Einleitung
Die europäische Sicherheitspolitik steht und fällt mit dem Willen und der Fähigkeit Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens zur engen Kooperation und gemeinsamen Führung. Diese These wird durch die sicherheitspolitischen Schlüsselereignisse der vergangenen Jahre gestützt: Ob es sich um die Krisen auf dem Balkan handelte oder den Aufbau einer gemeinsamen europäischen Sicherheitspolitik, ob im Vorfeld des Irak-Krieges oder bei der Entwicklung einer gemeinsamen Sicherheitsstrategie, immer spielten die Regierungen in Berlin, Paris und London eine entscheidende Rolle. Dabei schwankte die Bereitschaft zum gemeinsamen Vorgehen der Drei angesichts der großen Herausforderungen stets zwischen engem Schulterschluss und fast vollständiger Dissonanz.
Im Mittelpunkt dieses Beitrags steht die Frage, wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien bisher mit dieser Verantwortung umgegangen sind bzw. wie sie ihr heute gerecht werden. Hierfür ist ein knapper Rekurs auf Hoffnungen und Realisierungsversuche der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts erforderlich, um die Antriebskräfte und Hemmnisse besser zu verstehen, die in der europäischen Sicherheitspolitik weiter wirksam sind. Vor diesem Hintergrund soll eine Bewertung der aktuellen Aktivitäten des europäischen Führungstriossowie eine Einschätzung der Entwicklungsperspektiven erfolgen.
Europäische Sicherheitspolitik
Zu Beginn der neunziger Jahre hatte der kaum für möglich gehaltene gesamteuropäische Umbruchprozess Hoffnungen auf eine Realisierung des lange gehegten europäischen Wunsches nach einer engen Kopplung der nationalen Außen- und Sicherheitspolitiken genährt.
Die erste bestand darin, dass einer der unabdingbaren Partner für eine außen- und sicherheitspolitisch handlungsfähige Europäische Union, die britische Regierung, dem Vorhaben zwar nicht völlig ablehnend, aber doch traditionell sehr zurückhaltend gegenüberstand. Das übliche "integrationspolitische Muster", um den reluctant partner von der Insel durch einen entschlossenen deutsch-französischen Schulterschluss mitzuziehen, konnte nicht angewendet werden, weil für eine überzeugende sicherheitspolitische Kooperation der Europäer die militärisch potenten und erfahrenen Briten von Beginn an gebraucht wurden.
Die zweite Hürde, die schwierige Vereinbarkeit von außen- und sicherheitspolitischen Traditionen der Beteiligten, war nicht weniger hoch: Die über vierzig Jahre gewachsene, enge sicherheitspolitische Bindung der meisten EU-Staaten an die USA über die NATO konnten und wollten die meisten Regierungen nicht einfach ad acta legen und durch ein vages europäisches Konstrukt ersetzen. Für die Überwindung dieser Hürde kam es im Wesentlichen auf die deutsche und die britische Regierung an, die einen Weg zwischen Sicherung der amerikanischen Unterstützung und größerer europäischer Eigenständigkeit finden mussten. Die Franzosen als traditionelle NATO-Skeptiker waren die Leidtragenden dieses "Emanzipationsdilemmas" der beiden potenziellen Führungspartner: Die militärisch starken Briten waren für eine glaubwürdige europäische Sicherheitspolitik kaum zu gewinnen; die Deutschen waren zwar für europäische Projekte zu begeistern, blieben aber sicherheitspolitisch außerhalb des atlantischen Bündnisses weitgehend handlungsunfähig.
Dies verweist auf die dritte Hürde auf dem Weg zu einer glaubwürdigen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik: der Realisierungsbereitschaft mit allen Konsequenzen. Sollte es tatsächlich gelingen, Einigkeit hinsichtlich eines glaubwürdigen Konzepts europäischer Sicherheitspolitik zu erzielen, stünde dieser immer noch die Realisierungshürde im Weg. Die Zwickmühle, in die sich insbesondere die Deutschen mit ihrer grundsätzlichen Bereitschaft zum Schulterschluss mit den Franzosen bei gleichzeitig fortbestehendem Bekenntnis zur NATO hineinmanövrierten, verhieß für die Umsetzungsschritte nichts Gutes. Hinzu kommen limitierte Mittel und eine "strategische Kultur" der Bundesrepublik, die von äußerster Zurückhaltung geprägt ist. Der fortbestehende Selbstanspruch der Regierungen in London und Paris, die als global handlungsbereite Mächte auch weiterhin unabhängig militärisch handlungsfähig bleiben wollen, verstärken diese "Glaubwürdigkeitshürde".
Die nur schwer zu vereinbarenden Logiken im idealistisch geprägten Integrationsprozess und auf dem pragmatisch orientierten Sicherheitssektor, gepaart mit den angesprochenen Halbherzigkeiten, sind der Grund dafür, warum gerade im Bereich der europäischen Sicherheitspolitik so viele Projekte bisher gescheitert sind. Ein ehemaliger WEU-Generalsekretär hat dies in ein eindrückliches Bild von einem wahren Friedhof an missglückten Initiativen gefasst: "... the graveyard of aborted attempts to bring about a European Union, a graveyard where the tombs are many, the most numerous ones contain the initiatives devoted to the creation of a European security dimension."
Die Notwendigkeit zur engen sicherheitspolitischen Kooperation war angesichts der komplexen außen- und sicherheitspolitischen Herausforderungen in einer globalisierten Welt, mit ethnopolitischen Kriegen, der Proliferation von Massenvernichtungswaffen und der Ausbreitung neuer Gefahren, gleichwohl unbestritten. Über die daraus zu ziehenden Konsequenzen gingen jedoch die nationalen Meinungen auseinander.
Hindernisse auf dem Weg zur ESVP
Wie schwierig es war, trotz günstiger Rahmenbedingungen eine handlungsfähige europäische Sicherheitspolitik zu etablieren, zeigten die Bemühungen in den neunziger Jahren. Im konzeptionellen Bereich galten die Anstrengungen primär der Überwindung der unangefochtenen transatlantischen Vormachtstellung der USA: Bis die drei EU-Partner über den Umweg eines mühsam erkämpften Ausbaus der Westeuropäischen Union (WEU) schließlich die Führung bei der Entwicklung einer Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) mit autonomem europäischem Handlungspotenzial übernahmen, dauerte es fast ein Jahrzehnt.
Die Einsicht, dass die Lücke zwischen europäischem Wunschdenken hinsichtlich einer von den USA unabhängigen Handlungsfähigkeit und dem einsetzbaren Potenzial der Europäer riesig war, reifte gerade bei den französischen Präsidenten nur langsam. Die konzeptionellen Vorstellungen François Mitterrands, zusammen mit Helmut Kohl an den ungeliebten Briten vorbei in Maastricht die Keimzelle für eine NATO-unabhängige EU-Sicherheits- und Verteidigungspolitik unter Zuhilfenahme der WEU zu installieren, scheiterten kläglich.
Eine zentrale Rolle auf dem Weg zu dieser trilateralen Annäherung und der letztlich gemeinsam betriebenen Institutionalisierung der ESVP spielten die Praxiserfahrungen beim Umgang mit den Konflikten im ehemaligen Jugoslawien.
Erfahrungen in Jugoslawien
Die praktischen sicherheitspolitischen Kooperationsschwierigkeiten zwischen Bonn, Paris und London, die mit den konzeptionellen Anstrengungen vor und in Maastricht parallel liefen, führten zu erheblichen Dissonanzen
Diese demütigende Erfahrung in Verbindung mit der neuerlichen Demonstration europäischer Reaktionsunfähigkeit sowie die Abhängigkeit von den Amerikanern in der sich verschärfenden Kosovo-Krise des Jahres 1998 waren Antriebskräfte für die britisch-französische Initiative von St. Malo. Die rasche und trilateral eng abgestimmte Entwicklung der ESVP unter der deutschen EU- und WEU-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 1999 - parallel zur Kosovo-Intervention der NATO unter amerikanischer Führung - weist auf das durchaus existierende Führungspotenzial der "großen Drei" hin: Innerhalb nur eines Jahres gelang es den Europäern, alle Hürden auf dem Weg zum Aufbau einer eigenständigen EU-Struktur im ESVP-Bereich zu beseitigen. Dabei hatte sowohl die Regierung Blair die traditionelle britische Weigerung zur Schaffung rein europäischer Institutionen für die Sicherheitspolitik adacta gelegt, als auch die französische Führung unter Chirac ihre Ablehnung einer Kopplung der europäischen Anstrengungen an die bestehenden transatlantischen Verbindungen aufgegeben. Die Feinabstimmung, die innerhalb eines weiteren Jahres zwischen dem EU-Gipfel von Helsinki im Dezember 1999 und dem Gipfel von Nizza ein Jahr später erfolgte, offenbarte zwar erneut Divergenzen zwischen Paris und London hinsichtlich des Autonomiegrades der ESVP beim geplanten Rückgriff auf NATO-Ressourcen. Der Zwang, die ESVP einvernehmlich im Vertrag von Nizza zu verankern, disziplinierte jedoch aufkeimende Sonderwünsche der Drei.
Die Grenzen trilateraler Führungsverantwortung in dieser dynamischen Phase des ESVP-Aufbaus wurden durch die deutsch-französischen Streitigkeiten über die Stimmengewichte im Ministerrat vor und während des Nizza-Gipfels erkennbar
Führungsversuche
Einen neuen Anstoß zur Wiederbelebung des trilateralen Führungswillens in Deutschland, Frankreich und Großbritannien lieferten die Terrorangriffe auf die USA im September 2001, und zwar im Sinne einer Solidarisierung mit dem westlichen Bündnispartner. Dieser kam in zwei exklusiven, dreiseitigen Treffen von Schröder, Chirac und Blair in kurzem Abstand in Gent und London im Oktober 2001 zum Ausdruck.
Die dreiseitige Geschlossenheit der EU-Mächte erlahmte rasch wieder. Die Treffen von Gent und London entpuppten sich als Strohfeuer, denen die Substanz fehlte. Als es zu Beginn des Jahres 2002 darum ging, trilaterale Einigkeit zum Wohle der EU und zur Fortentwicklung von GASP und ESVP im als "großer Wurf" geplanten EU-Verfassungskonvent zu demonstrieren, mangelte es den Regierungen in Berlin, Paris und London erneut an Initiativen und am gemeinsamen Bindungswillen. Die Vorzeichen für eine enge Abstimmung der Drei angesichts der globalen Lageverschärfung nach dem noch mehrheitlich unterstützten Afghanistan-Feldzug waren somit bereits wieder ungünstig.
Irak-Desaster
Die wachsenden Spannungen zwischen den wichtigen europäischen Hauptstädten in der Beurteilung der Lage im Irak seit dem Sommer 2002 und der daraus zu ziehenden Konsequenzen kamen folglich nicht überraschend. Die Vehemenz und die sich kontinuierlich entwickelnde Dynamik, mit der die Meinungsverschiedenheiten über das richtige Vorgehen im Irak - und damit die Art der Kooperation mit den USA in dieser Frage - wuchsen und im Winter 2002/2003 eskalierten, mussten jedoch verwundern.
Die trilateralen Divergenzen führten zu einer Spaltung der EU-Mitglieder und der Beitrittsaspiranten in zwei einander unversöhnlich gegenüberstehende Lager. Die Regierungen in London, Paris und Berlin stellten ihren mangelnden Willen, sich innerhalb des EU-Rahmens auf eine gemeinsame Position zu einigen, während der Diskussion des Irak-Problems im UN-Sicherheitsrat, flankiert von den USA bzw. Russland, öffentlich zur Schau. Begleitet wurde diese Demonstration der Uneinigkeit durch gegensätzliche bi-,tri- und multilaterale Initiativen im ersten Halbjahr 2003, die den Eindruck einer dauerhaften und tief greifenden Spaltung zwischen Deutschland, Frankreich und Großbritannien entstehen ließ: Dem engen Schulterschluss Schröders und Chiracs anlässlich des 40. Jubiläums des Elysée-Vertrags im Januar folgte eine Erweiterung des "Verweigererpaares" um Russlands Präsident Putin beim Dreier-Gipfel von St. Petersburg; diesem antiamerikanischen Signal setzten stärker transatlantisch orientierte europäische Regierungen ihren "Brief der Acht" entgegen; dieser Solidaritätsbekundung für die USA ließen Berlin und Paris, flankiert von Brüssel und Luxemburg, Ende April ein Treffen zur Initiierung einer "Europäischen Verteidigungsunion" folgen, das wegen seiner mangelnden Substanz umgehend als "Pralinen-Gipfel" verspottet wurde.
Die Anstrengungen für eine eigenständige EU-Sicherheitspolitik, getragen und maßgeblich vorangebracht durch das europäische Führungstrio, lagen nach diesen Auseinandersetzungen in Trümmern. Trotzdem starteten Schröder, Chirac und Blair nur wenige Monate später, im September des gleichen Jahres, medienwirksam erneut eine gemeinsame Initiative, nach außen demonstriert durch einen Auftritt vor dem Berliner Kanzleramt.
Durch ihre öffentlich demonstrierte "Versöhnung von Berlin" konnten sich Schröder, Chirac und Blair zumindest der Form nach anschicken, die Verfassung zu retten und durch gegenseitige Zugeständnisse bei den sicherheitspolitischen Forderungen hinsichtlich der Errichtung einer militärischen Planungszelle der EU den Weg zur erstmaligen Verabschiedung einer "Europäischen Sicherheitsstrategie" im Dezember zu ebnen.
Das Bemerkenswerteste an dieser "Wendigkeit" der drei Regierungen im Verlauf des Jahres 2003 war die erkennbare Bereitschaft, trotz tiefster diplomatischer Verletzungen den jeweiligen Führungswillen in Europa als oberste Priorität zu bewahren. Da die Führungsfähigkeit für alle Drei nur gemeinsam zu bewerkstelligen war, nahmen sie die Annäherung an die verschmähten Kontrahenten im Irak-Disput als notwendigen Schritt in Kauf.
Erfolge militärischer Kooperation
Der generelle Kooperationswille kam auch in den großen Fortschritten auf dem Weg zu einer operationalisierbaren ESVP im Laufe dieses für die EU als annus horribilis beginnenden Jahres 2003 zum Ausdruck. Diese verdeutlichen einerseits den Kontrast zwischen sicherheitspolitischen Grundsatzdiskussionen und europäischer Praxis, machen andererseits aber auch die Eigendynamik der ESVP erkennbar: Nach der Übernahme der langjährigen UN-Polizeimission in Bosnien durch die EU folgte im März 2003 der erste militärische ESVP-Aktivierungsschritt durch die Entsendung der Mission "Concordia" nach Mazedonien (FYROM), mit der die dort seit Herbst 2001 stationierten NATO-Einheiten abgelöst wurden. Forciert durch Paris, starteten europäische Friedenssoldaten im Laufe des Sommers 2003 mit der Mission "Artemis" in der Provinz Bunia im Nordosten des Kongo (DRC) erstmals eine eigenständige EU-Operation, die das Feld für eine später folgende UN-Mission in dieser Krisenregion bereitete.
Die erfolgreiche Ablösung der SFOR in Bosnien-Herzegowina zur Sicherung des Friedens von Dayton im Dezember 2004 durch die EUFOR mit der Mission "Althea" weist auf die positive Bewertung der bisherigen "Performance" der EU in diesem Spektrum der Petersberg-Aufgaben durch ihre Mitglieder - und die USA - hin.
Schwieriger ist die Situation im Bereich der "Friedenserzwingung" mittels eines robusten Mandates: Nach den diesbezüglichen Beschlüssen von Helsinki 1999 ("European Headline Goal") und den Verpflichtungserklärungen der EU-Mitglieder in der Folgezeit ("Capability Commitments") besteht inzwischen die (theoretische) Option zum Einsatz einer European Rapid Reaction Force (ERRF). Diese europäische Eingreiftruppe ist bisher jedoch weder in ihrer Maximalbesetzung von 60 000 Mann noch in kleinerem Umfang im militärisch anspruchsvolleren Spektrum der Petersberg-Aufgaben zum Einsatz gekommen. Dies ist einerseits auf die Umbrüche seit dem 11. September 2001 zurückzuführen, andererseits aber auch ein Ergebnis mangelnder Einigkeit auf Seiten der drei EU-Partner. Ungeachtet der gemeinsam verabschiedeten Sicherheitsstrategie halten alle Europäer an ihren traditionellen Handlungsmustern fest
Außerdem fügt sich der kollektive Handlungsunwille der Europäer bei internationalen Krisen, wie den vielen "Staatenzerfallskonflikten" in den letzten Jahren in Afrika - z.B. im Sudan bzw. in Darfur -, nahtlos in die generelle Zurückhaltung der internationalen Staatengemeinschaft ein.
Iranische Atomkrise als Chance
Neben den militärischen ESVP-Aktivitäten weisen die jüngsten außen- und sicherheitspolitischen Initiativen der drei EU-Partner auf die Chancen einer engeren diplomatischen Kooperation der "EU-3"
Obwohl die politisch Verantwortlichen des Iran bislang von Berlin, Paris und London nicht zu einem verbindlichen Verzicht auf eineigenständiges Atomprogramm bewogen werden konnten, wurde das drohende Szenario eines amerikanischen Militäreinsatzes gegen die Atomanlage in Isfahan zunächst abgewendet. Die Mullahs in Teheran haben durch ihre Verhandlungen mit den drei Europäern außerdem demonstriert, dass sie diese als ehrliche Makler akzeptieren und deren Angebote für langfristige Kooperationsbeziehungen zur EU bei ihren Entscheidungen berücksichtigen.
Für die EU insgesamt liefert die Iran-Erfahrung der Drei zudem ein weiteres Beispiel dafür, dass die Union sicherheitspolitisch ihr Potenzial dort ausbauen sollte, wo sie konkurrenzlos erfolgreich ist: im ökonomisch unterfütterten Sektor der "soft power". Ob es die ökonomisch dominierte Strategie der Stabilisierung und Einbindung Mittel- und Osteuropas nach 1990 oder die "post-conflict"-Absicherung des Balkans seit 1995 bzw. 1999 mittels massiver Wirtschaftsanreize war, hier zeigt sich die wahre europäische Stärke im Umgang mit Krisenfällen. Während das militärische Potenzial und die Fähigkeit zur "power projection" auf Seiten der Europäer - gerade im Vergleich zu den USA - immer von Unzulänglichkeiten geprägt sein wird, besteht das weltweit einmalige Repertoire der EU in deren ökonomischem Anreizinstrumentarium. Für dessen glaubwürdige Vermittlung spielen die EU-Führungspartner Deutschland, Frankreich und Großbritannien eine Schlüsselrolle.
Trilaterale Führung
Die Bilanz bisheriger europäischer Sicherheitspolitik fällt ebenso ambivalent aus wie die Bewertung der Führungsrolle Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens. Die Aussichten für eine fortschreitende sicherheitspolitische Abstimmung zwischen den europäischen Hauptstädten sind aber durchaus ermutigend: Die problemlose Übernahme von ehemals NATO-geführten Militärmissionen auf dem Balkan und die substanzielle Mitwirkung am "Kampf gegen den Terrorismus" zeigen die Bedeutung der sicherheitspolitischen Möglichkeiten der Europäer. Bei den nicht-militärischen sicherheitspolitischen Aktivitäten ist die EU ebenfalls sehr erfolgreich (Stabilisierung des Balkan). Im Fall des Iran ist es den Regierungen in Berlin, Paris und London gelungen, Führungsqualitäten für die EU in einer Frage von weltpolitischer Bedeutung zu entwickeln. Die bisherige Unklarheit hinsichtlich des Ausgangs der Verhandlungsbemühungen ficht die EU-3 nicht an, da es ihnen zumindest gelungen ist, die Krise in feste Verhandlungsbahnen zu lenken.
Die Aussichten für eine Ausweitung der außen- und sicherheitspolitischen Handlungsfähigkeit der EU sind durchaus positiv zu bewerten, wenn die drei großen Mitgliedstaaten eingebunden bleiben und der Schwerpunkt auf einer intensivierten Kooperation und nicht primär auf Vergemeinschaftungsschritten liegt. Um weitere Fortschritte erreichen zu können, bedarf es jedoch, wie in den zurückliegenden Jahrzehnten, eines "wohl dosierten" Personalwechsels: Die Koinzidenz der Amtsübernahme durch die "Paarungen" Schmidt-Giscard d'Estaing und Mitterrand-Kohl schuf die Basis für dynamische Führungskonstellationen. Die gestaffelte Ablösung von François Mitterrand durch Jacques Chirac und von John Major durch Tony Blair brachte in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre den Freiraum, um langjährige Erstarrungen, insbesondere in der europäischen Sicherheitspolitik, zu überwinden.
Ein Regierungswechsel in der Bundesrepublik im Herbst 2005 hat für sich genommen nur geringe Auswirkungen. Erst wenn Präsident Chirac den Elysée-Palast im Jahr 2007 verlassen wird, entsteht wieder ein größerer Kooperationsspielraum für das EU-Führungstrio. Dies hängt damit zusammen, dass die EU-Dreierkonstellation derzeit wesentlich durch die tief greifende Verstimmung zwischen Chirac und Blair in ihrer Entfaltung gehemmt ist. Insofern ist das Scheitern des Ratifizierungsprozesses zur EU-Verfassung am französischen "Nein" für die trilaterale Handlungsfähigkeit von erheblicher Bedeutung. Der fast völlige Verlust des innenpolitischen Rückhalts verbaut Präsident Chirac für die verbleibenden eineinhalb Jahre seiner Amtszeit den Weg zu neuerlichen ambitionierten Initiativen zusammen mit den potenziellen Führungspartnern in Berlin und London.
Ein weiterer Grund für die mittelfristige Blockade einer engen trilateralen Abstimmung ist die erbitterte Auseinandersetzung um den EU-Finanzrahmen 2007 - 2013 zwischen Chirac und Blair, die deren Kooperationswillen bis zur Entscheidung im Jahr 2006 nachhaltig beeinträchtigen wird. Eine neu gewählte Bundesregierung, gleich welcher politischen Couleur, kann hieran wenig ändern, da der notwendige Spielraum für Vermittlungsaktionen zwischen London, Paris und Berlin angesichts der hart umkämpften Neuverteilung der "EU-Finanztöpfe" praktisch nicht vorhanden ist. Das "alte" deutsch-französische Führungstandem hat zudem seine positive Gestaltungsfunktion für die EU während der Amtszeit Schröders und Chiracs verloren.
Für die ESVP stellt ein (vorübergehendes) Fehlen neuer Initiativen von Seiten der EU-3 jedoch kein großes Problem dar, da die Umsetzung der sicherheitspolitischen Vereinbarungen der letzten Jahre ohnehin genügend Ressourcen bindet. Die europäische Sicherheitspolitik bleibt damit auch in trilateralen Krisenzeiten auf stabilem Kurs.