Einleitung*
Von der Einführung des Internets versprach man sich in den achtziger Jahren eine Wiederbelebung der Demokratie, eine Erhöhung der Beteiligung und eine Stärkung der Willensbildungsprozesse in den Parteien und Parlamenten.
E-Democracy bildet neben dem E-Business unddem Verwaltungsmodernisierungsansatz E-Government die dritte Säule bei der Nutzung der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien. Das Internet lässt sich für Information und Kommunikation zur politischen Partizipation, zum Beispiel in Form von Online-Wahlen, nutzen. Diese sehen als zusätzliche Möglichkeit die elektronische Wahl über das Internet vor und sind eine Form des Electronic Voting, das eine Vielzahl von Wahlmöglichkeiten wie elektronische Kommunikationssysteme über das Telefon, digitales Fernsehen, SMS sowie über Computernetzwerke und den Einsatz elektronischer Wahlgeräte im Wahllokal oder an öffentlichen Orten (kiosk voting) umfasst.
Aufgrund der hohen Kosten für Wahlen und Abstimmungen wird in vielen Ländern versucht, funktionstüchtige Instrumente für Online-Wahlen zu entwickeln. Dabei geht es staatlichen Stellen nicht nur um eine kostengünstige, effiziente und effektive Implementation von Wahlen, sondern auch darum, internationalen Reputationsgewinn zu erzielen. Neben den staatlichen Interessen zeigt sich ein großes kommerzielles Interesse der Computerindustrie an der Weiterentwicklung, Verbreitung und Nutzung entsprechender Instrumente.
Die Diskussion um Online-Wahlen konzentrierte sich zunächst vorrangig auf die interaktive Technologie und ihre physikalisch-technischen Eigenschaften. Die organisatorischen, ökonomischen, rechtlichen und politisch-kulturellen Faktoren der Technikanwendung blieben eher im Hintergrund. Aufgrund der Neuartigkeit der Fragestellung und der raschen technischen Entwicklung bei geringen Implementationserfahrungen liegen bisher nur wenige empirische Untersuchungen vor.
Die Implementation von neuen Techniken bedarf eines kulturellen und organisatorischen Verständnisses der Wahlsysteme des jeweiligen Landes und insofern auch einer Berücksichtigung der politisch-kulturellen Pfadabhängigkeit. Die Implementation von neuen Wahlverfahren muss anschlussfähig sein, d.h., eine Integration durch Anpassung sollte gewährleistet werden: "Ein neues Medium wird nur dann genutzt werden, wenn seine technischen und inhaltlichen Elemente auf der Anbieterseite in die Produktionsorganisation und -kultur, auf der Nutzerseite in die Nutzungsorganisation und -kultur integriert werden. Für eine massenhafte Nutzung muss zusätzlich Entsprechung mit sozioökonomischen Rahmenbedingungen hergestellt werden. Insofern hängt die Implementation der Internetwahlen von der Einbettung dieser in die bestehenden Kontexte der Wahlorganisation ab."
Für die folgende Untersuchung wurden mit Österreich, Deutschland und der Schweiz drei Länder ausgewählt, die bislang idealtypische Entwicklungswege in Bezug auf Online-Wahlen beschritten haben. Zunächst sollen die nationalen Kontexte beschrieben werden: Ist der Handlungsdruck zur Einführung neuer Wahlverfahren aufgrund geringer Wahlbeteiligungen sehr hoch? Wie hoch ist die Zahl der Internetnutzer? Die Pfadabhängigkeit zeigt sich insbesondere in den nationalen Eigenheiten bezüglich der Wahlgrundsätze sowie der Wahlumsetzung. Dabei ist die Wählerregistrierung sowie die Briefwahl von besonderem Interesse. Nach der Analyse dieser Rahmenbedingungen schließen sich die Darstellungen von Pilotprojekten und der nationalen Strategien an.
*Der Beitrag beruht auf den Ergebnissen eines empirischen Forschungsprojekts am Institut für Politikwissenschaft der Universität Marburg zum Thema "Online-Wahl und Briefwahl" sowie dem Workshop "Internet voting", organisiert durch das Institut für Politikwissenschaft und das International Political Science Association (IPSA) Research Committee "Comparative Studies on Local Government and Politics" im Juni 2002 in Marburg mit Vertretern aus den USA, der Schweiz, Schweden, Estland, Frankreich, Großbritannien, Finnland, Schweden, Norwegen, den Niederlanden und Österreich. Die Förderung erfolgte durch die Fritz Thyssen Stiftung.
Rahmenbedingungen für Online-Wahlen
Von der Einführung neuer Wahlinstrumente verspricht man sich vor allem eine Erhöhung der politischen Partizipation. Dabei ist der Druck auf die nationalen Regierungen in den drei untersuchten Ländern unterschiedlich groß (vgl. die Tabelle: s. PDF-Version). In Österreich und Deutschland ist die Wahlnorm (Wählen als Bürgerpflicht und -recht) in weiten Bevölkerungsteilen stark verankert. Dennoch zeigt sich eine Erosion: Bei Bundestagswahlen war die Beteiligung zu Beginn der siebziger Jahre mit nahezu 90 Prozent sehr hoch. In den Folgejahren sank sie kontinuierlich bis auf 79,1 Prozent bei der Bundestagswahl 2002. Bei Landtagswahlen kann nur mit einer um zehn bis 20 Prozentpunkte geringeren Wahlbeteiligung gerechnet werden. Noch dramatischer vollzieht sich die Entwicklung bei Kommunalwahlen, die nur etwa 60 Prozent der Wählerschaft mobilisieren. Lokale Referenden und Direktwahlen von Bürgermeistern weisen häufig eine Wahlbeteiligung nahe 30 Prozent auf.
In Österreich zeigt sich eine ähnliche Entwicklung. Auch hier haben Sekundärwahlen eine geringere Beteiligung als nationale Wahlen. Dabei erreichten die Nationalratswahlen von 1945 bis 1994 "Traumwahlbeteiligungen" von über 90 Prozent; erst Ende der neunziger Jahre sank diese bis auf 80,1 Prozent (Nationalratswahl 2002). Auch wenn die Erosion der politischen Partizipation bei Wahlen zum Teil durch andere politische Beteiligungsformen kompensiert wird, so wird die geringe Wahlbeteiligung von den Politikern als Legitimationsverlust wahrgenommen. In der Schweiz, die neben der Wahl der Parlamente eine Vielzahl von direktdemokratischen Beteiligungsmöglichkeiten bietet, ist die Beteiligung bei nationalen Wahlen sehr gering: So wurden 2003 lediglich 45,6 Prozent erreicht.
Die digitale Spaltung wird als wichtigster Kritikpunkt für Internetwahlen gesehen: Die Diskriminierung von Armen und Minderheiten, die keinen Zugang zu Personalcomputern und dem Internet zu Hause oder am Arbeitsplatz haben, widerspreche dem Prinzip der gleichen Wahl. Deborah Phillips hat im Voting-Integrity-Project (VIP) diese ungleiche Situation kritisiert: "Some voters are more equal than others."
Neben den verfassungsmäßigen Grundsätzen prägen die Form der Wählerregistrierung und die Umsetzung der Briefwahl
In Deutschland wird nach Artikel 38 des Grundgesetzes der Bundestag nach den Wahlgrundsätzen einer allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahl gewählt.
In der Schweiz wird in Artikel 34 II/136 I/149 II der Verfassung auf die freie, gleiche und direkte Wahl verwiesen.
Status quo und Strategien
Online-Wahlen erfuhren mit der Entwicklung des Internets und von Verfahren der so genannten digitalen Signatur, die Personenechtheit und Anonymität des Wählers sichern sollen, einen enormen Aufschwung. Zunächst sollen Online-Wahlen im sozioökonomischen Sektor, d.h. in weniger rechtlich regulierten Kontexten, kursorisch vorgestellt werden. Es schließen sich Pilotprojekte bei politische Wahlen dritter (lokale Beiräte) und zweiter Ordnung (Kommunalwahlen) an. Letztendlich werden die Strategien im Hinblick auf eine Einführung bei Wahlen erster Ordnung (nationale und regionale Wahlen) beschrieben.
Österreich
Als erstes Land der Europäischen Union verabschiedete Österreich 1999 ein Gesetz zur Nutzung digitaler Signaturen. Erst im Dezember 2001 wurden jedoch die ersten "Trust Center" akkreditiert, welche die Authentifizierung der über eine Smartcard abgegebenen digitalen Signatur gewährleisten.
In der Zweiten Republik wurde das konkordanzdemokratische Konzept der Sozialpartnerschaft entwickelt, wonach alle Bürger entsprechend ihrer sozialen Stellung und dem Arbeitsstatus in einer intermediären Organisation Mitglied sind und Repräsentanten für deren Entscheidungsgremien wählen.
Im Mai 2003 hatten die Studierenden der Wirtschaftsuniversität Wien bei einer Wahlsimulation die Möglichkeit, parallel, nicht bindend, über das Internet abzustimmen. Hieran nahmen etwa 1000Studierende teil. Die Wahlbeteiligung lag hier um mehr als 40 Prozentpunkte höher als der Landesdurchschnitt. Durch den reibungslosen Ablauf der Wahl bestätigt, versuchen die Initiatoren das Thema Online-Wahlen erneut auf die politische Agenda zu bringen, um etwa den Auslandsösterreichern diese Wahlmöglichkeit bei den Nationalratswahlen 2006 zu bieten.
Während in Österreich die rechtlichen Rahmenbedingungen und auch die Infrastruktur zur Implementierung von Online-Wahlen über die digitale Signatur existieren, sind die Widerstände zur Nutzung dieses Instruments bei nationalen Wahlen noch groß. In einem Papier des Bundeskanzleramtes zur österreichischen Informationsgesellschaft werden das Wahlgeheimnis, aber auch die Gefahr der Manipulation von Wahlen hervorgehoben.
Deutschland
Wahlen im sozioökonomischen Bereich betreffen vor allem Selbstverwaltungseinrichtungen wie Studierendenparlamente und Sozialversicherungsvertretungen, die, obwohl sie außerhalb des Anwendungsbereichs der Parlamentswahlen liegen, ebenfalls die Wahlrechtsgrundsätze des Artikels 38 Abs. 1 des Grundgesetzes zu beachten haben.
Die Studierendenparlamentswahl in Osnabrück im Februar 2000 gilt weltweit als erste bindende Online-Wahl. Hier bestand neben dem Internet Voting die Möglichkeit zur Wahl über elektronische Wahlmaschinen, aber ebenso war die Chance zur Briefwahl und zur traditionellen Wahl per Stimmzettel gegeben. 316 Studierende, etwa zehn Prozent der Wahlteilnehmer, wurden bei der Internetwahl registriert. Von den angemeldeten Studenten gaben 156 ihr Votum über das Internet ab. Dieses I-Vote-System mit digitalen Signaturkarten wurde in der Hochschule Bremerhaven Ende Oktober 2001, bei der Simulation (2000) und bei der bindenden Personalratswahl im Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik des Landes Brandenburg 2002 und der Betriebsratswahl 2002 der T-Systems GmbH eingesetzt. Das Bundesministerium des Innern bei einer Hauptpersonalratswahl sowie die Daimler Chrysler AG bei einer virtuellen Hauptversammlung der Aktionäre wollen das Instrument ebenfalls nutzen. Weiterhin ist der Einsatz bei Synodalwahlen in Hannover sowie bei einzelnen Sozialwahlen geplant.
Wie bei Wahlen im sozioökonomischen Bereich gilt auch für Wahlen dritter Ordnung, etwa politischen Wahlen der kommunalen Beiräte und Kommissionen, ein erweiterter rechtlicher Spielraum. Hier dominieren Lösungen mit PIN- und TAN-Nummern. Lediglich die Jugendgemeinderatswahl der Stadt Esslingen im Juli 2000 nutzte die digitale Signatur; sie verzeichnete nur sehr geringe Teilnehmerzahlen.
Im Schlussbericht der Enquetekommission des Deutschen Bundestages zu den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien wurde 1998 empfohlen, bei Bundestagswahlen neben den herkömmlichen Verfahren auch die elektronische Stimmabgabe über das Internet zu ermöglichen. Primäres Ziel war es, die Wahlbeteiligung zu steigern und eine größere Legitimation des politischen Systems zu erreichen. Bei politischen Wahlen der zweiten Ordnung wie z.B. Kommunalwahlen wurde erstmals 2001 in Marburg ein Pilotprojekt implementiert, bei dem es sich um eine Wahlsimulation handelte. Im September 2001 fand im Rahmen der Direktwahl des Landrats eine nicht bindende elektronischen Stimmabgabe über das Internet parallel zur Briefwahl statt. In dem Projekt arbeiteten der Landeswahlleiter, der Datenschutzbeauftragte des Landes und die Kommune zusammen. Eine zentrale Aufgabe war es, unter realistischen Bedingungen im Rahmen der Wahlgesetze die organisatorischen und logistischen Anforderungen an Online-Wahlen zu untersuchen, um daraus Anpassungsbedarf bei Wahlgesetzen und -satzungen sowie bei der Infrastruktur im Wahlamt abzuleiten. Zusätzlich zur Präsenz- und Briefwahl bestand für die Wählerschaft die Möglichkeit zur Wahl im Internet sowie an einem Rechner im Rathaus. Als technisches Verfahren wurde eine PIN- und TAN-Lösung gewählt, die analog zur Briefwahl der Beantragung bedurfte.
In Deutschland zielt daher die nationale Strategie zunächst darauf, die Stimmabgabe von beliebigen Wahllokalen aus zu ermöglichen.
Als weiteren Schritt sieht das Bundesinnenministerium die Nutzung von Internetzugängen in öffentlichen Gebäuden und längerfristig Online-Wahlen z.B. vom heimischen PC vor. Als problematisch wird im Ministerium gesehen, dass bisher kaum Untersuchungen darüber existieren, inwieweit Online-Wahlen zur politischen Kultur in Deutschland passen, inwieweit sie aus Sicht der Wähler riskant sind und wie die demokratische Zusammensetzung der Wähler aussehen könnte. Davon wird die Akzeptanz von und das Vertrauen in Onlinewahlen sehr stark determiniert werden.
Die Schweiz
Im Oktober 2000 wurde unter Federführung der Bundeskanzlei eine Arbeitsgruppe mit Vertretern des Bundes, der Kantone sowie mit EDV-Experten eingesetzt.
Im Zürcher Pilotprojekt wird der Aufbau eines kantonalen digitalen Stimmregisters verfolgt, das aber aufgrund der Vielzahl eigenständiger Kleinstgemeinden besondere Probleme aufwirft. Über einen computerlesbaren Stimmausweis und eine Vernetzung der Wahllokale soll die Wahlorganisation erleichtert werden. Die Wahlberechtigung wird durch ein Zutrittspasswort und einen Barcode nachgewiesen. Neben der Vereinheitlichung und der Entwicklung eines virtuellen Wahlregisters plant der Kanton Zürich auch die Implementation eines umfassenden elektronischen Wahl- und Abstimmungssystems. Neben dem PC sollen auch das TV und das Mobiltelefon dafür genutzt werden können.
In Neuenburg werden die Möglichkeiten des Internets in Bezug auf Initiativen und Referenden untersucht. Dabei werden Verfahren der digitalen Signatur in Kosten-Nutzen-Analysen und auf ihre Sicherheitsrisiken hin diskutiert. Lag in Neuenburg der Schwerpunkt zunächst auf der elektronischen Signatur, so soll bereits in diesem Jahr die Stimmabgabe bei Wahlen und Abstimmungen ermöglicht werden. Über einen guichet sécurisé unique soll entsprechend dem Telebanking eine passwordgeschützte elektronische Stimmabgabe als zusätzliche Alternative zur Präsenz- und Briefwahl möglich sein.
In Genf existiert bereits ein elektronisches Stimmregister.
Bis 2010 sollen in der Schweiz bundesweite Online-Wahlen realisiert werden. Für die Auslandsschweizer könnte so das Problem der langen postalischen Zustellfristen überwunden werden. Neben der technischen Machbarkeit stehen auch in der Schweiz politisch-kulturelle Aspekte im Vordergrund der Diskussion. Mit einer möglichen Entritualisierung des Abstimmungsvorganges wird zum Teil eine Entwertung der Volksrechte befürchtet. Die Möglichkeit des Sammelns von Unterschriften bei Initiativen und Referenden könnte über das Internet erleichtert werden. So wird ein inflationärer Anstieg von Volksinitiativen befürchtet. Die Briefwahl hingegen hatte das Sammeln von Unterschriften erschwert, da Bürgerinitiativen häufig vor dem Wahllokal um Unterstützung für neue Referenden werben. Problematisiert wird auch die mögliche mangelnde Transparenz von Online-Wahlen und das Vertrauen der Bürger in derartige Prozeduren. So wird über Verfahren nachgedacht, welche die Abgabe der Stimme durch den Wahlberechtigten überprüfbar machen sollen. Die Befürworter von Online-Wahlen betonen ferner die Möglichkeiten zur besseren politischen Information. So sollen staatliche Internet-Wahlportale eingesetzt werden, die neben der Abstimmungsmöglichkeit auch selektive politische Informationen über Parteien, Programme und Themen bieten.
Schlussfolgerungen
Zur Erhöhung der Wahlbeteiligung werden Online-Wahlverfahren als Alternative zur Briefwahl diskutiert. Vorteile sieht man unter anderem in der erhöhten Effizienz, da längerfristig die Wahlkosten sinken, der erhöhten Effektivität (schnelleres und exakteres Auszählen) sowie in einer erhöhten Rationalität des Wahlaktes über bessere, internetgestützte Wahlinformationen. Der internationale Vergleich zeigt, dass in vielen Ländern Online-Wahlen diskutiert und unterschiedliche Probleme betont werden. Hierzu zählen z.B. die mangelnde Verbreitung des Internets (digital divide), technische Probleme (denied server attacks, "Trojanische Pferde"), mangelndes Vertrauen in die Technik und hieraus resultierende Legitimitätsprobleme, irrationale Wahlentscheidungen (junk vote), der Verlust demokratischer Identität und politischen Gemeinschaftsgefühls (community building) durch den Wegfall des symbolischen Wahlakts bei der Wahl im Wahllokal sowie Fragen der Geheimhaltung.
Die Implementationskosten für Online-Wahlen sind hoch. Auf lange Sicht könnten mit der Einführung von Internetwahlen jedoch die Wahlkosten vor allem dann drastisch gesenkt werden, wenn es zu reinen Online-Wahlen oder zu einer Kombination von Brief- und Online-Wahl kommt. Nur dann entfielen die Kosten für die Helfer in den Wahllokalen. Ein kompletter Ersatz des traditionellen Urnengangs durch Online-Wahlen ist aber bislang nicht geplant. Die Präsenzwahl wird allerdings auf kommunaler Ebene in einigen Ländern durch reine Briefwahlen ersetzt (universal postal voting in Australien, erfolgreiche Pilotprojekte in Großbritannien und im US-Bundesstaat Oregon).
Die Einführung von Online-Wahlen verringere die Barrieren für eine Partizipation, mache das Wählen bequemer und sei angemessen in Bezug auf die gestiegene Mobilität, so die Befürworter. Dennoch ist eine deutliche Zunahme der Wahlbeteiligung, wie erste empirische Belege zeigen, kaum zu erwarten.
Die österreichische und die deutsche Diskussion wird insbesondere durch Fragen zur Einhaltung des Wahlgeheimnisses geprägt.
Die Zunahme von Online-Wahlen in sozioökonomischen Bereichen, z.B. bei Betriebsräten oder Studentenparlamenten, kann dazu führen, dass diese Experimente sich etablieren und auch auf die politische Ebene ausgeweitet werden.
Existenz und Popularität der Briefwahl können positive wie negative Auswirkungen für die Implementation von Online-Wahlen haben. So wird davon ausgegangen, dass in den Ländern, in denen bislang nicht die Möglichkeit zur Briefwahl besteht, Online-Wahlverfahren leichter umzusetzen sind.
Der Zusammenhang zwischen Wahlen und Kommunikationstechniken ist evident. Dabei zeigen sich in den Wahlsystemen starke Beharrungselemente. So dürfte die Briefwahl in Deutschland und der Schweiz kaum abgeschafft werden können. Politische Online-Wahlen werden sich aber nur längerfristig etablieren können. Neben der technischen Weiterentwicklung sollte die bislang stark normativ geprägte Diskussion stärker auf noch zu leistende empirische Forschungen und eine Analyse der möglichen Veränderungen der politischen Kultur zurückgreifen. So müssen die Akzeptanz von Internetwahlen, mögliche Veränderungen des Wahlverhaltens, die Einhaltung der Wahlgrundsätze, Aspekte der Terminierung der Wahl sowie Legitimations- und Vertrauensgewinne über Wahlen untersucht werden. Auf dieser fundierten empirischen Basis sollte der politisch-rechtliche Rahmen für Online-Wahlen definiert werden.