Einleitung
Das Internet hat sich zum führenden globalen Kommunikationsmedium entwickelt. In fast allen Ländern der Erde stehen Internetzugänge zur Verfügung. Nicht nur Privatpersonen nutzen das Netz, vielmehr sind es zunehmend auch Menschenrechtsorganisationen, Menschenrechtsverteidiger und Journalisten, die online Informationen aus ihren Heimatländern austauschen. Gerade der schnelle Datenaustausch wird aber von vielen Regierungen als Gefährdung der eigenen Machtposition angesehen. Daher versuchen insbesondere autoritäre und diktatorische Regime, den Zugang zum Internet zu kontrollieren und zu reglementieren.
Grundvoraussetzung der Zensur von Internetinhalten (Content) und der Kontrolle des E-Mail-Verkehrs der Nutzer (User) sind die technischen Zugriffsmöglichkeiten staatlicher Behörden auf den Datenverkehr in einem Land. Je geringer die Zahl der Internet-Service-Provider (ISP) ist, umso größer sind für Polizei und Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeiten, das Netz zu überwachen. Die einfachste und effektivste Kontrolle kann dann erfolgen, wenn nur derjenige einen Internetzugang erhält, der als systemtreuer Unterstützer gilt. So ist es z.B. in Turkmenistan nicht möglich, einen privaten Internetzugang zu erhalten, sodass nur wenigen tausend Menschen ein Zugriff über dienstlich genutzte Geräte möglich ist.
Während diese Methode auf dem weitgehenden Ausschluss der Bürger eines Landes vom Internet beruht, sind viele Regierungen bei der Internetkontrolle "fortschrittlicher". Sie bemühen technische Methoden, um das Surfverhalten ihrer Einwohner zu regulieren und zu zensieren. Die technisch einfachste, aber auch am wenigsten effektive Methode besteht darin, dass Regierungsstellen die ISP anweisen, bestimmte Internetadressen (Domains) zu filtern und sie auf andere, regierungskonforme Seiten umzuleiten.
Aufwändiger ist die Filterung einzelner Seiten bzw. Seiteninhalte, die unerwünschte Texte enthalten. So lassen sich manche Seiten verschiedener Anbieter nur teilweise darstellen, und das auch nur, solange sie nicht zensierte Begriffe wie "Menschenrechte" oder "Meinungsfreiheit" beinhalten. Moderne Content-Filter-Software lässt solchen Websites keine Chance und blockiert sie sofort. Selbst per se "unpolitische" Suchportale wie Google sind etwa für Internetnutzer in China nur dann erreichbar, wenn nicht entsprechende Begriffe gesucht werden.
Daneben erfolgt die Kontrolle vor allem über den Zugang zum Internet. So verpflichten viele Regierungen die ISP, genaue Aufzeichnungen über das Surfverhalten ihrer Kunden anzulegen, um entsprechende Beweise für den Besuch missliebiger Seiten zu erhalten.
Die Lage in China
Vor allem die kommunistischen Regime in China, Nordkorea, Vietnam und Kuba verfolgen das Ziel, eine möglichst umfassende Beherrschung von Medienangeboten und Internetseiten zu erreichen. Während Nordkorea und Vietnam sich aufgrund ihrer wirtschaftlichen Struktur als ziemlich rückständig erweisen und bislang kaum auf moderne Technologien zurückgreifen können, hat China den Anschluss zum Weltmarkt gefunden und nutzt das Internet, um seine wirtschaftliche Potenz zu vergrößern. Jedoch steigt in jüngster Zeit die Zahl der Internetnutzer in China nicht mehr so rapide an. Die Gründe dafür liegen vor allem in der immer rigideren Kontrolle des Zugangs zum Internet über die Zuteilung von Anschlüssen und Nutzerberechtigungen.
Doch trotz der Kontrollen ist die Zahl der Nutzer inzwischen auf fast 100 Millionen angestiegen, und ein Ende des Booms ist nicht abzusehen. Die Interessenschwerpunkte sind dabei neben kommerziellen Angeboten wie Handel oder Online-Banking auch Unterhaltung oder Jobangebote. Während solche Internetseiten von der staatlichen Zensur akzeptiert sind und keinen Verboten unterliegen, ist vor allem die Beschaffung ungefilterter Nachrichten aus dem Web heikel. Auch die Verbreitung von Informationen über das Web wird von den Behörden äußerst argwöhnisch beobachtet und führt sehr schnell zu Konflikten mit der Staatsmacht. Aufgrund zahlreicher "Gummiparagraphen" im chinesischen Strafgesetzbuch ist es leicht, Internetnutzer etwa wegen "konterrevolutionärer Vergehen", "Aufruf zur Subversion" oder "Weitergabe von Staatsgeheimnissen" zu verhaften und anzuklagen.
In den neunziger Jahren hat die Regierung einen Katalog verbotener Inhalte von Websites erlassen. Unzulässig ist danach jede Information, die "(1) den in der Verfassung festgelegten Grundprinzipien widerspricht, (2) die nationale Sicherheit gefährdet, Staatsgeheimnisse preisgibt, die Regierung umstürzt, die Einheit des Landes zerstört, (3) der Ehre und den Interessen des Staates schadet, (4) zu ethnischem Hass und ethnischer Diskriminierung aufstachelt, die Einheit der Nationalitäten [Chinas] zerstört, (5) der Religionspolitik des Staates schadet, böse Kulte oder feudalen Aberglauben propagiert, (6) Gerüchte verbreitet, die gesellschaftliche Ordnung stört, die gesellschaftliche Stabilität untergräbt, (7) Unzucht, Pornographie, Glücksspiel, Gewalt, Mord, Terror verbreitet oder zu Verbrechen anstiftet, (8) andere Personen beleidigt oder verleumdet, den legitimen Rechten und Interessen anderer Personen schadet, (sowie) (9) andere Inhalte, die durch das Gesetz oder Verwaltungsvorschriften verboten sind"
Ein ähnlicher Katalog mit "Bestimmungen für das Publikationswesen" wurde 1997 auch für andere Medien erlassen, um dort ebenso scharf kontrollieren zu können. Auf der Grundlage dieser Bestimmungen lässt sich in China nahezu jede oppositionelle Meinungsäußerung verbieten, da jegliche politische Handlung unter die besonders in den ersten drei Punkten aufgeführten Vergehen subsumiert werden kann.
Bereits vor einigen Jahren hat die Regierung begonnen, in Anlehnung an das berühmte historische Bauwerk eine "Great Firewall" zu ziehen, um die Einwohner des Landes vor unerwünschten Informations- und Unterhaltungsangeboten zu "schützen".
Insbesondere Veröffentlichungen mit politischen Äußerungen zur Demokratiebewegung in China oder Forderungen nach einer weiteren Öffnung des Landes führen unweigerlich zur Unterdrückung solcher Nachrichten. Noch über 15 Jahre nach der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung auf dem Tiananmen-Platz in Peking sind Artikel oder Berichte über die damaligen Vorgänge strengstens verboten und führen zur Verhaftung der Autoren.
Zunehmend geraten jedoch nicht nur politisch motivierte Websites oder Nachrichten ins Blickfeld der chinesischen Zensurbehörden. Auch die Internetseiten von Kirchen und Religionsgemeinschaften - gleich welcher Ausrichtung - werden streng beobachtet, oder ein Zugriff darauf wird verhindert. Betroffen sind davon vor allem Inhalte zum tibetischen Buddhismus und dem Dalai Lama, zur Falun-Gong-Bewegung, aber auch der muslimischen Minderheit der Uiguren in der Provinz Xinjiang sowie zu anderen islamischen Organisationen, die als Gefahr für die kommunistische Regierung angesehen werden. Hinzu kommen auch weitere katholische Seiten aus dem Ausland, die häufig die mangelnde Religionsfreiheit in China kritisieren.
Hier wird deutlich, welch geringen Stellenwert grundlegende, individuelle Menschenrechte wie das Recht auf freie Meinungsäußerung, Religionsfreiheit sowie Pressefreiheit in China haben.
Die Lage in Nordkorea, Kuba und Vietnam
Vor allem Nordkorea schirmt sich gegen Einflüsse und Kontakte von und nach außen ab. Dies betrifft jedoch nicht nur Nachrichten zum Thema Internetzensur, sondern auch alle anderen Bereiche des Lebens in dem Land. Sämtliche Medien unterliegen strengster Kontrolle, und bereits kleinste Unregelmäßigkeiten bedeuten für Journalisten nicht selten Haftstrafen und Umerziehungslager.
Sehr ähnlich gestaltet sich auch die Situation in Kuba. Der Zugang zum Internet ist auf wenige Bürger beschränkt. Computer sind kaum zu erwerben, und der E-Mail-Verkehr wird streng überwacht. Im Jahr 2000 wurde sogar ein Ministerium gegründet, dessen Aufgabe die Überwachung und Regulierung von Netzwerken und Telekommunikation ist. Den meisten Bürgern ist nur ein von der Regierung erarbeitetes und autorisiertes Intranet zugänglich, während der Weg in das World Wide Web versperrt ist und nur Touristen offen steht.
Die Situation in Vietnam ähnelt stark der in China. Wie in dem großen Nachbarland steht die Regierung vor dem Dilemma, einerseits die Nutzung und Verbreitung des Internets zu fördern, um wirtschaftliche Vorteile zu gewinnen. Dazu wurden auch erste Breitbandverbindungen (ähnlich einer DSL-Verbindung in Deutschland) eingerichtet, um den Datentransfer zu beschleunigen und mehr User an das Netz anzubinden. Andererseits birgt jeder Ausbau die Gefahr in sich, dass oppositionelle und regimekritische Stimmen sich verbreiten. Wie China reagierte auch die vietnamesische Staatsführung mit der Einrichtung einer Spezialpolizeieinheit, um "Cyber-Kriminelle" zu jagen.
Im Frühjahr 2004 hat die vietnamesische Regierung mit einer Kampagne begonnen, um die Überwachung der Nutzer zu verschärfen. Ähnlich wie in China wird mit weit auslegbaren Paragraphen und Straftatbeständen gearbeitet, um bereits bei geringsten Vergehen mit Haftstrafen reagieren zu können. Auch hier stehen die Gefährdung der nationalen Sicherheit oder mögliche Störungen der öffentlichen Ordnung im Vordergrund, um jede kritische Äußerung zu verfolgen.
Aus Vietnam kamen in der jüngsten Vergangenheit wiederholt Nachrichten über die Verurteilung von Cyber-Dissidenten. So wurde 2003 ein Mann verhaftet, weil er einen Text der amerikanischen Botschaft über Demokratie in seine Heimatsprache übersetzt und über E-Mail verteilt hatte.
Arabische und islamische Staaten
Auch in vielen arabischen und islamisch geprägten Ländern hat sich die Zensur des Internets in den letzten Jahren stark ausgeweitet. Gerade diese Zensurpolitik hat die "digitale Spaltung" in Arm und Reich verstärkt. Eine von der Menschenrechtsorganisation Arabic Portal for Human Rights Information vorgelegte Studie
Dagegen beschreiten Staaten wie Tunesien oder der Iran einen anderen Weg. Hier haben sich in den letzten Jahren zwar die Möglichkeiten, das Internet zu nutzen, durch zahlreiche Internetcafés oder Internetanschlüsse an Schulen und Hochschulen stark verbessert. Damit einher ging jedoch auch eine nahezu ausufernde Zensur von Websites und eine verstärkte Kontrolle der Nutzer in den Cafés. Gerade Tunesien hat sich in diesem Bereich einen zweifelhaften Ruf erworben. Zum einem hat die Regierung unter Staatspräsident Ben Ali die Infrastruktur der staatlichen Telekommunikationssysteme ausgebaut, neue Internetcafés eingerichtet und die Möglichkeiten zum Surfen erweitert. Zum anderen aber dürfen die Nutzer nur das sehen, was den staatlichen Zensurbehörden gefällt und was nicht die "nationale Sicherheit" gefährdet. Vor allem ausländische Medien mit Berichten zur Menschenrechtssituation und kritische Artikel zur Politik der Regierung werden blockiert und sind nicht frei zugänglich. Wie in vielen anderen Ländern auch ist ein Besuch eines Internetcafés nur nach behördlicher Registrierung möglich.
Ähnlich scharf geht die iranische Regierung gegen Kritiker vor. Zuletzt wurden auch dort wiederholt Journalisten wegen ihrer Arbeit sowie Autoren aufgrund ihrer Veröffentlichungen in Weblogs
Geradezu absurd mutet die Situation in Saudi-Arabien an. Mit Hilfe deutscher Unternehmen
Zensur oder Freiheit?
Die Zukunft des Internets als Kommunikationsmedium, das auch politische Diskussion und kritische Berichterstattung zulässt, hängt stark davon ab, wie die Regierungen einzelner Länder mit Zensur umgehen. In den letzten Jahren hat sich der Wille zur Zensur und zur Blockade unerwünschter Inhalte eher verstärkt als abgeschwächt. Dies lässt befürchten, dass die Arbeit im Internet für Onlinejournalisten, Menschenrechtsgruppen und politische Dissidenten schwerer wird denn je. Der User unterliegt stärkeren Kontrollen und wird beim Surfen beobachtet, registriert und auch verfolgt, wenn er "illegale" Inhalte aufruft. Selbst in Ländern wie Russland, das man bereits auf dem Weg zu einer Demokratie nach westlichen Maßstäben wähnte, ist der Drang nach Zensur gewachsen.
Dennoch ist in der politischen Diskussion die Tendenz wahrnehmbar, sich dem weltweiten Zensurproblem zu stellen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Im Februar 2005 legte der Europarat einen Entwurf für eine Erklärung vor, die Menschenrechte im Internet besonders betont und zu deren Schutz aufruft.