rückkehr des Themas Vertreibung in den Geschichtsdiskurs der Bundesrepublik hat in Polen heftige Emotionen hervorgerufen. Janusz Reiter, in den neunziger Jahren polnischer Botschafter in Bonn, beschreibt das Klima mit dem Satz: "Die Deutschen verstehen die Polen nicht mehr, und die Polen vertrauen den Deutschen nicht mehr."
Die Spannungen erstreckten sich auch auf die aktuelle Politik. Im Irak-Konflikt unterstützte die Regierung in Warschau das Weiße Haus, während Berlin sich gemeinsam mit Paris und Moskau von den USA distanzierte - die EU war gespalten. Gerade die Annäherung zwischen Berlin und Moskau brachte Kommentatoren der rechtsorientierten Presse in Polen dazu, an den Ribbentrop-Molotow-Pakt zu erinnern, der den Beginn des Zweiten Weltkrieg mit dem deutschen Angriff auf Polen erst ermöglicht hatte.
Zur selben Zeit entbrannte in Polen eine heftige Debatte über den EU-Beitritt. Die konservative Opposition vertrat die Meinung, namentlich die Deutschen wollten den Polen nur eine Nebenrolle in der EU zuerkennen, da sie vor allem an billigen Arbeitskräften interessiert seien. Die nationalistische Presse schlug wiederum den Bogen zum Zweiten Weltkrieg: Über die EU wollten die Deutschen das "Lebensraumprojekt" der Nationalsozialisten verwirklichen, Osteuropa solle unter deutscher Kontrolle stehen. In den politischen Debatten fand eine "tektonische Verschiebung nach rechts" statt, wie es der Deutschland-Experte von "Polityka", Adam Krzeminski, nannte.
Dies war das politische Klima, als die Korrespondenten der Warschauer Presse begannen, über zwei Initiativen zu berichten, die in engem Zusammenhang gesehen wurden: die Pläne, in Berlin ein Zentrum zur Dokumentation von Vertreibungen zu errichten, und die Gründung der Rechtsberatungsfirma "Preußische Treuhand", über die deutsche Heimatvertriebene versuchen, ihren verlorenen Immobilienbesitz wiederzuerlangen.
Das Zentrum gegen Vertreibungen
Zunächst wurde in Polen der Gründung der Stiftung "Zentrum gegen Vertreibungen", die laut Satzung der Völkerverständigung dienen will,
Die Initiatoren hatten sehr genau beobachtet, dass in Polen Mitte der neunziger Jahre eine intensive Debatte über die Vertreibung der Deutschen stattgefunden hatte. Vor allem die liberale "Gazeta Wyborcza" und der "Tygodnik Powszechny", das Sprachrohr der reformorientierten Katholiken, widmeten dem Thema zahlreiche Beiträge.
Auch an der Amtskirche war die Vertreibungsdebatte weitgehend vorbeigegangen. Im Mai 2000 verlas Kardinal Józef Glemp, der Primas, ein Schuldbekenntnis der katholischen Kirche. Es enthielt eine Bitte um Vergebung für "Geringschätzigkeit gegenüber Personen anderer Bekenntnisse und die Tolerierung von Erscheinungen des Antisemitismus".
Ebenfalls im Jahr 2000 setzte die bislang heftigste Geschichtsdebatte der jungen polnischen Demokratie ein. Es ging um nichts Geringeres als eine mögliche Beteiligung von Polen am Holocaust. Die Debatte hatten Berichte über den Judenpogrom von Jedwabne im Juli 1941 ausgelöst. In dem ostpolnischen Städtchen hatte eine Gruppe Einheimischer, denen ein SS-Kommando Straffreiheit und Beute versprochen hatte, einen Großteil der jüdischen Nachbarn ermordet. In Polen wurde vermerkt, dass die deutsche Presse dabei größtenteils die Rolle des SS-Kommandos marginalisierte und gleichzeitig unterstrich, dass Polen beim Holocaust Mittäter gewesen seien. Dies wurde als Versuch begriffen, den Deutschen einen Teil ihrer Schuld zu nehmen.
Dass man in der Bundesrepublik nicht nur die deutsche Schuld verkleinern, sondern die Deutschen vor allem als Opfer des Krieges darstellen möchte, gilt in der polnischen Rechten als verbürgt. Unter diesem Blickwinkel nahm man Bücher über die Bombardierung deutscher Städte, die Massenvergewaltigungen deutscher Frauen durch Rotarmisten und Dokumentationen über Flucht und Vertreibung zur Kenntnis.
Auch das Projekt, ein Zentrum zur Dokumentation von Vertreibungen zu errichten, wird als Teil dieses groß angelegten Versuches angesehen, "die Geschichte umzuschreiben" - nach der Jedwabne-Debatte habe man nicht hinnehmen können, dass Polen ein weiteres Mal von Deutschen als Täter oder Mittäter hingestellt werden, befand Krzeminski.
Im Frühjahr 2002 forderte der SPD-Bundestagsabgeordnete Markus Meckel gemeinsam mit Krzeminski und Adam Michnik, dem Chefredakteur der "Gazeta Wyborcza", ein Zentrum zur Dokumentation von Vertreibungen nicht in Berlin, sondern in Breslau (Wroclaw) einzurichten. Dieser Vorschlag wurde zwar im liberalen und linksorientierten Milieu der Bundesrepublik begrüßt, fand aber keine politische Unterstützung in Warschau - im Gegenteil: Der Senatspräsident Longin Pastusiak, der zwei Jahrzehnte zuvor unter dem Kriegsrecht einer der Parteipropagandisten gewesen war, griff Meckel heftig dafür an, den Polen ein derartiges Zentrum zumuten zu wollen.
Noch schärfer urteilte Marek Edelman, der letzte überlebende Kommandeur des Aufstandes im Warschauer Ghetto von 1943: "Den Deutschen gebührt keine Barmherzigkeit, sondern Reue. Und das für viele Generationen, sonst kehren ihre Großmannssucht und ihr Hochmut zurück."
Angesichts der scharfen Töne aus Warschau beschlossen Bundeskanzler Gerhard Schröder und Außenminister Joschka Fischer, in die Debatte einzugreifen. Schröder erklärte, mit dem Berliner Zentrumsprojekt entstehe die Gefahr, "das Unrecht, das Deutschen widerfahren ist, in den Vordergrund zu stellen"
Mit ihren Festlegungen machten der Kanzler und der Vizekanzler das Zentrum nicht nur zum Streitpunkt der Innenpolitik, sondern gaben auch das Signal für polnische Politiker, sich in die Debatte einzuschalten. Den Anfang machte Senatsmarschall Longin Pastusiak: "Das Zentrum schadet der Versöhnung." Er bestritt, dass es überhaupt eine Vertreibung gegeben habe, vielmehr müsse von "Bevölkerungstransfer unter Kontrolle der Alliierten" geredet werden.
Erika Steinbach wurde zur Hassfigur polnischer Medien, sie wurde zur Hauptverantwortlichen für die Eintrübung der deutsch-polnischen Beziehungen gemacht. Ihr wurde unterstellt, einem Neo-Nationalsozialismus das Feld bereiten zu wollen. Das Magazin "Wprost" bildete sie auf einem viel diskutierten Titelbild in SS-Uniform ab, auf Kanzler Schröder reitend. Darunter stand in schwarz-rot-gelben Lettern: "Das deutsche trojanische Pferd." Schröder wurde unterstellt, er meine es mit der Verständigung mit Polen nicht ernst, da die Bundesrepublik den BdV alljährlich mit Millionen alimentiere.
Weitgehend ignoriert wurde von der polnischen Presse, dass auch Vertreter der katholischen Kirche wie Kardinal Karl Lehmann oder jüdische Intellektuelle wie Ralph Giordano und Imre Kertesz die Berliner Stiftung unterstützen. Ein Interview, das Giordano bei einem Warschau-Besuch gab, blieb ohne Echo. Darin erklärte er, das Projekt der Stiftung habe durchaus europäischen Charakter, es unterscheide sich kaum von dem Konzept Meckels. Auch habe sich der BdV geändert, er beweise durchaus Empathie für die Opfer der deutschen Besatzung.
Im April 2004 einigten sich die Kulturminister der Bundesrepublik, Polens, Tschechiens, der Slowakei und Ungarns, ein "Europäisches Netzwerk" zur Dokumentation von "Zwangsmigrationen und Vertreibungen im 20. Jahrhundert" zu schaffen. Es sollte Institutionen in diesen fünf Ländern vernetzen. Kulturstaatsministerin Christina Weiss verhehlte nicht, dass es ein Gegengewicht zu dem Berliner Projekt darstellen solle. Bei den Verhandlungen in Warschau zeigte sich aber, dass die polnische Delegation den Plan verfolgte, ein Zentrum zum Gedenken an die Opfer aller totalitären Systeme einzurichten, in dem Vertreibungen nur eine untergeordnete Rolle spielen sollten. Die Vertreter der tschechischen Regierung schienen gar den Auftrag zu haben, das Projekt zu sabotieren.
Die Preußische Treuhand
Das Berliner Zentrumsprojekt betrachteten fast alle polnischen Medien als psychologischen Flankenschutz für deutsche Ansprüche auf die nach dem Krieg verlorenen Immobilien östlich von Oder und Neiße. Alle Bundesregierungen seit 1949 haben die Vertreibung und die Konfiskation des Eigentums der deutschen Einwohner als rechtswidrig bezeichnet, die Unterstellung dieser Gebiete unter polnische Verwaltung aber als Maßnahme der Siegermächte respektiert. Das Bundesverfassungsgericht stellte mehrmals fest, dass in Verträgen mit Warschau, die faktisch die polnische Hoheit über die Oder-Neiße-Gebiete nicht in Frage stellten, nicht auf Eigentumsansprüche der Vertriebenen verzichtet wurde.
Warschau berief sich dagegen stets auf das Schlussprotokoll der Potsdamer Konferenz, das alle Maßnahmen der Polen in den Oder-Neiße-Gebieten rechtfertige. Nach polnischer Auffassung wurde die Frage deutscher Restitutionsansprüche mit dem Zwei-plus-Vier-Abkommen von 1990 endgültig abgeschlossen. Allerdings haben beide Seiten in einem Briefwechsel zum Nachbarschaftsvertrag von 1991 festgestellt, dass Vermögensfragen von dem Vertrag nicht berührt seien. Der polnische Staat hatte das "aufgegebene Vermögen" der vertriebenen oder ausgesiedelten Deutschen zu Staatseigentum erklärt; die neuen Bewohner konnten die Immobilien pachten. Der Sejm beschloss 1997 im Hinblick auf mögliche deutsche Forderungen nach dem Beitritt Polens zur EU ein Gesetz, das die Umwandlung der Pachtverträge in Eigentumsverhältnisse erlaubte. In der Tat forderte der BdV, die Regelung der Eigentumsfragen zur Vorbedingung für den EU-Beitritt Polens zu machen, doch lehnte die Bundesregierung diese Forderung ab.
Am 14. Dezember 2000 gründeten Vertreter der Landsmannschaften Schlesien und Ostpreußen die Preußische Treuhand GmbH und KG a.A., die Vertriebene bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche auf konfisziertes Eigentum beraten oder vertreten soll. Zu denGründern gehörten der Vorsitzende der Landsmannschaft Schlesien, Rudi Pawelka, sowie andere BdV-Präsidiumsmitglieder. In einer Erklärung hieß es, falls es nicht zu "politisch vertretbaren Lösungen" komme, blieben nur der Rechtsweg bis zum Europäischen Gerichtshof und Sammelklagen in den USA. Diese Forderungen wurden in Polen unter Hinweis auf die Schuld, welche die Deutschen im Zweiten Weltkrieg auf sich geladen hätten, empört zurückgewiesen. Auch Kirchenführer machten sich diese Argumentation zu Eigen. So erklärte der Lubliner Erzbischof Józef Zycinski, die deutschen Vertriebenen müssten daran erinnert werden, dass die Ursache für ihr Leid der Nationalsozialismus sei. Zu den Forderungen der Treuhand sagte er: "Kain ist auch nicht auf den Gedanken gekommen, materielle Entschädigung für die Schäden zu verlangen, die er in der Folge des Todes Abels erlitten hat."
Aus einer Umfrage des Warschauer Meinungsforschungsinstituts Pentor geht hervor, dass die Furcht der Polen vor deutschen Forderungen umso größer ist, je weiter sie von den einst deutschen Gebieten entfernt leben. So teilten im Herbst 2003 derartige Befürchtungen fast zwei Drittel der Einwohner der Woiwodschaften Masowien mit der Hauptstadt Warschau und des Vorkarpatenlandes (Podkarpackie). In der zentralpolnischen Woiwodschaft Swietokrzyskie hatten sogar 77 Prozent der Einwohner Angst vor Forderungen der Deutschen. Ganz anders lagen die Dinge in den ehemaligen deutschen Ostgebieten: In der Woiwodschaft Pommern äußerten nur 37 Prozent der Befragten derartige Befürchtungen, in der Woiwodschaft Schlesien 32 Prozent.
Im November 2003 beschloss das BdV-Präsidium, die Preußische Treuhand nicht zu unterstützen. Im März 2004 missbilligten der Vorstand und der Beirat der Stiftung "Zentrum gegen Vertreibungen" deren Tätigkeit: "Die Integration von Verdrängtem und die Aufarbeitung von Leidenserfahrungen entfalten eine heilende Wirkung für die Betroffenen. Institutionalisierte Forderungen nach materieller Wiedergutmachung hingegen schüren Schuldzuweisungen und die Konkurrenz unter den Opfern."
Im Sommer 2004 forderten polnische Politiker aller Parteien, dass die Bundesrepublik die Entschädigungs- und Restitutionsforderungen der Vertriebenen regele. Premierminister Marek Belka sagte: "Es ist Zeit für eine Initiative der deutschen Regierung."
Pawelka stellte bei einem Besuch in Oberschlesien dar, dass die Preußische Treuhand auf keinen Fall polnischen Bürgern das Dach über dem Kopf nehmen möchte. Vielmehr müssten alle Mietverträge respektiert werden. Der auf der Liste der deutschen Minderheit gewählte Sejm-Abgeordnete Heinrich Kroll widersprach Pawelka in einem Punkt: "Die Ansprüche der nach dem Krieg Vertriebenen, welche die polnische Staatsangehörigkeit nicht angenommen hatten, sind ein abgeschlossenes Kapitel." Anders aber verhalte es sich mit den Spätaussiedlern, die ihr Eigentum zwangsweise aufgegeben hätten. Kroll wies darauf hin, dass es in den ehemaligen deutschen Ostgebieten mindestens 120 000 leer stehende Häuser gebe, teilweise seien ganze Dörfer verlassen und nicht wieder besiedelt worden.
Die liberale polnische Presse begrüßte die Erklärung von 70 Bundesbürgern, die auf jegliche Ansprüche und Entschädigungszahlungen für verlorenen Besitz im heutigen Polen und Tschechien verzichteten. Zu den Unterzeichnern der Erklärung, welche die Publizistin Helga Hirsch initiierte, gehören Peter Glotz, der Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, der Menschenrechtler Rupert Neudeck und der Journalist Klaus Bednarz.
Im November 2004 stellten der Völkerrechtler Jochen A. Frowein und der Warschauer Rechtsprofessor Jan Barcz das von beiden Regierungen in Auftrag gegebene "Gutachten zu Ansprüchen aus Deutschland gegen Polen im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg" vor.
Das Rechtsgutachten stieß auf ein geteiltes Echo. Die BdV-Vorsitzende Steinbach kam zu dem Schluss: "Alles in allem kann es weder überzeugen noch zum Rechtsfrieden beitragen."
Polnische Reparationsforderungen
Die Forderungen der Preußischen Treuhand wurden mit Gegenforderungen beantwortet: Es wurden Reparationen für die von den deutschen Besatzern zu verantwortenden Schäden verlangt. "Wprost" stellte lapidar fest: "Eine Billion Dollar schulden die Deutschen den Polen für den Zweiten Weltkrieg."
Ausführlich wird in der Expertise die Regelung der Reparationsfrage dargestellt: Auf der Konferenz von Jalta unterzeichneten Stalin, Roosevelt und Churchill eine gemeinsame Erklärung, in der die deutschen Reparationen auf 20 Milliarden Dollar festgelegt wurden. "Die Hälfte dieser Summe kommt der Sowjetunion zu", hieß es in dieser Erklärung. Auf der Potsdamer Konferenz wurde zusätzlich festgelegt, dass Polen 15 Prozent aller Industriegüter bekommen solle, die von der Sowjetunion als Reparationen abtransportiert würden. Am 23. August 1953 verzichtete die Volksrepublik Polen auf jegliche Entschädigungsansprüche, einen Tag, nachdem der Kreml eine ähnliche Erklärung abgegeben hatte. Der Text der Warschauer Erklärung lautet: "Mit Rücksicht darauf, dass Deutschland seinen Verpflichtungen zur Zahlung von Reparationen bereits in bedeutendem Maße nachgekommen ist und dass die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage Deutschlands im Interesse seiner friedlichen Entwicklung liegt, hat die Regierung der Volksrepublik Polen den Beschluss gefasst, mit Wirkung vom 1. Januar 1954 auf die Zahlung von Reparationen an Polen zu verzichten, um damit einen weiteren Beitrag zur Lösung der deutschen Frage im Geiste der Demokratie und des Friedens, in Übereinstimmung mit den Interessen des polnischen Volkes und aller friedlichen Völker zu leisten." Die polnische Rechte stellt allerdings heute die Rechtmäßigkeit des Verzichts auf Reparationen in Frage, da Polen 1953 kein souveräner Staat gewesen sei.
Die Expertise des Außenministeriums überzeugte die nationalistischen Gruppierungen also nicht. Auf ihre Initiative hin verabschiedete der Sejm am 10. September 2004 einstimmig bei nur einer Enthaltung eine Resolution, in der festgestellt wurde, "dass Polen bislang keine finanzielle Entschädigung und Kriegsreparationen für die enormen materiellen und immateriellen Zerstörungen, die die deutsche Aggression, Besatzung, der Völkermord und der Verlust der Unabhängigkeit Polens bewirkt haben, erhalten hat". Die Abgeordneten, von denen sich ein Viertel nicht an der Abstimmung beteiligt hatte, riefen die Regierung dazu auf, "in dieser Angelegenheit entsprechende Schritte gegenüber der Regierung der Bundesrepublik Deutschland zu unternehmen".
Die polnische Regierung erklärte, dass sie die rechtlich nicht bindende Sejm-Resolution ignorieren werde. Außenminister Wlodzimierz Cimoszewicz bezeichnete es als Fehler, die Frage der Reparationen auf die politische Tagesordnung gesetzt zu haben.
Im November 2004 legte eine Expertengruppe im Auftrag der Stadt Warschau eine Aufstellung der Schäden vor, die von den deutschen Besatzern während des Zweiten Weltkrieges zu verantworten seien. Die Summe wurde nach heutigen Immobilienwerten auf 45,3 Milliarden US-Dollar veranschlagt.
Die unterschiedliche Bewertung der Westverschiebung Polens stellt den Kern des Streites um Reparationen dar. Polen hatte seinen Osten an die Sowjetunion abtreten müssen, dafür wurden in Potsdam 1945 die Oder-Neiße-Gebiete unter polnische Verwaltung gestellt. Nach Warschauer Auffassung wurden sie somit polnisches Staatsgebiet. In der Bundesrepublik hat sich weitgehend die Auffassung durchgesetzt, dass die Abtretung der Gebiete, in denen vor dem Krieg mehr als zehn Millionen Deutsche gelebt haben, als eine Art Kriegsreparation zu sehen sei. Die Bundesregierung könne überdies nicht dafür verantwortlich gemacht werden, dass die Sowjetunion den dünn besiedelten Osten des Landes, in dem rund drei Millionen Polen weniger als ein Drittel der Bevölkerung ausgemacht hatten, annektiert habe. Aus polnischer Sicht aber stellt die Übernahme der deutschen Ostgebiete eine Entschädigung für den Verlust der polnischen Ostgebiete dar. Also ist nach Meinung der polnischen Konservativen die Frage der Entschädigung für die Kriegszerstörungen noch offen. Die Nationalisten sehen sich gar doppelt betrogen: Denn nach ihrer Auffassung hatte Polen einen historischen Anspruch auf Schlesien, Pommern und Ostpreußen. Die Deutschen hätten dort unrechtmäßig gesiedelt; also könne die "Wiedererlangung der urpolnischen Erde" auf keinen Fall als Reparation gewertet werden.
2005 ist ein "Superwahljahr" für Polen: Parlament und Präsident werden neu gewählt, außerdem wird über die EU-Verfassung abgestimmt. Skeptiker befürchten, dass populistische Politiker in engem Zusammenspiel mit der Boulevardpresse weiterhin antideutsche Emotionen schüren werden.