"Der Grad der weiblichen Emanzipation ist das natürliche Maß der allgemeinen Emanzipation einer Gesellschaft." Mit dieser erstmals 1808 publizierten Vision von der Selbstbestimmung des Kollektivsubjekts "Frau" versuchte der französische Frühsozialist Charles Fourier (1772–1837) zu zeigen, wie eine völlig neue gesellschaftliche Ordnung zu konzipieren ist: Die Forderung der bürgerlichen Revolution nach Gleichheit und Freiheit müsse diejenige Bevölkerungsgruppe ins Zentrum stellen, bei der es am undenkbarsten schien, dass ihre Mitglieder, im Sinne Kants, zu mündigen Subjekten der Gesellschaft würden. Wie revolutionär – heißt, die bestehenden Werte und Ordnungen grundsätzlich transformierend – diese Proklamation Fouriers war, wird in dem herrschenden Diskurs über das "weibliche Geschlecht" im 19. Jahrhundert deutlich, wie er in Äußerungen und Abhandlungen aus der Feder von Politikern, Wissenschaftlern und Journalisten, ob Demokraten oder Konservative, zum Ausdruck kam. Befürworter des Wahlrechts für Arbeiter etwa polemisierten in Diskussionen wie zu der Frage, "die Demokratie in jeder Hinsicht durch[zu]führen" sei, dass die Einführung des Wahlrechts der Frauen auch eines für "Kinder und Narren" hieße. Unzählig waren die Abhandlungen über die weibliche Physis, von Muskel- oder Nervenschwäche bis zum leichteren Gehirn, wodurch Frauen qua Geschlecht für öffentliches politisches Engagement oder die Wissenschaften nicht geeignet sein sollten.
Neben Stimmen wie Fourier, die eine grundlegende Neukreation des gesellschaftlichen Miteinanders thematisierten, gab es im fortschrittlichen Geschlechterdiskurs des 19. Jahrhunderts auch Vorschläge, die auf die Einbeziehung von Frauen in bestehende Institutionen der bürgerlichen Ordnung rekurrierten. Diese beiden Haltungen, die mit den Begriffen von Revolution und Reform gefasst werden können, führen – mitunter dialektisch verbunden – in die Diskurse, die Frauen und Männer international seit den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts umtrieb: Ist die Frauenemanzipation beziehungsweise die Frauenbefreiung beziehungsweise die Lösung der "Frauenfrage" im Rahmen der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaftsordnung möglich? Oder braucht es eine Transformation von Politik und Ökonomie sowie der sexuellen Verhältnisse in Richtung von noch nicht Erprobtem, also eine Utopie, die zeitgenössisch mit den Begriffen Sozialismus, Anarchismus, Kommunismus verbunden wurde?
Geschlecht – eine Kategorie ersten Ranges
Der Diskurs über eine menschen- und damit frauenfreundliche Zukunft im 19. Jahrhundert ging mit großen Emotionen einher, die uns aus heutiger Perspektive fremd erscheinen mögen. Zentral gesetzt wurde die "Harmonie der Menschheit", die solange nicht hergestellt sei, als "noch ein Mensch (…) gesetzlich oder gesellschaftlich gehindert" oder ihm von anderen "erschwert" würde, "sich selbst und seine Fähigkeiten zu entfalten und zu benutzen im Interesse seiner selbst in freier Selbstbestimmung" ebenso wie im Dienste des Allgemeinen, in "Unterordnung und Hingebung", wie es Louise Otto-Peters formulierte.
Der strukturelle gesellschaftspolitische Kern, der im Laufe des 19. Jahrhunderts verschiedene "Fragen" provozierte, – neben der "Frauenfrage" unter anderem die "soziale Frage", die "Bauernfrage", die "Judenfrage" – ist in der Widersprüchlichkeit der bürgerlichen Moderne zu finden. Auf Basis des philosophischen Gedankengebäudes der Aufklärung und der grundlegenden Veränderungen der europäischen Welt seit Mitte des 18. Jahrhunderts begann der ungleichzeitig stattfindende Übergang von der ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft. Die Erkenntnis vom "frei und gleich geborenen Menschen", der jenseits aller "gottgewollten" Grenzen die Verpflichtung hatte, sich aus der "selbst verschuldeten Unmündigkeit" zu befreien, barg ein nicht gelöstes Paradox in sich: die offensichtlich bestehenden Kollektivdifferenzen zwischen Menschen, wie soziale Positionierung, Ethnizität, Nationalität und Geschlecht. In der Folge wurde die Kategorie "Geschlecht" zur Strukturkategorie ersten Ranges, die die bürgerliche Moderne nachhaltig prägte. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts wurden gesellschaftliche Bereiche (institutionalisierte Politik, Wissenschaft und Bildung, Militär) entlang des Ein- beziehungsweise Ausschlusses an der Geschlechterlinie organisiert, und der Mann wurde in den Familienrechten der Bürgerlichen Gesetzbücher zum "Haupt" oder zum "Vormund" von Frauen bestimmt. Die meisten der Familienrechte und der Zugang von Frauen zum Militär wurden erst im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts reformiert, der Zugang zu institutionalisierter Politik und höherer Bildung gelang früher. Allerdings wurde in den Transformationsprozessen zu parlamentarischen Republiken nach dem Ersten Weltkrieg eine Geschlechterordnung etabliert, in der zwar gleiche politische Rechte galten, aber die soziale Ungleichheit aufrechterhalten wurde – mit nachhaltig-struktureller Wirkung bis heute.
Die Entwicklung von Geschlecht zu einer Kategorie ersten Ranges, die Machtverhältnisse zum Nachteil von Frauen begründete, war ein Ergebnis von Aushandlungen und Kämpfen. Entscheidend dafür waren die politischen Verhältnisse, die in den meist militanten Auseinandersetzungen – "Revolutionen" genannt – zur Disposition standen. Im Kontext der umfassenden gesellschaftspolitischen Transformation seit Mitte des 18. Jahrhunderts, die der Historiker Reinhart Koselleck als (erste) "Sattelzeit" definierte, fungierte das Ereignis "Revolution" als Katalysator für die Entwicklung der bürgerlichen Moderne. Diese Transformationsprozesse sowie die Revolutionen sind als "soziale Räume" zu fassen, in denen auch Geschlechterordnungen verhandelt wurden – was Koselleck allerdings nicht thematisierte und die androzentrische, also männerzentrierte und -dominierte Geschichtsschreibung auch noch lange nach dem bahnbrechenden Aufsatz der Historikerin Karin Hausen von 1976 negierte. Ebenso vernachlässigt wurden Fragen nach dem Stellenwert von Geschlecht in der Praxis der Revolutionsverläufe, nach den Akteurinnen der Revolution sowie den geschlechtsspezifischen Forderungen und Zielen. Erst die Frauen- und Geschlechtergeschichte, die in Zentraleuropa in den 1970er Jahren entstand, fragte nach den Gewordenheiten der Geschlechtscharaktere und der Geschlechterverhältnisse, machte auf die strukturellen Prozesse und Entwicklungen im 19. Jahrhundert aufmerksam und suchte die Geschichtsschreibung tief greifend zu verändern.
Die große Französische Revolution: eine für Frauen?
Mit der "Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte" vom 26. August 1789 wurde am Beginn der Französischen Revolution die diskursive Auseinandersetzung eröffnet, welche Menschengruppen die neue Freiheit und Gleichheit ein- und welche ausschließen würde. Adressiert an den mündigen Bürger blieb der Geschlechtergruppe Frau der Subjektstatus verwehrt, sie blieb von den projektierten staatsbürgerlichen Handlungsräumen der neuen Gesellschaftsformation ausgeschlossen. Zwei Jahre später, im September 1791, legte die Schriftstellerin Olympe de Gouges (1748–1793) die "Erklärung der Rechte der Frau und der Bürgerin" vor, worin sie, der Struktur der Menschenrechtserklärung folgend, die volle rechtliche, politische und soziale Gleichstellung der Frau forderte. Diese beiden kontroversen Erklärungen, die den Ein- und Ausschluss aus politischen Handlungsräumen entlang der heterosexuellen Zweigeschlechtlichkeit implizit und explizit thematisierten, zeigen den Verhandlungsstatus der Problematik: Handelte es sich um Freiheit und Gleichheit in Brüderlichkeit oder in Geschwisterlichkeit?
Die geschlechtsspezifisch erste Phase der Französischen Revolution eröffnete für Frauen und Männer verschiedenster sozialer Positionierungen neue Formen der Artikulation von Wünschen und Protest gegenüber den alten sowie den sich neu formierenden Eliten. Unterschiedliche Organisationsformen entstanden. Es gab Vereine, die Frauen nur als Zuhörerinnen duldeten, etwa die Jakobinerclubs. In Paris gab es in der Regel gemischtgeschlechtliche Clubs, wie die Bruderschaft für beide Geschlechter, während außerhalb der Hauptstadt reine Frauenclubs dominierten. Neben dem Erlernen und Ausprobieren, was "politisch sein" bedeutete – eine Frage, die auch Männer betraf –, übernahmen diese Vereine auch soziale Aufgaben und organisierten angesichts der steigenden Arbeitslosigkeit erste staatlich-kollektive Werkstätten. Mit der Kriegserklärung vom 20. April 1792 kam auch die Frage der bewaffneten Frau auf die Diskursagenda.
Frauen der unteren und mittleren Schichten zeigten – nachdem sie immer eine wichtige Rolle in Volksaufläufen oder Hungerunruhen gespielt hatten – beim Sturm auf die Bastille, dass militante Protestformen zur Durchsetzung ihrer Anliegen nicht außergewöhnlich waren. Besonders der Zug der Marktweiber nach Versailles am 5. und 6. Oktober 1789 wurde breit rezipiert, diese Akteurinnen zeitgenössisch ebenso als Heldinnen gefeiert wie geschmäht. Die Beteiligung der Frauen an der nicht institutionalisierten Gewalt der Volksaufstände 1792 und 1793 während der Revolution ist ebenso evident wie ihre Teilnahme in der Revolutionsarmee. Als allerdings Pauline Léon (1768–1838), eine revolutionäre Republikanerin, dieses Engagement zu institutionalisieren suchte und 1792 in die Gesetzgebende Versammlung eine Petition zur Bewaffnung von Frauen einbrachte, wurde ihre Initiative zwar begrüßt, aber mit dem Hinweis abgelehnt, dass dies "wider die Natur" sei.
Mit Beginn der Terrorherrschaft der Jakobiner 1793 endete die geschlechtsspezifisch erste Phase der Revolution, die als eine Art Laboratorium in Sachen Geschlechterpolitik angesehen werden kann. Innovationen wie das Recht auf Scheidung, das Recht der Frau auf Familieneigentum, väterliche Alimentationspflichten für ledige Kinder oder die Gleichsetzung von Jungen und Mädchen in der Schulbildung wurden sukzessive infrage gestellt. Armee und Politik wurden als Männerräume institutionalisiert. Mit den damit verbundenen geschlechtsspezifischen Machtverhältnissen schien für das männliche Individuum des Dritten Standes in der angespannten politischen, militärischen und ökonomischen Situation eine Aufwertung verbunden. Im April 1793 wurden alle Frauen aus der Armee entlassen, im Juni lehnte die Nationalversammlung den Entwurf des Marquis de Condorcet über die Gleichberechtigung der Frauen ab, im September wurden die Frauenclubs aufgelöst und schließlich 1794 Frauen die Teilnahme an politischen Versammlungen verboten. Die Geschlechterpolitik der Jakobiner schrieb so die Geschlechtergruppe Frau durch Gesetze und Verbote als unpolitisch fest. Das galt nicht nur für "oppositionelle" Frauen wie Madame Roland (1754–1793), Charlotte Corday (1768–1793) oder Olympe de Gouges, selbst die Jakobinerinnen wurden als potenziell konterrevolutionär, weil weiblich, eingestuft.
Der Herrschaft Napoleons und dem proklamierten Ende der Revolution 1799 folgte 1804 der für die Geschlechterpolitik der Bürgerlichen Moderne mit Vorbildcharakter ausgestattete Code Civil, später umbenannt in Code Napoléon, der etliche auf egalité zielende geschlechterpolitische Gesetze im Familienrecht wieder zurücknahm und ungleiche Handlungsräume an der Geschlechtergrenze verankerte. Zwar definierte er die Ehe noch als zivilen Vertrag, diese Verbindung dann allerdings als "sakral"; 1816 wurde die Scheidung wieder abgeschafft. Auch die Alimentationspflicht des Vaters für außereheliche Kinder wurde untersagt. Was blieb, war die Gleichsetzung von Jungen und Mädchen im Erbrecht. Dem entsprachen in großen Linien die Familien- und Eherechte der im 19. Jahrhundert auf nationaler Ebene beschlossenen Bürgerlichen Gesetzbücher.
Die Besetzung weiter Teile Deutschlands durch die Französische Armee unter Napoleon begründete zum einen die lang andauernden Ressentiments gegen den westlichen Nachbarstaat, bedeutete aber, dass etliche Ideen, auch die Geschlechterverhältnisse betreffend, wie sie zu Beginn der Französischen Revolution diskutiert worden waren, nach Mitteleuropa sickerten. Neben den sogenannten antinapoleonischen Freiheitskämpfen, in denen auch Frauen aktiv waren, entstanden mit der Bewegung der Jungdeutschen oder dem Jungen Österreich, der Romantik beziehungsweise verschiedenen frühsozialistischen Strömungen lebendige Diskurse über die Konstituierung von egalitären Geschlechterverhältnissen.
Die Pariser Julirevolution von 1830, als sich das liberale Bürgertum mit protoproletarischen Unterschichten verbündete, motivierte die liberalen Kräfte in verschiedenen Ländern des Deutschen Bundes, in Italien und den Niederlanden sowie die national motivierten Aufständischen in Polen zu neuen Aktivitäten. Als sich der "Bürgerkönig" Louis-Philippe schließlich der vom Metternichschen System geprägten Heiligen Allianz anschloss, kam es im Februar 1848 zu einer weiteren bürgerlich-liberalen Revolution in Frankreich, die – nachdem es bereits im Januar in Italien zu Aufständen gekommen war – am Beginn eines fast europaweiten Flächenbrandes stand.
1848/49: Ein "Reich der Freiheit" in Geschlechtergerechtigkeit?
Die europäischen Revolutionen 1848/49 zeigten in geschlechtsspezifischer Hinsicht, wie sehr die bürgerliche Geschlechterordnung 50 Jahre nach der Französischen Revolution in die Mentalitäten eingeschrieben war. Geschlecht hatte sich als Strukturkategorie etabliert, die den Ein- und Ausschluss aus den zentralen Institutionen der bürgerlichen Moderne regelte. Wurde die Gruppe der Männer nach sozialer Positionierung, nach Alter oder der Nation differenziert, wurden Frauen als homogene Geschlechtergruppe gefasst. Obwohl die bürgerlichen Freiheiten – das Ziel der europäischen Revolutionen des 19. Jahrhunderts – unbeschränkte Handlungsspielräume eröffnen sollten, blieb das Feld des Politischen von 1848 wie die politischen Vereine, das Wahlrecht und die Parlamente Männern vorbehalten, in Frankreich und der Habsburger Monarchie inklusive der Arbeiter. Diese innergeschlechtliche Differenzierung von Männern zeigt, wie die Kategorie der sozialen Positionierung im Gegensatz zu Geschlecht flexibel gehandhabt wurde. Wiewohl etliche Protagonistinnen der Frauenemanzipation, wie Louise Otto oder Flora Tristan (1803–1844), in ihren Schriften die Gruppe der Frauen und Arbeiter in einem Atemzug nannten, wurde die Praxis der institutionalisierten bürgerlichen Politik männlich gestaltet.
Argumentiert wurde in Rückgriff auf die idealtypischen bürgerlichen Geschlechtscharaktere, die in neue Familienmodelle gegossen und in Gesetzen wie dem Preußischen Landrecht (1794), im Code Civil oder im habsburgischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (1811) kodifiziert wurden. Den Frauen wurde der Raum der Familie zugewiesen. Eine politisch engagierte Frau würde, so ein häufig genutztes Argument, ihre Familie vernachlässigen und dadurch das Funktionieren des Staates gefährden, außerdem störe die Macht der Erotik den vernunftbegabten, rationalen Männerraum des Politischen. Die unter dem Schlagwort "Volksbewaffnung" gegründeten National- und Bürgergarden blieben Männern vorbehalten, auch wenn sich Frauen, vorwiegend der Unterschichten, wie bereits in der Französischen Revolution und in Paris 1830, an den militanten Aufständen 1848/49 aktiv beteiligten. Die in den revolutionären "Volks"-Armeen kämpfenden Frauen betrieben Cross-Dressing (zogen also Männerkleidung an) beziehungsweise verstärkten als einzelne Heldinnen, als Ausnahmen, wie im Falle der Ungarischen Freiheitsarmee, die Hegemonie der wehrhaften Männlichkeit.
Die vielfältigen Forderungen von Frauen 1848/49 nach dem Wahlrecht, dem Recht, Waffen zu tragen, zu studieren, aber auch, des Abends ungestört ohne männliche Begleitung ein Café besuchen zu können, zeugen vom Bewusstsein für den Widerspruch, der der proklamierten Freiheit und Gleichheit in ihrer bürgerlich-liberalen Konzeption innewohnte. "Es wäre falsch, das Stimmrecht allgemein zu nennen, wenn von dessen Ausübung wenigstens die Hälfte der Untertanen ausgeschlossen ist", proklamierten 1848 in Wien einige Bürgersfrauen, ganz in dem Sinne, wie es Louise Otto im selben Jahr in der von Louise Dittmar (1807–1884) herausgegebenen Zeitschrift "Sociale Reform" forderte.
In der Praxis affirmierte der Mainstream der 1848erinnen jedoch die komplementäre Geschlechterpolarität, indem sie spezielle Frauenvereine gründeten. Deren Namen – Club des Femmes oder Demokratische Frauen-Hilfs-Vereine – zeugen von einem selbstgewählten Sonderstatus oder auch vom Androzentrismus des in Gründung befindlichen politischen Raums. Neben dem Demokratischen Verein der unmarkiert gebliebenen Männer entstand der Wiener demokratische Frauen-Verein, der sich explizit als "politischer" Verein definierte und, neben einigen Frauenvereinigungen in Paris, auch mit seinem elaborierten Programm eine europaweite Ausnahme darstellte. Die selbstgewählte und zugeschriebene Geschlechterkomplementarität äußerte sich bereits 1848/49 in der "sozialen Mütterlichkeit": Frauen sammelten Geld, verköstigten die Kämpfer, versorgten Verwundete und stickten Fahnen für die Revolution.
Mit ihrem erweiterten Politikbegriff hat die Frauen- und Geschlechtergeschichte die politische Dimension dieses Engagements und den fließenden Übergang der nur scheinbar an der Geschlechtergrenze definierten Bereiche Öffentlichkeit und Privatheit deutlich gemacht. Abseits der politischen Institutionen wurde europaweit in den Festen der Revolution von 1848/49 das komplementäre Paar gefeiert und gleichzeitig in militanten Auseinandersetzungen das bürgerliche Phantasma der friedfertigen Frau konterkariert. Die Praxis, mit den idealtypischen bürgerlichen Geschlechtscharakteren in einer ganz anderen Hinsicht zu "spielen", war später bei den Akteurinnen der Pariser Commune 1871 zu beobachten: Mit dem Kalkül, dass Soldaten angesichts des "schwachen" Geschlechts den Schießbefehl verweigern würden, traten vor allem Frauen den Regierungstruppen entgegen. Sie organisierten sich gemeinsam mit Männern oder in reinen Frauenkomitees, wie Louise Michels (1830–1905) Gruppe in Montmatre, die einen radikalen Gleichheitsbegriff vertrat.
In den 1848/49 nachfolgenden Jahrzehnten wird international der Beginn oder die Konsolidierung der Frauenbewegungen konstatiert. Als einigendes Band kristallisierte sich die "soziale Mütterlichkeit" vor allem für die großen bürgerlich-liberalen Frauenvereine heraus. Dies passte in die rechtlichen Möglichkeiten für öffentliches Engagement für Frauenrechte, das nicht politisch sein durfte, reproduzierte aber die bürgerlichen Geschlechtscharaktere. Gleichwohl gab es etliche Akteurinnen, darunter auch Louise Otto-Peters, die für gleiche Rechte von Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen eintraten.
Die im 19. Jahrhundert mit Jules Michelets "Frauen der Revolution" (1854) einsetzende Historiografie zum Geschlecht der Revolution konstruierte einerseits die aufständischen Massen mit weiblichen Attributen und positioniert sie damit in Opposition zu den rationalen institutionalisierten Männerräumen Politik und Militär. Andererseits, wurde postuliert, seien die an der Revolution beteiligten Frauen beseelt von dem Vorhaben gewesen, den bürgerlichen Idealtypus der liebevollen, opferfreudigen Ehefrau zu reproduzieren, die sich nur aus "unpolitischen" Gründen, etwa Mitleid, engagiert hätten. Und gleichzeitig stiftete Eugène Delacroix’ Bild "Die Freiheit führt das Volk" (La Liberté guidant le peuple, 1830) die Allegorie der die revolutionären Massen anführenden todesmutigen Heldin als Symbol für die Nationsbildung durch die Revolution. Dies galt nicht nur für Frankreich und seine Marianne, sondern auch weiter südlich (Italia), weiter östlich (Slavia oder Bohemia) und in der Mitte Europas (Germania).
Postrevolution: Verhältnisse und Verhinderungen
Die nationale Frage des 19. Jahrhunderts war eine Möglichkeit für Frauen, sich als Teil des heterosexuellen Paares, das für den Bestand der Nation notwendig war, öffentlich zu engagieren. Auch Louise Otto, wiewohl auch in anderer Hinsicht, bewegte die deutsche Einigung. Bereits 1848 wurde sie zur (Mit-)Gründerin von "Vaterlandsvereinen", obwohl sie als Frau von der Mitgliedschaft ausgeschlossen blieb. Gerade das Einstehen für ein geeintes Deutschland war für die Frauenbewegung ein Argument, die notwendige Teilhabe von Frauen an den Staatsgeschäften zu fordern. Die Erfahrung von 1848/49, dass Männer verschiedenster politischer Gesinnungen sich nicht für gleiche Rechte für Frauen einsetzten, goss Louise Otto in die oft zitierte Formulierung, dass es die "Geschichte aller Zeiten (…) und die heutige ganz besonders [lehrt], daß diejenigen, welche selbst an ihre Rechte zu denken vergessen, auch vergessen werden". Die Hoffnungen und Träume der Engagierten des 19. Jahrhunderts zu lesen, die emotionalen Beteuerungen für Freiheit und Gleichheit der 1848er_innen ernst zu nehmen und nicht durch die Brille des historiografischen Wissens als nicht geschichtsmächtig abzutun, ist entscheidend, um den Anliegen dieser Akteur_innen gerecht zu werden.
Geschichtsschreibung zu Geschlecht und Revolution hat eine multiple Funktion: genealogisch im Blick zurück auf die Vergangenheit die Gegenwart verständlich zu machen und – nach Walter Benjamin – zu analysieren, welches "Bild" der Vergangenheit festgehalten wird, da es "ein unwiederbringliches Bild der Vergangenheit [ist], das mit jeder Gegenwart zu verschwinden droht, die sich nicht als in ihm gemeint erkannte". Um den Bildern der Vergangenheit zu einem stetigeren Dasein zu verhelfen, scheint es sinnvoll, die "unerfüllte Zukunft" in den Visionen der Aktivist_innen des 19. Jahrhunderts zu bedenken, und sie als "mögliche Gegenwart, die nie gegenwärtig werden konnte", zu fassen. Das gilt auch für das Ziel, dem sich die Frauen- und Geschlechtergeschichte verpflichtet sieht: einer geschlechtergerechten Gesellschaft.