Einleitung
Wie groß sind die Risiken durch nicht-staatliche Proliferationsnetzwerke heute? Welche Aktivitäten hat das bisher bekannteste Netzwerk um den pakistanischen Nuklearwissenschaftler A. Q. Khan entfaltet und welche Staaten und Terrorgruppen haben davon profitiert? Welche Maßnahmen können zusätzlich zu den bestehenden Exportkontrollmechanismen ergriffen werden, um die Gefahren durch Proliferationsnetzwerke auf der Schattenseite der Globalisierung zu verringern?
Wenn man nach den Risiken der illegalen Weitergabe von Nukleartechnik und von Wissen zum Bau von Kernwaffen durch nichtstaatliche Akteure fragt, dann muss man zunächst in Rechnung stellen, dass bis in die neunziger Jahre hinein der überwiegende Teil der Verbreitung von Nuklearwaffentechnologie zwischen einzelnen Staaten stattgefunden hat. Nichtstaatliche Proliferation verdient dennoch mehr Aufmerksamkeit von Politik und Öffentlichkeit, weil sie potenziell große und wachsende Risiken mit sich bringt. Staatliche und nichtstaatliche Verbreitung von sensitivem Wissen hängen auch heute noch eng zusammen, wie die Zusammenarbeit des Khan-Netzwerks mit Nordkorea, Iran und Libyen zeigt. Privatwirtschaftliche Proliferationsnetzwerke bergen aber besondere Gefahren.
Erstens stehen für die beteiligten privatwirtschaftlichen Akteure Gewinninteressen, seltener ideologische Ziele, im Vordergrund ihres Handelns, so dass die Weitergabe auch an finanziell potente Terrorgruppen nicht ausgeschlossen werden kann. Zweitens wird das Gewinninteresse dadurch verstärkt, dass die global verdeckt kooperierenden spezialisierten Kleinunternehmen im Gegensatz zu Staaten keine militärische Vergeltung zu befürchten haben, wenn die Weitergabe an Terrorgruppen oder Nichtkernwaffenstaaten offenbar wird. Drittens ist das bestehende Nichtverbreitungsregime auf die Weitergabe zwischen Staaten ausgerichtet. Nichtstaatliche Akteure konnten daher bisher recht ungehindert agieren. Viertens brachten das Ende des Ost-West-Konfliktes, verbunden mit der sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Dominanz der westlichen Welt, und die Globalisierung als weitgehend ungehinderte Verbreitung von Gütern, Dienstleistungen und Wissen zunehmend stärker werdende soziale und politische Gegenreaktionen hervor. In einigen wenigen, aber wichtigen Fällen, wie dem transnationalen Terrorismus, versuchen diese Akteure, der wahrgenommenen Dominanz des Westens und insbesondere der USA durch asymmetrische Kriegsführung und potenziell auch durch den Einsatz von Massenvernichtungswaffen zu begegnen, so dass die Nachfrage nach Nukleartechnologie bei diesen Akteuren steigt.
Wenn man das Proliferationsnetzwerk um A. Q. Khan im Vergleich zu anderen illegalen Proliferationsaktivitäten untersucht, werden mehrere Besonderheiten erkennbar. Erstens gelang es erstmalig einer Einzelperson - keinem Staat oder einer Terrorgruppe -, ein multinationales Netzwerk aufzubauen, das eine bisher ungekannte Bandbreite an Nukleartechnologie - Baupläne für Anlagen, nukleare Vorprodukte zur Urananreicherung, Kernwaffensprengkopfdesigns sowie Einzelteile oder ganze nukleartechnische Anlagen - über mindestens ein Jahrzehnt weitgehend unerkannt an seine Kunden verkaufte. Zweitens handelte das Khan-Netzwerk im Gegensatz zu entsprechenden Transfers in der ehemaligen Sowjetunion nicht mit waffenfähigem Material. Es zielte auf die Belieferung geheimer staatlicher Nuklear(waffen)programme in Nichtkernwaffenstaaten, nicht aber auf den direkten Transfer von fertigen Waffen oder waffenfähigem Material. Drittens benutzte A. Q. Khan zu diesem Zweck die ehemaligen Zulieferer des staatlichen A. Q. Khan-Laboratoriums, das für den Aufbau des pakistanischen Kernwaffenpotenzials verantwortlich ist. Khans Netzwerk ist insofern hervorzuheben, weil neben Pakistan nur Israel und Indien ein erfolgreiches Atomwaffenprogramm außerhalb des Nichtverbreitungsvertrages aufgebaut haben. Viertens schließlich ist der "Fall Khan" auch deshalb außergewöhnlich, weil westliche Geheimdienste, insbesondere die CIA, sowie die pakistanische Regierung über Teile der Khan'schen Aktivitäten spätestens seit den achtziger Jahren informiert waren, aber offensichtlich das wahre Ausmaß, insbesondere die intensive Zusammenarbeit mit dem Iran und Libyen unterschätzten.
Auf Seiten des Westens mag die besondere Bedeutung Pakistans für die US-amerikanische Sicherheitspolitik in Südasien (zumal nach den Anschlägen vom 11. September 2001) das massive Geheimdienstversagen zusätzlich erklären. Auf Seiten der pakistanischen Regierung stellt sich entweder die Frage, aus welchen Gründen die Regierung, das pakistanische Militär oder die Geheimdienste das Netzwerk stützten oder zumindest deckten, oder warum die illegalen Aktivitäten trotz angeblicher Kontrollen und zahlreicher ausländischer Hinweise nicht früher entdeckt wurden. Diese Besonderheiten des Khan-Netzwerks mahnen daher zur Vorsicht, wenn es um die Abschätzung der Risiken durch weitere, ähnlich aufgebaute Netzwerke in der Zukunft geht.
Genese, Aufbau und Aktivitäten des Khan-Netzwerks
Die Ursprünge des Khan-Netzwerks reichen bis in die Mitte der siebziger Jahre zurück. Als Reaktion auf die "friedliche Explosion" eines atomaren Sprengsatzes in Indien verstärkte Pakistan seine Anstrengungen, Atommacht zu werden. Gleichzeitig bildeten die USA zusammen mit anderen Nuklearwaffen-Unterzeichnerstaaten des Nichtverbreitungsvertrages (Sowjetunion, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Japan und Kanada) die "Nuclear Suppliers Group" (NSG). Die NSG verschärfte die Kontrollen für den Handel mit sensitiven Nuklearprodukten zwischen Staaten massiv, so dass Pakistans Pläne zur plutoniumbasierten Energiegewinnung (und Waffenproduktion) erheblich gestört wurden. In dieser Situation bot der in Berlin und Delft ausgebildete Nuklearwissenschaftler Abdul Qadeer Khan dem pakistanischen Präsidenten Bhutto seine Rückkehr an. Khan, der seit 1974 in sensiblen Bereichen des deutsch-niederländisch-britischen Urananreicherungskonsortiums URENCO geheime Erkenntnisse über Zentrifugendesigns, Produktionsprozesse und das URENCO-Zulieferernetzwerk gesammelt hatte, kehrte 1976 nach Pakistan zurück. Bis 1987 baute er ein Forschungslaboratorium (A.Q. Khan Research Laboratories, KRL) und ein Netzwerk zwischen Firmen auf, das die zwischenstaatlichen Kontrollen der NSG und des Nichtverbreitungsvertrags (NVV) erfolgreich unterlief und so alle notwendigen Komponenten und Konstruktionspläne für den Bau der uranbasierten Kernwaffe Pakistans besorgte.
1987 veränderte Khan die Zielrichtung seines Netzwerks von der Beschaffung für das pakistanische Programm zur Proliferation an andere Staaten. Er warb öffentlich für pakistanisches Nuklearwissen und Ende 1987 trafen erstmals zwei Gewährsleute Khans mit drei iranischen Unterhändlern zusammen und vereinbarten den Transfer von Bauplänen und Zentrifugenkomponenten.
Das genaue Ausmaß des illegalen Nuklearhandels, der von 1987 bis 2004 andauerte, ist nach wie vor unklar. Die wichtigsten offenen Fragen sind: Welche Staaten oder Gruppen haben neben Iran, Nordkorea und Libyen Technik oder Wissen erworben. Wurden neben Libyen auch Nordkorea und dem Iran Sprengkopfdesigns geliefert? Wurden alle Hauptzulieferer des Netzwerks identifiziert und festgesetzt? Aus den Untersuchungsberichten der IAEA zum illegalen libyschen Nuklearwaffenprogramm und zum iranischen Nuklearprogramm und aus gesicherten Erkenntnissen über die pakistanisch-nordkoreanische Nuklear- und Raketenkooperation lässt sich jedoch ein vorläufiges Bild der Strukturen und Geschäftsabläufe des Netzwerks zeichnen.
Der erste Kunde des Netzwerks war seit 1987 der Iran. Khan verkaufte zunächst Baupläne und Komponenten, die er zusätzlich zu den im pakistanischen Programm benötigten bei Zulieferern in Europa bestellte. Diese frühen Transfers beschränkten sich auf das sog. "P-1-Zentrifugendesign", das niederländische der beiden Zentrifugenmodelle, das Khan aus den URENCO-Werken in Almelo entwendet hatte. Nachdem Pakistan auf das leistungsfähigere P-2-Zentrifugenmodell umgestellt hatte, exportierte das Netzwerk zu Beginn der neunziger Jahre auch vollständige alte P-1-Zentrifugen, wie sie dann im Iran mit Spuren hoch angereicherten waffenfähigen Urans auch 2003 gefunden wurden. Erst ab 1995 ist der Transfer von Bauplänen für das leistungsfähige P-2-Zentrifugendesign an den Iran nachweisbar.
Parallel zur Kooperation mit Nordkorea lieferte das KRL 20 fertige P-1-Zentrifugen und Komponenten für 200 weitere Einheiten für eine Pilotanreicherungsanlage in Libyen. Offenbar zum Test der Anlage erhielten die Libyer im Jahr 2001 1,87 Tonnen UF6-Gas. Für den Aufbau einer vollständigen industriellen Urananreicherungsanlage orderte die libysche Regierung im Jahr 2000 10 000 (!) leistungsfähige P-2, deren Bauteile ab Dezember 2002 in Libyen eintrafen. Insgesamt soll Libyen für Hardware und Dienstleistungen etwa 100 Mio. US-Dollar an das Netzwerk gezahlt haben. Durch eine erfolgreiche deutsch-italienisch-amerikanische Geheimdienstoperation konnte der Export wichtiger Komponenten aus Malaysia über Dubai jedoch gestoppt werden. Durch den 2004 erfolgten libyschen Verzicht auf Massenvernichtungswaffen wurden weitere Einzelheiten über das Khan-Netzwerk bekannt, unter anderem, dass Libyen 2001 oder 2002 pakistanische Baupläne chinesischer Herkunft für einen funktionsfähigen Kernsprengkopf erhalten hatte.
Bis zur Aufdeckung 2003 hatte sich das Khan-Netzwerk zu einer echten transnationalen Organisation mit Hauptsitz in Pakistan und Produktionsstützpunkten an mindestens sechs weiteren Standorten in Asien, Afrika, dem Nahen Osten und Europa entwickelt. Um die Hauptprodukte des Netzwerks - Gas-Zentrifugen und ihre Bestandteile - vorbei an nationalen und internationalen Exportkontrollen liefern zu können, wurden die etwa 100 unterschiedlichen Zentrifugenkomponenten zumeist getrennt über Drittländer mit falschen Papieren per Schiff in die Empfängerstaaten gebracht. Fertige oder ausrangierte pakistanische Zentrifugen wurden auch über den Landweg (Iran) oder per Flugzeug (Nordkorea) transferiert.
Der wichtigste Standort außerhalb der Khan-Laboratorien in Kahuta war seit 2001 ein Werk der Firma "Scomi Precision Engineering" (SCOPE) nahe der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur, das etwa 15 Prozent der Zentrifugenkomponenten über die Briefkastenfirma "Gulf Technical Industries" des sri-lankischen Khan-Vertrauten Buhary Syed Abu Tahir nach Libyen schickte.
Proliferationseffekte
Versucht man den Schaden des Khan-Netzwerks für das Nichtverbreitungsregime zu ermessen, so muss man erstens festhalten, dass es glaubwürdige Hinweise darauf gibt, dass das Netzwerk auch dem Irak und Syrien seine Dienste angeboten hat
Dabei ist es möglich, dass nukleares Wissen auch an Terrorgruppen weitergegeben worden ist,
Nach jetzigen Kenntnissen hinkt auch das nordkoreanische Urananreicherungsprogramm weiter hinter dem plutoniumbasierten Kernwaffenprogramm hinterher. Im Falle des Iran dürfte die Kooperation mit dem Khan-Netzwerk einem Nichtkernwaffenstaat und NVV-Mitglied aber eine Zeitersparnis von mehreren Jahren beim Aufbau seiner Urananreicherungsanlagen eingebracht haben. Sechstens kommt erschwerend hinzu, dass das im Netzwerk gehandelte nuklearwaffentaugliche Wissen noch weiter diffundiert sein könnte bzw. weiter diffundiert. So haben die bisherigen Untersuchungen in Pakistan, Malaysia, Südafrika und Europa nur zur Festnahme einiger weniger Hauptakteure geführt, und eine Weitergabe von sensitivem Wissen und Technik ist angesichts der konstatierten wirtschaftlichen Interessen weiterhin möglich, wenn nicht gar wahrscheinlich.
Insgesamt hat das Nichtverbreitungsregime durch die Aktivitäten des Khan-Netzwerks erheblichen Schaden genommen. Das Regime ist gleichzeitig von außen (aus dem Nicht-Mitgliedstaat des NVV Pakistan) und von unten (durch Firmenkontakte) unterwandert worden. Die kurzfristigen und unmittelbaren Folgen durch die Verkürzung der Entwicklungszyklen für die Urananreicherung im Iran, in Nordkorea und Libyen sind zwar nach jetzigem Kenntnisstand überschaubar, aber die Verbreitung von waffentauglichem Wissen und der entsprechenden Technik über diese drei Staaten hinaus ist es nicht. Erschwerend kommt hinzu, dass Nordkorea parallel zum Khan-Netzwerk nach wie vor ein Verbreitungsnetzwerk für Kurz- und Mittelstreckenraketen unterhält. Wirken beide Netzwerke zusammen, kann es im Einzelfall, wie im Iran, dazu kommen, dass ein bisheriger Nichtkernwaffenstaat zumindest potenziell in die Lage versetzt wird, innerhalb kurzer Zeit ein regional wirksames Kernwaffenprogramm zu entwickeln.
Maßnahmen zur Eindämmung nicht-staatlicher Proliferation
Wenn die vom Khan-Netzwerk an Libyen gelieferten Kopien für Kernsprengköpfe tatsächlich "Kopien von Kopien von Kopien" waren, dann müssen die bestehenden Mechanismen des Nichtverbreitungsregimes, vor allem die nationalen und internationalen Exportkontrollen und das IAEA-Inspektionssystem, wesentlich verbessert werden, um das schnelle Heranwachsen weiterer Nuklearmächte und nichtstaatlicher Akteure mit Nuklearwaffen zu verhindern. Seit der Aufdeckung des Khan-Netzwerks hat die internationale Staatengemeinschaft zwar mit diversen Initiativen auf die Versäumnisse reagiert. Es sind aber Zweifel angebracht, ob diese neuen Maßnahmen greifen werden, wenn die Schwächen des bestehenden Ausfuhrkontrollsystems nicht ausgeräumt werden.
Ausgangspunkt des bisherigen multilateralen Nuklearexportkontrollsystems ist die rechtlich verbindliche und nahezu universal gültige Norm des NVV in Art. 3 Abs. 2. Danach darf ein NVV-Mitgliedstaat Ausgangs- oder spezielles Spaltmaterial oder Ausrüstungen und Materialien zur Herstellung dieser Materialien einem Nichtkernwaffenstaat nur für friedliche Zwecke zur Verfügung stellen und nur, wenn dieses den erforderlichen Überwachungsmaßnahmen unterliegt. Der Vertrag stellt also einen direkten Zusammenhang zwischen Nuklearexporten und IAEA-Kontrollen her. Der Vertrag spezifiziert allerdings nicht genauer, um welche Materialien und Technologien es hierbei geht.
Diese Vertragslücke führte in der Umsetzung der Norm zu zwei Entwicklungen: zum einen, dass die IAEA nur den ordnungsgemäßen Gebrauch "friedlicher Nukleartechnologie" überwacht und allenfalls Ungereimtheiten in den Angaben der Mitgliedstaaten aufdecken kann. Konkreten Hinweisen auf eine militärische Nutzung, zum Beispiel für Kernwaffentests, kann sie nicht nachgehen, weil dies ihr Mandat überschreiten würde. Zum anderen bildeten sich unmittelbar nach der Vertragsschließung zwei informelle Gruppen von Nuklearexportstaaten, das so genannte "Zangger-Komitee" (1971) und die "Nuclear Suppliers Group" (1974).
Schließlich entwickelten auch die IAEA-Mitgliedsstaaten nach den Erfahrungen mit den verdeckten irakischen und nordkoreanischen Nuklearaktivitäten Anfang der neunziger Jahre verschärfte Aus- und Einfuhrbedingungen für sensitives Material. Im "Zusatzprotokoll" (1997) wurden die ratifizierenden Staaten verpflichtet, sämtliche Exporte von Nuklearmaterialien einer umfangreichen "trigger list" unaufgefordert an die IAEA zu melden. Zusätzlich gewährt das Protokoll der IAEA umfangreiche Inspektionsrechte, so dass ein Verstoß leichter erkennbar wird und durch die vertragliche Bindung an den NVV auch zu einer Sanktionierung durch den UN-Sicherheitsrat führen kann.
Im Fall des Khan-Netzwerks griffen diese multilateralen Exportkontrollmechanismen aber nicht, weil sie entweder für die betroffenen Staaten und Firmen rechtlich nicht bindend waren, oder weil verbindliche Regeln nicht durchsetzungsfähig waren. So konstatiert beispielsweise der malaysische Polizeibericht über die Aktivitäten der Firma "SCOPE", dass Malaysia weder Mitglied des Zangger-Komitees oder der NSG sei, noch durch die Ratifikation des IAEA-Zusatzprotokolls verpflichtet gewesen sei, den Export von Zentrifugenkomponenten an die IAEA zu melden.
Erkennbare Schwächen des bestehenden multilateralen Exportkontrollregimes liegen also in der mangelnden Verbreitung seiner Normen, der Ungenauigkeit der Exportregeln, aber vor allem auch an der mangelnden Durchsetzungsfähigkeit der Norm, die sich nicht auf eine autonome internationale oder nationale Behörde stützen kann. Vielmehr sind die Ausfuhreinschränkungen des bestehenden Kontrollsystems weitgehend freiwilliger Natur und liegen zudem oftmals in den Händen der nationalen Wirtschaftsministerien, die auch die Exportinteressen ihrer Nuklearindustrien im Blick haben.
Wenn momentan keine starken internationalen, mit Zwang ausgerüsteten Exportkontrollinstitutionen aufgebaut werden sollen oder können, dann müssen die nationalen Ausfuhrkontrollen wesentlich verbessert werden. Die Erfahrung mit dem Khan-Netzwerk zeigt aber, dass selbst westeuropäische Staaten mit ihren nationalen Exportkontrollen überfordert sind, weil sie dem Netzwerkcharakter der Proliferation nicht gerecht werden können. Wenn Proliferationsstaaten gleich aus mehreren Quellen zivil und militärisch nutzbare Materialien oder Anlagen beziehen, dann erkennt eine nationale Exportkontrollbehörde - wenn sie erfolgreich ist - eine verdächtige Transaktion, aber nicht das dahinter liegende Muster der Anhäufung "unverdächtiger Einzelkomponenten" zum Zweck der verdeckten Zusammenfügung. Das Erkennen solcher netzwerkspezifischer Proliferation, wie sie mittlerweile typisch ist für proliferierende Staaten,
Eine verbesserte multilaterale Zusammenarbeit kann aber nicht die Versäumnisse unverantwortlicher oder unbedachter Exportkontrollpolitik ausbessern. So ist ein überzeugter Proliferateur mit den Kontakten eines A. Q. Khan kaum aufzuhalten, wenn er zumindest von Teilen seiner Regierung aktiv unterstützt oder zumindest geduldet wird. Ob die nach der Aufdeckung des Khan-Netzwerks eingeleitete Verschärfung der pakistanischen Exportkontrollen in Zukunft eine Verbesserung bringt,
Neue Initiativen wie die UN-Sicherheitsratsresolution 1540, die Proliferation Security Initiative oder die G-8 können das bestehende System allenfalls ergänzen, aber keinesfalls ersetzen. Die Universalisierung, die Spezifizierung und institutionelle Stärkung nationaler und internationaler Exportkontrollen muss weiterhin im Zentrum des globalen Ausfuhrkontrollsystems stehen, weil nur so der Handel von Privatpersonen mit sensitiven Gütern rechtmäßig und effizient eingedämmt werden kann. Mit der Resolution 1540 hat der Sicherheitsrat einen wichtigen Schritt in Richtung der Stärkung nationaler und internationaler Exportkontrollen unternommen, weil die Resolution mit Bezug auf Kap. VII der VNCH die Schaffung effektiver nationaler Exportkontrollen vorschreibt. Ob dieser Akt "internationaler Gesetzgebung" durch den Sicherheitsrat Erfolg haben kann, wird sich daran zeigen, inwiefern die vielen blockfreien Staaten, die bisher den freiwilligen Mechanismen des Zangger-Komitees oder der NSG ferngeblieben sind, sich nun bereit zeigen, dem Diktum des Sicherheitsrates Folge zu leisten. Ähnliches gilt für die 2003 ins Leben gerufene "Proliferation Security Initiative", die durch eine verbesserte Koordinierung nationaler Exportkontrollpolitiken die Aufdeckung von illegalen Exporten zu Land, zu Wasser und in der Luft erleichtern soll. Auch diese Initiative ist auf den Willen der beteiligten und kooperierenden Staaten angewiesen, insbesondere beim zeitnahen Austausch von geheimdienstlichen Erkenntnissen. Stehen der Weitergabe solcher Informationen die Komplizenschaft oder das strategische Interesse involvierter Regierungen entgegen, dann dürfte auch diese Initiative nicht den gewünschten Eindämmungseffekt erzielen.
Schlussbemerkungen
Das Khan-Proliferationsnetzwerk ist unter den Bedingungen der Globalisierung groß geworden. Seine Wurzeln liegen jedoch in den Strukturen des Ost-West-Konflikts, dem atomaren Rüstungswettlauf zwischen Indien und Pakistan, den defizitären multilateralen Exportkontrollen, der Komplizenschaft durch pakistanische Regierungsstellen und der Duldung durch zahlreiche US-Administrationen (und europäische Regierungen). Der konkrete Ursprung des Netzwerks in den Beschaffungsaktivitäten für das pakistanische Uranwaffenprogramm, der in der Unterstützung für staatliche Nuklear(waffen)programme in Nordkorea, Libyen und dem Iran einfach fortgeschrieben wurde, und die Beteiligung offizieller pakistanischer Stellen zeigen den besonderen semistaatlichen Charakter des Netzwerks. Vergleiche mit nichtstaatlichen kriminellen Verbreitungsnetzwerken, beispielsweise in der ehemaligen Sowjetunion, tragen daher nicht sehr weit.
Vor dem Hintergrund des weltweiten Kampfes gegen den internationalen Terrorismus kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Nährboden für ein solches semistaatliches Programm vollständig trockengelegt werden konnte. Die fragile Staatlichkeit in Pakistan, die daraus resultierende "verständnisvolle Nichtverbreitungspolitik" der USA und der EU gegenüber Präsident Musharraf und der wachsende Widerstand der blockfreien Staaten gegen die angebliche "nukleare Apartheidspolitik" des Westens lassen Zweifel berechtigt erscheinen, dass das Zentrum des Netzwerks in Pakistan und dessen Peripherie in Afrika, dem Nahen Osten und Westeuropa vollständig ausgehoben werden konnte. Dies kann dann erfolgreich geschehen, wenn das bestehende multilaterale Exportkontrollsystem universalisiert und gestärkt und durch effiziente nationale Exportkontrollen ergänzt wird, die von der jeweiligen Regierung auch durchgesetzt werden.