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Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsethik | Wirtschaftspolitik | bpb.de

Wirtschaftspolitik Editorial Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsethik Eine wirtschaftspolitische Bilanz der rot-grünen Bundesregierung Die Arbeitsmärkte - Stellgröße für mehr Beschäftigung? Arbeitsmarktpolitik in Deutschland Marktwirtschaft und Sozialstaat: Zukunftsmodell für Deutschland Unternehmen in der Aktiven Bürgergesellschaft

Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsethik

Eilert Herms

/ 19 Minuten zu lesen

Die gegenwärtige Wirtschaftsdebatte trägt nur wirtschaftspolitischen Charakter. Nur diejenigen finden Gehör, die konkrete kurzfristig umsetzbare Lösungen für praktische Probleme anbieten. Der Beitrag gibt auch ethische Antworten auf die Dilemmata.

Einleitung

Die gegenwärtige Wirtschaftsdebatte unseres Landes trägt wirtschaftspolitischen Charakter. Wortmeldungen wirken solange überflüssig, wie sie keine "konkrete" Antwort auf folgende praktischen Fragen anbieten: Wie lässt sich die Konkurrenzfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland im Kontext der Globalisierung wiedergewinnen, erhalten oder steigern? Was muss getan werden, damit sich möglichst alle Haushalte des Landes aufgrund eines Einkommens aus eigener Erwerbstätigkeit im Wirtschaftsprozess erhalten und an ihm teilnehmen können? Und welche - steuerlichen und sonstigen ordnungspolitischen - Maßnahmen müssen ergriffen werden, um eine gerechte Teilhabe aller am Reichtum des Gemeinwesens sicherzustellen? Für alle Antworten gilt der Maßstab der kurzfristigen Umsetzbarkeit und des absehbaren Erfolgs.

Einig sind sich alle, dass eine "konkrete" Antwort auf die letzte Frage bereits konkrete Antworten auf die ersten beiden Fragen voraussetzt. Ebenso, dass alle Maßnahmen zur Herstellung von Verteilungsgerechtigkeit vermieden werden müssen, die absehbar negative Auswirkungen auf die Lösung der beiden ersten Probleme haben würden. Antworten auf diese beiden ersten Fragen haben Vorrang. Vor allem drei solcher Antworten konkurrieren um Gehör und Umsetzung.

Erstens eine Antwort, die Frage eins und zwei auf einen Schlag - und dann auf längere Sicht auch Frage drei - zu lösen verspricht. Sie lautet: Mehr Markt! Nur die möglichst schrankenlose Freisetzung des Wettbewerbs an den Güter-, Kapital-, Rohstoff- und Arbeitsmärkten auf nationaler wie internationaler Ebene werde es der deutschen Wirtschaft erlauben, ihre bestmögliche internationale Stellung zu erringen und das überhaupt erreichbare Maximum an Arbeitsplätzen anzubieten. Unerwähnt lässt diese Empfehlung die Tatsache, dass es keinen Markt ohne Marktordnung gibt, dass keine Marktordnung vom Himmel fällt oder von Natur vorgegeben ist und dass sich daher folgende Fragen stellen: Wie sind die Ordnungen der internationalen und nationalen Märkte beschaffen? Wie sind sie aufeinander abgestimmt? Wer besitzt Einfluss auf die Weiterentwicklung der internationalen und der nationalen Marktordnungen sowie auf ihre Abstimmung und trägt dafür die Verantwortung?

Eine zweite Gruppe von Antworten konzentriert sich auf das zweite Problemfeld. Vorgeschlagen werden Maßnahmen, die unter den aktuell gegebenen Bedingungen das Angebot von Arbeitsplätzen und die Beschäftigung schnell und spürbar steigern könnten. Eine erste Art von Bemühungen zielt dabei auf verbesserte Integration von Arbeitskräften in den Arbeitsmarkt, sei es durch Eröffnung eines zweiten, subventionierten Arbeitsmarktes, sei es durch Umschulungsmaßnahmen oder durch verbesserte Stellenvermittlung. Maßnahmen der ersten Art lassen die Frage nach den Auswirkungen des zweiten Arbeitsmarktes auf den ersten und nach seiner Finanzierbarkeit unbeantwortet, Maßnahmen der zweiten Art setzen voraus, dass ausreichend Arbeit angeboten wird; den faktisch herrschenden Mangel am Angebot von Arbeitsstellen beseitigen sie jedoch nicht. Hier setzt die zweite Art von Bemühungen ein. Sie zielt auf die Schaffung eines vermehrten Angebotes regulärer Arbeitsplätze, allgemein etwa durch Gewährung möglichst günstiger Konditionen für die Beibehaltung oder Wahl Deutschlands als Standort von Unternehmen und speziell durch Senkung von Lohnnebenkosten sowie durch Flexibilisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Beschäftigungsverhältnisse. Bei den zuletzt genannten Maßnahmen bleibt jedoch die Frage nach den sozialen Folgen unbeantwortet. Dasselbe gilt für eine kompensationslose Senkung der Lohnnebenkosten. Schließlich wird aber vor allem bei all diesen Maßnahmen die entscheidende Frage gar nicht erst aufgeworfen, geschweige denn beantwortet: Wie nachhaltig können diese Maßnahmen sein angesichts von zwei Langzeittrends, die den Arbeitsmarkt insgesamt revolutionieren werden: nämlich erstens angesichts seiner Globalisierung und zweitens angesichts des anhaltenden technologiebedingten Rationalisierungsschubes, der zur quantitativen Reduzierung von Arbeitsplätzen führt. Ob diese Reduzierung durch das Auftreten neuartiger Produktions- und Dienstleistungszweige aufgewogen werden kann, ist noch keineswegs ausgemacht.

Eine dritte Antwort, die sich ebenfalls auf das zweite Problemfeld konzentriert, verweist auf eine längerfristige Perspektive. Sie nimmt die Tatsache ernst, dass technologischer Fortschritt und Globalisierung dabei sind, dem Faktor Kapital das Übergewicht gegenüber dem Faktor Arbeit zu verschaffen, und empfiehlt, mit dieser Tiefenentwicklung ein Bündnis einzugehen: Es sei dafür zu sorgen, dass zunehmende Anteile des Lebensunterhalts statt aus Arbeitseinkommen vielmehr aus Einkünften aus Kapitalvermögen gedeckt werden. Auch hierbei wird eine naheliegende Frage nicht beantwortet, nämlich wie dieser Rat in der erforderlichen Breite überhaupt in die Tat umgesetzt werden könnte.

Zwei Verständnisse von Wirtschaftsethik

Um das einzusehen ist eine kurze Verständigung darüber erforderlich, was unter Wirtschaftsethik zu verstehen ist. Zwei unterschiedliche Verständnisse sind dabei im Umlauf. Erstens: Eine verbreitete Auffassung versteht unter Wirtschaftsethik den Inbegriff von Theorien über das wertorientiert vorzugswürdige Verhalten von natürlichen und juristischen Personen in den diversen Interaktionsrollen und -positionen des wirtschaftlichen Lebens. Thema der so verstandenen Wirtschaftsethik sind etwa die Konsum-, Kauf-, Spar- und Investitionsentscheidungen privater Haushalte oder die Investitions-, Entwicklungs- und Produktionsentscheidungen von Unternehmen. Ferner werden das wertorientierte Verhalten aller beteiligten Seiten in den gemeinsamen Institutionen und Vertragsverhältnissen des Wirtschaftslebens, vor allem die verschiedenen Aspekte der Teilnahme an Märkten, diskutiert. Dazu kommt mit der Entwicklung großer und sehr großer Unternehmen das breite Spektrum von Themen, welche die Einstellung und das Verhalten der Besitzer und Angehörigen von Unternehmen zueinander und zum Unternehmen als Ganzem betreffen. Diese Erscheinungen von Interaktion, die innerhalb des Systems Wirtschaft abläuft oder auf es bezogen ist, sind nach dem hier skizzierten ersten Verständnis das Thema von Ethik als Wirtschaftsethik.

Dazu kommt als zweites Charakteristikum dieser Sicht eine spezifische Auffassung dessen, was den ethischen Charakter des hier thematisierten wirtschaftlichen Handelns ausmacht: Der ethische Charakter des Handelns fällt für diese Sicht zusammen mit seinem ökonomischen Charakter. Dieser besteht darin, dass - jeweils unter bestimmten gegebenen "subjektiven" Präferenzen und "objektiven" Restriktionen - dasjenige Verhalten gesucht und gewählt wird, dessen Einsatz mit größter Wahrscheinlichkeit den größten Nutzen zur Folge hat.

Wirtschaftsethik so verstanden konzentriert sich daher nicht nur faktisch, sondern programmatisch auf den oben skizzierten Bereich innerwirtschaftlicher Entscheidungen. Denn für diese Sicht fallen Handeln und Wirtschaften zusammen; und folglich auch Wirtschaft und Gesellschaft. Das Gesellschaftssystem ist für sie das Wirtschaftssystem. Und als ethisch vorzugswürdig zeichnet sie diejenigen Haltungen, Pläne, Regelsystem und Einzelentscheidungen aus, die ökonomisch vorzugswürdig sind, also den jeweils größten Beitrag zur Realisierung des Guten im Sinne der Wirtschaft leisten. Das ist auf jeden Fall die Unterhaltung - bzw. Positionsverbesserung - der Unternehmen und Haushalte am Markt.

Diese Sicht auf die Wirtschaftsethik ist jedoch in sich selbst nicht plausibel. Denn sind mit der Frage nach dem ökonomisch Guten - der Erhaltung von Unternehmen am Markt - auch schon die weitergehenden Fragen beantwortet, wie die Frage - nach der ethisch vorzugswürdigen Verteilung der Unternehmensgewinne unter Firmenbesitzer und Unternehmensangehörige und innerhalb des Kreises der letzteren, ferner die Frage - nach der ethischen Vorzugswürdigkeit der an den Markt gebrachten Güter, weiterhin die Frage - nach der ethischen Vorzugswürdigkeit der Marktordung oder die Frage - nach der ethischen Vorzugswürdigkeit der Maßnahmen und Institutionen, die zur Einrichtung und Unterhaltung einer ethisch vorzugswürdigen Marktordnung erforderlich sind? Das alles ist nicht der Fall.

Daher hat sich ein zweites Verständnis von Wirtschaftsethik entwickelt, das sich von dem eben skizzierten grundlegend durch ein anderes Verständnis von Ethik und ethischer Vorzugswürdigkeit unterscheidet: Auch hier wird zugegeben, dass Zweckrationalität im Allgemeinen und ökonomische Zweckrationalität im Besonderen notwendige Bedingungen des ethisch Vorzugswürdigen sind. Aber nicht angenommen wird, dass sie auch schon in sich selbst seine hinreichenden Bedingungen wären. Vielmehr wird daran festgehalten, dass der Begriff des Guten, zu dessen Realisierung beizutragen das Kriterium der ethischen Vorzugswürdigkeit ist, sich nicht im Begriff des ökonomisch Guten erschöpft, sondern so umfassend sein muss, dass in ihm die Befriedigung aller Bedürfnissen enthalten ist, die mit dem Sein des Menschen als leibhafter Person im physischen und sozialen Werden unabweisbar gegeben sind. Der leitende Begriff des Guten muss all die irreduzibel verschiedenen Arten von Gütern und deren Beziehung untereinander enthalten, auf deren Realisierung das Menschsein angewiesen ist, wenn es seine Bestimmung erreichen und die Ganzerfüllung all der Ziele erleben soll, auf die es kraft seiner Existenz als leibhaftes Personsein im physischen und sozialen Werden aus ist.

Für dieses Verständnis von Ethik ist die Orientierung an einem Verständnis des Guten charakteristisch, das fundamentalanthropologisch fundiert ist. Es orientiert sich an den universalen Bedingungen des Menschseins, die allen menschlichen Aktivitäten vorgegeben sind, sie alle umfassen und damit alle menschlichen Aktivitäten vor die Alternative stellen, ihnen zu entsprechen und zu gelingen oder ihnen zu widersprechen und zu scheitern. Weil dieser Begriff des Guten sich aus der Bestimmung des Menschseins in seiner komplexen Struktur als leibhaftes Personsein im physischen und sozialen Werden ergibt, ist er der Begriff der gleichzeitigen Verfolgung gleichursprünglicher, aber verschiedenartiger Güter - d. h., eben nicht nur wirtschaftlicher, politischer sowie wissenschaftlicher und kulturell-ethischer Güter - in der richtigen wechselseitigen Ordnung. Als ethisch vorzugswürdig sind im Blick auf diesen Begriff des Guten alle Haltungen, Pläne, Regelsysteme und Einzelentscheidungen auszuzeichnen, die auf die Verfolgung des genannten unauflöslichen Güterquadrupels in der richtigen Ordnung aus sind und seine Realisierung nicht behindern, sondern zu ihr beitragen.

Auch dieses Verständnis von Ethik gelangt zu einer Wirtschaftsethik: Individualethisch ist zu fragen, wie hoch das Engagement zur Erreichung der Bestimmung des individuellen Daseins in ökonomischer Interaktion sein soll, welche ökonomischen Güter erworben werden müssen, also auf welche auch von vornherein verzichtet werden kann (nicht alle leben, um reich zu werden), und wie mit den erworbenen umgegangen (für welche Ziele sie eingesetzt) werden soll(en). Sozialethisch ist zu fragen, welches die Ordnung und Stellung der ökonomischen Interaktion in einem Gemeinwesen sein müsste, dessen Wohlgeordnetheit darin besteht, dass in ihm die verschiedenen für das menschliche Zusammenleben wesentlichen Interaktionsweisen erstens in sich selbst jeweils eine funktionsgerechte institutionelle Ordnung gefunden haben, aber darüber hinaus auch zugleich in ihrem Verhältnis zueinander und in ihrem Zusammenspiel so geordnet sind, wie es der wechselseitigen Abhängigkeit dieser in ihrer Funktionsverschiedenheit dennoch gleichursprünglichen und gleichwesentlichen Interaktionsweisen entspricht, wie also die ökonomische Interaktion in sich selbst und in ihrem Verhältnis zu diesen gleichwesentlichen Interaktionsweisen geordnet sein müsste.

Dieses Verständnis von Ethik marginalisiert oder übersieht also keineswegs die wirtschaftliche Interaktion in ihrer wesentlichen Bedeutung für das Menschsein, aber es identifiziert das wirtschaftlich Gute nicht mit dem ethisch Guten schlechthin, sondern es sieht das wirtschaftlich Gute und seine Eigenart im Zusammenhang mit den andersartigen Leistungen und Gütern all der anderen Interaktionsweisen, die für das menschliche Leben gleichnotwendig sind und von deren funktionsgerechtem und erfolgreichem Vollzug das wirtschaftliche Interagieren genau so abhängt wie umgekehrt sie vom Erfolg der wirtschaftlichen Interaktion. Dieses Verständnis von Ethik lässt die Erfüllung eines individuellen Lebens nicht zusammenfallen mit seinem wirtschaftlichen Erfolg und setzt die Ordnung der Gesellschaft nicht gleich mit der Ordnung ihres Wirtschaftssystems, sondern es relativiert, es setzt in Relation - und zwar im Leben der Einzelnen wie im menschlichen Zusammenleben - die wirtschaftliche Leistungssphäre zu den Sphären aller andersartigen Leistungen, die der menschlichen Interaktion durch die Verfassung des Menschseins selbst unabweisbar aufgegeben sind.

Wirtschaftspolitik als sozialethischeHerausforderung

Die ethischen Implikationen der genannten wirtschaftspolitischen Herausforderungen stellen sich unterschiedlich dar, je nachdem, im Horizont welchen Verständnisses von Wirtschaftsethik sie gesehen werden. Die folgenden Hinweise bewegen sich im Horizont des an zweiter Stelle skizzierten Verständnisses. Dabei ergibt sich folgendes Bild.

Herausforderungen und vorzugswürdige Lösungswege wirtschaftspolitischen Handelns sind als solche - eben als problematische, nicht gute Entwicklungstrends und als vorzugswürdige Gegensteuerungsmaßnahmen - überhaupt nur erkennbar im Horizont einer sozialethischen Betrachtung der Gesamtordnung des Zusammenlebens, seiner aktuellen Entwicklungstrends und der aktuellen Möglichkeiten ihrer Beeinflussung durch politisches Handeln.

Erstens muss zwischen dem Ausgangspunkt der politischen Beeinflussungsmaßnahme und ihrem Gegenstand so unterschieden werden, dass zugleich das Eingebettetsein dieses Ausgangspunkts von Maßnahmen in dasjenige Ganze deutlich wird, auf dessen Beeinflussung er zielt, und mit diesem Eingebettetsein zugleich seine Abhängigkeit von den Auswirkungen aller auf dasselbe Ganze zielenden Beeinflussungsmaßnahmen, die zu gleicher Zeit von anderen Orten des Ganzen ausgehen. Andernfalls setzt sich die unrealistische und gefährliche Vorstellung durch, dass die Gesellschaft nur das Objekt der Politik sei, das einseitig von dieser wie ein Ding zu behandeln, zu modernisieren, zu reformieren, "nach vorne zu bringen" sei - oder wie die irreführenden Floskeln sonst lauten mögen. Statt dessen ist deutlich zu machen, dass Politik "nur" ihren besonderen, eigentümlich gearteten Part innerhalb des Ganzen und seiner Entwicklung zu leisten hat - im Zusammenspiel mit den und bedingt durch die irreduzibel eigenartigen Beiträge aller anderen Leistungsbereiche.

Infolgedessen muss zweitens damit ernst gemacht werden, dass das System Politik (Staat und Recht) nicht der einzige Ort ist, von dem aus Maßnahmen zur Beeinflussung der Entwicklung des Ganzen möglich sind und ergriffen werden, sondern dass ebenso auch von den verschiedensten Orten innerhalb der übrigen Funktionssysteme (Wirtschaft, Wissenschaft, Bildung, Technik, weltanschaulich/religiöse Lebenssinnkommunikation) solche Maßnahmen ergriffen werden, die jeweils der Sachlogik der spezifischen Leistungs- und Güterart dieser unterschiedlichen Funktionssysteme entsprechen. Politik ist nur eine Weise der Beeinflussung der Entwicklung des Ganzen, die sich bestenfalls ihrer spezifischen Wirkmechanismen und -mittel bewusst ist, sich auf diese beschränkt und sie so einsetzt, dass dadurch Bedingungen geschaffen werden, innerhalb deren sich die Einflüsse aus den übrigen Funktionssystemen so entfalten können, dass schlechte Pläne und Wirkungen in Grenzen gehalten, förderliche jedoch ermöglicht, ermutigt, unterstützt und geschützt werden.

Diese sozialethische Grundeinsicht angewendet auf das Gebiet der Wirtschaft besagt: Wirtschaftspolitik kann überhaupt nur ein eigenartiger, begrenzter Sektor von Maßnahmen zur Beeinflussung des wirtschaftlichen Geschehens sein, dessen Wirkung durchgehend abhängig bleibt von den gleichzeitigen Wirkungen, die gar nicht vom System Politik ausgehen können.

Im Horizont all dieser Einsichten muss dann aber auch drittens eingesehen und damit ernst gemacht werden, dass Wirtschaftspolitik auch nur ein spezifischer Sektor politischer Verantwortung sein kann, neben dem die spezifische politische Verantwortung für die anderen gleichursprünglichen Leistungssysteme und für das funktionsgerechte Zusammenspiel aller dieser Leistungssysteme - also Kulturpolitik (einschließlich Religions- und Weltanschauungspolitik), Wissenschaftspolitik, Bildungspolitik, Familienpolitik und (die das Zusammenspiel der ausdifferenzierten Leistungsbereiche betreffende) Gesellschaftspolitik - selbständige, auf Wirtschaftspolitik bzw. Beiträge zu dieser nicht reduzierbare Politikbereiche bleiben.

Natürlich bleibt dann auch Wirtschaftspolitik als eigengearteter Verantwortungsbereich der Politik erhalten, und die eingangs genannten wirtschaftspolitischen Herausforderungen behalten ihre aktuelle Dringlichkeit. Aber auch sie gewinnen erst im sozialethischen Horizont ihre Tiefenschärfe; und zwar die folgende.

Betrachten wir zunächst denjenigen Sektor der Wirtschaftspolitik, der gegenwärtig ganz in den Vordergrund gerückt ist: die Arbeitsmarktpolitik. Eine nachhaltige Lösung ist hier nur denkbar, wenn auch das mittel- und langfristig bestehende Grundproblem erkannt und bearbeitet wird, das hier die tatsächliche Herausforderung ausmacht. Das ist wiederum nur in einer sozialethischen Betrachtung möglich, welche das in geschichtlicher Entwicklung befindliche Gesamtgefüge des Zusammenspiels der vier genannten irreduzibel eigengearteten gesellschaftlichen Leistungssysteme fest im Blick hat.

Dann ist dreierlei unübersehbar: Erstens, die Arbeitsmarktpolitik gewinnt ihre beiden heute für Deutschland charakteristischen Grundzüge - nämlich ihre Dringlichkeit bei gleichzeitiger Schwerlösbarkeit - durch die auf kontingente historische Entscheidungen der Bismarckzeit zurückgehende Grundkonstruktion der sozialen Sicherungssysteme. Solche Systeme sind für die Erträglichmachung der Risiken von Unfall, Krankheit, Verlust des Arbeitsplatzes und eine wahrscheinlich lange Zeit der Erwerbslosigkeit im Alter unabdingbar - damals wie heute. Nach dem Ende der an ständische Verhältnisse geknüpften familialen Sicherungssysteme können diese Risiken - soweit überhaupt - nur durch Versicherungssysteme aufgefangen werden. Das gesehen und daraus praktische Konsequenzen gezogen zu haben, ist das epochale Verdienst jener Entscheidungen am Ende des 19. Jahrhunderts. Allerdings können die erforderlichen Versicherungssysteme unterschiedlichen Konstruktionsprinzipien folgen, und zu fragen ist, ob die damals gewählten (und im Grundsatz bis heute durchgehaltenen) Prinzipien, so plausibel sie vor über 100 Jahren gewesen sein mögen, dies auch heute noch sind, oder ob heute auf Änderung dieser Konstruktionsprinzipien hingearbeitet werden muss. Ist, das wäre die eine Frage, die aus der Zeit des Mehrklassenwahlrechts stammende Einteilung der Bürger in solche, denen die Teilnahme an entsprechenden Versicherungen zur Pflicht zu machen ist, und solche, denen sie selbst überlassen werden kann, mit demokratischen Grundsätzen vereinbar? Und wie muss, das wäre die andere Frage, die Unterstützung derjenigen Bürger geregelt werden, welche die volle Last einer armutsfesten Vorsorge nicht aus eigenem Einkommen erbringen können? War - und ist - hier die Inanspruchnahme der Arbeitgeber als solcher durch besondere "Arbeitgeberbeiträge" der sozialethisch sachgemäße Weg? War diese Regelung nicht in Wahrheit von Anfang an de facto ein zusätzlicher Anreiz, das Arbeitsangebot nach Kräften zu minimieren? Und vor allem: Hat nicht diese Regelung zwei an sich ganz verschiedene Problemkreise künstlich miteinander verquickt: nämlich die Aufgabe einer gerechten gesamtgesellschaftlichen Regelung der Vorsorge für die genannten Risiken auf der einen Seite und die Entwicklung des Marktes für abhängige Beschäftigungsverhältnisse auf der anderen?

Die erste Aufgabe ist eine solche, die sich nach Ende der traditional-familialen Sicherungsmechanismen stets und unter allen möglichen Umständen für ein modernes, nachständisches Gemeinwesen stellt und die von diesem Gemeinwesen als Ganzem, also durch öffentliche Regelungen, gelöst werden muss, und zwar kontinuierlich und jeweils unter Inanspruchnahme von Reichtum und Leistungsfähigkeit des Ganzen. Das zweite Phänomen - die Entwicklung des Marktes für abhängige Beschäftigungsverhältnisse - hat demgegenüber sektoralen Charakter, folgt eigenen Gesetzen, und beeinflusst keineswegs allein, sondern nur zusammen mit allen gleichzeitigen Entwicklungen den Reichtum und die Leistungsfähigkeit des Ganzen.

Unübersehbar ist dann aber auch zweitens die Aufgabe, die beiden Problembereiche jeweils entsprechend ihrer unterschiedlichen Eigenart zu behandeln. Hinzuarbeiten wäre auf eine Lösung der ersten Aufgabe, die relativ unabhängig von dem an zweiter Stelle genannten Entwicklungssektor ist. Sie hätte Regelungen für die allgemeine Risikovorsorge zu treffen, die nicht nur Arbeitnehmer und -geber betreffen, sondern für alle Bürger gelten, und sie hätte vorzusehen, dass für die - in einer gerechten öffentlichen Regelung der Risikovorsorge unvermeidlich vorzusehende - Unterstützung derer, die eine armutsfeste Vorsorge nicht aus eigenem Einkommen leisten können, ausschließlich öffentliche Mittel (und nicht etwa private Mittel, nämlich die Arbeitgeberbeiträge) eingesetzt werden - Mittel, die, wenn allgemein die Anteile am Gesamteinkommen, die nicht Einkommen aus Arbeit, sondern auch Kapitalerträgen sind, steigen, durch Besteuerung gerade dieser Einkommensarten zu gewinnen sind (also Beiträge, die von den dazu fähigen Bevölkerungsteilen nicht in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber, sondern in ihrer Eigenschaft als Bezieher von Einkommen aus Kapitalerträgen zu erbringen sind).

Dann könnte auch dem dritten unübersehbaren Faktum die ihm gebührende Aufmerksamkeit zuteil werden, nämlich dem Faktum, dass die nachhaltige Meisterung der Arbeitsmarktproblematik nicht von der Bearbeitung des durch die alte deutsche Sonderkonstruktion erzeugten sekundären Problems der Lohnnebenkosten zu erwarten ist, sondern nur durch den angemessenen Umgang mit den beiden Tendenzen, welche objektiv und langfristig die Entwicklung der Arbeitsmärkte bestimmen: mit dem technologischen Fortschritt und der Globalisierung.

Zum ersten dieser beiden Trends: Es wäre herauszubekommen, ob tatsächlich damit gerechnet werden kann, dass der technologische Fortschritt den mit der rationalisierungsbedingten Produktivitätssteigerung der abhängigen Arbeitsplätze einhergehenden quantitativen Abbau solcher Arbeitsplätze herkömmlicher Art - nicht nur in der Güterproduktion, sondern auch im Dienstleistungssektor - durch Schaffung neuartiger Arbeit in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen kompensiert. Sollte dies nicht der Fall oder auch nur definitiv unsicher sein, müssten Strategien entwickelt werden für den Umgang mit einer gesellschaftlichen Gesamtsituation, in der insgesamt weniger abhängige Arbeitsverhältnisse zur Verfügung stehen werden. Diese Strategien müssten auf jeden Fall bildungs- und ausbildungspolitische Maßnahmen einschließen, die der neuen Situation gerecht werden.

Der zweite Trend, die Globalisierung, zwingt zur Anerkennung der sozialethischen Tatsache, dass nicht nur innerhalb jeder einzelnen Gesellschaft das Leistungssystem Wirtschaft eingebettet ist in den jeweils gewordenen und sich unter regionalen Bedingungen weiterentwickelnden Zustand des Zusammenspiels aller gleichursprünglichen Leistungssysteme, sondern

  • dass auch jede einzelne Gesellschaft eingebettet ist in das sich rapide intensivierende Zusammenleben mit allen anderen Gesellschaften auf der Erde,

  • dass dieses Zusammenleben ebenfalls alle wesentlichen gesellschaftlichen Leistungsbereiche umfasst und

  • dass die jeweilige Ordnung dieses globalen Austausches zwischen allen Gesellschaften, welcher alle ihre Leistungsbereiche einbezieht, auch die Entwicklung der Ordnung der Leistungsbereiche und ihres Zusammenspiel innerhalb jeder beteiligten Gesellschaft beeinflusst.

    Damit öffnet sich der sozialethische Horizont für die erste der drei oben genannten aktuellen wirtschaftspolitischen Herausforderungen. Die Frage nach der vorzugswürdigen Position von "einheimischen" Unternehmen am jeweils einschlägigen Weltmarkt (Weltrohstoffmarkt, Weltgütermarkt, Weltarbeitsmarkt, Weltkapitalmarkt) kann im Horizont der hier leitenden sozialethischen Sicht nicht unabhängig von der Frage nach der vorzugswürdigen Ordnung dieser Weltmärkte gestellt und beantwortet werden. Denn in diesem Horizont kann nicht übersehen werden,

    • dass alle Märkte jeweils eine zu verantwortende Ordnung haben (dass also auch alle Vorschläge für "Deregulierung" auf die aus ihrer Realisierung folgende faktische Ordnung hin zu befragen sind),

    • dass die Ordnung der Märkte als der basalen und umfassenden Institutionen des Leistungsbereichs Wirtschaft auf ihr Verhältnis zu den Ordnungen aller anderen gesellschaftskonstitutiven Leistungsbereiche hin zu befragen und nur solche Ordnungen vorzugswürdig sind, die der durchgehenden wechselseitigen Abhängigkeit aller gesellschaftkonstitutiven Leistungsbereiche und ihrer Verschiedenartigkeit Rechnung tragen (die anderen Bereiche also nicht stören, sondern fördern)

    • und dass eben dies auch für die Ordnung des intergesellschaftlichen wirtschaftlichen Verkehrs gilt, dass also die Ordnung des Weltmarktes nur eine Ordnung für die die Grenzen von Gesellschaften überschreitende Beschickung von solchen Märkten sein kann, die selbst jeweils in regionale Gesamtgesellschaften und ihre Ordnung eingebettet sind.

      Jedes konkrete Verständnis der oben genannten Herausforderung und jeder konkrete Vorschlag für den Umgang mit ihr setzt also erstens voraus, dass Auskunft gegeben wird über die sozialethisch vorzugswürdige Ordnung des intergesellschaftlichen wirtschaftlichen Verkehrs. Und im hier als leitend unterstellten Horizont können nur solche Ordnungen des wirtschaftlichen Austausches zwischen Gesellschaften vorzugswürdig sein, welche die Eigenart von Leistungs- und Wirkungsmodus der übrigen gesellschaftskonstitutiven Interaktionssphären innerhalb und zwischen den beteiligten Gesellschaften wahren. Nicht vorzugswürdig sind solche Ordnungen, die einen wirtschaftlichen Verkehr zwischen Gesellschaften zulassen,

      • der es möglich macht, dass der eigenartige Leistungs- und Wirkungsmodus von konstitutiven Interaktionsphären einzelner beteiligter Gesellschaften nicht beachtet und unterminiert wird,

      • der darauf hinausläuft, den eigenartigen Leistungs- und Wirkungsmodus anderer konstitutiver Interaktionsphären im intergesellschaftlichen Verkehr generell zu missachten und zu unterminieren

      • und der nicht den unterschiedlichen Entwicklungsstand der jeweiligen Gesamtordnung der beteiligten Gesellschaften berücksichtigt, und dies mit dem Ziel, jeder beteiligten Gesellschaft bestmögliche Chancen für die Weiterentwicklung ihrer Gesamtordnung zu ermöglichen - und zwar auf dem Boden der jeweils regional gegebenen geschichtlich gewordenen Bedingungen.

        Ferner wird für ein konkretes Verständnis und Umgehen mit der ersten Herausforderung verlangt, dass klargestellt wird, was unter "einheimischen" Unternehmen zu verstehen ist. Als "einheimisch" kommen im hier leitenden sozialethischen Horizont jedenfalls solche Unternehmen nicht in Betracht, die nur zufällig und bis auf weiteres ihren Standort in einem bestimmten Lande haben, und deren Eigentümer als solche nicht voll der am jeweiligen Standort ihres Besitzes geltenden und geregelten Sozialpflichtigkeit des Eigentums unterliegen und sie erfüllen.

        Verhältnisse zu schaffen, in denen jene oben an erster Stelle genannte Herausforderung klar verstanden und angenommen werden können, und diesen Verhältnissen eine vorzugswürdige Gestalt zu geben, ist eine Aufgabe, welche die politischen Systeme der Gesellschaften auf dieser Erde nicht einfach den Sachwaltern anderer Leistungssphären, etwa denen der Wirtschaft, überlassen können, sondern die sie auch selbst in Angriff zu nehmen haben. Es ist die internationale Politik, die eine der Weiterentwicklung aller einzelnen Gesellschaften dienende internationale Ordnung des Wirtschaftens anzustreben, aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln hat. Schließlich zeichnen sich damit auch Konsequenzen der hier leitenden sozialethischen Sicht für die letzte der oben genannten Herausforderungen ab, für die Frage nach der gerechten Verteilung des Reichtums einer Gesellschaft:

        Im hier leitenden Horizont kann die Gerechtigkeitsfrage nicht mehr bloß am Leitfaden der Einkommens- und Vermögensunterschiede und mit dem Ziel einer möglichst weitgehenden Nivellierung dieser Unterschiede gestellt und beantwortet werden. Vielmehr zielt die Gerechtigkeitsfrage jetzt in erster Linie darauf, wie die materiellen Lasten für die Unterhaltung einer Ordnung aller gesellschaftskonstitutiven Interaktionssphären und einer Ordnung ihres Zusammenspiels, welche allen Gliedern der Gesellschaft bestmögliche Chancen der Selbstentfaltung - einschließlich armutsfester Sicherungen gegenüber den genannten Lebensrisiken - gewährt, gerecht auf alle Glieder des Gemeinwesens zu verteilen sind. Dafür gilt der Grundsatz der Sozialpflichtigkeit allen Eigentums; also der Grundsatz, dass sich die Verteilung dieser Lasten an den Umfängen von Einkommen und von Eigentum an wirtschaftlich nutzbarem Kapital zu orientieren hat, welche die Besitzer in der Ordnung der Gesellschaft und unter Ausnutzung ihrer ihnen von dieser Ordnung gebotenen Chancen erworben haben.

        Responsible Citizenship



        An Politik nehmen nicht nur Politiker und Staatsbeamte, sondern auf unterschiedliche Weise alle Bürger teil. Zu diesen zählen in einem weiteren Sinne nicht nur natürliche, sondern auch juristische Personen, also auch Unternehmen. Sie alle gestalten Wirtschaftspolitik mit. Und dafür ist wiederum jeweils ein sozialethischer Horizont leitend. Unterstellt man dafür den hier skizzierten Ansatz, so ergeben sich daraus für das wirtschaftspolitische Engagement von Unternehmensleitungen die beiden Grundsätze:

        Erstens: Unternehmen und ihre Leitungen unterscheiden zwischen der Verfolgung der Unternehmensziele unter den jeweils gegebenen Bedingungen und ihrem mittel- und langfristigen politischen Engagement für die Verbesserung der gesamtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen im nationalen und internationalen Bereich.

        Zweitens: Innerhalb der Gesellschaften, in denen sie jeweils tätig sind, setzen sie sich für die Etablierung und Fortentwicklung einer Gesamtordnung ein, in der jeweils die relative Selbständigkeit und ein solches Zusammenspiel der gesellschaftskonstitutiven Leistungssphären gewahrt wird, in welchem sie sich in wechselseitiger Abhängigkeit gegenseitig zur aktuell bestmöglichen Leistungskraft verhelfen. Und auf internationaler Ebene engagieren sie sich für eine Ordnung, die solche Wohlgeordnetheit der regionalen Verhältnisse nicht stört und erschwert, sondern ihrer Weiterentwicklung dient.

        Dieser zweite Grundsatz beschreibt einen bestimmten Weg für die Wahrnehmung von responsible citizenship durch Unternehmen. Unter dieser "verantwortlichen Wahrnehmung von Bürgeraufgaben" werden heute unterschiedliche Engagements von Unternehmen im außerwirtschaftlichen Bereich verstanden. Bisher bestehen diese überwiegend im Einsatz von Mitteln für einzelne kulturelle, sportliche, wissenschaftliche, karitative oder infrastrukturelle Projekte. Im hier skizzierten sozialethischen Rahmen schließt die Praktizierung von responsible citizenship das Sponsoring solcher Einzelprojekte zwar nicht aus, erlaubt - oder verlangt sie unter Umständen - jedoch nur noch als Mittel für ein Ziel, das die Gesamtordnung des Zusammenlebens betrifft. In der hier unterstellten sozialethischen Leitperspektive muss unter responsible citizenship von Unternehmen folgendes verstanden werden:

        Erstens der Einsatz ihres gesamten politischen Einflusses für die Etablierung und Verbesserung von regionalen Gesamtordnungen, die jeweils auf dem Boden von geschichtlich gewachsenen Bedingungen den gesellschaftkonstitutiven Leistungsbereichen zu ihrer relativen Selbständigkeit und zu einem Wechselspiel verhelfen, in dem die Abhängigkeit jeder dieser Sphären von allen anderen anerkannt und jede von allen anderen darin unterstützt wird, jeweils ihre eigenartige Leistung in ihrem eigenen Leistungs- und Wirkungsmodus zum Wohle des Ganzen zu erbringen.

        Und zweitens der Einsatz für eine internationale Ordnung, die der Weiterentwicklung derart wohl geordneter regionaler Verhältnisse dient. Das schließt aus: die Gleichsetzung von Gesellschaft und Wirtschaft, die Gleichsetzung von Gesellschaftsordnung mit Wirtschaftsordnung, das Streben nach Behandlung aller relativ selbstständigen Funktionssphären der regionalen Gesellschaften als bloßer Instrumente für die Verbesserung der Unternehmenspositionen am Weltmarkt sowie die damit einhergehende Auflösung der regionalen Verhältnisse in einer einheitlichen globalen Ordnung. Es schließt hingegen ein: eine von den einflussreichen Unternehmen ausgehende Ermunterung und Unterstützung der Politik, sich um die Erarbeitung einer Vertragsordnung zu bemühen, die den intergesellschaftlichen Verkehr, einschließlich des wirtschaftlichen, so regelt, dass er allen Beteiligten dazu verhilft, die regionalen Verhältnisse jeweils zu einer Gesamtordnung weiterzuentwickeln, die den universalen Bedingungen des Menschseins entspricht und die darin eingeschlossenen Bedingungen eines wohl geordneten Zusammenlebens erfüllt.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Zu den Grundgedanken der folgenden Skizze vgl. Eilert Herms, Die Wirtschaft des Menschen, Tübingen 2004.

  2. Vgl. ebd., S. 325 - 349.

  3. Vgl. Wilhelm Korff u.a. (Hrsg.), Handbuch der Wirtschaftsethik, 4 Bde., Gütersloh 1999.

  4. Den Weg zur Entwicklung und Vorherrschaft dieser Vorstellung hat beschrieben: Karl Polanyi, The great transformation, Boston 1957 (dt. 1977).

Dr. theol., geb. 1940; Professor für Systematische Theologie an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und Direktor des Instituts für Ethik, Liebermeisterstraße12, 72076Tübingen.
E-Mail: E-Mail Link: eilert.herms@uni-tuebingen.de