Einleitung
Das klassische Zivilrecht, voran das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), ist geprägt vom Primat der Warenproduktion, entsprechend den ökonomischen Verhältnissen am Ende des 19. Jahrhunderts. Im Vordergrund steht folglich der Erwerb von Sachen im Sinne von § 90 BGB. Diese Sachen sind eigentumsfähig; sie können verkauft, vermietet, verarbeitet oder umgebildet werden. Kaum brauchbar ist das BGB aber für die Zuordnung von Informationen, dem Grundstoff der modernen Informations- und Wissensgesellschaft.
Eine Zuordnung von Rechten an Informationen wird zwar vom Bundesgerichtshof (BGH) über das Eigentum am Datenträger vorgenommen, doch dieser Ansatz erweist sich angesichts der abnehmenden Bedeutung von Datenträgern als fragwürdig. Auch die Zuordnung über den Schutz von Informationen als "Betriebsgeheimnisse" wird immer nebulöser, da die Grenzen zwischen geheimem und nicht geheimem Wissen immer fließender werden.
In dieser Situation kommt dem Immaterialgüterrecht besondere Bedeutung zu. Insbesondere das Urheberrecht ermöglicht eine klare Zuordnung von Rechten an Informationen, sofern deren Auswahl oder Anordnung eine persönlich-geistige Schöpfung beinhaltet. Damit ist zwar noch kein Ausschließlichkeitsrecht an der Information, aber ein Schutz von Informationssammlungen begründet. Jüngste Tendenzen, die auf eine Erweiterung des immaterialgüterrechtlichen Schutzes hinauslaufen, sind kritisch zu beachten. So wird parallel zum urheberrechtlichen Schutz von Software auch die Möglichkeit eines erweiterten Schutzes über das Patentrecht diskutiert. Hinzu kommt das Markenrecht, das aufgrund seiner auf Ewigkeit angelegten Schutzrichtung die Schutzfristen des Urheberrechts unterlaufen kann.
Das deutsche Urheberrechtsgesetz (UrhG) stammt von 1965 und kann schon aufgrund seines Alters nicht auf das Internet bezogen sein. Daher müssen neuere Bestimmungen, insbesondere des internationalen Urheberrechts, ergänzend hinzugenommen werden. Dabei handelt es sich vor allem um den World Copyright Treaty (WCT) und den World Performers and Producers Rights Treaty (WPPT) sowie um die Richtlinie der EU zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft (InfoSoc-Richtlinie). Beim WCT und beim WPPT handelt es sich um völkerrechtliche Verträge, die im Rahmen der World Intellectual Property Organization (WIPO) im Dezember 1996 ausgehandelt worden sind. Sie sehen ein weites Vervielfältigungsrecht und ein neues "right of making available to the public" vor. Der WCT trat am 6. März 2002, der WPPT zum 30. Mai 2002 in Kraft.
Die Vorgaben dieser Verträge sind EU-einheitlich nach langwierigen Verhandlungen geringfügig verändert in der InfoSoc-Richtlinie umgesetzt worden.
Der Umgang mit dem Urheberrecht
Welche Positionen lassen sich beim Umgang mit dem Urheberrecht unter den Bedingungen der Informationsgesellschaft identifizieren? Da ist zuerst die traditionelle Auffassung, die Auffassung der Orthodoxie, stark vertreten in Frankreich. Auch in Deutschland finden sich zahlreiche Vertreter dieses Modells. Es geht vom Begriff des geistigen Eigentums aus; das Urheberrecht soll daher primär die Interessen des Urhebers schützen.
Die Redeweise vom geistigen Eigentum ist insofern auffällig, als bereits Ende des 19. Jahrhunderts darauf hingewiesen worden ist, wie unklar dieses Konzept ist. Denn das Urheberrecht besteht nicht nur aus eigentumsähnlichen Elementen, sondern auch aus starken persönlichkeitsrechtlichen Facetten. Die Parallele zwischen dem Eigentum an materiellen Dingen und dem an geistigen Inhalten verkennt die vielfältigen Verflechtungen und Interdependenzen, in denen das Urheberrecht in der Auseinandersetzung mit der Allgemeinheit steckt. Die Orthodoxie erklärt jedoch jede vereinbarte Schranke geistigen Eigentums zu einer Ausnahmeregelung gegenüber dem allgemeinen Grundsatz des Urheberrechtsschutzes und lehnt eine verfassungsrechtliche Verankerung der Schranken ab. Die amerikanische Juristin Jane Ginsburg erklärte mit großer Verve bei einer Tagung der Association Littéraire et Artistique Internationale (ALAI) in New York, dass die Privatkopierfreiheit keinerlei verfassungsrechtlichen Hintergrund habe. Sie sei aus "mere pragmatism" eingeführt worden. Die Konsequenz dieses Gedankens ist der Ansatz, dass Schranken jederzeit wieder abgeschafft werden können. Ein einfacher Federstrich des Gesetzgebers sei nötig, um - ohne Rekurs auf verfassungsrechtliche Zwänge - etwa die Privatkopierfreiheit aus dem UrhG zu verbannen. Eine weitere Konsequenz liegt auf der Hand: Natürlich sind die Schranken vertraglich abdingbar (d.h. durch eine freie Vereinbarung ersetzbar). Ausnahmen werden nur bei wenigen klar konturierten Fällen zugelassen, die sämtlich durch EU-Richtlinien vorgezeichnet worden sind.
Diesem traditionellen Modell steht ein anderes gegenüber, das insbesondere in den USA großen Zuspruch gefunden hat. Wie Artikel 1, Sect. 8 der US-Verfassung von 1787 betont, dient das Urheberrecht dem Wohl der Gesellschaft. Dahinter steckt das Leitbild, dass am Anfang der Grundsatz der Informationsfreiheit steht. Schon historisch sei das Urheberrecht ein Produkt der Neuzeit. Bis in das 18. Jahrhundert hinein seien Informationen als "common heritage of mankind" angesehen worden. Das Urheberrecht sei insofern eine Ausnahmeerscheinung, und nicht die Schranken, sondern der Urheberrechtsschutz selbst sei eng auszulegen. Jede Ausdehnung und Erweiterung des Schutzes durch das Urheberrecht bedürfe der Rechtfertigung und sei nur in Ausnahmefällen zulässig.
Die Schranken hätten wiederum die Aufgabe, der Gesellschaft die informationelle Freiheit zurückzugeben, über die sie im ursprünglichen Zustand verfügt habe. Die Rechtsprechung könne daher durchaus Schranken über den Wortlaut hinaus erweitern und neue "erfinden". Die Schranken des Urheberrechts seien sogar verfassungsrechtlich abgesichert, insbesondere vor dem Hintergrund der Informations- und Meinungsfreiheit. Sie stünden daher auch nicht jederzeit zur Disposition, und es sei nicht zulässig, durch vertragliche Regelungen die Schranken zu unterlaufen. Belgien beispielsweise hat sich in der Urheberrechtsszene profiliert, indem es alle Schranken zu zwingenden Rechtsbestimmungen erklärt hat.
Zwischen diesen beiden Extrempositionen - geistiges Eigentum vs. Informationsfreiheit- gibt es einen Mittelweg: Das Balancemodell versteht das Urheberrecht allgemein und wertungsfrei als Immaterialgüterrecht. Versuche zum Schutz des geistigen Eigentums und der Bindung des Urheberrechts an die Interessen der Allgemeinheit sind gleichrangig. Keine der beiden Seiten, weder der Urheber noch der Nutzer, hat Priorität. Wie das Bundesverfassungsgericht (BVG) immer wieder betont hat, bedarf es einer solchen Balance zwischen dem Schutz des Urhebers und den verfassungsrechtlich gesicherten Interessen der Allgemeinheit. Diese erfordert praktische Konkordanz: Gesetzgeber und Rechtsprechung sind aufgefordert, beide Schutzgüter zur optimalen Entfaltung zu bringen. Daher ist nicht jede Schrankenbestimmung verfassungsrechtlich abgesichert, etwa die Zitatfreiheit oder die Presseberichterstattung. Die einzelnen Schranken müssen auf ihren verfassungsrechtlichen Kern bezogen werden. Auch muss zwischen Urhebern und Verwertern unterschieden werden.
In Deutschland weist die Tendenz seit einigen Jahren in Richtung Balancemodell. So ging es in der Entscheidung des BVG vom 29. Juni 2000 in Sachen "Germania 3 Gespenster am Toten Mann"
Ein weiterer Argumentationsstrang findet sich in zwei weiteren Rechtsfällen. In der Entscheidung über Kopienversanddienste
Noch deutlicher wurde der BGH in der Entscheidung über elektronische Pressespiegel.
Zuletzt ist auf eine Entscheidung meines eigenen Senats, des Urheberrechtssenats beim Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf, hinzuweisen. Dieser hat sehr ausführlich geprüft, inwieweit wesentliche Grundgedanken des Urheberrechts vertraglich abdingbar seien. Anders als der BGH seinerzeit in der heute wohl veralteten Entscheidung über Honorarbedingungen beim NDR hat unser Senat bekräftigt, dass eine Abdingbarkeit bei individuellen Verträgen zwar weitgehend zu bejahen sei. Im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) aber seien Schrankenbestimmungen nicht einfach dispositiv (d.h. verfügbar). Vielmehr flössen sie in vollem Umfang in die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB ein, sodass die Schrankenbestimmungen demnach AGB-fest sind.
Es ist fraglich, ob das Balancemodell die zukünftige Diskussion beherrschen wird, denn zum einen sind die Modelle eins und zwei sehr solipsistisch auf sich bezogen und kämpfen mit Vehemenz gegen das jeweils andere. Die Diskussionen um Open Source und die Softwarepatentierungsrichtlinie zeigen, mit welch seriöser und manchmal auch fanatischer Energie beide Seiten gegeneinander vorgehen. Als Zweites wird Brüssel eine fatale Rolle spielen: Die InfoSoc-Richtlinie zeigt, wie unreflektiert und bestechlich die EU-Kommission das europäische Urheberrecht strukturiert hat. In der Richtlinie wird undifferenziert von "exceptions" gesprochen. Man vermisst im gesamten Text auch nur einen Hauch von urheberrechtlicher Dogmatik, Reflexion oder Systematik, was die Schranken angeht. Es steht zu befürchten, dass Bemühungen um eine wissenschaftliche Klärung der Urheberrechtsfragen in Brüssel nicht gehört werden; die Kommission lässt sich offenbar lieber von der International Federation of the Phonographic Industry (IFPI) bedienen. Diese Tendenz zeigt sich bei Art. 6 Abs. 4 der InfoSoc-Richtlinie: Die dortigen Regelungen zur Absicherung der Schranken gegenüber übermächtigen Digital Rights Management Systems (DRM) sind technisch so ineffizient, dass jede Diskussion angesichts der Übermacht von DRM obsolet zu werden droht.
Internet und nationales Recht
Die Informationsindustrie ist ein international ausgerichteter Wirtschaftssektor. Informationen sind ihrer Natur nach ubiquitär; sie können ohne hohen Kostenaufwand reproduziert und in Bruchteilen von Sekunden über internationale Datennetze transferiert werden. Gerade Phänomene wie die Satellitenübertragung oder das Internet zeigen, dass nationale Grenzen keine besondere Bedeutung mehr haben. Es stellt sich die Frage, ob und wann das deutsche Urheberrecht bei Informationsprodukten überhaupt zur Anwendung kommt.
Das anwendbare Recht kann (scheinbar) vertraglich durch eine Rechtswahlklausel geregelt werden: Die Parteien vereinbaren die Anwendung einer bestimmten Urheberrechtsordnung auf ihre Rechtsbeziehungen. Nach Art. 27, 28 Einführungsgesetz zum BGB (EGBGB) unterliegt ein Vertrag vorrangig dem von den Parteien gewählten Recht. Das deutsche UrhG enthält jedoch zwingende Regelungen zu Gunsten des Urhebers, die durch eine Rechtswahlklausel nicht ausgehebelt werden können.
Darüber hinaus ist zu beachten, dass allein das gewählte Recht für die vertraglichen Rechtsbeziehungen entscheidend ist. So werden die häufig auftretenden deliktischen (d.h. schuldhaft gesetzwidrigen) Rechtsfragen nicht dem gewählten Vertragsstatut unterstellt, sondern nach dem Deliktstatut beurteilt. Wenngleich also umstritten ist, ob bei Urheberrechtsverletzungen auf die 1999 eingefügte Tatortregel des Art. 40 I EGBGB zurückgegriffen werden kann oder ob die Ausweichklausel des Art. 41 zur Anwendung gelangt,
Die Geltung des Schutzlandprinzips bereitet den Rechteverwertern im Internetbereich große Probleme. Diejenigen, die sich rechtmäßig verhalten wollen, müssen ihre Internetauftritte nach den Urheberrechtsordnungen all derjeniger Staaten ausrichten, in denen ihr Angebot abrufbar ist, da jeder dieser Staaten potenziell als Schutzland in Betracht kommt.
Elektronische Pressespiegel
Unter dem Gesichtspunkt des freien Informationszugangs regelt § 49 UrhG den uneingeschränkten Zugriff auf Beiträge vor allem aus der Tagespresse. Erst die Rechtsprechung hat aus dieser Bestimmung die "Pressespiegelbestimmung" gemacht.
Beim übernehmenden Medium muss es sich ebenfalls um "Zeitungen und Informationsblätter" handeln. Abwegig erscheint die teilweise vertretene Ansicht, dass auch der selektive Ausdruck von gescannten Zeitungsartikeln aus einer zentralen Datenbank heraus unter § 49 UrhG falle.
Zeitungsverleger haben die Pressemonitor Deutschland GmbH & Co. KG (PMG) gegründet, die ihre Pressespiegelrechte bündeln soll. Die PMG bietet elektronische Artikel und/oder Lizenzen von derzeit 410 Quellen aus 128 Verlagen für die Erstellung elektronischer Pressespiegel an. Strittig war lange Zeit, ob diese Organisation nicht ihrerseits als Verwertungsgesellschaft anzusehen ist, sodass eine Erlaubnis des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA) eingeholt werden müsste.
Elektronische Seminarapparate
Eine Schrankenregelung zugunsten von Unterricht, Wissenschaft und Forschung sieht der 2003 eingeführte § 52a UrhG vor. Durch diese Regelung soll die Nutzung von Werken im Rahmen kleiner Forschungs- und Lehrintranets verbotsfrei und gegen Pauschalvergütung zulässig sein. Diese Vorschrift erlaubt das zustimmungsfreie öffentliche Zugänglichmachen veröffentlichter kleiner Teile eines Werks, von Werken geringen Umfangs sowie einzelner Zeitungs- und Zeitschriftenbeiträge zur Veranschaulichung im Schul- und Hochschulunterricht für einen "bestimmt abgegrenzten Kreis" von Unterrichtsteilnehmern oder von Personen für deren eigene wissenschaftliche Forschung.
Dabei muss die Zugänglichmachung zu dem jeweiligen Zweck geboten und zur Verfolgung nicht kommerzieller Zwecke gerechtfertigt sein. Nach § 52a UrhG fallen Filmwerke erst zwei Jahre nach Beginn der üblichen regulären Auswertung in Filmtheatern unter diese Schranke. Auch die mit der öffentlichen Zugänglichmachung im Zusammenhang stehenden Vervielfältigungen (z.B. Drucken, Speichern) sind von der Regelung umfasst, es ist jedoch eine Vergütung an die jeweiligen Verwertungsgesellschaften zu entrichten. Während bei Unterrichtszwecken der abgegrenzte Personenkreis durch die Unterrichtsteilnehmer hinreichend bestimmt ist, fragt sich, was unter einem "bestimmt abgegrenzten Personenkreis" bei der Zugänglichmachung für Forschungszwecke zu verstehen ist. Eine offene Forschergruppe mit wechselnden Mitgliedern wird nicht gemeint sein. Die Mitglieder müssen sich dem Personenkreis vielmehr eindeutig zuordnen lassen, z.B. als Mitarbeiter eines Forschungsinstituts oder verschiedenster Einrichtungen, die in einem Team zusammenarbeiten.
Zugunsten des Personenkreises erlaubt die Vorschrift das Einstellen von urheberrechtlich geschützten Materialien in ein Newsboard oder eine Mailingliste. Dabei sind immer Quelle und Name des Urhebers anzugeben (§ 63 UrhG). Vorsicht ist geboten beim Einstellen ganzer oder wesentlicher Teile von Datenbanken (i.S.d. §§ 87a ff. UrhG) oder von Computerprogrammen (§§ 69a ff. UrhG). Diese Schutzgegenstände unterliegen eigenen, sehr engen Schrankenregelungen; § 52a UrhG findet auf sie keine Anwendung.
Weitere Probleme bereitet die Filmauswertung im Rahmen von Intranets. Zu Unterrichts- und Forschungszwecken wird meist auf Dokumentarfilme zurückgegriffen. Bei diesem Genre fehlt es aber meist an der in § 52a vorausgesetzten "üblichen regulären Auswertung in Filmtheatern". Das Gesetz ist einseitig auf den Spielfilm bezogen. Insofern käme mangels Kinoauswertung eine Verwendung von Dokumentarfilmen im Rahmen von § 52a überhaupt nicht in Betracht. Denkbar ist allenfalls eine analoge Anwendung des Paragraphen auf die Fernsehauswertung oder die übliche Nutzung bei Filmfestivals; doch diese Auslegung geht über den (eng auszulegenden) Wortlaut der Vorschrift hinaus. Im Übrigen kann davon ausgegangen werden, dass dem Gesetzgeber die Besonderheiten des Dokumentarfilmmarktes nicht unbekannt waren, sodass es sich hierbei auch um eine bewusste Entscheidung zu Gunsten des Dokumentarfilms und gegen dessen Intranetverwendung handeln kann. Der § 52a UrhG soll nur befristet, bis Ende 2006 gelten. Eine solche Vorschrift mit Verfallsdatum ist ein gesetzgebungstechnisches Novum. Für Medienzentren an Universitäten ist es daher schwierig, diese Schranke wirklich zu nutzen, denn der Aufbau einer entsprechenden Intranetstruktur zieht sich naturgemäß über einige Jahre hin. Insofern könnte das "Geschenk an Forschung und Lehre" gerade dann obsolet werden, wenn es am dringendsten benötigt wird.
Im Rahmen der Novellierung des UrhG beim Zweiten Korb
Privatkopien
Die Magna Charta der gesetzlichen Lizenzen findet sich in Form von § 53 UrhG, der weitgehend Vervielfältigungen zum eigenen Gebrauch auch ohne Zustimmung der Rechteinhaber zulässt. Kompensatorisch erhält der Urheber für den Rechteverlust einen Anspruch auf Vergütung (§§ 54, 54a UrhG), der seit 1985 hauptsächlich auf einen Anteil an der Geräte- und Leerkassettenabgabe gerichtet ist.
Jedermann kann sich im Internet via File Transfer Protocol (FTP) und unter Berufung auf privaten Gebrauch fremdes Material herunterladen und kopieren. Er kann sich auch von Bibliotheken und Dokumentationsstellen Material kopieren und via Internet zusenden lassen, vorausgesetzt, dass diese Herstellung von Kopien durch andere unentgeltlich geschieht. Anderes gilt jedoch für die Verwendung von Datenbankwerken und Datenbanken, da deren Vervielfältigung - selbst zum Laden in den Arbeitsspeicher und auch zum Privatgebrauch - genehmigungspflichtig ist.
Strittig ist, inwieweit das Kopieren von Werken nur zulässig ist, wenn eine erlaubterweise hergestellte Vervielfältigung als Vorlage benutzt worden ist. Im Zusammenhang mit der Internettauschbörse Napster
Erstaunlicherweise kam es in letzter Minute doch noch zu einer Änderung des § 53 Abs. 1 UrhG: So wurde kurzerhand verankert, dass die Privatkopierfreiheit ausnahmsweise nicht zum Tragen kommt, wenn zur Vervielfältigung "eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte Vorlage" verwendet wird. Der Begriff ist neu und unkonturiert. Es bleibt unklar, auf welche Rechtsordnung hinsichtlich der Feststellung einer "offensichtlichen Rechtswidrigkeit" abzustellen ist. Insgesamt handelt es sich um einen Pyrrhussieg der Musikindustrie, denn vor der Novellierung konnte sie behaupten, dass die Privatkopierfreiheit eine rechtmäßige Vorlage voraussetze; jetzt ist dieser Einwand auf offensichtlich rechtswidrige Vorlagen beschränkt. Es sei darauf hingewiesen, dass P2P-Dienste nicht offensichtlich rechtswidrige Kanäle sind, sondern in vielfältiger Weise zu legalen Zwecken, etwa im Bereich der Wissenschaft, genutzt werden.
Weiter wird die Möglichkeit der Herstellung von Vervielfältigungen durch Dritte beibehalten, sofern dies unentgeltlich geschieht oder es sich um reprografische oder ähnliche Vervielfältigungen handelt. Die vorgeschlagene Regelung gewährleistet weiterhin, dass ein Versand von Kopien möglich bleibt. Als unentgeltlich im Sinne dieser Vorschrift sollen Vervielfältigungen auch dann anzusehen sein, wenn sie z.B. durch Bibliotheken gefertigt werden, die Gebühren oder Entgelte für die Ausleihe erheben, soweit die Kostendeckung nicht überschritten wird.
Die Reichweite von § 53 Abs. 1 UrhG wird aber durch die Neueinfügung des § 95b konterkariert. Sofern der Rechteinhaber technische Schutzmaßnahmen verwendet, sind öffentliche Multiplikatoren (wie z.B. Schulen oder Universitäten) geschützt, private Nutzer aber nicht. Aus dem Fehlen von § 53 Abs. 1 in § 95b Abs. 1 lässt sich also schließen, dass der Rechteinhaber nur technische Sperrmechanismen einsetzen muss, um § 53 Abs. 1 UrhG zu umgehen. Dieser "Trick" ist unerträglich. Dass das BMJ einer solchen Strategie rechtlichen Schutz gewähren will, ist ein Zugeständnis an die Musikindustrie. Es ist bedenklich, dass die Privatkopierfreiheit in § 95b Abs. 1 nicht genannt wird.
Die Schutzlücke kann auch nicht dadurch kompensiert werden, dass das Umgehen technischer Maßnahmen zum eigenen privaten Gebrauch strafrechtlich freigestellt wird (§ 108b Abs. 1). Denn zivilrechtliche Sanktionen bleiben bestehen und können für den Betroffenen sehr hart sein. Auch entsteht in der Öffentlichkeit der Eindruck, dass das Umgehen von Schutzmechanismen zur Erstellung privater Kopien strikt verboten sei, was aber angesichts der Regelung des § 53 Abs. 1 UrhG nicht zutrifft. Man fragt sich, worin der Unrechtsgehalt des Umgehens zu privaten Zwecken besteht, ist doch das Einfügen technischer Sperren in diesem Bereich das eigentliche Unrecht.
Kopienversanddienste
In jüngster Zeit wurde um die Zulässigkeit von Kopierdiensten gerungen, die von größeren Bibliotheken und Unternehmen angeboten werden.
Bei öffentlichen Bibliotheken und sonstigen der Öffentlichkeit zugänglichen Einrichtungen unterscheidet sich die Rechtslage von der kommerzieller Informationsdienste. Dies gilt insbesondere, wenn auch die Recherche- und Auswahlleistung beim Besteller liegt. Ineiner spektakulären Grundsatzentscheidung
Ausführlich nimmt der BGH auf die Möglichkeiten des Internets und des Zugriffs auf Datenbanken (im Sinne von Onlinekatalogen und hinsichtlich der dadurch wesentlich erleichterten und erweiterten Recherchemethoden) Bezug. Offen bleibt, ob der BGH nur den Kopienversand per Post und Fax ausnehmen will oder ob die Entscheidungsgründe auch auf den Onlineversand (der nicht Gegenstand des Verfahrens war) übertragen werden können. Nach Auffassung des OLG Köln fällt ein Internetsuchdienst, durch den man Zeitungsartikel mittels Deep-Links auffinden kann, unter § 53 Abs. 2 UrhG.
Im Rahmen der Novellierungsüberlegungen zum Zweiten Korb
Technische Selbsthilfe
Die globale Verbreitung des Internets und die territoriale Anknüpfung des Urheberrechts stehen im Widerspruch zueinander; dieser führt in der Praxis zu erheblichen Irritationen. Die Probleme lassen sich nur eingeschränkt durch gesetzliche Ausnahmebestimmungen (statutory licensing) oder die Zwischenschaltung von Verwertungsgesellschaften (collective licensing) lösen. Auch das single licensing erweist sich als zeitraubender Lösungsansatz, muss doch mit jedem Rechteinhaber ein Vertrag geschlossen werden.
Es verwundert daher nicht, dass die Industrie zur Selbsthilfe übergeht: Mit Code-as-code-Verfahren wird der Programmiercode zur Kodifikation. An die Stelle gesetzlicher Vorgaben treten technische Standards, Kopierschutzmechanismen und Copyright-Management-Systeme (CMS). Hierzu zählen: Dongles, kleine Steckmodule, die zum Schutz vor unberechtigter Softwarenutzung auf den Parallelports der Rechner angebracht werden und dadurch erst die Nutzung des Computerprogramms ermöglichen; RPS, das Rights Protection System der IFPI, ein System zur Sperrung des Zugriffs auf urheberrechtsverletzende Websites; Regional Encoding Enhancements, eine territorial-bezogene Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten einer CD; das Serial Copy Management System (SCMS), das die Verwendung kopierter CDs verhindert.
Zum Bereich der technischen Selbsthilfe hat die EU eine Reihe von Regelungen erlassen. Zu bedenken sind zunächst die Bestimmungen in der Softwareschutzrichtlinie über den Schutz vor Umgehungstools (Art. 7 Abs. 1 lit. c).
Hinzu kommt die jüngst verabschiedete Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft. Die InfoSoc-Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten zu einem angemessenen Rechtsschutz gegen die Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen durch eine Person, der bekannt ist oder den Umständen nach bekannt sein muss, dass sie dieses Ziel verfolgt (Art. 6 Abs. 1). Allerdings ist ein solcher Schutz problematisch, wo die technischen Schutzsysteme gesetzliche Vorgaben unterminieren. Das ist zum Beispiel bei SCMS der Fall, sofern das gesetzlich erlaubte Erstellen privater Kopien technisch unmöglich gemacht wird. Ähnliches gilt für die Regional Encoding Enhancements, die mit dem Erschöpfungsgrundsatz (§ 17 Abs. 2 UrhG) und dem Prinzip der Warenverkehrsfreiheit kollidieren. Nach Art. 6 Abs. 4 S. 1 der InfoSoc-Richtlinie treffen die Mitgliedstaaten auch Schutzmaßnahmen gegen technische Sperren, sofern diese den gesetzlichen Schranken widersprechen.
Für das Verhältnis zur Privatkopierfreiheit sieht Art. 6 Abs. 4 S. 2 allerdings nur noch vor, dass ein Mitgliedstaat hier tätig werden "kann" ("may"). Es wird künftig möglich sein, dass technische Sperren das Erstellen privater Kopien verhindern und die EU-Staaten hier nicht zum Schutz des Endnutzers vorgehen. Im Übrigen können die Rechteinhaber solche Sperren auch setzen, wenn sie selbst die Vervielfältigung zum privaten Gebrauch ermöglichen (Art. 6 Abs. 4 S. 2 a. E.).