Einleitung
Mit dem Ende der kommunistischen Regime ab 1989 hat sich die politische Landschaft in Osteuropa
Inwieweit ist angesichts dieser besonderen Herausforderungen eine Institutionalisierung und Konsolidierung der Demokratie gelungen? Diese Frage stellt sich insbesondere im Hinblick auf die acht ostmitteleuropäischen und baltischen Staaten, die ab 1. Mai 2004 der Europäischen Union (EU) angehören werden,
Hoher Rang der Verfassung
In allen osteuropäischen Staaten bilden geschriebene Verfassungen die Grundlage staatlich-politischen Handelns. Mittlerweile gelten in fast allen Staaten neue Verfassungen. In Lettland gilt wieder die Verfassung der vorsozialistischen Demokratie - ergänzt durch einen Grundrechtsteil und mit einer Reihe weiterer Änderungen. Nur in Ungarn wurde die sozialistische Verfassung von 1949 nicht durch eine neu geschriebene abgelöst, was mit den spezifischen Bedingungen eines "ausgehandelten Systemwechsels" begründet wird.
Mit dem Inkrafttreten der Verfassung endet - so die plausible Einteilung Wolfgang Merkels - die Transformationsphase der Institutionalisierung der Demokratie, und es kann bei Respektierung der dadurch festgelegten Verfahren und Spielregeln die Konsolidierung beginnen.
Die meisten osteuropäischen Verfassungen enthalten direktdemokratische Instrumente zur Verfassungsänderung. Ein generelles obligatorisches Verfassungsreferendum gibt es nur in Rumänien. Allerdings ist in mehreren Ländern die Änderung wichtiger Teile der Verfassung nur durch eine Volksabstimmung möglich (Lettland, Litauen, Slowakei). Daneben existieren vielfältige Formen eines fakultativen Verfassungsreferendums, so in Slowenien und der Slowakei sowie in Polen. Die verfassungsändernde Volksgesetzgebung ist ähnlich wie in Westeuropa (Schweiz) auch in Osteuropa die Ausnahme (Lettland, Slowakei und - umstritten - Ungarn). Trotz hoher Hürden haben mehrere osteuropäische Verfassungen mittlerweile bedeutende Änderungen erfahren. So wurde in der Slowakei 1999 die Volkswahl des Staatspräsidenten und eine gleichzeitige Schwächung seiner Kompetenzen durchgesetzt.
Beachtlich ist der hohe Wert, den die Bürgerinnen und Bürger der Verfassung beimessen. So empfinden nach einer neueren Erhebung für Ungarn, Polen, Slowenien, Tschechien, die Slowakei, Bulgarien und Rumänien sowie Albanien und Russland mehr als 80 Prozent die Verfassung als "Basis der Gesellschaft", und mit Ausnahme Russlands (39 Prozent) und Bulgariens (53 Prozent) sehen drei Viertel ihre Bürgerrechte gerade durch die Verfassung geschützt.
Stark ausgebaute Verfassungsgerichtsbarkeit
Dem Schutz der Verfassung dient eine stark ausgebaute Verfassungsgerichtsbarkeit. Entsprechend dem "österreichischen Modell" von 1920 wurden in allen osteuropäischen Ländern mit Ausnahme Estlands
Insgesamt gesehen sind die Kompetenzen der Verfassungsgerichte stärker ausgebaut als in Westeuropa. In allen Ländern wurden die konkrete Normenkontrolle auf Veranlassung eines Gerichts wie auch die abstrakte Normenkontrolle von Gesetzen und untergesetzlichen Rechtsnormen eingeführt.
Insgesamt gesehen spielten die Verfassungsgerichte eine wichtige Rolle auf dem Wege der rechtsstaatlichen und demokratischen Konsolidierung. Ihre Entscheidungen hatten oft erhebliche politische Bedeutung und waren nicht selten umstritten. Die Beschlüsse der Verfassungsgerichte wurden in der Regel von den Institutionen respektiert, und die Verfassungsgerichte konnten - jedenfalls in den Beitrittsländern - weit gehend ihre Unabhängigkeit bewahren.
Verfassungsprinzipien rechtsstaatlicher Demokratie
Das Demokratieprinzip ist in allen osteuropäischen Verfassungen ausdrücklich verankert. Alle Verfassungen bekunden ein pluralistisches Demokratieverständnis - mit dem Recht der freien Gründung von Parteien und Vereinigungen. In allen Verfassungen ist entsprechend dem offenbar rezipierten Verständnis der "abwehrbereiten Demokratie" die Möglichkeit vorgesehen, Parteien und Vereinigungen als verfassungswidrig zu verbieten. In den meisten osteuropäischen Ländern entscheidet hierüber letztinstanzlich das Verfassungsgericht.
In deutlicher Abkehr vom staatssozialistischen Verständnis begreifen sich alle osteuropäischen Staaten als Rechtsstaaten. Die Verfassungen enthalten ausführliche Grundrechtskataloge, die fast überall dem Organisationsteil vorangestellt sind. Fast alle Staaten haben den Schutz der Menschenwürde ausdrücklich in ihre Verfassung aufgenommen, wobei als Vorbild häufig Artikel 1 des deutschen Grundgesetzes diente. Die Verfassungen gewährleisten die klassischen Freiheitsrechte, aber auch politische Grundrechte wie die Kommunikations-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit, denen konstitutive Bedeutung für den pluralistisch-demokratischen Willensbildungsprozess zukommt. Die Bürger können sich vor Gericht auf die unmittelbar geltenden Grundrechte berufen.
Die osteuropäischen Staaten begnügen sich nicht damit, Sozialstaatlichkeit und Umweltschutz als Staatszielbestimmungen zu verankern. In allen Verfassungen finden sich soziale Grundrechte, so durchweg ein ausdrückliches Recht auf soziale Sicherung, aber nur noch in der Hälfte der Länder auch ein Recht auf Arbeit. Allerdings kommt zumal angesichts ausgeprägter wirtschaftlicher Probleme den (zum Teil nicht einklagbaren) sozialen Rechten zumindest faktisch vornehmlich der Charakter von Staatszielbestimmungen zu.
Dominanz parlamentarischer Regierungssysteme
In vielen osteuropäischen Ländern wurde das Staatsoberhaupt mit beachtlichen Kompetenzen ausgestattet. Allerdings hat sich nirgendwo in Osteuropa ein präsidentielles Regierungssystem nach US-amerikanischem Muster etabliert. Vielmehr verfügen diese Länder über eine geteilte Exekutive: ein Staatsoberhaupt und eine Regierung, an deren Spitze ein Ministerpräsident steht. In sämtlichen osteuropäischen Ländern kann die Regierung verfassungsgemäß durch ein parlamentarisches Misstrauensvotum gestürzt werden. Sie weisen somit das Hauptmerkmal parlamentarischer Regierungssysteme auf. Allerdings zeigten sich insbesondere in den ersten Jahren nach dem Umbruch von 1989/90 breite semipräsidentielle Tendenzen, welche die Diskussion über Regierungssystem-Typologien belebt haben. Diese Entwicklungen waren nur teilweise durch die Verfassungslage, in beachtlichem Umfang aber (auch) darin begründet, dass den Staatspräsidenten über ihre verfassungsmäßigen Zuständigkeiten hinausgehende Aufgaben zuwuchsen oder sie diese für sich in Anspruch nahmen. Ursache hierfür waren die Instabilität von Parlamenten und Regierungen sowie teilweise auch entsprechende Erwartungen in der Bevölkerung. Von einem semipräsidentiellen System kann gesprochen werden, wenn die Regierungsmacht nicht allein bei Kabinett und Ministerpräsidenten, sondern in erheblichem Umfang auch beim direkt gewählten Staatspräsidenten liegt, der somit nicht nur die charakteristischen Aufgaben eines Staatsoberhauptes wahrnimmt.
Stabilisiert hat sich dieser Typus nur in der Variante eines präsidentiell-parlamentarischen Regierungssystems, und zwar in Russland, der Ukraine und Weißrussland. Diese Länder fallen hinsichtlich der Verfassung und mehr noch der Verfassungspraxis aus dem Rahmen und tragen semiautoritäre oder - im Falle Weißrusslands - autoritäre Züge.
In mehreren Ländern wurden die Kompetenzen der Staatspräsidenten ausdrücklich reduziert, während sie sich in anderen deutlicher auf ihre verfassungsmäßige Rolle beschränken.
Auch die im Falle Rumäniens übliche und bei Bulgarien (und Makedonien) gelegentlich vorgenommene Charakterisierung als "parlamentarisch-präsidentiell" oder "semipräsidentiell" findet ihre Grundlage kaum in Kompetenzzuweisungen der Verfassung, sondern war in der Verfassungspraxis begründet. So stütz(t)en sich die rumänischen Staatspräsidenten auf einen umfangreichen Mitarbeiterstab und maßten sich bis zum erneuten Machtwechsel Ende 2000 "Prärogativen des Regierungschefs" an.
Auch wenn die Staatspräsidenten in den mittel- und osteuropäischen Beitrittsländern vornehmlich repräsentative Aufgaben wahrnehmen, sind sie doch in kaum einem Land darauf beschränkt, sondern haben darüber hinaus bestimmte Verfahrenskompetenzen und Reservefunktionen. So verfügt der Staatspräsident fast überall über ein (suspensives) Vetorecht bei der Gesetzgebung (Ausnahme: Slowenien). In allen Fällen kann das Veto des Präsidenten jedoch vom Parlament überstimmt werden, mit Ausnahme Polens mit einfacher oder absoluter Mehrheit. Insgesamt gesehen wurde das präsidentielle Veto in den letzten Jahren seltener eingelegt und hat an Bedeutung verloren (Ausnahmen: Bulgarien, Polen). Dies wird auf unterschiedliche Weise durch eine Stabilisierung von Parteien(systemen) und Fraktionen bewirkt und ist auch davon abhängig, ob Staatspräsident und Premierminister unterschiedlichen politischen Lagern angehören (Kohabitation).
In einzelnen Beitrittsländern verfügt der Präsident über das Recht der Gesetzesinitiative (Polen, Ungarn, Litauen, Lettland; Estland bei Verfassungsänderungen), doch wird dieses insgesamt gesehen vergleichsweise selten genutzt. Die Ausfertigung und Verkündung des Gesetzes ist in den meisten Staaten Sache des Präsidenten, wobei unterschiedliche Regelungen der Gegenzeichnung bestehen. In zwei Dritteln der osteuropäischen Länder wird der Staatspräsident direkt vom Volk gewählt, so auch in den Beitrittsländern Polen, Litauen, Slowakei und Slowenien sowie in Rumänien und Bulgarien. Für parlamentarisch gewählte Staatspräsidenten sind durchweg qualifizierte Mehrheiten vorgesehen. In allen mittel- und osteuropäischen Staaten wurden gewisse formale Vorkehrungen gegen einen Missbrauch des Präsidentenamtes getroffen. Die Amtszeit beträgt in fast allen Beitrittsländern fünf, in Lettland nur vier Jahre.
Gewichtige Rolle der Parlamente
In keinem mittel- und osteuropäischen Land hat sich eine Konkurrenzdemokratie vom Typus des britischen Westminster-Systems entwickelt, die allerdings auch in Westeuropa eher die Ausnahme darstellt. Vielmehr werden Prozesse der Parteienkonkurrenz durch Aushandlungsprozesse ergänzt und modifiziert. Wie in den meisten westeuropäischen Ländern bestehen auch in den parlamentarischen Systemen der östlichen Beitrittsländer verfassungsrechtliche und -politische Rahmenbedingungen, die einem verhandlungsdemokratischen Willensbildungsprozess förderlich sind. Dazu gehören schwer veränderbare, geschriebene Verfassungen, eine ausgebaute Verfassungsgerichtsbarkeit, ausgeprägte Verfahrenskompetenzen des Staatspräsidenten, direktdemokratische Verfahren und in manchen Ländern auch eine Zweite Kammer mit bestimmten Vetofunktionen,
Im Unterschied zum "negativen Parlamentarismus" in einigen westeuropäischen Ländern
Nirgendwo in Osteuropa steht dem Ministerpräsidenten oder der Regierung das Recht zu, das Parlament aufzulösen, und auch der Staatspräsident kann dies nirgendwo uneingeschränkt. Das verfassungsmäßige Recht der Selbstauflösung des Parlaments ist in den östlichen Beitrittsländern wesentlich stärker verbreitet als in Westeuropa. Es kann die Stellung des Parlaments stärken, wenn dafür eine breite Mehrheit erforderlich ist wie in Polen (Zweidrittelmehrheit), Litauen und der Slowakei (Dreifünftelmehrheit).
Die in modernen Rechts- und Sozialstaaten bestehende Vielfalt und Komplexität der parlamentarischen Gesetzgebungs- und Kontrollaufgaben wurde angesichts der politischen und sozio-ökonomischen Transformation und der angestrebten EU-Mitgliedschaft eher noch gesteigert. Dementsprechend haben sich in allen Parlamenten und häufig auch den (größeren) Fraktionen sukzessive arbeitsteilige Strukturen ausgebildet. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt in den Abgeordnetenhäusern aller Beitrittsländer mittlerweile bei überwiegend öffentlich tagenden, ständigen Fachausschüssen. Sie sind durchweg an der Gesetzgebungsarbeit vorbereitend beteiligt, dienen aber auch der parlamentarischen Kontrolle der Regierung. In keinem osteuropäischen Land hat sich die für das Westminster-Modell typische Verfahrenspraxis durchgesetzt, wonach die Regierungsmehrheit auch formell weitgehend alleine bestimmt, worüber im Parlament entschieden und mit Präferenz debattiert wird. In den meisten osteuropäischen Ländern ist die Opposition an der Aufstellung der Tagesordnung beteiligt.
Bei den verabschiedeten Gesetzentwürfen dominiert die über einen Verwaltungsapparat verfügende Regierung inzwischen durchweg, bei den eingebrachten Gesetzesinitiativen zumeist. Allerdings liegt der Anteil erfolgreicher Entwürfeaus dem Parlament in einigen Ländern noch vergleichsweise hoch (Polen, Litauen, Estland), während er in Ungarn nur etwa ein Zehntel ausmacht.
Von einschneidenden verfassungsrechtlichen Restriktionen bei der Gesetzgebung im Sinne eines "rationalisierten Parlamentarismus" kann - mit Ausnahme hoher Hürden bei der Zurückweisung des durch den Staatspräsidenten eingelegten Vetos in Polen - in keinem Beitrittsland gesprochen werden. Dies schließt tief greifende Beeinträchtigungen auch bei der Gesetzgebung unter Missbrauch bestimmter Ausnahmeregelungen nicht aus, wie sich phasenweise im Falle Rumäniens und der Slowakei sowie bis 2000 in Kroatien gezeigt hat.
Die klassischen parlamentarischen Kontrollinstrumente wurden in den Beitrittsländern vergleichsweise stark als Minderheitenrechte ausgebaut. So ist das dem einzelnen Abgeordneten zustehende Fragerecht oft mit einer ausdrücklichen Antwortpflicht der Regierung verbunden. Die verschiedenen Formen von Anfragen werden vergleichsweise intensiv und öffentlichkeitswirksam genutzt.
Eine wichtige Kontroll- und Schutzfunktion nehmen im Übrigen ein oder mehrere, vom Parlament gewählte Ombudsmänner (Parlaments- bzw. Bürgerbeauftragte) wahr. Sie spielten in mehreren Ländern für die Entwicklung und den Bestand einer rechtsstaatlichen politischen Kultur eine wichtige Rolle.
Legitimation durch Wahlen und Volksabstimmungen
Bei der Ausgestaltung des Wahlrechts hat man in allen Beitrittsländern versucht, den Kriterien der Proportionalität und der Regierbarkeit Rechnung zu tragen. Ganz überwiegend wurden Verhältniswahlsysteme geschaffen, die typologisch betrachtet untereinander mehr Ähnlichkeiten aufweisen als in Westeuropa.
Wie in drei weiteren osteuropäischen Ländern
Zwar dominieren überall Verfahren der repräsentativen Demokratie, doch gibt es mit Ausnahme Tschechiens auf nationaler Ebene überall ergänzende direktdemokratische Verfahren bei einfachen Gesetzen und zumeist auch bei Verfassungsänderungen. Wie in allen anderen mittel- und osteuropäischen Beitrittsländern wurde die Entscheidung über den EU-Beitritt auch in der Tschechischen Republik per Referendum getroffen, wofür ein spezielles Referendumsgesetz geschaffen wurde.
Die Institutionalisierung direktdemokratischer Verfahren ging in Osteuropa einer entwickelten demokratischen politischen Kultur voraus. Schon das Vorhandensein dieser Verfahren kann allerdings dazu beitragen, den politischen Willensbildungsprozess von den Bürgern hin zu den staatlich-politischen Institutionen und Akteuren offen zu halten und der Abschottung neuer oder alter politischer Eliten entgegenzuwirken. Insbesondere in Lettland wurden die dort vergleichsweise gut ausgebauten Verfahren seit 1998 zunehmend genutzt. Die dadurch veranlasste öffentliche Auseinandersetzung hat die intermediären Strukturen gestärkt - auch wenn die direktdemokratischen Verfahren nicht zuletzt aufgrund der hohen Quoren bisher nicht unmittelbar zum Erfolg führten.
Parteiensysteme und Regierungskonstellationen
Das Parteiensystem der meisten osteuropäischen Länder befindet sich noch immer - manchmal auch erneut - in einer mehr oder weniger dynamischen Entwicklung, auch wenn in mehreren Staaten die oft extreme Instabilität der ersten Transformationsjahre überwunden zu sein scheint. Trotz der beschriebenen Wahlrechtshürden bestehen Mehr- oder Vielparteiensysteme. Absolute Mandatsmehrheiten einer Partei im Parlament kamen nur vereinzelt vor.
Systeme mit zwei Großparteien, die sich alleine oder mit dauerhaften Koalitionsparteien in der Regierung abwechseln, sind die Ausnahme. Eine solche Konstellation zeigt sich unter den Beitrittsländern bisher nur in Tschechien und neuerdings in Ungarn, wo infolge der Parlamentswahl 2002 die Sozialistische Partei MSZP die 1998 zur Großpartei aufgestiegene mitte-rechts stehende FIDESZ-MPP als große Regierungspartei ablöste.
In Ungarn hatten sich bis zur Parlamentswahl 1998 die Parteiformationen des "bürgerlichen Lagers" noch wesentlich verändert. Dies gilt in ähnlicher Weise nach wie vor für Polen, wo die demokratische Linke (phasenweise zusammen mit der Bauernpartei) bisher einem allerdings sehr heterogenen und instabilen mitte-rechts stehenden Lager gegenübersteht, das aus der Solidarnos'c'-Bewegung hervorgegangen ist. Bei den Wahlen 2002 hat sich dieses Lager gründlich verändert und nach rechts verschoben.
Im Unterschied zu Westeuropa ist derzeit kein osteuropäisches System auszumachen, in dem eine Großpartei eine dauerhaft dominierende Stellung aufgrund ihrer Stärke oder ihrer zentralen koalitionspolitischen Position im Parteiensystem einnehmen würde. Allerdings konnten sich im stark fragmentierten, aber gemäßigt pluralistischen Parteiensystem Sloweniens die "Liberaldemokraten Sloweniens" (LDS) seit 1992 als stärkste Partei behaupten und - von wenigen Monaten im Jahre 2000 abgesehen - als Regierungspartei den Ministerpräsidenten stellen.
Der Konflikt zwischen den Anhängern des alten kommunistischen Regimes und den Reformern, der mit unterschiedlicher Intensität und Dauer in den ersten Jahren der Systemtransformation ausgetragen wurde, bildete in den meisten Ländern zunächst auch die Hauptkonfliktlinie des entstehenden Parteiensystems. In manchen Ländern wurden Regimekonflikte in der Folgezeit auch von Eliten einer neu gegründeten Partei geprägt, so phasenweise durch Vladimír Meciars HZDS in der Slowakei oder die extremistische, populistisch agierende "Partei Großrumänien".
Trotz des kurzen Erfahrungszeitraums fand in den meisten Staaten ein Wechsel von Regierungskonstellationen und Regierungstypen statt. Einparteienregierungen mit einer parlamentarischen Mehrheit bilden die seltene Ausnahme. Koalitionsregierungen mit einer parlamentarischen Mehrheit kamen regelmäßig in Ungarn und der Slowakei zustande. Minderheitsregierungen gab es in fast allen Beitrittsländern, doch stellen sie in keinem osteuropäischen Land den vorherrschenden Regierungstypus dar.
Zu einem Machtwechsel kam es in den meisten osteuropäischen Staaten vornehmlich infolge von Parlamentswahlen, nur ausnahmsweise und kurzfristig durch ein formelles Misstrauensvotum (Slowakei 1994) oder eine gescheiterte Vertrauensfrage (Slowenien 2000). In mehreren Ländern führte bisher sogar (fast) jede Wahl zur Regierungsübernahme bisher oppositioneller bzw. neu gegründeter Parteien (Polen, Ungarn, Lettland, Litauen, Bulgarien). Bedingt war dies insbesondere durch oft tief greifende ökonomische und soziale Problemlagen sowie Personalkonflikte. Zudem erfolgten in vielen Staaten im Verlauf der Wahlperiode oft mehrere Regierungswechsel. Oft geschah dies allerdings ohne Austausch der (wichtigsten) Regierungsparteien. Ursache waren zumeist programmatisch oder personell bedingte parteiinterne Konflikte oder Konflikte zwischen den Koalitionspartnern, die den Zerfall oder die Erweiterung von Koalitionen bzw. Partei- und Fraktionsspaltungen sowie -fusionen zur Folge hatten. In acht Beitrittsländern kam es mit sieben bis 13 Regierungen im Zeitraum von 1989/90 bis 2003 fast jedes Jahr zu einem Regierungswechsel. In fünf Ländern übten zwischen acht und zwölf Politiker das Amt des Ministerpräsidenten aus. Immerhin stellte sich eine ausgeprägte personelle Kontinuität in vier Beitrittsländern ein - in Ungarn, Tschechien, Slowenien und der Slowakei -, in den beiden letztgenannten Ländern trotz einer ausgeprägten Parteienvielfalt.
Demokratische Konsolidierung?
Den baltischen Staaten sowie den ostmitteleuropäischen Ländern Polen, Ungarn, Tschechien, Slowenien und mittlerweile auch der Slowakei wird attestiert, dass sie auf dem Weg der demokratischen (und ökonomischen) Konsolidierung weit fortgeschritten sind, was Rückschläge nicht ausschließt.
Die EU-Beitrittsperspektive hat zweifellos eine konsolidierungsfördernde Wirkung entfaltet, die sich auch an den Äußerungen der Bürger der Transformationsstaaten ablesen lässt.
Die richterliche Unabhängigkeit konnte in den ostmitteleuropäischen und baltischen Staaten weitgehend gesichert werden. Jedoch zeigen sich bei der Rechtsprechung noch beträchtliche Mängel hinsichtlich der Effizienz und Rechtssicherheit, die insbesondere durch die Umstellung auf ein neues, sich dynamisch entwickelndes Rechtssystem und den Mangel an geeignetem und erfahrenem Personal bedingt sind.
Erhebliche Probleme zeigen sich auch bei der Umsetzung von - oft rasch geänderten - Gesetzen. Insbesondere erweist sich der Aufbau eines politisch neutralen und professionellen Beamtenapparates auch in den ostmitteleuropäischen Ländern als langfristige Aufgabe.
Korruption in Verwaltung, Justiz, Politik und Wirtschaft stellt in allen osteuropäischen Ländern ein Problem dar, auch in den Beitrittsländern. Schwerwiegend und Besorgnis erregend ist das Ausmaß der Korruption auch nach den jüngsten Berichten der EU-Kommission nicht nur in Rumänien und Bulgarien, sondern auch in Polen, Tschechien, Lettland und der Slowakei.
Die Entwicklung einer konsolidierten Bürgergesellschaft erweist sich in den ostmitteleuropäischen und baltischen Staaten als langfristiger, vor Rückschlägen nicht gefeiter Prozess. Erst recht gilt dies (mit Abstufungen) für die übrigen osteuropäischen Staaten. Die Wahlbeteiligung ist seit den Gründungswahlen zwar überall zurückgegangen, liegt aber in den meisten Ländern noch bei mehr als 60 Prozent. Tendenziell lässt sich sagen, dass die organisatorische Verankerung der Parteien zumeist schwach, deren Mitgliederzahl häufig bescheiden und parteipolitisches Engagement insgesamt noch wenig verbreitet ist - mit allerdings beachtlichen Unterschieden auch innerhalb der einzelnen Parteiensysteme. Ähnliches gilt für die Mitwirkung in Verbänden, Vereinen und bürgerschaftlichen Initiativen.
Die mit der ökonomischen Transformation verbundenen Umstrukturierungen führten bei vielen Bürgern zu Enttäuschungen über die wirtschaftliche und sozialstaatliche Leistungsfähigkeit des politischen Systems und seiner Eliten. Diese hat in vielen Ländern zu einer Abnahme des allgemeinen Systemvertrauens und mehr noch des Vertrauens in die politischen Institutionen sowie zu einer Schwächung der Partizipationsbereitschaft geführt. Bedingt auch durch die unterschiedlichen Traditionen der politischen Kultur, variieren allerdings Ausmaß und Ursachen in den einzelnen Ländern.
Während das demokratisch-rechtsstaatliche System (und die sozioökonomische Ordnung) grundsätzlich überwiegend bejaht und/oder als alternativlos angesehen werden, ist das Vertrauen in die politischen Institutionen und in die politischen Eliten zumeist schwach ausgeprägt.