Einleitung
In der wissenschaftliche Forschung wie auch in der praktischen Entwicklungszusammenarbeit (EZ) galt Dezentralisierung Anfang der neunziger Jahre als viel versprechendes Konzept der Entwicklung von Staat und Gesellschaft. Zu Beginn dieses Jahrhunderts sind von Seiten der Wissenschaft einige Zweifel daran angemeldet worden, dass dieser Ansatz zu den antizipierten Entwicklungserfolgen führt. Wir werden in unserem Beitrag die Praxis der deutschen Entwicklungszusammenarbeit im Handlungsfeld Dezentralisierung und Stärkung kommunaler Selbstverwaltung reflektieren und zeigen, dass dieser Ansatz ein notwendiger Bestandteil der Förderung von Good Governance
Weltweite Reformprozesse von Staat und Gesellschaft
Entwicklungs- und Transformationsländer befinden sich heute in umfassenden Reformprozessen, wobei die Auffassung dominiert, dass die Stärkung subnationaler Regierungen und Verwaltungen für die Lösung anstehender Probleme unverzichtbar ist. Rund um die Welt lässt sich ein Trend zur Dezentralisierung zentralistisch organisierter Staaten beobachten, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß und mit unterschiedlichen Akzenten. Circa 95 Prozent aller Länder haben heute gewählte Volksvertreterinnen und Volksvertreter auf subnationaler Ebene, und in vielen Ländern kommt es zur Übertragung politischer, administrativer und fiskalischer Aufgaben auf dezentrale Regierungs- und Verwaltungsebenen.
Die Globalisierungsdebatte hat die Diskussion über die Rolle des Staates wieder aufleben lassen. Bereits 1997 stellte der Weltentwicklungsbericht der Weltbank ("Der Staat in einer sich verändernden Welt") diesen Trend heraus und rückte den Staat wieder stärker ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Immer komplexer werdende globale Entwicklungen erfordern einen Staat, der die verschiedenen privaten und gesellschaftlichen Kräfte aktiviert, zur gemeinsamen Leistungserbringung motiviert und regelorientiertes Handeln gewährleistet. Der Staat hat in Zeiten globaler, marktorientierter Strukturen wichtige Aufgaben, die kein anderer Akteur übernehmen kann. Diese Kernaufgaben soll der Staat sowohl auf nationaler als auch auf subnationaler Ebene möglichst gut und effektiv erfüllen.
Good Governance bietet einen konzeptionellen Rahmen für die Ausgestaltung der Institutionenlandschaft. Das Good-Governance-Konzept hebt ab auf die institutionelle Einbettung des Regierungshandelns, d.h., es geht um die Förderung von Institutionen, die gutes Regieren ermöglichen. Aus Sicht der internationalen Gebergemeinschaft (bi- und multilaterale Entwicklungsagenturen) sind Dezentralisierung und die Stärkung kommunaler Selbstverwaltung ein adäquates Mittel zur Förderung von Good Governance. Wir möchten daher in diesem Artikel den Beitrag von Dezentralisierung und Stärkung kommunaler Selbstverwaltung zur Förderung von Good Governance diskutieren und an Beispielen aus der praktischen Entwicklungszusammenarbeit veranschaulichen.
Welche Rolle spielen Dezentralisierung und Stärkung kommunaler Selbstverwaltung für Good Governance?
"Good Governance is perhaps the single most important factor in eradicating poverty and promoting development" - so UN-Generalsekretär Kofi A. Annan. Seit den neunziger Jahren ist man sich in der internationalen Gebergemeinschaft einig, dass Good Governance eine wichtige Voraussetzung für nachhaltige Entwicklung und die Bekämpfung von Armut ist. Die Bedeutung von Good Governance wurde in der Millenniums-Erklärung der Vereinten Nationen explizit anerkannt.
Im BMZ-Positionspapier
Rechts- und Justizreform;
Verwaltungsförderung und Öffentliche Finanzen;
Dezentralisierung und Stärkung kommunaler Selbstverwaltung.
Den Aspekten der Entwicklungsorientierung der Dezentralisierung und Stärkung kommunaler Selbstverwaltung sowie dem daraus folgenden praktischen Nutzen für die jeweilige Bevölkerung wollen wir im Folgenden eine verstärkte Aufmerksamkeit widmen.
Was versteht die deutsche EZ unter Dezentralisierung und Stärkung kommunaler Selbstverwaltung?
Im Verständnis der deutschen Entwicklungszusammenarbeit bedeutet Dezentralisierung die Übertragung von Aufgaben, Zuständigkeiten, Ressourcen und politischen Entscheidungsbefugnissen an subnationale Ebenen. Dieses Verständnis geht weit über das der administrativen Dezentralisierung hinaus.
Unter kommunaler Selbstverwaltung werden räumlich abgegrenzte Verwaltungseinheiten mit einem nennenswerten Aufgabenkreis, ausreichenden eigenen Ressourcen und demokratisch legitimierten Vertretungsorganen verstanden. Für eine sachgerechte Erfüllung der übertragenen Aufgaben ist eine angemessene Ressourcenbasis notwendig. Eine fiskalische Dezentralisierung, d.h. die Übertragung von Kompetenzen zur Realisierung einer autonomen Einnahmen- und Ausgabenpolitik auf dezentraler Ebene, ist daher entscheidender Bestandteil eines entwicklungsorientierten Dezentralisierungsprozesses. Die Übertragung der politischen Legitimation auf subnationale Ebenen ist ein essentieller Baustein sowohl für die gesellschaftliche Akzeptanz als auch die Handlungsfähigkeit der neu geschaffenen dezentralen Einheiten.
Drei Thesen kennzeichnen das Verständnis der Entwicklungszusammenarbeit hinsichtlich des Ansatzes der Dezentralisierung und Stärkung kommunaler Selbstverwaltung:
1. Dezentralisierung ist politisch
Die Frage nach der Organisation von Macht ist eine zentrale und grundlegende Frage jedweden politischen Denkens. Projekte und Programme der Entwicklungszusammenarbeit beeinflussen oder verändern die politischen Präferenzen und Gestaltungsmöglichkeiten gesellschaftlicher (staatlicher und nichtstaatlicher) Akteure in Entwicklungsländern; Ziel ist die Unterstützung politisch-institutionellen Wandels. Dezentralisierungsberatung ist daher immer auch politische Beratung bzw. Politikberatung. Bei Dezentralisierungsmaßnahmen geht es um die Neuverteilung von gesellschaftlichen Ressourcen bzw. um neue Zugriffschancen auf diese - und damit verbunden um die Neuverteilung von politischer Macht und Kontrolle zwischen gesellschaftlichen Gruppen bzw. Bürgerinnen und Bürgern auf unterschiedlichen Regierungs- und Verwaltungsebenen. Damit dem Leitbild eines demokratischen Rechtsstaats Rechnung getragen wird, muss die Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Verwaltung, d.h. die effektive und effiziente Bereitstellung von öffentlichen Gütern und Dienstleistungen, von einer Steigerung der Legitimation des Verwaltungshandelns begleitet werden. Eine stärkere Legitimierung der Verwaltung kann beispielsweise durch die Stärkung der demokratischen Rechte der Bevölkerung gegenüber der Verwaltung erreicht werden. Auch dies ist eine Facette der politischen Dimension von Dezentralisierung.
2. Dezentralisierung ist Systemveränderung
Dezentralisierungsprozesse induzieren einen institutionellen Wandel des gesellschaftlichen und staatlichen Systems. In der Folge kommt es zu neuen Regeln bei der Zu- und Verteilung gesellschaftlicher Ressourcen und zu neuen institutionellen Arrangements. Dabei geht es um die Rollen- und Aufgabenverteilung zwischen Regierungs- und Verwaltungsebenen, um die Beziehungen zwischen diesen Ebenen sowie um ein verändertes Verhältnis zwischen Bürger und Staat.
Systemveränderungen sind nur begrenzt planbar und eher als langfristige, offene und evolutionäre Prozesse zu verstehen. Sie zielen auf eine Veränderung von Verhaltensmustern, Normen und Spielregeln bei der Wahrnehmung der Aufgaben, die der öffentlichen Hand obliegen.
3. Dezentralisierung ist nicht wertfrei
Dezentralisierungsvorhaben orientieren sich an von der Bundesregierung
gesetzten politischen Kriterien und am Subsidiaritätsprinzip. Für die Konzeption und Durchführung bestimmter Maßnahmen bedeutet dies beispielsweise, dass
weniger Verwaltung und bessere Anreizstrukturen die Bürgerinnen und Bürger zur Entfaltung ihrer Potenziale befähigen;
auf der Ebene des politisch-administrativen Systems das Konnexitätsprinzip
gilt;
zwischen Staat, Markt und gemeinschaftlichem Sektor eine funktionsfähige Ordnung hergestellt werden muss, die den komparativen Vorteilen der einzelnen Akteure gerecht wird.
Wie entwicklungsorientiert sind dezentrale Systeme?
Über die Ziele von Dezentralisierung und Stärkung kommunaler Selbstverwaltung sowie ihre Chancen und Risiken ist in den letzten zehn Jahren viel diskutiert worden. Sie sollen daher an dieser Stelle nur exemplarisch wiederholt werden.
Durch Dezentralisierung können und sollen
staatliche Dienstleistungen verbessert,
der Einsatz öffentlicher Ressourcen effektiver und bedarfsgerechter gestaltet und
die politische Partizipation der Bevölkerung verbessert werden.
Risiken der Dezentralisierung und Stärkung lokaler Selbstverwaltung werden vor allem in
der Verstärkung der Dominanz lokaler Eliten,
der Dezentralisierung von Korruption und
der Schwächung staatlichen Zusammenhalts gesehen.
Während Anfang der neunziger Jahre sowohl inder wissenschaftlichen Forschung als auch in derpraktischen Entwicklungszusammenarbeit der Optimismus überwog, werden seit Beginn dieses Jahrhunderts vor allem auf Seiten der Wissenschaft die Risiken und Nachteile von Dezentralisierungsprozessen diskutiert. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die in der letzten Dekade begonnenen Dezentralisierungsbemühungen nicht immer bzw. nicht in der erhofften Intensität zu den erwarteten Entwicklungserfolgen (Demokratisierung, Armutsbekämpfung) geführt haben.
Die antizipierten Wirkungszusammenhänge zwischen Dezentralisierung sowie der Stärkung kommunaler Selbstverwaltung (als ein Handlungsfeld zur Förderung von Good Governance) und Demokratisierung bzw. Armutsbekämpfung werden im Folgenden kurz beschrieben.
Dezentralisierung und Demokratie
Nach Amartya Sen, dem Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften im Jahr 1998, ist Demokratie ein Schlüsselfaktor für erfolgreiche Entwicklung und Armutsbekämpfung.
Der Weg dahin führt über die Dezentralisierung, die der lokalen Bevölkerung eine erweiterte und vertiefte Beteiligung an der Politik ermöglicht und lokale Wahloptionen überhaupt erst eröffnet. So stärken viele Projekte der Förderung der Dezentralisierung die Artikulationsfähigkeit und Verhandlungsmacht armer Bevölkerungsgruppen. Im Ergebnis steht eine Ausweitung der Demokratisierung.
Dezentralisierung und Armutsbekämpfung
Durch Dezentralisierung können die Bedingungen verbessert werden, unter denen sich die Wahrscheinlichkeit des Eintretens der gewünschten armutsmindernden Wirkungen erhöht.
Zu den Dimensionen von Armut gehören ein geringes Einkommen, ein Mangel an Gesundheit und Bildungschancen, Verwundbarkeit, Machtlosigkeit und ein Mangel an Artikulations- und Partizipationsmöglichkeiten. Nach Harald Fuhr scheint zunächst vieles dafür zu sprechen, dass sich die Chancen für den Erfolg von Politiken zur Armutsminderung auf lokaler Ebene verbessern: aufgrund der "Nähe", der "Sichtbarkeit" und "Erfahrbarkeit" von Armut. Auch sei davon auszugehen, dass sich lokale Entscheidungsträger zur Lösung dieses Problems stärker engagierten, weil sie letztlich daran gemessen (und bei Erfolg gegebenenfalls wieder gewählt) würden. Allerdings gebe es, so Fuhr, auch gegenläufige Trends. So sind aktiven Armutspolitiken aufgrund unzureichender lokaler Ressourcen und insbesondere aufgrund der geringen Leistungsfähigkeit lokaler Verwaltungen oftmals noch sehr enge Grenzen gesetzt. In einer Studie zu Bolivien wurde wiederum herausgefunden: "[The] results confirm that decentralization did change local and national investment patterns in Bolivia, and that local preferences and needs are key to understanding these changes." Die bisher recht zurückhaltende Beurteilung von Dezentralisierungserfolgen ist nach Jörn Altmann auf zwei Aspekte zurückzuführen:
Erstens beschäftige sich die wissenschaftliche Analyse mehr mit Dezentralisierungs-Misserfolgen als mit erfolgreicheren Beispielen. Hierdurch schleiche sich tendenziell ein leicht pessimistischer Grundton in die Betrachtung ein.
Zweitens hingen Erfolg und Misserfolg natürlich auch vom Erfolgskriterium ab, d.h. von der "Messlatte", und möglicherweise seien die Erwartungen in mancher Hinsicht zu hoch gesteckt. Beispielsweise könne allein die Tatsache, dass überhaupt erstmals Kommunalwahlen in einem Land stattfinden, ein wichtiger Erfolg sein, auch wenn andere Kriterien (noch) nicht erfüllt seien.
Darüber hinaus wird unseres Erachtens die Frage nach dem direkten Wirkungszusammenhang zwischen Dezentralisierung und Demokratisierung bzw. zwischen Dezentralisierung und Armutsbekämpfung nicht richtig gestellt. So kann nicht davon ausgegangen werden, dass Demokratisierungsprozesse allein durch die Förderung von Dezentralisierung und Stärkung kommunaler Selbstverwaltung positiv beeinflusst werden. Auch armutsmindernde Wirkungen werden nicht allein dadurch erzielt. Dezentralisierung betrifft primär den Exekutivbereich des Staates und zielt folglich nur auf einen Teil einer funktionierenden Staatsstruktur. Zusätzlich bedarf es etwa einer effektiven internen Kontrolle (Rechnungshöfe) und einer unabhängigen Justiz.
Im Zuge einer programmorientierteren Entwick- lungszusammenarbeit
- einer Entwicklungszusammenarbeit, die Einzelprojekte zu einem größeren Programm zusammenfügt, um die Querverbindungen zwischen den einzelnen Förderbereichen besser gestalten zu können - steht ja gerade das Wechselspiel zwischen den drei Handlungsfeldern von Good Governance (Recht und Justiz, Verwaltung und Öffentliche Finanzen, Dezentralisierung und Stärkung kommunaler Selbstverwaltung) im Mittelpunkt der Betrachtung. Hier gilt es, entsprechende Vorhaben der Entwicklungszusammenarbeit umzusetzen. Die Aktivitäten der politischen Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen, die insbesondere zur Stärkung der Zivilgesellschaftsförderung beitragen sollen, ergänzen diese Zielerreichung.
Bei der Ausrichtung und Gestaltung von Dezentralisierungsvorhaben müssen auch die Ergebnisse von Evaluierungen berücksichtigt werden. Wir möchten uns hier schwerpunktmäßig auf die Ergebnisse der im Oktober 2003 erschienenen Synthese-Studie des DAC Network on Development Evaluation beziehen. Folgende Lernerfahrungen und guten Beispiele, die für den Erfolg von Vorhaben der Dezentralisierung und Stärkung kommunaler Selbstverwaltung Voraussetzung sind, wurden herausgearbeitet:
Langfristige Unterstützung: Dezentralisierungsprogramme brauchen mindestens eine Dekade, um Entwicklungserfolge zu zeigen, dies umso mehr, wenn sie in einem Umfeld finanzieller und politischer Instabilität durchgeführt werden.
Koordination mit Politiken und Programmen im Partnerland: Die Unterstützung des Dezentralisierungsprozesses in Partnerländern muss eng koordiniert werden mit den jeweiligen Regierungsprogrammen der Partnerländer.
Geberkoordination: Die Koordination zwischen den einzelnen Gebern muss verbessert werden, beispielsweise durch regelmäßigen Informationsaustausch.
Armutsorientierung von Dezentralisierungsprogrammen: Die Armutsorientierung der einzelnen Dezentralisierungsprogramme muss in Koordination mit den sonstigen Regierungsprogrammen der Partnerländer erhöht werden.
Nachhaltigkeit von Dezentralisierungsprogrammen:
Dezentralisierungsprogramme müssen auf die Institutionalisierung ihres Outputs und die Verbreitung von Pilotprojekten über einzelne Regionen im Land hinaus ausgerichtet sein. Sie müssen die Erfahrungen auf subnationalen Ebenen rückkoppeln an nationale Entscheidungsträger aus Politik und Verwaltung.
Fiskaldezentralisierung:
Eine Verbesserung des finanziellen Managements ist ein notwendiger Bestandteil einer erfolgreichen Dezentralisierung. Ein funktionierendes Finanzmanagement der subnationalen Gebietskörperschaften ist wichtiger als fundamentale Veränderungen im Finanzierungssystem der Gebietskörperschaften.
Vor diesem Hintergrund ordnet sich das Konzept Dezentralisierung und Stärkung kommunaler Selbstverwaltung trotz teilweise gegenläufiger Rhetorik sehr gut in die großen neuen politischen Linien der internationalen Gebergemeinschaft ein und sollte entsprechend berücksichtigt werden. Die mit diesen Konzepten verbundenen Vorteile gegenüber zentralen Systemen können allerdings nur dann zum Tragen kommen, wenn bestimmte Entwicklungsparameter beachtet werden und wenn die Förderung von Dezentralisierung und Stärkung kommunaler Selbstverwaltung als Bestandteil der Förderung von Good Governance auch wirklich ernst genommen wird. Eine Debatte um Good Governance ist in der Umsetzung nicht ohne die Konzepte von Dezentralisierung und der Stärkung kommunaler Selbstverwaltung denkbar.
Drei Beispiele aus dem Alltag praktischer Entwicklungszusammenarbeit
Im Folgenden möchten wir Entwicklungsprojekte aus vier Regionen der Welt (Kaukasus, Asien, Lateinamerika, Afrika) vorstellen und diskutieren. Anhand dieser Beispiele sollen die Ansätze und Instrumente der deutschen staatlichen Entwicklungszusammenarbeit im Bereich Dezentralisierung und Stärkung kommunaler Selbstverwaltung als Beitrag zur Förderung von Good Governance mit den Zielen Armutsbekämpfung und Demokratieförderung veranschaulicht werden.
Städtenetz Kaukasus und die Förderung lokaler Demokratie
Im Jahr 2001 hat die deutsche Bundesregierung als Beitrag zum Konfliktabbau und zur Stabilisierung des Süd-Kaukasus die Kaukasus-Initiative ins Leben gerufen. Ziel ist es, den Prozess der Konfliktbewältigung und die Aussöhnung in den drei Ländern Armenien, Aserbaidschan und Georgien zu fördern. Damit verbunden sind als mittelbare Ziele die Demokratieförderung und Stabilisierung der Wirtschaft in der Region. Der Auf- und Ausbau der lokalen Demokratie ist einer von mehreren Förderbereichen im Rahmen der Kaukasus-Initiative.
In diesem Zusammenhang ist das Projekt Städtenetz Kaukasus entstanden, welches von bestehenden, gut funktionierenden Städtepartnerschaften getragen wird: Biberach an der Riss mit Telavi (Georgien); Ludwigshafen mit Sumgait (Aserbaidschan); Saarbrücken mit Tbilissi (Georgien) und Rustavi (Georgien) mit Sumgait (Aserbaidschan). Flankiert wird diese städtepartnerschaftliche Zusammenarbeit im Netzwerk durch die Einbeziehung eines TZ-Kommunalentwicklungsvorhabens in Armenien unter der Beteiligung der Städte Itchevan und Vedi.
Der Projektansatz des Städtenetzes Kaukasus basiert auf der Idee, deutsches kommunales Know-how und bereits existierende langjährige Partnerschaften zwischen ausgewählten deutschen und kaukasischen Städten mit strategisch ausgerichteten entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu verbinden. Durch diese Kooperation (deutsche Entwicklungszusammenarbeit mit deutschen Städten) sollen Synergieeffekte erzeugt und gegenseitige Lernprozesse in den Partnerstädten im Kaukasus in Gang gesetzt werden mit dem Ziel, die kommunale Selbstverwaltung zu stärken, die Bereitstellung kommunaler Dienstleistungen zu verbessern und die Partizipation der Bevölkerung an kommunalen Entscheidungsprozessen zu erhöhen.
Die Zusammenarbeit konzentriert sich schwerpunktmäßig auf die Themen Verwaltungsreform, Jugend, Umwelt (Abfall, Umwelterziehung, nachhaltige Stadtentwicklung, Kataster) und Gender; sie sollen gemeinsam im Netzwerk bearbeitet werden.
Die Bürgernähe des Projekts, das hohe "soziale Kapital" des Netzwerks und die existierenden Vorbilder traditioneller bilateraler Städtepartnerschaften sind eine sehr gute Basis für die Erreichung der angestrebten Ziele. Partner aus Armenien, Aserbaidschan und Georgien lernen und tauschen sich auf gemeinsamen Workshops, Fachinformationsreisen, über Fachpraktika und über die jeweiligen Kontakte zu den deutschen Kommunalexperten aus. Auf diesem Wege entsteht ein länderübergreifendes Netzwerk, welches lokale Demokratieprozesse forciert und einen Beitrag zum Konfliktabbau in der Region leistet.
Armutsminderung und Selbstverwaltung in der Region Nusa Tenggara/ Indonesien
Die 1999 formulierte Dezentralisierungspolitik der indonesischen Regierung ist eine gute Ausgangsbasis für ein unterstützendes Programm der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Die indonesische Dezentralisierungspolitik wird weitgehend konsequent und vergleichsweise zügig umgesetzt.
Den Distrikten sind im Rahmen dieser Politik wesentliche Befugnisse, Aufgaben und Ressourcen (begrenzt personell und finanziell) für die Durchführung armutsorientierter Programme zugeteilt worden. Im internationalen Vergleich handelt es sich um eine außergewöhnlich weitgehende Übertragung faktischer Macht an dezentrale, demokratisch legitimierte Gebietskörperschaften. Das Thema Armutsminderung nimmt darüber hinaus einen prominenten Rang in der politischen Agenda Indonesiens ein.
Das TZ-Programm "Armutsminderung und Selbstverwaltung in der Region Nusa Tenggara" im weniger entwickelten Osten Indonesiens hat zum Ziel, die ländliche Bevölkerung, ihre Organisationen und Selbstverwaltungsgremien in die Arbeit einzubeziehen, ihr Entwicklungspotenzial zu nutzen und ihre wirtschaftlichen Aktivitäten ausweiten. Dies soll durch eine Doppelstrategie erreicht werden: Durch die Förderung der Dezentralisierung sollen die Distriktregierungen und -parlamente befähigt werden, ihre Aufgaben im Bereich der Armutsminderung verstärkt wahrzunehmen, während gleichzeitig die Dorfbevölkerung in die Lage versetzt werden soll, armutsorientierte Maßnahmen zu planen, durchzuführen und zu überwachen (Selbsthilfeförderung).
Dieses Programm ist vor dem Hintergrund der Frage, welchen Beitrag Dezentralisierung und Stärkung kommunaler Selbstverwaltung zur Armutsbekämpfung beitragen kann, als innovativ zu bewerten. Herausforderungen, denen es gerecht zu werden versucht, liegen in
der stärkeren Berücksichtigung der Ergebnisse partizipativer Planung in der Budgetplanung und Berücksichtigung des Aspekts der Armutsorientierung im Partizipationsprozess;
der Befähigung der Zivilgesellschaft zur Etablierung erfolgreicher marktorientierter Aktivitäten und
der Stärkung der Zivilgesellschaft zur Vertretung ihrer Interessen.
Mit der Verknüpfung verschiedener Ansätze - direkt armutsmindernde Maßnahmen der Selbsthilfeförderung sowie indirekt wirkende Dezentralisierungsförderung und Good-Governance-Maßnahmen auf dezentraler Ebene - wird eine Mehrebenenstrategie zur Armutsbekämpfung verfolgt.
Unterstützung der Dezentralisierung und Armutsbekämpfung in Bolivien
Die neue Strategie Boliviens zur Armutsbekämpfung baut auf der Dezentralisierungspolitik der neunziger Jahre auf und weist den Gemeinden eine zentrale Rolle zu. Dieser Ansatz stellt jedoch die traditionell schwachen Kommunalverwaltungen vor erhebliche Herausforderungen.
Der Schwerpunkt der Arbeit des TZ-Programms PADEP
liegt auf der kommunalen Ebene. Es geht darum, eine effiziente Vernetzung der Kommunen mit den übergeordneten Gebietskörperschaften zu fördern. Durch entsprechende Maßnahmen sollen die Planungs-, Verwaltungs- und Abstimmungsprozesse sowohl innerhalb des staatlichen Apparats als auch in der Kooperation mit der Zivilgesellschaft so gestärkt werden, dass sie wirksam die bolivianische Armutsstrategie umsetzen können.
Das Programm fördert mit seinen Beiträgen die Dienstleistungsorientierung der Partnerinstitutionen, deren administrative Effizienz und Transparenz und leistet damit gleichzeitig einen Beitrag zur Bekämpfung der Korruption, die ein zunehmend ernst genommenes Entwicklungshindernis des Landes darstellt. Der Kooperation mit der Zivilgesellschaft wird eine besondere Bedeutung beigemessen. Dies gilt beispielsweise für die zivilgesellschaftliche "soziale Kontrolle" des Regierungshandelns (als ein Ergebnis des partizipativen Prozesses bei der Erarbeitung der bolivianischen nationalen Armutsstrategie), die von der Zivilgesellschaft und der Kirche in Bolivien gefordert wurde und mittlerweile von der Regierung als ein Instrument zur Steigerung der Transparenz des Verwaltungshandelns betrachtet wird. Mittelbar wird durch diese "soziale Kontrolle" ein Beitrag zu einer erhöhten Effizienz und einer verbesserten Regierungsfähigkeit geleistet.
Ein Schwerpunkt des Programms sind die ländlichen Gemeinden der Chaco-Region und des Nordens von Potosí. Die in diesen Regionen entwickelten Lösungsansätze sollen über Multiplikatoren wie den Bolivianischen Städteverband, staatliche Instanzen und Nichtregierungsorganisationen auf der nationalen Ebene in die bolivianische Politikdiskussion sowie Normengebung zu den Themen Staatsmodernisierung, Verwaltungsreformen, Dezentralisierung und vor allem Armutsbekämpfung einfließen und so eine Breitenwirkung entfalten.
Unterstützung kommunaler Gebietskörperschaften im Hodh El Gharbi, Mauretanien
Ziel des Vorhabens ist es, den in Mauretanien seit einigen Jahren angestoßenen Dezentralisierungsprozess durch konkrete Maßnahmen auf lokaler Ebene zu unterstützen und die Bevölkerung in die politischen Prozesse einzubeziehen. Eine Komponente ist die CyberCommune, bestehend aus 27 Kommunen der Region Hodh El Gharbi im äußersten Südosten Mauretaniens. Wie in anderen ländlichen Gebieten hat auch die Bevölkerung dieser Region keinen Zugang zu modernen Informations- und Kommunikationsmitteln. Grundgedanke der CyberCommune ist es, der ländlichen Bevölkerung durch den freien, interaktiven Zugang zu Medien die Möglichkeit zu einer besseren Kommunikation und Information zu bieten und ihr damit die Chance zu geben, sich an politischen und gesellschaftlichen Prozessen zu beteiligen. Mit Hilfe des Internets sollen selbst verwaltete Strukturen aufgebaut und ein kommunales Miteinander ermöglicht werden. Die Idee wurde von Anfang an und auf allen Ebenen positiv aufgenommen. Ein großer Vorteil war, dass die politische Führung Mauretaniens den modernen Medien und vor allem dem Internet eine wichtige Rolle für die weitere Entwicklung des Landes beimisst. Die Partner der CyberCommune sind das Staatssekretariat für neue Technologien, der Regionalrat der Bürgermeister des Hodh El Gharbi und alle in der CyberCommune vertretenen Mitglieder der Zivilgesellschaft. Inzwischen existiert die CyberCommune zwei Jahre. Sie vereint unterschiedliche Gruppen der Zivilgesellschaft: Nichtregierungsorganisationen, handwerkliche und landwirtschaftliche Kooperativen sowie kulturelle und sportliche Vereinigungen. Das Ziel der virtuellen Gemeinschaft besteht darin, Kommunikation innerhalb der, für die und aus der Region heraus zu ermöglichen, um so zu einer integrierten Regionalentwicklung beizutragen. Das Internet bricht traditionelle Kommunikationsstrukturen auf und stellt neue Verzahnungen her. So ist die CyberCommune, wenngleich sie von Anfang an ein neutraler Platz war, vor allem auch für Frauen von großer Bedeutung. Traditionelle Hierarchien und Schranken werden durch neue Formen der Kommunikation allmählich aufgeweicht. Das bedeutet zugleich, dass neue Spielregeln aufgestellt, anerkannt und eingeübt werden müssen, um die Kommunen und die Bevölkerung auf die neuen Anforderungen vorzubereiten. Immer mehr mauretanische Gemeinderäte haben, motiviert auch durch die Ergebnisse der CyberCommune, das Internet als Arbeitsinstrument entdeckt. Derzeit kann zwar von einer engen Kommunikation mit der Hauptstadt Nouakchott in Verwaltungsfragen noch nicht die Rede sein; die zentralen Behörden sind bislang dafür nicht eingerichtet. Aber wenn - wie im vorliegenden Fall - die kommunale Ebene eine Vorreiterrolle spielt, dürften Rückwirkungen auf die Hauptstadt nicht ausbleiben.
Resümee
Interventionen in die gesellschaftspolitischen Strukturen der Partnerländer der Entwicklungszusammenarbeit gehören zweifellos zu den großen Herausforderungen der internationalen Zusammenarbeit des 21. Jahrhunderts. Dezentralisierung und die Förderung kommunaler Selbstverwaltung leisten einen wesentlichen Beitrag zur Förderung von Good Governance. Gerade eine programmorientierte Entwicklungszusammenarbeit erhöht die Wirksamkeit des Handlungsfelds Dezentralisierung und Stärkung kommunaler Selbstverwaltung über das Zusammenspiel der Förderung im Bereich Recht und Justiz sowie Öffentliche Verwaltung und Finanzen. Zugleich gilt es, die gesammelten Lernerfahrungen aus laufenden Projekten und Programmen in der Praxis der Konzeptionierung und Durchführung von Vorhaben entsprechend zu berücksichtigen. Die Förderung von Good Governance, die auf Erfolge im Bereich der Armutsbekämpfung und Demokratisierung zielt, ist ohne die Konzepte von Dezentralisierung und Stärkung kommunaler Selbstverwaltung nicht denkbar.