Die Internationalisierung deutscher Medienkonzerne
Vor nunmehr gut 25 Jahren - und damit deutlich später als in anderen Branchen - haben deutsche Medienunternehmen ihre Unternehmenstätigkeit internationalisiert. Während die Entwicklung anfangs noch recht zögerlich verlief und nur wenige Konzerne den Sprung in ausländische Märkte wagten,
Grund für das zunehmende Interesse an einer Internationalisierung sind insbesondere die Sättigungstendenzen, die sich auf nahezu allen klassischen Medienteilmärkten - Zeitungen, Zeitschriften, Hörfunk und Fernsehen - in Deutschland abzeichnen.
Ein weiterer Grund für die Internationalisierung liegt in der Risikostreuung durch das Agieren auf mehreren regionalen Medienmärkten. Aber auch unter Kosten- und Ertragsgesichtspunkten ist die internationale Unternehmenstätigkeit interessant. So können unternehmensspezifische Fähigkeiten und Kompetenzen mehrfach genutzt und redaktionelle Inhalte wiederholt verwertet werden. Ferner ist eine Verlängerung des Lebenszyklus einheimischer Medienprodukte durch den Transfer des Konzepts in ausländische Märkte möglich. Die durchweg hohen Kosten für Innovationen im Medienbereich können so leichter ausgeglichen werden als bei einer ausschließlichen Konzentration auf den heimischen Markt. Von Interesse sind die ausländischen Märkte zudem auch dann, wenn eine weitere Expansion im Inland aufgrundkartellrechtlicher Vorgaben ausgeschlossen ist.
Trotz dieser mannigfachen Vorteile hat die Internationalisierung im deutschen Medienmarkt später als in anderen Branchen eingesetzt. Die Gründe liegen vor allem in der Art des Produktes. Medienerzeugnisse sind nämlich nicht nur ökonomische Güter, sondern auch Kulturgüter. Der redaktionelle Inhalt reflektiert in hohem Maße den kulturellen Kontext. Ein Export wie bei anderen Produkten oder Dienstleistungen ist hier ungleich schwieriger bzw. kaum möglich. Markteintritt und Marktbearbeitung müssen der Kulturgebundenheit der Produkte Rechnung tragen.
Wie die größten deutschen Medienkonzerne mit diesen Herausforderungen umgehen, ist Gegenstand der folgenden Analyse.
Strategiemuster deutscher Medienkonzerne im Ausland
Um die Strategien bei der Internationalisierung der größten deutschen Medienkonzerne identifizieren und systematisieren zu können, sind vorab die Analysedimensionen zu bestimmen. Diese sollen zum einen die Form des Markteintritts abbilden, zum anderen die Form der Marktbearbeitung.
Die Form des Markteintritts
Hinsichtlich der Form des Eintritts in ausländische Märkte lässt sich auf klassische Ansätze aus dem Bereich des internationalen Managements zurückgreifen. Als Kriterien zur Systematisierung der Markteintrittsform werden dabei überwiegend dieKontroll- und Steuerungsmöglichkeiten der Marktpräsenz im Ausland sowie die Beanspruchung unternehmenseigener Ressourcen herangezogen. Danach lassen sich als Formen des Markteintritts unterscheiden (vgl. Abbildung1):
- die Vertretung durch Dritte mit den Varianten Export, Lizenzierung und Franchising;
- die Kooperation mit der Gründung eines Joint Ventures als typischer Variante;
- die Akquisition oder Gründung einer ausländischen Tochtergesellschaft.
Die Form der Marktbearbeitung
Die Form der Marktbearbeitung wird üblicherweise anhand des Ausmaßes bestimmt, in dem das Unternehmen im Ausland einerseits Globalisierungsvorteile und andererseits Lokalisierungsvorteile nutzt. Vier Strategievarianten lassen sich unterscheiden (vgl. Abbildung2):
- Bei der globalen Strategie steht die Nutzung von Globalisierungsvorteilen im Mittelpunkt. Zur umfassenden Ausschöpfung von Kostendegressions- und Synergievorteilen werden von der Mutter- und den lokalen Tochtergesellschaften alle in- und ausländischen Märkte mit demselben Produkt und der identischen Wettbewerbsstrategie bearbeitet.
- Bei der multinationalen Strategie wird der gegenteilige Ansatz verfolgt. Hier wird für den inländischen und jeden ausländischen Markt eine spezifische Produktvariante entwickelt und eine lokal abgestimmte Wettbewerbsstrategie eingesetzt. Die Vorteile einer Lokalisierungsstrategie können in höheren Erlösen oder auch in einer größeren Flexibilität der internationalen Einheiten liegen.
- Bei der internationalen Strategie werden weder Globalisierungsvorteile ausgenutzt noch wird eine lokale Differenzierung verfolgt. Der Schwerpunkt der Aktivitäten liegt vielmehr weiter im Heimatland. Der ausländische Markt wird typischerweise im Wege des Exports bedient.
- Bei der glocalen Strategie
Internationalisierungsstrategien der größten deutschen Medienkonzerne
Die Analyse wird sich auf die sechs größten privaten Medienkonzerne Deutschlands konzentrieren. In der Reihenfolge des Umsatzes im Jahr 2002 sind dies: Bertelsmann AG, Axel Springer AG, Georg von Holtzbrinck GmbH & Co. KG, WAZ-Mediengruppe, ProSiebenSat.1 Media AG sowie die Bauer Verlagsgruppe.
Bertelsmann AG
Als erstes deutsches Medienunternehmen hat die Bertelsmann AG Anfang der sechziger Jahre mit der Internationalisierung der Unternehmenstätigkeit begonnen und diese konsequent vorangetrieben.
Durch Unternehmensakquisitionen und die Gründung von Tochtergesellschaften setzte der Konzern seine Internationalisierung in den Geschäftsfeldern Buch und (später) Musik konsequent fort. So wurden die internationalen Aktivitäten Ende der siebziger Jahre auf die USA ausgedehnt, wo Bertelsmann zunächst das Musiklabel Arista und ein Jahr später den größten Taschenbuchverlag der Welt, Bantam Books in New York, erwarb. Ein weiterer Expansionsschub erfolgte 1986 durch den Zukauf des New Yorker Traditionsverlages Doubleday und des Musikriesen RCA. Ende der neunziger Jahre kam der angesehene US-Verlag Random House hinzu; dies war die größte Investition der Unternehmensgeschichte. Bei der Bearbeitung der ausländischen Buch- und Musikmärkte verfolgt der Konzern eine multinationale Strategie. So werden die Angebote der Buchclub-Ableger auf die jeweiligen nationalen Lesegewohnheiten abgestimmt, und auch im Musikgeschäft, wo Bertelsmann im asiatischen Raum lokale Musikfirmen mit einheimischen Künstlern übernommen hat, erfolgt eine Anpassung an den länderspezifischen Geschmack.
In den europäischen Märkten wurde die Internationalisierung vor allem durch die beiden Tochtergesellschaften Gruner + Jahr und RTL Group vorangetrieben. Auch hier findet sich die Strategie des Markteintritts durch Akquisition und Gründung. So wurde Gruner + Jahr 1978 als erster deutscher Zeitschriftenverlag im Ausland aktiv. Erworben wurden zunächst Verlage in Spanien (Cosmos Distribuidora S.A.) und den USA (Parents Magazine Enterprises Inc.). Später kamen Verlagsbeteiligungen unter anderem in Osteuropa und Österreich hinzu. In Frankreich, Großbritannien, Italien und Polen gründete Gruner + Jahr Tochtergesellschaften.
Im Zeitschriftenbereich dominierte zunächst die Idee der so genannten Euromagazine, die Gruner + Jahr-Vorstandsmitglied Axel Ganz schon Ende der siebziger Jahre formuliert hatte. Demnach muss die übersetzte Version eines deutschen Zeitschriftentitels wegen der kulturellen und sozialen Differenzen im Ausland nicht ebenso erfolgreich sein wie im Heimatland. Der Verlag favorisierte eine lokale Anpassung der Stammtitel an das jeweilige Leserinteresse, also eine glocale Strategie.
Die RTL Group, die seit 1984 zunächst über eine Beteiligung von 40 Prozent an der Produktionsfirma Ufa und seit 2001 zu 83,2 Prozent zum Bertelsmann-Konzern gehört, ist mit 23 Fernseh- und 22 Radiostationen in acht Ländern das größte europäische Rundfunkunternehmen und einer der führenden Inhalteproduzenten weltweit. Der Eintritt in ausländische Märkte erfolgt ganz überwiegend durch Akquisition oder den Erwerb von Beteiligungen an einheimischen Unternehmen, insbesondere an Rundfunksendern oder Filmproduktionsfirmen. An den Gemeinschaftsunternehmen hält die RTL Group meist eine Mehrheit.
Axel Springer-Verlag AG
Im Gegensatz zu Bertelsmann war der Axel Springer-Verlag bei seinem Auslandsengagement lange Zeit sehr zurückhaltend. Ausschlaggebend war vor allem die Annahme, dass Zeitungen - das Stammgeschäft des Verlages - nicht ins Ausland übertragbar seien.
Im Zeitschriftensegment hat der Springer-Verlag die Internationalisierung konsequenter und zügiger vorangetrieben. Seit 1988 sind verstärkte Auslandsaktivitäten zu beobachten. Den Ausgangspunkt markierte der Export von "Auto Bild" durch Lizenzen oder die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen. Der Markteintritt mit Tochtergesellschaften beschränkte sich bei "Auto Bild" auf Polen, Österreich und die Schweiz. Mittlerweile erscheint der Titel in national abgestimmten Varianten (glocale Strategie) in 16 europäischen Ländern, unter anderem in Italien, Frankreich, Großbritannien und Polen. Ausgaben für Estland und Finnland sind in Vorbereitung.
Mit dem sich abzeichnenden internationalen Erfolg von "Auto Bild" hat Springer sein Auslandsgeschäft sukzessive verstärkt und einen neuen strategischen Kurs beim Markteintritt eingeschlagen. An die Stelle von Lizenzvergaben und die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen ist die Akquisition lokaler Unternehmen und die Gründung von Tochtergesellschaften getreten. So besitzt der Verlag heute ein breites Spektrum an Auslandstöchtern bzw. ausländischen Verlagsbeteiligungen und gibt mehr als 80 Zeitschriften in 15 Ländern - vor allem in Osteuropa (Ungarn, Polen und der Tschechischen Republik) sowie in Frankreich, Spanien und der Schweiz - heraus. Auch die Strategie der Marktbearbeitung hat sich gewandelt. Neben den Titeln mit glocaler Präsenz wie "Auto Bild"
Die Auslandstöchter des Springer-Verlags sind angehalten, verstärkt eigene, lokal ausgerichtete Zeitschriften zu entwickeln.
Georg von Holtzbrinck GmbH & Co. KG
Ähnlich wie der Axel Springer-Verlag hat sich der Holtzbrinck-Konzern vergleichsweise spät in ausländischen Märkten engagiert. Die Internationalisierung setzte erst nach dem Tod des Verlagsgründers Georg von Holtzbrinck im Jahr 1983 und der Übernahme des Unternehmens durch dessen Sohn Dieter von Holtzbrinck ein. Seither baut der Konzern seine internationale Marktpräsenz vor allem durch Akquisitionen systematisch aus.
Zielobjekte der Akquisitionsstrategie sind vor allem international renommierte Buchverlage, insbesondere in den USA und in Großbritannien. Die Strategie der Marktbearbeitung ist dabei klar multinational ausgerichtet. Holtzbrinck erwirbt Verlagshäuser, deren Programm weitergeführt und gepflegt wird. Der erste Schritt war 1986 der Kauf des Buchverlags Henry Holt, eines der ältesten Verlagshäuser der USA. Das Verlagsprogramm besteht aus Werken amerikanischer und internationaler Schriftsteller, aus Biographien und Sachbüchern zu den Themen Geschichte, Politik, Umwelt und Psychologie. Im gleichen Jahr kam die Scientific-American-Gruppe hinzu; deren Hauptprodukt ist die 1845 gegründete "Scientific American", die heute als renommierteste Wissenschaftszeitschrift der Welt gilt. Neben der englischen Originalausgabe wird der Titel in deutscher, französischer, italienischer, spanischer, japanischer, chinesischer, arabischer, polnischer, griechischer und russischer Sprache publiziert. 1994 erweiterte Holtzbrinck sein Portfolio nochmals - durch den Kauf des New Yorker Buchhauses Farrar, Strauss & Giroux, das Werke zahlreicher Nobelpreisträger verlegt. Ein Jahr später kam für damals 600 Millionen DM ein Anteil von 70,8 Prozent am traditionsreichen britischen Großverlag Macmillan hinzu. Durch die massiven Zukäufe der vergangenen 20 Jahre liegt der Anteil des Auslandsumsatzes von Holtzbrinck mittlerweile bei rund 40 Prozent.
WAZ-Mediengruppe
Zentrales Geschäftsfeld der WAZ-Mediengruppe ist der Zeitungsmarkt. Auf diesen Bereich konzentrieren sich auch die internationalen Aktivitäten des Konzerns. Charakteristisch für den Markteintritt im Ausland ist die Akquisition einheimischer Verlagshäuser. Der erste Auslandsmarkt war im Jahr 1987 Österreich, wo der Verlag eine 45-Prozent-Beteiligung zunächst an der Wiener "Kronen-Zeitung" (Beteiligungshöhe heute: 50 Prozent) und später am "Kurier" (Beteiligungshöhe heute: 49,9 Prozent) erwarb. Das Engagement in Österreich bildete das Sprungbrett für die weitere Expansion nach Südosteuropa, wo die WAZ-Mediengruppe heute der dominierende Zeitungsverlag ist. Er beherrscht durch Akquisitionen große Teile der Zeitungsmärkte in Rumänien und Bulgarien (Trud Verlag, Verlag 168 Stunden), besitzt die führenden Zeitungen in Serbien (Politika Gruppe) und Montenegro (Vijesti) und hält diverse Mehrheitsbeteiligungen an ungarischen (Zalai Hirlap, Naplo, Fejer Megyei Hirlap und Vas Nepe) und kroatischen Verlagen (Europress Holding).
Die WAZ-Mediengruppe setzt in den ausländischen Märkten konsequent auf die Weiterführung der erworbenen lokalen Titel; Neugründungen erfolgen nicht. Als Grund führt der Konzern die fehlende Erfahrung und Kompetenz bei der Entwicklung journalistischer Innovationen an.
ProSiebenSat.1 Media AG
Schwerpunkt der Aktivitäten der ProSiebenSat.1 Media AG, die bis zur insolvenzbedingten Auflösung den Kern der Kirch-Gruppe bildete, ist das werbefinanzierte Fernsehen. Hier erzielt das Unternehmen rund 96 Prozent seines Gesamtumsatzes.
Das Auslandsengagement im Fernsehbereich ist bislang gering und beschränkt sich auf die Verbreitung der TV-Programme via Satellit und Kabel vor allem in europäischen Ländern. Der Markteintritt erfolgt also generell durch Export. Eine lokale Abstimmung der Inhalte gibt es nur in Österreich und der Schweiz. Bei den Vollprogrammen Pro Sieben und Kabel 1 werden nur die Werbefenster durch Aufnahme der jeweiligen nationalen Werbekunden lokal abgestimmt. Bei Sat.1 werden darüber hinaus auch Teile des redaktionellen Programms - allerdings in geringem Umfang - lokal differenziert gestaltet. Dies geschieht in der Schweiz durch die Integration von Berichten über die Fußballspiele der Schweizer Nationalliga, die Spielshow "Joya" sowie durch aktuelle Nachrichten aus den Kantonen. Der Anteil des spezifisch schweizerischen Programms liegt bei drei Stunden pro Woche. In Österreich bietet Sat.1 lokale Programmfenster mit Sendungen wie "Welt der Medizin", "Lifestyle Austria" oder "Österreich Wettershow". Auch hier ist der Anteil des spezifisch österreichischen Programms gering. Da die länderspezifischen redaktionellen Inhalte quantitativ gering bleiben, kann kaum von einer multinationalen Strategie gesprochen werden. Im Ergebnis ist vielmehr eine glocale Strategie festzustellen, also eine dominant globale Strategie mit einer nur partiellen Anpassung der Inhalte an länderspezifische Bedürfnisse.
Bauer Verlagsgruppe
Wie Gruner + Jahr hat auch der Bauer-Verlag vergleichsweise früh mit der Internationalisierung seiner Aktivitäten begonnen. Der erste Markteintritt im Ausland erfolgte 1980 in den USA mit der Tochtergesellschaft Heinrich Bauer North America, die noch im gleichen Jahr die Frauenzeitschrift "Woman's World" lancierte. Sowohl "Woman's World" als auch die 1989 als zweite Frauenzeitschrift für den US-amerikanischen Markt konzipierte "First for Woman" wurden vom Bauer Verlag ganz auf die Interessen der amerikanischen Leserin zugeschnitten.
Die Konzentration auf die Zeitschriftensegmente der niedrigpreisigen Frauen- und Programmzeitschriften, die schon die Strategie des Verlags im Inland kennzeichnete, wurde auch im Ausland zur Leitlinie des strategischen Handelns. Dabei setzte der Verlag jedoch zunehmend auf die Entwicklung länderspezifischer Objekte, also eine multinationale Strategie.
Mittlerweile umfasst die Zeitschriftenpalette des Bauer-Verlags 120 Titel, von denen zwei Drittel im Ausland erscheinen. Das Verlagshaus ist Marktführer im polnischen Zeitschriftenmarkt; in der Tschechischen Republik liegt es auf Platz zwei. In den USA ist der Bauer-Titel "Woman's World" die größte Wochenzeitschrift im Einzelverkauf.
Medienkonzerne, Medienteilmärkte und Internationalisierungsstrategien
Fasst man die Befunde zu den Internationalisierungsstrategien der größten deutschen Medienkonzerne zusammen, so ergibt sich das in der Tabelle dargestellte Ergebnis.
Dabei zeigt sich, dass die Medienkonzerne für den Markteintritt die Akquisition einheimischer Unternehmen oder die Gründung von Tochtergesellschaften präferieren. Die Marktbearbeitung erfolgt ganz überwiegend durch eine multinationale Strategie. Nur beim Rundfunk findet sich eine glocale Strategie. Da sowohl die glocale als auch die multinationale Strategie die Nutzung von Lokalisierungsvorteilen in den Vordergrund stellen, dominiert in allen Medienteilmärkten ein lokal abgestimmtes Vorgehen. Die Unternehmen agieren offenkundig nach dem Motto "think global, act local".
Erklärungsansätze zur Internationalisierungsstrategie
Die Präferenz der deutschen Medienkonzerne für eine Strategie der Marktbearbeitung, die in großem Umfang lokale Besonderheiten berücksichtigt, lässt sich durch die Kulturgebundenheit von Medienprodukten erklären. Medienerzeugnisse sind Teil der jeweils länderspezifischen Erlebniswelten, welche sie aufgreifen und widerspiegeln. Zudem unterscheiden sich die Art der Informationsaufbereitung und der Kommunikationsstil von Land zu Land. Um auch im Ausland erfolgreich sein zu können, müssen deutsche Medienkonzerne also ihre Produktinhalte den länderspezifischen Bedürfnissen anpassen.
Der Anpassungsbedarf ist umso größer, je stärker ein Medienprodukt aufgrund der Struktur der redaktionellen Inhalte im nationalen kulturellen Rahmen verankert ist.
Die länderspezifische Ausgestaltung der redaktionellen Inhalte ist nicht nur wichtig, um die Rezipienten für das Medienprodukt zu interessieren. Auch Werbekunden werden sich nur dann für ein Medienprodukt entscheiden, wenn dieses die gewünschte quantitative und qualitative Reichweite aufweist. Dies führt zu einem Spiraleffekt (Anzeigen-Auflagen- bzw. Werbespot-Reichweiten-Spirale): Die Zunahme der Reichweite am Rezipientenmarkt hat eine neuerliche Steigerung der Nachfrage am Werbemarkt zur Folge; die Werbeerlöse können in eine weitere Verbesserung des Contents oder die Senkung des Copy-Preises investiert werden, um so die Reichweite im Rezipientenmarkt weiter zu steigern. Diese Interdependenz von Rezipienten- und Werbemarkt bildet neben der Kulturgebundenheit redaktioneller Inhalte die zweite Triebkraft für den Trend zur Lokalisierung von Medienprodukten.
Auch die Form des Markteintritts, d.h. die Präferenz für die Akquisition lokaler Unternehmen oder die Gründung von Tochtergesellschaften, lässt sich mit der Kulturgebundenheit von Medienprodukten erklären: Diese Markteintrittsformen sichern den Unternehmen das höchste Maß an Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten bei der Produktgestaltung vor Ort. Markteintrittsvarianten wie Export oder Franchising werden dagegen kaum gewählt, da diese ein globales Produkt voraussetzen. Dies gilt auch für Joint Ventures, sofern nicht eine Mehrheitsbeteiligung des deutschen Medienkonzerns besteht.
Resümee
Die Internationalisierungsstrategien der größten deutschen Medienkonzerne zeigen eine Präferenz für eine lokal abgestimmte Strategie. Die Konzerne agieren nach dem Prinzip "think global, act local". Interpretiert man diese Philosophie als Erfolgsvoraussetzung in ausländischen Märkten, so sind die Barrieren für eine Internationalisierung hoch. Nur Medienunternehmen, die über die finanziellen Mittel für die Gründung einer Tochtergesellschaft im Ausland, für die Akquisition eines lokalen Unternehmens oder zumindest für eine Mehrheitsbeteiligung verfügen, haben diese Handlungsoption. Kostengünstigere Varianten wie der bloße Export sind - wie gezeigt - ökonomisch nicht sinnvoll. Deshalb ist der Internationalisierungsgrad kleiner und mittelständischer Verlagshäuser gering; bei großen Medienkonzernen ist er dagegen umso höher. In Anbetracht des zunehmenden Verdrängungswettbewerbs im Inland wird er kontinuierlich steigen.
Daher ist für den deutschen Medienmarkt auch anzunehmen, dass nur ausländische Großkonzerne erfolgreich werden eintreten können. Wegen ihrer Finanzkraft sind sie in der Lage, deutsche Medienunternehmen zu übernehmen oder Mehrheitsbeteiligungen zu erwerben und deren Produkte entsprechend aufzubereiten. Ein aktuelles Beispiel bildet die Übernahme der Pro Sieben Sat.1 Media AG durch Haim Saban und die dahinter stehende Investorengruppe.