Heute begegnen wir Polizist/innen hauptsächlich in ihrer Funktion als Ordnungshüter/innen. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zog sich jedoch die Erwartung, dass Polizeiarbeit auch Erziehungsarbeit sein sollte, wie ein roter Faden durch die deutschen politischen Systeme. So betonte wenige Wochen nach der Verabschiedung der Weimarer Verfassung die "Preußische Schutzmanns-Zeitung" 1919, der Beruf des Polizisten umfasse "die vielen Eigenschaften, die auch das Erzieherische nicht entbehren".
Diese Auswahl zeigt, wie verschieden die Erziehungsvorstellungen waren. Die Vorbildfunktion der Polizei und ihre Verankerung im jeweiligen politischen System zählten ebenso dazu wie die tatsächliche Polizeiarbeit, die pädagogisch und manchmal disziplinierend wirken sollte. Natürlich wurden auch Informationen zur Verbrechens- und Gefahrenabwehr an die Bevölkerung vermittelt, wobei die Kategorien "Verbrechen", "Verbrecher" und "Gefahr" von 1918 bis in die 1950er Jahre sehr unterschiedlich definiert wurden. Daher erlaubt der Begriff "Erziehung" einen Zugriff auf die Erwartungen, Handlungsspielräume, Interpretationen und Interaktionen zwischen Polizei und Bevölkerung, die in Demokratien wie in Diktaturen von entscheidender Bedeutung waren, um politische Konzepte durchzusetzen. Besonders kristallisiert sich dies auf dem polizeilichen Wirkungsfeld der Verkehrskontrolle heraus, das im Folgenden jeweils als Beispiel betrachtet wird.
Weimarer Republik: Vom Schutzmann zum "Freund und Helfer"
Die Polizei der Weimarer Republik stand von Beginn an vor großen Herausforderungen. Die Revolution im November 1918 und die schwierigen Anfangsjahre der jungen Demokratie stellten den Glauben an die Fähigkeit der Polizei als Sicherheits- und Ordnungsorgan auf eine harte Probe. Das Kriegsende bedeutete, dass noch sehr viele Waffen im Umlauf waren, sodass nichtstaatliche Sicherheitsorganisationen zum Teil über mehr Waffen verfügten als die Polizei.
Die Polizei musste also glaubhaft versichern, dass sie die geeignete Organisation war, die bei Gefahr und Unsicherheit angesprochen werden sollte. Damit war die Erziehungsarbeit der Bevölkerung zunächst auch eine Kommunikationsaufgabe. Im Juni 1921 entstand die Beratungsstelle zum Schutz gegen Einbruch und Diebstahl bei der Berliner Polizei, und ab 1925 fanden sich entsprechende Stellen in den meisten deutschen Großstädten. Die Resonanz der polizeilichen Beratungsstellen hing deutlich vom (Un-)Sicherheitsgefühl der Bevölkerung ab, denn mit sinkender Kriminalitätsrate Mitte der 1920er Jahre nahm auch die Zahl der Ratsuchenden ab. Allerdings erweiterten die polizeilichen Beratungsstellen ihr Angebot und boten Informationen zur Betrugsverhütung sowie zur Vermeidung anderer Gefahren an.
Das Ziel der eigenen Arbeit formulierte die Fachzeitung "Die Polizei" im Mai 1929 unter dem Titel "Die Polizei als Erzieher des Volkes" im staatsbürgerlichen Sinne als Erziehung zu Bürgertugenden, durch die ein friedliches Miteinander gewährleistet werden sollte, und betonte, dass dies nicht durch abschreckende Maßnahmen, sondern durch Überzeugungsarbeit erreicht werden sollte.
Zunächst brauchte die Polizei der Weimarer Republik ein neues Image, das sie klar vom Bild des Schutzmanns aus der Kaiserzeit abgrenzen sollte. Im besten Fall hatten die Intellektuellen des Kaiserreichs über den sprichwörtlich gewordenen preußischen Schutzmann mit Pickelhaube gespottet.
Damit galt es in der Weimarer Republik aufzuräumen, um zu zeigen, dass die neue Polizei allen Bürger/innen verpflichtet war, ohne Klassen- oder Standesunterschiede zu machen – eine Vorstellung, die die Zeitung "Die Polizei" bereits 1919 als Handlungsanweisung formulierte: "Ein Polizeibeamter soll bekanntlich ein Freund, Helfer und Berater sein. Er soll das Vertrauen der Bevölkerung genießen und der Mann sein, an den man sich in der Not wendet. (…) Wenn er den richtigen Ton finden und sich das Vertrauen aller erhalten will, muss er alles Schroffe von sich abstreifen und in beinah väterlicher Weise auf die Leiden und Nöte seiner Volksgenossen eingehen."
Im Herbst 1926 wurde die Große Polizeiausstellung in Berlin eröffnet, die erste große Imagekampagne der Polizei der neuen demokratischen Republik. Geplant wurde die Ausstellung unter Federführung des Preußischen Innenministeriums mit dem hoch gesteckten Ziel, die Polizei in ihrer vielfältigen Tätigkeit der Öffentlichkeit näherzubringen. Die Ausstellungsmacher wollten eine bürgernahe, kompetente, freundliche und hilfsbereite Polizei zeigen. Knapp 500.000 Menschen besuchten die Ausstellung, deren umfangreiches Rahmenprogramm Polizeikonzerte, Detektivfilme, Vorführungen mit Motorrädern sowie Veranstaltungen mit Polizeihunden und Polizeipferden umfasste.
Ein Gebiet, auf dem die Polizei sich in diesem Sinne besonders bemühte, war der verkehrspolizeiliche Bereich. Dieses häufig als trivial angesehene Aufgabenfeld war für die Polizei der 1920er Jahre enorm herausfordernd, denn es verband Modernität, technologischen Fortschritt und Erziehung. Der rasch ansteigende Verkehr, die fehlende Einheitlichkeit von Straßenverkehrsregeln und das ungeschulte Verhalten der Bevölkerung machten die Regelung von Verkehrsfragen besonders dringlich.
Dies war nicht immer einfach, denn die Polizei merkte schnell, dass Bürger sich nicht nur falsch verhielten, weil sie es nicht besser wussten, sondern weil sie keine Lust hatten, Regeln zu befolgen. Der Chef der Dortmunder Schutzpolizei folgerte daraus, dass sich Erwachsene nur schwer an neue Umstände anpassen könnten, und verlangte eine Intensivierung der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen.
Die neue Rolle als Freund, Helfer und Erzieher wurde der Polizei jedoch nicht von allen abgenommen. Schlechte Erfahrungen mit der Polizei des Kaiserreichs saßen tief, und auch die Polizisten der Weimarer Republik gingen mitunter brutal gegen Demonstranten, besonders der politischen Linken, vor.
Nationalsozialismus: Polizei im Dienste der Erziehung zur "Volksgemeinschaft"
Der Nationalsozialismus brachte ab 1933 für die Polizei große Veränderungen mit Blick auf ihre Arbeit und organisatorische Entwicklung. Gleichschaltung, Zentralisierung und Militarisierung bedeuteten, dass die in der Weimarer Republik noch auf Länderebene organisierte Polizei zentral strukturiert war. Außerdem rückte sie näher an die SS: 1936 wurde Heinrich Himmler zum Reichsführer der SS und Chef der Deutschen Polizei in Personalunion ernannt.
Nicht nur die neu definierten Feinde des "Dritten Reichs" fielen in die Zuständigkeit der Polizei. Auch die sogenannten Volksgenossen sollten zur Mitarbeit an der repressiven Polizeiarbeit ermutigt werden oder diese wenigstens nicht behindern. Die Polizei hatte ihren Anteil daran, dies zu fördern und die Idee der klassenlosen "Volksgemeinschaft" zu propagieren. Polizisten wurden angehalten, sich volkstümlich auszudrücken und keine Klassenunterschiede zu machen.
Auch im Nationalsozialismus sollte die Polizei durch öffentlich wirksames Auftreten ihre Verbindung sowohl zum Staat als auch zur Bevölkerung veranschaulichen. An "Tagen der Deutschen Polizei", mit denen sich die Polizei in die jährlich stattfindenden Großinszenierungen im "Dritten Reich" einreihte, wurden bereits in der Weimarer Zeit erprobte Aktivitäten dargeboten: Polizeisportfeste, Filme, Vorführungen mit Hunden und Pferden, Kriminalitätsbekämpfungsvorschläge und Verkehrserziehungsmaßnahmen kennzeichneten diese Tage. Außerdem sammelte die Polizei dabei Spenden für die NS-Wohltätigkeitsorganisation Winterhilfswerk. Damit sollte Volksverbundenheit und ideologische Verankerung der Polizisten betont und zugleich klar kommuniziert werden, wen die Polizei als zur "Volksgemeinschaft" dazugehörig ansah und wen nicht:
Bei der Verkehrsüberwachung sahen sich Polizisten im Nationalsozialismus mit ähnlichen Problemen wie in der Weimarer Zeit konfrontiert. Allerdings verschärfte sich der Ton jetzt deutlich. Die NS-Propaganda interpretierte die "Verkehrsgemeinschaft" als ein Symbol der "Volksgemeinschaft", die durch das regelwidrige Verhalten Einzelner ge- und beschädigt werde.
Polizeiliche Maßnahmen brachten wie bereits in den 1920er Jahren keinen Rückgang der Unfallzahlen, und den Behörden riss langsam der Geduldsfaden. Im Juni 1938 verkündete Propagandaminister Joseph Goebbels in seiner Ansprache zum Auftakt der reichsweiten Aktionswoche "Augen auf im Straßenverkehr", dies sei das letzte Mal, dass Verkehrsregeln erklärt werden. Danach werde streng bestraft.
Mit dem Zweiten Weltkrieg und den damit verbundenen Einschränkungen des zivilen Verkehrs verschwand mit der Verkehrsüberwachung ein wichtiges polizeiliches Thema nahezu völlig von der Bildfläche. Die ersten Verkehrserziehungsaktivitäten fanden allerdings bereits 1945 und 1946 statt – nun ging es nicht mehr um die "Volksgemeinschaft", sondern um "Straßenfrieden" und "Verkehrsdisziplin".
Neuanfänge nach 1945? Polizei und Bevölkerung in Ost- und Westdeutschland
Die unmittelbaren Nachkriegsjahre stellten die Polizeikräfte in allen Teilen Deutschlands vor gravierende Probleme. Dies lag an der bedenklichen sicherheitspolitischen Lage, die in Verbindung mit der schlechten Lebensmittelversorgung, dem Mangel an Heizmaterial und Wohnraum eine Situation erzeugte, in der polizeiliche Regeldurchsetzungsversuche ins Leere liefen. Die Bekämpfung des Schmuggels und des Schwarzmarkts wurden von einem Großteil der Bevölkerung als unangebrachtes Eingreifen in ihren täglichen Kampf um das Nötigste angesehen.
Während die alltägliche Versorgungslage langsam besser wurde, musste eine neue Gründungserzählung für die Polizei gefunden werden. Das galt für Ost- und Westdeutschland gleichermaßen. Die SBZ und später die DDR präsentierte ihre Polizei stolz als wahre "Volkspolizei", die anfänglich ihre Mitglieder bewusst so rekrutierte, dass sie keine polizeilichen Vorkenntnisse hatten.
Die Traditionsbildung für die westdeutsche Polizei stand im klaren Gegensatz zur DDR und knüpfte an die demokratische Polizei der Weimarer Republik an. Dazu wurden die Jahre des Nationalsozialismus vage als "dunkle Zeit" bezeichnet, in der die ehemals demokratische Polizei unter Zwang hatte handeln müssen.
Dass ein gutes Verhältnis zwischen Polizei und Bevölkerung Zeit brauchen würde, war offensichtlich. Nordrhein-Westfalens Innenminister Hubert Biernat betonte 1956 in seiner Eröffnungsrede zur Internationalen Polizeiausstellung in Essen, die sich explizit auf die Große Polizeiausstellung von 1926 bezog, dass der Polizist Helfer, Erzieher und Vorbild sein müsse und so das Bewusstsein aller für Ordnung und Wohlverhalten wach halten sollte.
Mit diesen staatsbürgerlichen Erziehungszielen für die Polizei und für die Bevölkerung wurde eine Zukunftsvorstellung beschworen, die sich deutlich von der Zeit des Nationalsozialismus unterscheiden sollte. "Die Polizei" beschrieb Anfang 1950 jedoch treffend, dass das Verhältnis zwischen Polizei und Bevölkerung noch labil sei, wobei das Leitbild "des Menschen in Uniform" sich hoffentlich bald etabliere.
In der DDR war das Verhältnis zwischen Polizei und Bevölkerung kein einfacheres. Die ostdeutsche Polizeizeitung "Die Volkspolizei" betonte wiederholt, dass die Volkspolizisten noch an sich arbeiten müssten, um wirklich von der Arbeiterschaft akzeptiert zu werden.
Zwei Jahre nach der Bundesrepublik organisierte die DDR 1958 eine Polizeiausstellung, die in Ost-Berlin gezeigt wurde und anschließend als Wanderausstellung durch Ostdeutschland zog.
Die polizeilichen Aufgabengebiete der Verkehrskontrolle und der Verkehrserziehung wurden nach dem Zweiten Weltkrieg in einen gesellschaftspolitischen Interpretationsrahmen eingebettet, der für beide deutschen Staaten wichtig war. Nach ersten Verkehrserziehungsaktionen in Leipzig 1945 folgten im Westen Hamburg, Berlin, Dortmund und kleinere Städte wie Lünen oder Castrop-Rauxel 1946. Landesweite Aktionen unternahm die Bundesrepublik 1950 nach dem Vorbild der ostdeutschen Verkehrserziehungswochen 1947 und 1949.
Diese Maßnahmen fanden vor Trümmer- und Schuttbergen in einer Zeit statt, die deutlich größere polizeiliche Herausforderungen aufweisen konnte als Verkehrskontrolle. Dass sie trotzdem umgesetzt wurden, zeigt, dass hier Polizeiaufgaben zu Erziehungsfragen einer zivilen Nachkriegsgesellschaft gemacht wurden.
In der Praxis stießen diese polizeilichen Erziehungsversuche auf öffentlichen Unwillen und zogen oft die bewusste Entscheidung nach sich, den Empfehlungen der Polizei nicht zu folgen – ein Verhalten, das in der DDR viel schwieriger war als in der Bundesrepublik. Die Konsequenzen, die regelwidriges Verhalten nach sich ziehen konnte, unterschieden sich in West- und Ostdeutschland deutlich. Aber die Tatsache, dass der neue demokratische Staatsbürger auch die Freiheit haben musste, sich falsch und regelwidrig zu verhalten und die entsprechenden Konsequenzen zu tragen, wurde selbst in der Bundesrepublik selten thematisiert.
Fazit
Polizeiliche Erziehungsversuche machten einen wichtigen Bestandteil der Polizeiarbeit in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus, auch wenn die Ziele dieser Erziehungsarbeit sehr unterschiedlich waren. Je nach politischer Vorgabe sollte die Polizei durch vorbildliches Verhalten und gezielte Polizeiarbeit die Deutschen entsprechend zu guten Demokraten, Nationalsozialisten und Bürgern erziehen.
Jenseits der politischen Vorgaben fruchteten die erzieherischen Ansätze der Polizei besonders dann, wenn die Bevölkerung ihr die Expertise in diesem Bereich zuschrieb, wie in den polizeilichen Beratungsstellen der 1920er Jahre. Wenn die Erziehungsarbeit der Polizei als kleinlich und unnötig aufgefasst oder als inadäquater Ersatz statt "wirklicher Polizeiarbeit" angesehen wurde – ein Eindruck, der in den unmittelbaren Nachkriegsjahren aufkam, obwohl die Polizei wenig an der schwierigen sicherheitspolitischen Lage und unzureichenden Lebensmittelversorgung ändern konnte –, nahm die Bereitschaft, polizeiliche Regelungen zu befolgen, rapide ab.
Die Idee des paternalistischen "Vater Staat", der durch polizeiliche Erziehungsarbeit auf seine Bürger/innen einwirken konnte, wurde in Ostdeutschland durch die Niederschlagung des Arbeiteraufstandes 1953, in Westdeutschland spätestens im Zuge der Studentenproteste der 1960er Jahre hinfällig. Die Regierungen beider deutschen Staaten sahen sich nun durch Teile der eigenen Bevölkerung herausgefordert. Die folgenden Kontroversen um Polizeigewalt, Rasterfahndungen oder rechtsextreme Tendenzen in der Polizei ließen sich kaum noch mit der Idee der erzieherischen Polizeiarbeit verbinden.
Heute begegnen wir der Polizei einzig im Rahmen der schulischen Verkehrserziehung noch als Erzieherin. Dies hat jedoch weniger mit einem staatlich-erzieherischen Impetus zu tun als mit der Möglichkeit, Kindern und Jugendlichen ein positives Image der Polizei zu vermitteln.