Einleitung
Im November 2005 jährt sich zum zehnten Mal die Konferenz von Barcelona; Geburtsstunde der von Europa initiierten Euro-Mediterranen Partnerschaft (EMP),
Maßgeblich für die Entstehung der EMP war die damalige Einschätzung, dass der nahöstliche Friedensprozess unumkehrbar sei. Diese Einschätzung sollte sich jedoch als falsch erweisen, denn schon 1996 geriet der Friedensprozess in eine schwere Krise, die der EMP bis heute eine ihrer wesentlichen Grundlagen entzieht, nämlich die Kooperationsbereitschaft zwischen Israel und den arabischen Mittelmeerdrittländern (MDL). Erschwerend kommt hinzu, dass der Kampf gegen den internationalen Terrorismus in Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 und der völkerrechtswidrige Krieg gegen den Irak 2003 zu einer Polarisierung der Beziehungen zwischen "dem Westen" und "dem Islam" führten. Begleitet werden diese negativen Entwicklungen von wachsender Kritik an der Umsetzung der EMP: Weder entspricht das EU-Engagement für eine Demokratisierung der MDL dem deklarierten Anspruch, noch verhält sich die EU als fairer Partner beim wirtschaftlichen Transformationsprozess.
Vor diesem Hintergrund sollen die Erfolge und Misserfolge der EMP bilanziert werden, wobei sich dieser Artikel auf die EU und ihre Mitgliedstaaten konzentriert sowie auf das Politikfeld der äußeren und inneren Sicherheit und dem damit eng zusammenhängenden Bereich der Demokratisierungs- und Menschenrechtspolitik. Der Bilanz folgt eine Analyse künftiger Perspektiven der EMP vor dem Hintergrund neuerer regionalpolitischer Initiativen der EU.
Dies ist die gekürzte Fassung eines sehr viel umfassenderen Artikels, der unter Heranziehung konstruktivistischer und rollentheoretischer Ansätze die Defizite der EMP zu erklären versucht. Vgl. Annette Jünemann, Ein Raum des Friedens, der Stabilität und des gemeinsamen Wohlstands: Die Euro-Mediterrane Partnerschaft zwischen Anspruch und Wirklichkeit, in: Cilja Harders/Annette Jünemann (Hrsg.), Zehn Jahre Euro-Mediterrane Partnerschaft: Bilanz und Perspektiven, in: Orient 46 (2005) 3 (i.E.). Mein Dank gilt Cilja Harders für ihre kluge und konstruktive Kritik und Anne Bressem für die sorgfältige redaktionelle Betreuung.
Zum Bedeutungsverlust der Politischen und Sicherheitspartnerschaft
Nie zuvor gab es ein multilaterales Gesprächsforum, das - unter Einschluss der Konfliktparteien des Nahostkonflikts - sicherheitspolitische Themen der Region diskutiert. Insofern kann allein schon die Existenz dieses Forums als Erfolg der EMP gewertet werden. Dessen ungeachtet gilt gerade die Zusammenarbeit in Korb (I) als extrem unbefriedigend. Um konkrete Ergebnisse erzielen zu können, bedürfte es einer gemeinsamen Sicherheitsperzeption und damit einer gemeinsamen Antwort auf die Frage, welche sicherheitspolitischen Themen in dieser Region von Bedeutung sind. Für die Europäer sind es vor allem weiche Sicherheitsrisiken. Gemeint sind so unterschiedliche Phänomene wie der militante Islamismus, organisierte Kriminalität, illegale Migration und nicht zuletzt der Kampf gegen den internationalen Terrorismus, der die Grenze zwischen weichen und harten Sicherheitsrisiken zunehmend verschwimmen lässt. Den MDL geht es hingegen um die dem Nahostkonflikt inhärenten, von Arabern und Israelis gleichermaßen als vital wahrgenommenen Sicherheitsrisiken.
Die Blockadehaltung der arabischen MDL war jedoch zu keinem Zeitpunkt vollständig; auf unteren Arbeitsebenen wurde die Kommunikation zwischen nördlichen und südlichen MDL sowie zwischen Arabern und Israelis stets aufrecht erhalten. Infolge dieser regelmäßigen Treffen hat sich unter den Teilnehmern sogar ein "sozialisierender" Effekt eingestellt und eine Art "Partnerschaftsgeist" entwickelt, wobei dieser Effekt zwischen den MDL weniger intensiv ist als zwischen nördlichen und südlichen EMP-Partnern.
Eine Ausweitung der Zusammenarbeit auf den Bereich der Militärpolitik mag dazu beitragen, das Misstrauen zwischen südlichen und nördlichen EMP-Partnern abzubauen. Aufgrund der unterschiedlichen Sicherheitskulturen demokratischer und autoritärer Systeme ist diese Zusammenarbeit jedoch nicht unproblematisch. Die Militärpolitik der EU ist im Zivilmachtkonzept verankert, demzufolge das Militär kein Mittel der Machtpolitik ist, weder nach außen und erst recht nicht nach innen. Aus dieser Perspektive ist der militärpolitische Sektor der meisten MDL defizitär, weil es an ziviler Partizipation und Kontrolle mangelt, weil die Trennung zwischen Militär und Polizei unzureichend ist und weil viele Regierungen "Sicherheit für ihr Land" mit "Sicherheit für ihr Regime" gleichsetzen.
Priorität für das Politikfeld Innere Sicherheit
Seit dem 11. September 2001 genießt der Kampf gegen den internationalen Terrorismus oberste Priorität in der europäischen Sicherheitspolitik, auch und vor allem im Rahmen der EMP. Die maßgeblichen Instrumente und Strategien fallen vorwiegend in das Politikfeld der Inneren Sicherheit. Weil die Zusammenarbeit in Korb (I) weitgehend paralysiert ist, verlagerte die EU alle sicherheitspolitisch relevanten Themen zunehmend in Korb (III). Der dritte Korb wurde damit zum Sammelbecken unterschiedlichster Politikfelder: kultureller Austausch unter besonderer Berücksichtigung legaler Immigranten einerseits und Innere Sicherheit inklusive der Abwehr illegaler Immigranten andererseits. Diese thematische Kombination lässt strukturelle Ähnlichkeiten mit dem 1999 in Amsterdam definierten Ziel der EU erkennen, in Europa einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (RFSR) aufzubauen, und zwar durch eine Mischung aus liberaler Öffnung nach innen und Verschärfung der sicherheitspolitischen Kontrolle nebst Abschottung nach außen.
Natürlich gibt es auch konzeptionelle Unterschiede zwischen dem RFSR und Korb (III), die der Tatsache geschuldet sind, dass im Rahmen der EMP Demokratien mit autoritären Regimen im äußerst sensiblen Bereich der Inneren Sicherheit kooperieren wollen. Die Zusammenarbeit in Korb (III) befindet sich in einem Spannungsfeld zwischen "Freiheit" und "Sicherheit": Freiheit und Sicherheit bedingen sich gegenseitig, aber ein "Mehr" des einen ist immer nur durch ein "Weniger" des anderen zu haben. Notwendig wäre eine ausgewogene Balance zwischen beidem. Davon kann jedoch kaum die Rede sein, denn die Regierungen der MDL legen eindeutige Priorität auf die Sicherheit, wobei sie mehr an die Sicherung des eigenen Machterhalts als an die Sicherheit ihrer Bürger denken. Aber auch die EU und ihre Mitgliedstaaten tendieren dazu, der Sicherheit Vorrang einzuräumen - notfalls auch auf Kosten der Freiheit.
Seit den Terroranschlägen vom 11. September ist zu beobachten, dass der Kampf gegen den internationalen Terrorismus in vielen MDL auf rechtsstaatlich bedenkliche Weise politisch instrumentalisiert wird.
Die anfangs recht pragmatische Kooperation wurde im April 2002 auf der Euro-Med-Außenministerkonferenz von Valencia offiziell in die EMP integriert und programmatisch fortgeschrieben.
Die Abschottung der EU-Außengrenzen entspricht jedoch den sicherheitspolitischen Interessen der EU und ihrem Plan, innerhalb Europas einen RFSR zu schaffen. Offensichtlich sind die EMP und der RFSR nur bedingt kompatibel. Positiv zu vermerken sind hingegen einige Aktivitäten der EU gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, Phänomene, die sich oft gegen Immigranten aus den MDL richten. Die im Jahre 2005 gegründete Anna Lindh Stiftung, Dach von 35 unterschiedlichen Netzwerken auf Ebene der Zivilgesellschaft, will sich vorwiegend der Annäherung der Kulturen widmen, der Überwindung von Stereotypen und dem Kampf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.
Förderung von Demokratie und Menschenrechten
Das Eintreten der EU für Demokratie und Menschenrechte auch außerhalb ihrer Grenzen ist Ausdruck ihrer Identität als Wertegemeinschaft. Deshalb ist die EU-Demokratisierungspolitik jedoch nicht frei von Interessen. Im südlichen Mittelmeerraum erklärt sie sich primär aus dem sicherheitspolitischen Interesse, von möglichst vielen Demokratien umgeben zu sein. Demokratien gelten nicht nur als innenpolitisch vergleichsweise stabil, gemäß der Theorie des Demokratischen Friedens wird von ihnen auch erwartet, dass sie Konflikte friedlich lösen. Demokratien in der Nachbarschaft sollen Europa aber auch bei der Bewältigung von weichen Sicherheitsrisiken unterhalb der Schwelle des Krieges helfen, denen in der Mittelmeerpolitik besonders hohe Bedeutung zukommt.
Als eine Wurzel dieses qualitativ neuen Bedrohungspotenzials, das nicht mehr von Staaten ausgeht und auch nicht mehr militärisch definiert werden kann, hat die EU in den neunziger Jahren die wirtschaftliche Unterentwicklung der meisten MDL identifiziert. Diesem Sicherheitsrisiko wollte man nicht mehr allein mit Mitteln der Entwicklungspolitik begegnen, sondern auch mit dem Instrument der Demokratieförderung. Viele autoritäre Regime, die sich während des Kalten Krieges strategisch motivierter Entwicklungshilfe erfreuen durften, hatten wenig Interesse am Gemeinwohl ihrer Völker gezeigt und vor allem sich selbst und ihre Klientel bedient. Es bedurfte des Endes der Blockkonfrontation, damit sich die Erkenntnis durchsetzen konnte, dass Entwicklungszusammenarbeit mit autoritären Regimen ineffektiv ist.
Letztendlich ist die externe Demokratisierungspolitik der EU auch ein Teil ihrer Strategie im Kampf gegen den internationalen Terrorismus, und zwar der Teil, der an den Wurzeln des Problems ansetzt. Die wirtschaftliche Perspektivlosigkeit vor allem der jüngeren Generationen in den MDL, ihr Gefühl, Verlierer der Globalisierung zu sein, ihre wachsende Frustration über den ungelösten Nahostkonflikt sowie nicht zuletzt das Fehlen von demokratischen Partizipationsmöglichkeiten vermögen den Terrorismus nicht zu erklären. Diese Faktoren begünstigen jedoch die Radikalisierung bestimmter Segmente der Gesellschaften in den MDL und bereiten den Boden für Terrornetzwerke wie Al-Qaida, die dort Sympathisanten und potenziellen Nachwuchs rekrutieren.
Die externe Demokratisierungspolitik der EU ruht dementsprechend auf der Annahme, dass es ohne Demokratie im Mittelmeerraum weder Frieden noch Stabilität noch wirtschaftliche Entwicklung geben kann. Entsprechend durchzieht das Ziel, Demokratie und Menschenrechte im Mittelmeerraum zu fördern, die Dokumente aller Politikfelder der EMP.
Die Bekenntnisse zu Demokratie und Menschenrechten in der Präambel und Korb (I) der Deklaration von Barcelona haben vorwiegend deklaratorischen Charakter.
Des Weiteren enthält das MEDA-Programm eine Suspensionsklausel, die es der EU erlaubt, die Kooperation teilweise oder vollständig auszusetzen, wenn das jeweilige MDL die demokratischen Spielregeln grob verletzt oder sich schwere Menschenrechtsverletzungen zu Schulden kommen lässt. Solche Suspensionsklauseln finden sich auch in den Euro-Med Assoziierungsabkommen, die die EU mit den einzelnen MDL abschließt.
Ergänzt wird der top down approach durch einen bottom up approach der Demokratisierung, der in Korb (III) verankert wurde. Dieser Ansatz richtet sich nicht an die Regierungen, sondern versucht, über die Zivilgesellschaften Einfluss auf die gesellschaftspolitische Entwicklung der MDL zu nehmen. Blickt man jedoch auf die Entwicklung der vergangenen zehn Jahre zurück, so fällt auf, dass die entsprechenden Programme immer unpolitischer wurden. In den derzeit laufenden Programmen Euro-Med Heritage, Euro-Med Audiovisual und Euro-Med Youth dominiert der kulturelle Dialog gegenüber einer expliziten Demokratisierungs- und Menschenrechtspolitik.
Positiv zu bewerten sind zaghafte Ansätze, die Zielgruppe zivilgesellschaftlicher Projekte auszuweiten. Bisher rekrutierten sich die Projektpartner der EU aus den säkularen, westlich sozialisierten Eliten der MDL. Sie stehen europäischen Denkstrukturen und Wertvorstellungen nahe, sind jedoch wenig repräsentativ für ihre jeweiligen Gesellschaften. Die exklusive Zusammenarbeit der EU mit den säkularen Eliten lag in dem uneingestandenen Wunsch begründet, das Ergebnis des demokratischen Prozesses - die Gestaltung der Gesellschaftsordnung - vorwegzunehmen.
Noch ist nicht absehbar, inwieweit die EU sich der Zusammenarbeit mit moderaten Islamisten öffnen wird, denn immerhin haben auch Radikalismus und Terrorismus ihre Wurzeln im politischen Islam. Gleichzeitig wächst jedoch das Bewusstsein, dass dies der einzige Weg ist, um der ebenso künstlichen wie gefährlichen Dichotomie zwischen "dem Islam" und "dem Westen" entgegenzuwirken. Im Kommissionsbericht zum zehnjährigen Jubiläum der EMP wird die Rolle moderater islamistischer Organisationen bei der Förderung von Demokratie und Menschenrechten zumindest erwähnt.
Das generelle Problem jeglicher Kooperation auf Ebene der Zivilgesellschaft besteht darin, dass keine Einigkeit über ihre Rolle innerhalb der EMP besteht. Für die Kommission sind die Vertreter der Zivilgesellschaft gleichermaßen Mittler wie Legitimationsspender. Insofern vertritt die Kommission die Position, dass die Zivilgesellschaft nicht nur über die Zivilforen und die Zusammenarbeit in Korb (III) in die EMP einbezogen werden sollte, sondern auch über die Mitarbeit in anderen Politikfeldern, beispielsweise der Aushandlung von Assoziierungsabkommen.
Um auf eine Verbesserung dieser Rahmenbedingungen hinzuarbeiten, müsste die EU sehr viel konsequenter Druck auf die Regierungen der MDL ausüben. Bevor dies nicht geschieht, ergibt auch die Integration moderater Islamisten wenig Sinn. Wenn nicht gleichzeitig auf institutionellen Reformen, Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und verantwortlicher Regierungsführung bestanden wird, könnte sie sogar kontraproduktiv wirken. Vor einer spürbaren politischen Einflussnahme auf die MDL scheut die EU jedoch zurück, wie die insgesamt bescheidene Bilanz ihrer EU-Demokratisierungspolitik im Rahmen der EMP beweist.
Perspektiven der Euro-Mediterranen Partnerschaft
Seit 2004 gestaltet die EU ihre Beziehungen zu allen benachbarten Drittstaaten im Rahmen einer neu konzipierten Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP).
Der Mehrwert der Aktionspläne besteht darin, dass ihre Inhalte gemeinsam mit den MDL festgelegt werden. Das hat zum einen den Vorteil, dass Reformprogramme künftig besser auf die jeweilige Situation im Land abgestimmt werden können. Zum anderen relativiert diese Form der Zusammenarbeit die Dominanz der EU. Letztlich kann auch erwartet werden, dass die MDL bei der Umsetzung selbstgestalteter Reformprogramme mehr Eigenverantwortung übernehmen und besser kooperieren. Ob dies tatsächlich der Fall ist, soll künftig in regelmäßigen Intervallen überprüft werden. Anders als die EMP ist die ENP also sehr viel ergebnisorientierter.
Romano Prodi, der ehemalige Kommissionspräsident, versprach den neuen Nachbarn, dass eine Annäherung an die EU alle Politikfelder in der Kompetenz der EU umfassen kann, also weit mehr als eine Freihandelszone; dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass sie sich reformbereit zeigen. Der Strategiewechsel ist als Lernerfolg der EU zu werten: Der erfolgreiche EU-Beitrittsprozess einerseits und zehn Jahre Erfolglosigkeit im Rahmen der EMP andererseits haben gezeigt, dass Transformationsprozesse ohne überzeugende Anreize für die regierenden Eliten von außen nicht angestoßen werden können. Diese neue Erkenntnis kommt jedoch auch in der ENP nicht in aller nötigen Konsequenz zum Tragen. Während das in den Aktionsplänen enthaltene Benchmarking der ökonomischen Modernisierung relativ konkret ist, fehlt Vergleichbares für die innenpolitischen Reformen.
Unter demokratiepolitischen Gesichtspunkten fällt die Evaluation der ENP also ambivalent aus. Es gibt jedoch noch einen weiteren Grund, weshalb die ENP mit einiger Skepsis zu betrachten ist. Ihr bilateraler Ansatz enthält zweifelsfrei Chancen auf eine Dynamisierung, da jedes MDL nunmehr selber die Geschwindigkeit bestimmen kann, mit der es sich auf Wirtschaftsreformen einlässt und der EU annähert. Gleichzeitig wird jedoch der ohnehin schon gegebene, so genannte hub-and-spoke-Effekt verfestigt: Die EU bestärkt die MDL in ihrer Konkurrenz um eine Annäherung an die EU, gibt ihnen jedoch wenig Anreize, regionale Integrationsprozesse voranzutreiben. Es ist bezeichnend, dass vor allem die MDL Wert darauf legen, dass die bilaterale ENP die multilaterale EMP lediglich ergänzt und nicht abgelöst hat. Jedes MDL für sich kann von dem partnerschaftlichen Ansatz der Aktionspläne profitieren, die Region als Ganzes droht jedoch an Verhandlungsmacht zu verlieren und könnte überdies gegenüber den östlichen Nachbarn der EU ins Hintertreffen geraten. Insgesamt könnten die interregionalen Beziehungen noch asymmetrischer werden, als sie es heute schon sind.
Vor diesem Hintergrund kommt der im März 2004 von der EU verabschiedeten "Strategischen Partnerschaft der EU mit dem Mittelmeerraum und dem Nahen Osten" einige Bedeutung zu.
Fazit und Ausblick
Gemessen an der Zielvorgabe, einen Raum des Friedens, der Stabilität und des gemeinsamen Wohlstands schaffen zu wollen, könnte man der EMP glattes Versagen vorwerfen, wobei ein wesentlicher Grund hierfür außerhalb der EMP, nämlich im Scheitern des nahöstlichen Friedensprozesses liegt. Misst man die EMP jedoch an dem bescheideneren Ziel, einen Rahmen für eine vertrauensvolle Kooperation zwischen nördlichen und südlichen Küstenanrainern aufzubauen, so sind ihre Erfolge offenkundig. Allein die Tatsache, dass der Barcelona-Prozess bislang alle Krisen überstanden hat, zeugt davon, dass alle Teilnehmer der EMP einen Mehrwert zugestehen, den sie trotz nicht zu leugnender Defizite nicht missen wollen. Das Interesse der MDL an engen Kontakten zur benachbarten Wohlstandsregion Europa ist genauso ungebrochen wie das Interesse der EU, den aus dem Mittelmeerraum stammenden Sicherheitsrisiken in Kooperation mit den MDL entgegenzutreten.
Allerdings fehlt es auf beiden Seiten an der notwendigen Bereitschaft, die EMP konsequent umzusetzen. Dies gilt insbesondere für die Demokratisierungspolitik: Die MDL weigern sich beharrlich, Reformen in Angriff zu nehmen, die über kosmetische Korrekturen hinausgehen, und die EU zögert, ihnen ernsthafte Reformen abzuringen. Das neue Konzept der EU, künftig mit positiven Anreizen auf die politische Reformbereitschaft der MDL einzuwirken zu wollen, weist zwar in die richtige Richtung, müsste jedoch durch die Festlegung verbindlicher Benchmarks nachgebessert werden. Erst damit käme der Mehrwert der ENP zum Tragen. Sie sollte die EMP jedoch allenfalls ergänzen und nicht ablösen, da sonst der regionalpolitische Ansatz gefährdet würde, mit dem die EMP im Bereich der Vertrauensbildung einige Erfolge erzielt hat. Dieses Vertrauen mag fragil sein, aber es ist ausbaufähig. Die Bezeichnung Barcelona-Prozess verdeutlicht besser als der Name EMP das Potenzial, das dieses regionalpolitische Projekt noch in sich birgt.