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Die Arbeitsmärkte - Stellgröße für mehr Beschäftigung? | Wirtschaftspolitik | bpb.de

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Die Arbeitsmärkte - Stellgröße für mehr Beschäftigung?

Friedhelm Hengsbach

/ 19 Minuten zu lesen

Die Reformenergie der rot-grünen Koalition war auf den Arbeitsmarkt als Stellgröße für mehr Beschäftigung konzentriert. Die Funktion der Güter- und Finanzmärkte für mehr Beschäftigung bleiben weitgehend ausgeblendet.

Einleitung

Als Bundeskanzler Gerhard Schröder im März 2003 seine mit Spannung erwartete "Aufbruch-Rede" hielt, mit der er die Agenda 2010 ankündigte, waren die in- und ausländischen Medien tief beeindruckt. "Deutschland bewegt sich, das Land ist reformfähig, es wirft die rote Laterne im europäischen Geleitzug weit von sich", so klangen die euphorischen Kommentare.

Von dieser Euphorie ist wenig übrig geblieben. Eine Serie von Landtagswahlen, die für die SPD ruinös ausfielen, haben den Kanzler veranlasst, auf vorgezogene Neuwahlen zu setzen. Dazu hatten fünf Parteien Wahl- oder Regierungsprogramme skizziert, die dem Thema Arbeit den ersten oder einen sehr hohen Rang einräumen und die soziale Gerechtigkeit verstärkt in den Blick nehmen. Die Wählerinnen und Wähler haben jedoch weder den von der Opposition angekündigten Eingriffen in erkämpfte Arbeitnehmerrechte noch den arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Einschnitten der rot-grünen Koalition zugestimmt. Ist der Arbeitsmarkt überhaupt die richtige Stellgröße für mehr Wachstum und Beschäftigung? Die Antwort darauf soll in einer Prüfung jener arbeitsmarktpolitischen "Reformen" gesucht werden, die in der Öffentlichkeit diskutiert werden.

Selektion

Die Arbeitslosigkeit in Deutschland ist strukturell verursacht. So lautet ein dominantes Urteil auf Grund selektiver Wahrnehmung. Friktionelle, saisonale, konjunkturelle, technikinduzierte oder exogene Ursachen gelten als nachrangig. Nun gibt es verschiedene Strukturbrüche, die, indem sie kumuliert auftreten, eine Massenarbeitslosigkeit erklären, etwa die polarisierte Verteilung der Einkommen und Vermögen, das regionale Gefälle zwischen Ost- und Westdeutschen, die Ungleichheit der Lebenschancen von Männern und Frauen, die Umschichtung der kaufkräftigen Nachfrage von Industriewaren zu kulturellen Dienstleistungen, die Funktionsdefizite im Zusammenspiel von monetärer und realwirtschaftlicher Sphäre sowie reale Zinsdifferenzen in den Ländern der EU, die bei nominal gleichem Zinssatz und unterschiedlichen Inflationsraten auftreten. Bei diesem Ursachenspektrum ist es verwunderlich, dass in der rot-grünen Koalition den Strukturbrüchen auf dem Arbeitsmarkt ein derartiges Gewicht zur Erklärung der hohen und anhaltenden Arbeitslosigkeit zukam.

Sie folgte dabei dem hegemonialen Erklärungsmuster, das von wirtschaftlichen Experten vertreten und von marktbestimmenden Medien verbreitet wird. Unter den deutschen Ökonomen gilt nahezu unangefochten die Hypothese einer "natürlichen" Arbeitslosigkeit. Diese Form struktureller Arbeitslosigkeit wird auch als "inflationsstabile Arbeitslosigkeit" bezeichnet. Sie könne durch eine wachsende Güternachfrage zwar verringert werden, aber nicht ohne gleichzeitig einen Anstieg der Inflationsrate zu riskieren. Als Ursache einer solchen Arbeitslosigkeit werden in erster Linie institutionelle Starrheiten des Arbeitsmarkts, etwa ein komfortables Arbeitslosengeld, starke Gewerkschaftsmacht und flächendeckende Tarifverträge genannt.

Der Begriff einer "inflationsstabilen" Arbeitslosenquote ist jedoch aus zwei Variablen gebildet, nämlich der Zahl der Arbeitslosen und der Inflationsrate, die jeweils von unterschiedlichen mikro- und makroökonomischen Faktoren beeinflusst werden. Im Vergleich mit den institutionellen Starrheiten des Arbeitsmarktes wird das Gewicht, das eine überdehnt restriktive Geldpolitik und als deren Folge eine minimale Inflationsrate für die Höhe und Entwicklung der Arbeitslosigkeit spielen, systematisch unterschätzt, und zwar gerade dann, wenn die Nominallöhne nach unten starr sind. Nicht auszuschließen ist, dass eine Nullinflation im Vergleich mit einer dreiprozentigen Inflationsrate die langfristige natürliche Arbeitslosigkeit ansteigen lässt. Weitere makroökonomische Bestimmungsfaktoren der Arbeitslosigkeit sind eine sinkende Produktivitätsrate und ein steigendes Realzinsniveau. In Anbetracht unsicherer Schätzergebnisse sollten jedenfalls beide Varianten, die makroökonomische und die mikroökonomische Erklärung der natürlichen Arbeitslosenquote, im Blick bleiben.

Arbeitsmärkte

Die Fixierung auf den singulären Arbeitsmarkt teilte die rot-grüne Koalition mit den wirtschaftlichen Führungskräften und Experten sowie den bürgerlichen Eliten. Selbst in den Gutachten des Sachverständigenrats der vergangenen Jahre wird ganz oder fast ausschließlich vom Arbeitsmarkt in der Einzahl geredet. Aber Arbeitsmärkte existieren real in der Mehrzahl - wie die Güter- und Finanzmärkte. Das beweisen nicht nur die regional und nach Branchen differenzierten Tarifverträge, sondern vor allem die Trennlinien zwischen unbefristeten, sicheren und befristeten bzw. prekären Arbeitsverhältnissen sowie die fließenden Grenzen zwischen Teilzeitarbeit, geringfügiger Beschäftigung, Leiharbeit, Scheinselbständigkeit und öffentlich erzwungener Arbeit mit Mehraufwandsentschädigung. Selbst die trennende, wenngleich fragwürdige Systematik eines ersten und zweiten Arbeitsmarktes widerlegt die Unterstellung, dass die Verhältnisse auf den Arbeitsmärkten gleich seien und sich gleichsinnig entwickeln würden.

Arbeitsmärkte sind abgeleitete Märkte. Dass sich die Nachfrage nach Arbeitskräften mit zeitlicher Verzögerung belebt, wenn vorher eine dynamische und anhaltende kaufkräftige Nachfrage nach Gütern wirksam geworden ist, belegt die wirtschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik in den vergangenen Jahrzehnten bis in die neunziger Jahre hinein. Die Exportdynamik der deutschen Wirtschaft ist der wachsenden weltwirtschaftlichen Nachfrage zu verdanken. Der angespannte Blick der Politiker auf den konjunkturellen Aufschwung wäre unbegründet, würden sie nicht erwarten, dass sich die Arbeitsmärkte entspannen, sobald die Güternachfrage ansteigt.

Aus sozialethischer Sicht sollte behutsam von "Arbeitsmärkten" geredet werden. Zwar ist die Rede von angebotener und nachgefragter Arbeit, die ihren Preis hat, nicht zu beanstanden. Es lassen sich auch Determinanten des Angebots und der Nachfrage identifizieren. Aber folgt daraus, dass für das Gut Arbeit dieselben Marktregeln wie für Nahrungsmittel, Industriewaren und Finanzgeschäfte gelten? Erwerbsarbeit ist etwas Notwendiges und etwas Persönliches, das vom Subjekt der Arbeit nicht getrennt werden kann. Notwendig ist sie, weil sie den Lebensunterhalt aus eigener Leistung sichert. Einen Eigenwert hat sie als Mittel gesellschaftlicher Anerkennung, persönlicher Identität und wirtschaftlichen Wohlstands. Menschen haben Würde, unabhängig von ihrer Arbeitsleistung.

Kündigungsschutz

Der besondere Kündigungsschutz ist seit Jahrzehnten Gegenstand öffentlicher Kontroversen. Wegen der besonderen sozialen Bedeutung des Arbeitsverhältnisses soll der Arbeitgeber nicht willkürlich und ohne sachlichen Grund kündigen dürfen. Auch die Mindestzahl der in einem Betrieb Beschäftigten spielt eine Rolle. Sie lag 45 Jahre lang bei fünf Beschäftigten, bis die Regierung Kohl sie auf zehn Beschäftigte heraufsetzte. Die rot-grüne Koalition stellte 1998 den ursprünglichen Zustand wieder her. Aber im Zusammenhang mit der Agenda 2010 wurde der Schwellenwert wieder auf zehn Beschäftigte angehoben.

Die beschäftigungshemmende Wirkung des Kündigungsschutzes und die positive Wirkung seiner Lockerung werden mehr aus anekdotischer Evidenz behauptet, als dass sie empirisch belegt sind. Internationale Vergleiche isolierter Arbeitsschutzregelungen sind wenig aussagefähig. Empirische Untersuchungen der vergangenen Jahre belegen, dass in Deutschland nur 11 bis 15 Prozent der gekündigten Beschäftigten gegen eine vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung geklagt haben. 15 Prozent der Gekündigten erhielten eine Abfindung. Die Höhe der tatsächlichen Abfindung lag erheblich unter den Beträgen, die in der Öffentlichkeit zirkulieren. Seltsamerweise gingen etwa zwei Drittel der für die Personalpolitik der Betriebe Verantwortlichen irrtümlicherweise davon aus, dass der Kündigungsschutz für ihren Betrieb gelte. Und 14 Prozent aus der Betriebsgrößenklasse mit sechs bis neun Beschäftigten meinten irrtümlicherweise, der Kündigungsschutz gelte für sie nicht. Das tatsächliche Einstellungsverhalten richtet sich also nicht nach den jeweils geltenden Schwellenwerten. Es wird hauptsächlich von der aktuellen wirtschaftliche Lage und den erwarteten Aufträgen bestimmt und davon, wie die alternative Möglichkeit, etwa der Mehrarbeit beurteilt wird.

Arbeitszeiten

Die angeblich starren Arbeitszeitregeln in Deutschland sind ein fortdauernder Anstoß öffentlichen Unbehagens. Helmut Kohls Klage über den "kollektiven Freizeitpark Deutschland" hat sich ins Gedächtnis eingeprägt. Das Institut der deutschen Wirtschaft gab vor kurzem zu bedenken, dass die Arbeitnehmer hierzulande die kürzesten Arbeitszeiten rund um den Globus genießen. Solche Vermutungen münden in den Vorwurf, dass die wöchentlichen Arbeitszeiten zu kurz, die Zahl der Feiertage zu hoch, die Urlaubsansprüche zu umfangreich seien. Peter Hartz hat die Formel vom "atmenden Unternehmen" geprägt; die Belegschaftsmitglieder sollten mit flexiblen Arbeitszeiten auf die schwankende Nachfrage der Kunden reagieren. Die CDU/CSU sieht in verlängerten Arbeitszeiten einen Ausweg aus der Beschäftigungskrise, während die SPD die Belegschaften einzelner Betriebe dafür lobt, dass sie längere Arbeitszeiten akzeptiert habe, um gefährdete Arbeitsplätze in Deutschland zu retten.

Das Arbeitszeitargument ist im internationalen Vergleich nur differenziert verwendbar. Denn die tariflichen, die betrieblich vereinbarten und die tatsächlichen Arbeitszeiten weichen voneinander ab. Die tatsächliche Arbeitszeit betrug 2003 in Deutschland durchschnittlich 40 Stunden, die der Vollzeitbeschäftigten 42 Stunden. Eine um die Teilzeitkräfte bereinigte Statistik aus 16 europäischen Staaten verweist Deutschland ins Mittelfeld. Das Argument, eine allgemeine Verlängerung der Arbeitszeit könne die Wachstumsschwäche überwinden und den Konjunkturaufschwung beschleunigen, klingt nur überzeugend, wenn zahlreiche Glieder einer Argumentationskette ineinander greifen. Es wird nämlich unterstellt, dass die Verlängerung der Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich eine Senkung der Arbeitskosten bewirke und dass die Unternehmer die Kostensenkung in einer Preissenkung ihrer Produkte weitergäben. Die privaten Haushalte würden daraufhin entdecken, dass ihre Realeinkommen ansteigen, und konsequent ihre Konsumnachfrage ausweiten.

Indem entsprechend die Gewinnerwartungen der Unternehmen stiegen, würden diese die Nachfrage nach Investitionsgütern erhöhen und zusätzliche Arbeitskräfte einstellen. Damit sei ein Abbau der Arbeitslosigkeit in Sicht. Aber was geschieht, wenn nur zwei Glieder dieser Argumentationskette brechen? Falls etwa die Unternehmen die Kostensenkung nicht mit einer Preissenkung beantworten? Oder falls die Haushalte die Steigerung ihrer Realeinkommen zwar bemerken, aber sich nicht zu einer Ausweitung des Konsums, sondern - angesichts der tatsächlichen oder befürchteten Einschnitte, die sie als kumulierte Wirkungen der "Sozialreformen" bemerken - vermehrt sparen? Dann hätten die Unternehmen keine Veranlassung mehr, zusätzliche Investitionen zu planen. Die Logik einer Arbeitszeitverlängerung, die einen Wachstumsschub oder einen konjunkturellen Aufschwung auslösen soll, überzeugt nicht.

Tarifverträge

Im Wahlprogramm der FDP von 2005 wird der Flächentarifvertrag als Fremdbestimmung durch Gewerkschaftsfunktionäre eingeschätzt, die ihre Verbandsmacht absichern wollen. Deshalb soll das "Tarifkartell" aufgebrochen werden, um betriebsnahe, maßgeschneiderte Lösungen zu erleichtern. Die CDU/CSU setzt sich behutsamer dafür ein, die Tarifbindung aufzulockern. Demgegenüber hat die rot-grüne Koalition den Willen wiederholt bekräftigt, wichtige Arbeitnehmerrechte nicht anzutasten und Eingriffe in die Tarifautonomie abzuwehren. Aber sie erwartet von den Tarifparteien bei Bedarf eine faire Flexibilität der Tarifverträge. Gleichzeitig folgt sie der Hauptströmung wirtschaftlicher Experten, die unterstellen, dass Flächentarifverträge eine Einigung von "Arbeitsplatzbesitzern" zu Lasten Dritter sind. Arbeitslose würden nämlich vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen, falls sie bereit sind, eine Erwerbsarbeit anzunehmen, deren Entlohnung den Tariflohn unterschreitet.

Die Klage über die strukturelle Starrheit der Tarifverträge ist weithin modisches Lamento und verrät eine verbreitete Unkenntnis der real existierenden Tarifverträge. In Deutschland werden jährlich etwa 40 000 Tarifverträge vereinbart. Dabei gilt ein Branchen- oder Firmenvertrag im Westen nur für 70 und im Osten nur für 55 Prozent der Beschäftigten. Trotz der in der Metall- und Elektroindustrie geltenden tariflichen Wochenarbeitszeit von 35 bzw. 38 Stunden können Unternehmensleitungen und Betriebsräte beispielsweise vereinbaren, dass für 13 bis 18 Prozent, in extremen Fällen für bis zu 50 Prozent der Beschäftigten die Arbeitszeit dauerhaft auf 40 Stunden ausgedehnt wird. So kann unter Umständen eine maximale Wochenarbeitszeit von 50 Stunden erreicht werden.

Die Flächentarifverträge, die öffentlich schlecht geredet werden, haben den Korridor zwischen den oberen und unteren Tariflöhnen relativ eng und die Primärverteilung der Einkommen relativ ausgewogen gelassen. "Wohlstand für alle" wurde dadurch realisierbar, dass eine wachsende Binnennachfrage die realen Nettoinvestitionen der Unternehmen angeregt hat, wodurch zusätzliche Arbeitsplätze und Einkommen entstanden, die nachfragewirksam wurden und die Gewinnerwartungen der Unternehmen erhöhten. Seitdem die Flexibilisierung der Tarifverträge und betriebsnahe Vereinbarungen propagiert werden, hat sich die Schere zwischen den Lohn- und den Gewinneinkommen geöffnet.

Das duale System, das die Betriebsräte, die stellenweise in die Rolle von Ko-Managern hinein gewachsen sind, zur vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der Unternehmensleitung verpflichtet, während die Auseinandersetzungen über das Arbeitsentgelt und die Arbeitsbedingungen den Tarifpartnern überlassen bleiben, hat sich vorteilhaft ausgewirkt, wenn man die Zahl der Produktionsausfälle, die durch Streiks verursacht sind, international vergleicht. Der Arbeitsfrieden wäre erheblich beeinträchtigt, wenn die Konflikte, die zwischen den Tarifpartnern zu regeln sind, in die Betriebe verlagert würden.

Aus sozialethischer Sicht ist die Tarifautonomie ein institutionelles Freiheitsrecht, vor allem jedoch ein wirtschaftlich-soziales Grundrecht von abhängig Beschäftigten. Denn der Einzelarbeitsvertrag steht, obwohl er nach Sklaverei und Leibeigenschaft eine freiheitliche Errungenschaft ist, unter dem Vorbehalt "ungleicher Verträge". Tarifverträge sichern den abhängig Beschäftigten eine halbwegs gleiche Verhandlungsmacht gegenüber dem Arbeitgeber und dem Ergebnis der Vereinbarung die Gewähr, dass sie gerecht ist.

Lohnkosten

Die rot-grüne Koalition hat zwar den globalen Wettlauf um niedrigere Löhne und schlechtere Arbeitsbedingungen abgelehnt; die Löhne in Deutschland seien nicht zu hoch. Sie würdigte jedoch gleichzeitig moderate Lohnerhöhungen als lohnende Beiträge der Beschäftigten, um bedrohte Arbeitsplätze zu sichern. Im Windschatten der Dauerklage von Ökonomen und Arbeitgebern über Deutschland als Hochlohnland, das sich im globalen Wettbewerb nicht behaupten könne, bezeichnete Bundeskanzler Schröder auch den erpressten Lohnverzicht der Belegschaften einzelner Betriebe von DaimlerChrysler, Siemens und Opel als modellhaft für das Land. Sich mit Lohnforderungen zurückzuhalten, wird allgemein als geeignetes Mittel angesehen, um vorhandene Arbeitsplätze in Deutschland zu retten und zusätzliche zu schaffen.

Der fortwährende Export- und Leistungsbilanzüberschuss widerlegt jedoch die Behauptung, Deutschland sei international nicht wettbewerbsfähig. Zwei Drittel der grenzüberschreitenden Geschäfte werden mit anderen westeuropäischen Ländern getätigt. Außerdem zählt im internationalen Vergleich nicht die absolute Lohnhöhe, sondern das Verhältnis von Arbeitsaufwand und Arbeitsertrag. Wenn neben der Lohnhöhe die Arbeitsproduktivität berücksichtigt wird, kommt man zu den "Lohnstückkosten in jeweiliger Währung", die allerdings wechselkursbereinigt und dynamisiert werden müssen. Nun sind diese Lohnstückkosten von 1995 bis 2003 in Deutschland weniger als in allen anderen Industrieländern mit Ausnahme Japans gestiegen. Eine Standortschwäche der deutschen Wirtschaft auf Grund zu hoher Lohnforderungen ist nicht nachweisbar.

Seit einiger Zeit werden die angedrohten und teilweise realisierten Produktionsverlagerungen in Niedriglohnländer als Ursache der hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland genannt. Ein zeitweiliger oder dauerhafter Lohnverzicht der Belegschaften jener Betriebe, die unmittelbar mit Betrieben beispielsweise aus EU-Beitrittsländern konkurrieren, könne die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Arbeitsplätze wieder herstellen. Sollten die Betriebsräte sich weigern, die Betriebskosten zu senken, würden Betriebsteile oder ganze Betriebe in Länder wie Ungarn, Tschechien oder die Slowakei verlagert.

Eine streng einzelwirtschaftliche Aufrechnung von Arbeitszeiten und Lohnkosten greift zu kurz, solange Aspekte der Markterschließung außer Acht bleiben. Sie mag aus betrieblicher und kurzfristiger Perspektive plausibel klingen, nicht jedoch auf der Ebene des Konzerns und der Gesamtwirtschaft. Zwar sind kleine oder mittlere Unternehmen und selbst transnationale Konzerne bemüht, den Prozess einer Strukturanpassung geschmeidig zu gestalten und zu verlangsamen. Dennoch bleibt das Hinausschieben einer auf Dauer unvermeidbaren Produktionsverlagerung in so genannte Niedriglohnländer rein defensiv. Denn auf längere Sicht hin ist es sinnvoll, den Spielregeln der internationalen Arbeitsteilung zu folgen. Die Textilindustrie und andere arbeitsintensive Industrien sind schon vor Jahrzehnten aus Deutschland abgewandert. Dadurch ist der Wohlstand der Deutschen nicht gesunken, sondern gestiegen. Durch eine Produktionsverlagerung werden etwa in Ungarn Arbeitsplätze geschaffen. Es entstehen zusätzliche Einkommen, Massenkaufkraft und Wachstumsimpulse, von denen ein Teil als Nachfrage nach deutschen Exportgütern zurückströmt. Ein Land, das sich wirtschaftlich entwickelt, ist als Handelspartner interessanter als ein Land, das unterentwickelt bleibt.

Lohnstruktur

Den arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Maßnahmen der rot-grünen Koalition, die unter dem Namen Hartz I-IV bekannt sind, lagen zwei Deutungsmuster zu Grunde, die zur Erklärung der verfestigten Massenarbeitslosigkeit in Deutschland herangezogen werden. Ein individuelles Deutungsmuster ist auf das Fehlverhalten insbesondere der einzelnen Langzeitarbeitslosen und Empfänger von Sozialhilfe gerichtet. Sie seien entweder nicht arbeitswillig oder nicht arbeitsfähig. Ihnen fehle eine hinreichende Motivation, sich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen; außerdem fehle eine effiziente Qualifizierung oder eine schnelle Vermittlung. Ein institutionelles Deutungsmuster macht die starre Lohnstruktur und die nivellierende Lohnpolitik der Gewerkschaften für die überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit unter den gering Qualifizierten verantwortlich. Dadurch und durch komfortable Lohnersatzleistungen seien in Deutschland eine Art "Anspruchslohn" und eine "Armuts- oder Sozialfalle" am unteren Rand des Tariflohngefüges entstanden. Folglich soll eine aktivierende Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik "fordern und fördern" - zum einen die Dauer und das Volumen des Arbeitslosengelds und der Arbeitslosenhilfe absenken sowie die Sozialleistungen kürzen, um einen verschärften Druck auf die Langzeitarbeitslosen auszuüben, zum anderen die Arbeits- und Sozialverwaltung organisatorisch zusammenlegen, um die Integration der Arbeitslosen in den regulären Arbeitsmarkt zu verbessern. Im Wahlprogramm der Grünen von 2005 wird den Unternehmen eine Art "Kombilohn", eine öffentliche Entlastung für niedrig entlohnte Arbeitsplätze gering Qualifizierter, in Aussicht gestellt. Privatwirtschaftliche Integrationsfirmen bieten für Langzeitarbeitslose eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt. Indem diese ihre staatlichen Transferleistungen einbringen, wird ihnen im Gegenzug ein tariflich entlohntes Beschäftigungsverhältnis geboten. Das Wahlmanifest der SPD von 2005 umgeht das Thema eines Niedriglohnsektors, obwohl er seit den Hartz-Gesetzen existiert und unter den Namen von Ich-AG, Mini-Job und Ein-Euro-Job als Erfolgsposten geführt wird.

Die rot-grüne Koalition bezog sich zur Rechtfertigung der arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Maßnahmen auf Experten, die ein charakteristisches Merkmal der deutschen Wirtschaft identifiziert haben, nämlich die im Vergleich zu den USA und Japan überdurchschnittliche Kapitalausstattung je Beschäftigten und Arbeitsplatz. Ihrer Meinung nach verschwende die deutsche Wirtschaft Kapital, weil das Arbeitsangebot künstlich knapp gehalten wird und die Arbeitskräfte zu teuer sind. Darauf hätten die Unternehmer mit verstärkter Rationalisierung und der Freisetzung von Arbeitskräften reagiert. Die überdurchschnittliche Ausstattung industrieller Arbeitsplätze mit kapitalintensiver Technik und die hohe Arbeitslosigkeit in den unteren Lohnsegmenten würden sich gegenseitig bedingen. Durch moderate Lohnforderungen unterhalb der Produktivitätsrate und eine allgemeine Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich könnten das Lohnkostenniveau gesenkt, das Verhältnis der Faktorpreise verändert, die Kapitalverschwendung gestoppt, der Arbeitseinsatz erhöht und die Zahl der Arbeitslosen verringert werden.

Die Hypothese, dass die relativ hohe Kapitalausstattung der deutschen Wirtschaft eine Folge der überhöhten Lohnforderungen sei, ist heftig umstritten. Sie lässt sich plausibel umkehren: Der technikgestützte Produktivitätsfortschritt treibt die Lohnentwicklung voran; eine Lohnsenkung vertreibt die installierten technischen Anlagen und Geräte nicht wieder aus den Büros und Montagehallen. Die technischen Innovationen sind vielmehr exogen verursacht. Anders als bei den oft unterstellten Produktionsfunktionen mit hoher Substitutionselastizität ist es in der Realität nur sehr begrenzt möglicht, Arbeit gegen Technik oder Technik gegen Arbeit auszuwechseln, sobald sich das Preisverhältnis der Faktoren ändert.

Kann es in Deutschland trotz einer kapitalintensiven Produktionsstruktur, die für hoch qualifizierte Wissensarbeiter komfortable Löhne rechtfertigt, ein Beschäftigungswunder wie in den USA geben? Eine positive Antwort geben diejenigen, die den Niedriglohnsektor als Lösungsweg aus der hohen Arbeitslosigkeit propagieren. Gering qualifizierte Arbeitslose müssten nur ihre überhöhten Ansprüche an Selbstverwirklichung bei einfachen, niedrig entlohnten Diensten aufgeben, die anzubieten Arbeitgeber in Deutschland als anmaßend und die nachzufragen abhängig Beschäftigte als entwürdigend empfänden.

Jenseits mentaler Barrieren, die durch traditionelle Gewohnheiten verursacht sind, würden in Deutschland daher zwei strukturelle Barrieren als "Armutsfalle" und als "Sozialfalle" wirken. Das unterste Tariflohnniveau könne nämlich nicht unter die Regelsätze der Sozialhilfe absinken. Wären die Arbeitslosen in Deutschland also gezwungen, beliebig gering bezahlte Arbeiten anzunehmen, würden sie nicht darauf warten, dass man ihnen Arbeiten mit einem Entgelt anbietet, das oberhalb der garantierten Sozialleistungen liegt. Außerdem werde jedes zusätzliche Einkommen eines Sozialhilfeempfängers voll auf die Sozialhilfe angerechnet. Infolge dieser beiden Barrieren hätten die Arbeitgeber keine Chance, zusätzliche Arbeitsplätze zu einem niedrigeren Lohnsatz anzubieten, und die Empfängerinnen von Sozialleistungen keine Motivation, solche Arbeiten anzunehmen. Wer diese Fallen beseitigen und gleichzeitig vermeiden wolle, dass Menschen trotz einer vollen Erwerbstätigkeit arm bleiben, müsse den Unternehmen gestatten, im Niedriglohnbereich Arbeitsplätze zu einem "Marktlohn" auch unter Mindesttarif anzubieten, und den Staat verpflichten, diesen Lohn bis auf das sozio-kulturelle Existenzminimum aufzustocken. Das Konzept eines "Kombilohns" oder "lohnergänzender Einkommenszuschüsse" sieht vor, dass ein Mindestlohn unterhalb des untersten Tariflohns festgelegt und durch lohnergänzende staatliche Zuschüsse insoweit aufgestockt wird, dass das Nettoeinkommen bei Vollzeitarbeit über jenem Sozialeinkommen liegt, das dem sozio-kulturellen Existenzminimum einer alleinstehenden Person entspricht. Steigt das Erwerbseinkommen, schmilzt der Zuschuss kontinuierlich ab.

Gegen "lohnergänzende Sozialeinkommen" sind wiederholt erhebliche Bedenken geäußert worden. Sie werden durch empirisch gestützte Vermutungen genährt, dass die fehlende Motivation nicht das Hauptproblem der Arbeitslosen ist, dass die Berechnungen über die angebliche Sozialfalle allenfalls für Ein-Ernährer-Haushalte mit Kindern in Ballungszentren zutreffen, dass die Unternehmen die öffentlichen Lohnkostenzuschüsse mitnehmen und reguläre, sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in subventionierte umwandeln, dass mit der untertariflichen Bezahlung das gesamte Tariflohngefüge ins Rutschen kommt, dass menschliches Arbeitsvermögen nicht weiter kultiviert und veredelt, sondern gleitend entwertet wird, dass die gesamtwirtschaftliche Produktivität absinkt und dass sich die Wirkungen auf dem Arbeitsmarkt in engen Grenzen halten. Die von der rot-grünen Koalition gemeldeten, angeblichen Erfolge mit den Minijobs, Ich-AGs und Ein-Euro-Jobs bei rückläufiger Zahl sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse scheinen diese Vermutungen zu bestätigen.

Lohnnebenkosten

Die neuerdings wieder um sich greifende Debatte über die hohen Lohnnebenkosten in Deutschland zielt auf die Entlastung der Arbeitsverhältnisse von den Sozialbeiträgen. Die Grünen behaupten im Wahlprogramm von 2005, dass nicht die Löhne in Deutschland zu hoch seien, sondern die Lohnnebenkosten. Sie wollen sowohl für die modernen personalintensiven Dienstleistungen in den Sektoren Bildung, Gesundheit, Umwelt und Kommunikation als auch für nicht Qualifizierte oder Frauen, die geringfügig bzw. in Teilzeit beschäftigt sind, die Lohnnebenkosten senken. Die SPD erklärt in ihrem Wahlmanifest von 2005, dass die Dynamik der Lohnnebenkosten gebrochen sei; insbesondere die Reformen im Rahmen der Agenda 2010 hätten sinkende Lohnnebenkosten ermöglicht.

Die Debatte über die zu hohen Lohnnebenkosten hat vermutlich eine Alibifunktion. Die öffentlichen Klagelieder über die zu hohen Steuern haben sich erschöpft, nachdem die von der rot-grünen Koalition zugesicherten Beschäftigungswirkungen einer angeblich epochalen Steuerentlastung ausgeblieben sind. Die Kritik an überhöhten Lohnforderungen ist verstummt, nachdem ein globaler Wettbewerbsnachteil der deutschen Wirtschaft nicht belegt werden kann und die Exportdynamik sich als ungebrochen erweist, während der Zusammenhang von "moderaten" Lohnerhöhungen, stagnierender Binnennachfrage und konkursbedrohten Kaufhäusern allmählich geahnt wird. So füllen die Lohnnebenkosten das entstandene Vakuum in der Arbeitsmarktdebatte. Aber die Konturen einer Argumentation, dass und warum die Lohnnebenkosten zu hoch sind und gesenkt werden müssen, um die Binnennachfrage zu beleben, bleiben merkwürdig unscharf.

Liegt der Stein des Anstoßes in der sich öffnenden Schere zwischen Brutto- und Nettolöhnen? Aber solange das Bruttolohnniveau unverändert bleibt, könnte es den Arbeitgebern gleichgültig sein, welche Kostenart - Lohnkosten oder Lohnnebenkosten - sinkt, welchen Lohnbestandteil sie den Arbeitnehmern direkt auszahlen, welchen sie dem Finanzamt entrichten oder welchen sie den Sozialversicherungen überweisen. Manche Polemik selbständiger Unternehmer richtet sich gegen öffentliche Beiträge und Abgaben, weil sie annehmen, dass solche Lohnanteile in einem schwarzen Loch versinken, ohne nachfragewirksam zu werden.

Propagieren die Arbeitgeber im Einklang mit Ökonomen und Sozialpolitikern eine Senkung der Beitragssätze, damit der Einsatz von Arbeitskräften billiger wird und diese verstärkt nachgefragt werden, sodass den Sicherungssystemen ein zwar geringerer Anteil am Arbeitseinkommen, aber ein unverändertes Finanzvolumen und Leistungsniveau verfügbar bleibt? Aber dann müssten jene bereits genannten Glieder einer theoretischen Argumentations- und praktischen Reaktionskette - Kosten- und Preissenkung, Konsum- und Investitionsschub, mehr Wachstum und Beschäftigung - ineinander greifen. Der idealtypische Regelkreis ist bisher häufig durch real existierende Vetospieler unterbrochen worden.

Wollen die Arbeitgeber etwa mit einer Senkung der Beitragssätze das Leistungsniveau der sozialen Sicherungssysteme verringern, nachdem deren Effizienzreserven ausgeschöpft sind? Dann müsste aber gewährleistet bleiben, dass der Nachfrageausfall, den die leistungsgeminderten solidarischen Systeme verursachen, durch eine Nachfrageausweitung im privaten Sektor kompensiert wird. Diese Nachfragelücke könnte dadurch geschlossen werden, dass die Arbeitnehmer höhere Löhne verlangen oder darauf drängen, dass sie bei den Lohn- und Verbrauchsteuern entlastet werden.

Sind die Arbeitgeber in erster Linie daran interessiert, durch eine Absenkung der Sozialbeiträge ihren Gewinnanteil zu steigern? Beabsichtigen sie eine asymmetrische Verteilung der Beitragslasten? Politische Reformvorschläge, die den Arbeitgeberanteil der paritätischen Beitragsfinanzierung einfrieren wollen, bedienen solche Erwartungen. Aber eine derartige Korrektur der Primärverteilung zu Gunsten der Gewinneinkommen und zu Lasten der Lohneinkommen könnte die kaufkräftige Nachfrage und damit die Profiterwartungen der Unternehmer, die sie an den Absatz ihrer Produkte knüpfen, weiter schrumpfen lassen.

Ist mit der Forderung nach einer Senkung der Lohnnebenkosten, insbesondere der Sozialbeiträge, die Erwartung eines radikalen Umbaus der solidarischen Sicherungssysteme verbunden? Dieser würde darin bestehen, dass die Beitragspflicht ganz von den Arbeitsverhältnissen abgekoppelt und an die volkswirtschaftliche Wertschöpfung gebunden wird. Zweifellos würde ein solches System insbesondere die arbeitsintensiv produzierenden kleinen und mittleren Unternehmen gegenüber den kapitalintensiv produzierenden Großunternehmen und Konzernen begünstigen. Damit wäre die Debatte über die Lohnnebenkosten aus dem Kontext des globalen Wettbewerbs auf eine inländische Verteilungsdebatte zurückgeführt.

Es gibt plausible Argumente, das Gewicht der öffentlichen Debatte über Lohnnebenkosten zu relativieren. Denn zum einen bestehen Lohnnebenkosten nicht bloß aus Sozialabgaben, sondern fast zur Hälfte aus tariflich oder betrieblich vereinbarten Lohnbestandteilen. Zum anderen sind die Fernwirkungen einer Senkung der Lohnnebenkosten kaum überschaubar, wenn beispielsweise Minijobs mit verringerten Sozialabgaben sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse verdrängen. Und schließlich wäre es angebracht, die politische Energie, die auf die Senkung der Lohnnebenkosten verwendet wird, mit den numerischen Resultaten zu vergleichen. Es wurde nämlich errechnet, dass die Stabilisierung der Beitragssätze auf Grund des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes bewirken könnte, dass der Preis eines Herrenkonfektionsanzugs um 70 Cent und der eines Mittelklassewagens um 30 Euro sinkt. Offenkundig erweist sich die Debatte über die Lohnnebenkosten als eine volkswirtschaftliche Nebenarena.

Eine Nebenarena der Beschäftigungspolitik überhaupt sind die Arbeitsmärkte. Wenn es nämlich zutrifft, dass sie abgeleitete Märkte sind, die sich im Sog einer kaufkräftigen Nachfrage auf den Gütermärkten beleben, und wenn es zutrifft, dass die Güternachfrage durch reale Netto-Investitionen angestoßen wird, diese jedoch wiederum durch funktionsfähige Finanzmärkte angeregt werden, dann sind die erste Stellgröße für mehr Wachstum und Beschäftigung nicht die Arbeitsmärkte, sondern die Finanz- und Gütermärkte.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Friedhelm Hengsbach, Das Reformspektakel. Warum der menschliche Faktor mehr Respekt verdient, Freiburg 20052, S.7.

  2. Vgl. Thomas Beissinger, Strukturelle Arbeitslosigkeit in Europa: Eine Bestandsaufnahme, Regensburger Diskussionsbeiträge zur Wirtschaftswissenschaft Nr. 389, Regensburg 2004.

  3. Vgl. Martin Kimmich, Kündigungsschutz unter Druck, Forum Recht Online 3/2004, in: www.forum-recht-online.de/2004/304/304kimmich.htm (29. 9. 2005).

  4. Vgl. Peter Hartz (Hrsg.), Das atmende Unternehmen: Jeder Arbeitsplatz hat seinen Kunden, Frankfurt/M. 1996.

  5. Vgl. Franke Bauer/Eva Munz, Arbeitszeiten in Deutschland: 40plus und hochflexibel, in: WSI-Mitteilungen, 58 (2005), S. 40 - 48.

  6. Vgl. Steffen Lehndorff, Zurück zur 40-Stunden-Woche? - Wirksamkeit und Krise der tariflichen Arbeitszeitregulierung, in: WSI-Mitteilungen, 57 (2004), S. 306 - 311.

  7. Vgl. Werner Sinn, Ist Deutschland noch zu retten?, München 2003, S.96f.

  8. Vgl. Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen, Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit in Deutschland. Entwicklung, Ursachen und Maßnahmen, Bd. I - III, Bonn 1996/97, Band III, 1997, S. 34 - 73 und S. 116 - 139.

  9. Vgl. Zukunftskommission der Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.), Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, sozialer Zusammenhalt, ökologische Nachhaltigkeit. Drei Ziele - ein Weg, Bonn 1998, 243 - 268.

  10. Vgl. Michael Feil/Gerd Zika, Mit niedrigeren Sozialabgaben aus der Beschäftigungskrise?, IAB-Kurzbericht 4/2005; Gerhard Bäcker, Umfinanzierung der Sozialversicherung - Lösung der Beschäftigungs- und Finanzierungskrise?, in: WSI-Mitteilungen, 58 (2005), S. 355 - 361; ver.di Bundesvorstand, Bereich Wirtschaftspolitik (Hrsg.), Mythos "Lohnnebenkosten", Wirtschaftspolitische Informationen, 1/2005; Gerd Zika, Auf die Gegenfinanzierung kommt es an, IAB-Kurzbericht 2/1997.

Dr. oec., geb. 1937; emeritierter Professor für Christliche Gesellschaftsethik an der Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt/M., Leiter des Nell-Breuning- Instituts für Wirtschafts- und Gesellschaftsethik, Offenbacher Landstraße 224, 60599 Frankfurt/M.