Der Ruhrbergbau, also der Steinkohlenbergbau im Ruhrgebiet, nahm der Legende nach seinen Anfang, als ein Hirtenjunge an der Ruhr morgens unter seinem abgebrannten Lagerfeuer glimmende Steine entdeckte. Diese Geschichte der Entdeckung der Steinkohlen im südlichen Bereich des Ruhrgebiets lässt sich weder datieren noch verifizieren, belegen lässt sich allerdings der vorindustrielle Bergbau in just diesem Gebiet und die enorm starke Zunahme der Steinkohlenförderung im Ruhrgebiet während der Industrialisierung. Das Wachstum von Ruhrbergbau und Eisen- und Stahlindustrie im 19. Jahrhundert machte das Ruhrgebiet zu der wichtigsten Montanregion Europas. Die Bedeutung des Ruhrgebiets beschränkte sich dabei nicht auf die wirtschaftliche Ebene, vielmehr war die Region auch immer von hoher politischer Relevanz. Zum einen bildete der Ruhrbergbau lange Zeit die Basis für die Versorgung von Bevölkerung und Industrie weit über die Grenzen der Region hinaus, und zum anderen war das Ruhrgebiet ein Kernstück der deutschen Rüstungsindustrie in den Weltkriegen. Im Versailler Vertrag kam dem Ruhrbergbau eine ebenso hohe Bedeutung zu wie in den Plänen zur europäischen Einigung und den Deutschlandpolitiken der Alliierten nach 1945. Der Niedergang nahm mit der Kohlenkrise von 1957 seinen Anfang und ließ den Ruhrbergbau in die wirtschaftliche Bedeutungslosigkeit stürzen, sodass die Schließung der letzten Zeche im Dezember 2018 ein symbolischer Akt ohne Auswirkungen auf die regionale Wirtschaft bleibt.
Der Beitrag zeigt im Folgenden das starke Wachstum des Ruhrbergbaus während der Industrialisierung und dessen hohe Bedeutung am Vorabend des Ersten Weltkriegs, um dann auf die Rolle des Bergbaus an der Ruhr in beiden Weltkriegen und bei der Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) einzugehen und sich über die Kohlenkrise dem Ende des Ruhrbergbaus zu nähern.
Der Ruhrbergbau in der Europäischen Industrialisierung
Dem Ruhrgebiet kam fraglos eine führende Rolle im Prozess der Industrialisierung zu, auch wenn diese im Ruhrgebiet relativ spät begonnen hatte. Während in Großbritannien in der Mitte des 18. Jahrhunderts jährlich über fünf Millionen Tonnen Steinkohlen gefördert wurden und bis 1780 bereits 455 Dampfmaschinen zur Wasserhaltung errichtet worden waren, wurden im Ruhrgebiet in den 1760ern etwa 55.000 Tonnen Steinkohlen gefördert, die erste Dampfmaschine nahm hier 1799 ihren Betrieb auf. Der größte Teil der an der Ruhr gewonnen Steinkohlen wurde von den Salinen im nahen Umland nachgefragt, Teile aber auch über Ruhr und Rhein in weiter entfernte Gebiete transportiert. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte sich diese Entwicklung fort. Die Steinkohlenförderung nahm stetig zu und lag in der Jahrhundertmitte bei 1,6 Millionen Tonnen im Jahr. Dennoch blieb die jährliche Förderung weit hinter derjenigen der großen britischen und belgischen Montanreviere zurück.
In die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts fielen einige Entwicklungen und Ereignisse, die von großer Bedeutung für das spätere Wachstum des Ruhrgebiets waren. So gelang 1830 erstmals die Durchdringung der wasserführenden Mergelschicht, wodurch der Abbau der tieferliegenden Flöze im nördlichen Bereich der Region möglich wurde. Hierdurch konnten die Zechen von der Ruhrzone aus in die Hellwegzone vordringen – der Bergbau begann seine Nordwanderung, die ihn im weiteren Verlauf auch in die Emscher- und Lippezone führen sollte. Die nun tieferen Anlagen führten auch dazu, dass verstärkt Dampfmaschinen eingesetzt wurden. Zugleich begann sich in der Region eine moderne, auf Steinkohlen basierende Eisenindustrie zu entwickeln, die starke Nachfrageimpulse auf den Ruhrbergbau auslöste. Auch der Bau der ersten Eisenbahnstrecke im Ruhrgebiet fiel in die späte erste Hälfte des 19. Jahrhunderts, allerdings verlief die Strecke der 1847 fertiggestellten Köln-Mindener-Eisenbahn nördlich der Hellwegzone durch bisher brachliegendes Gebiet. Dies verzögerte den Anschluss der meisten Hellwegstädte, jedoch förderte die Streckenführung die Erschließung und industrielle Entwicklung der Emscherzone.
Mit der Nordwanderung der Zechen veränderte sich auch die Qualität der abgebauten Steinkohlen. Die nun geförderten Fettkohlen eigneten sich sehr gut zur Verkokung und damit zur Verwendung im Hochofen. Nach der Inbetriebnahme des ersten Kokshochofens in der Region in der Mitte des Jahrhunderts kam es zu einer raschen Ausbreitung der Kokshochöfen und einer damit einhergehenden starken Zunahme der Roheisenproduktion. Eine Verdrängung der Holzkohle als Energieträger lässt sich auch bei der Erzeugung von Stabeisen beobachten. Waren zehn Jahre zuvor noch etwa 17 Prozent des Stabeisens mit Holzkohle gefrischt worden, wurde 1860 der überwiegende Teil des Stabeisens gepuddelt – also unter Nutzung von Steinkohle entkohlt. Das starke Wachstum der Eisenindustrie führte zu einer verstärkten Nachfrage nach Steinkohlen. So verdreifachte sich die geförderte Menge in den 1850er Jahren auf etwa fünf Millionen Tonnen 1861. Damit überholte das Ruhrgebiet die belgischen Reviere und einige der vormals führenden britischen Reviere, in denen das Wachstum bereits nachließ. Mit den in den großen britischen Revieren geförderten Mengen konnte das Ruhrgebiet jedoch auch 1860 noch nicht mithalten. Durch die Nutzung neuer Verfahren kam es nach 1860 zu einem starken Anstieg der Eisen- und Stahlproduktion und in deren Folge auch zu einer deutlichen Zunahme der Steinkohlenförderung. 1913 wurden im Ruhrbergbau über 114 Millionen Tonnen Steinkohlen gefördert – das entsprach in etwa 40 Prozent der gesamten britischen Förderung in diesem Jahr.
Mit der Nordwanderung der Zechen stieg auch die Tiefe der Schächte, wodurch sich die Größe der Unternehmungen und die Anforderungen an die Technik, aber auch an die Betriebsorganisation veränderten. Mit der wachsenden Förderung in der Dekade nach 1850 ging auch eine verstärkte Gründungstätigkeit einher, die zu der Entstehung einer Vielzahl von Aktiengesellschaften führte, durch die eine Finanzierung der neuen Tiefbauzechen möglich wurde. In den 1870er Jahren kam es zu einer weiteren Periode verstärkter Unternehmensgründungen und zu einer Zunahme der Zusammenschlüsse einzelner Bergbauunternehmen. Zugleich kam es auch zu einer vertikalen Konzentration, also der Zusammenfassung unterschiedlicher Produktionsstufen in einem Unternehmen. Hierdurch entstanden die für das Ruhrgebiet typischen Großunternehmen mit ihrer engen Verflechtung zwischen den verschiedenen Teilbereichen der Montanindustrie – die Verbundwirtschaft. Ende des 19. Jahrhunderts kam es zudem zu einer Kartellierung des Ruhrbergbaus, dessen Zechen sich – nachdem vorherige Zusammenschlüsse nicht von Dauer gewesen waren – im Rheinisch-Westfälischen Kohlen-Syndikat (RWKS) zusammenschlossen.
Das starke Wachstum der Montanindustrie im Ruhrgebiet wurde begleitet von einer starken Zuwanderung von Arbeitskräften, wodurch sich die Bevölkerung der Städte vervielfachte. So wuchs Dortmund von etwa 10.000 Einwohnern in der Mitte des 19. Jahrhunderts auf über 44.000 Einwohner zu Beginn der 1870er Jahre und 144.374 Einwohner zur Jahrhundertwende.
Der Ruhrbergbau in den Weltkriegen und der Zwischenkriegszeit
Der Kriegsbeginn 1914 führte zu Engpässen bei der Eisenbahn, wodurch der Schwerindustrie im Ruhrgebiet nicht in ausreichendem Maße rollendes Material zur Verfügung stand. In Verbindung mit einem konjunkturell bedingten Rückgang in dem Winter vor Kriegsausbruch sank die Fördermenge um etwa 16 Millionen Tonnen auf 98 Millionen Tonnen im Jahr 1914. Erst 1927 erreichte die Förderung im Ruhrbergbau wieder den Stand von 1913. Infolge der Einberufung von Bergarbeitern ging die Belegschaft der Ruhrzechen in den ersten Kriegsjahren stark zurück. Dieser Rückgang konnte erst etwa zwei Jahre nach Kriegsbeginn durch die Anwerbung von niederländischen und belgischen Arbeitskräften und den Einsatz von Kriegsgefangenen kompensiert werden. Trotz der hohen Bedeutung des Ruhrbergbaus für die Kriegswirtschaft – 1913 kamen etwa 60 Prozent der im Reich geförderten Steinkohlen aus dem Ruhrgebiet – gelang es den Zechenunternehmen, ihre unternehmerische Unabhängigkeit auch in der Kriegswirtschaft zu wahren, indem sie die vom Staat geforderten Ziele über das RWKS umsetzten und so eine direkte Lenkung durch staatliche Stellen überflüssig machten.
Durch den Versailler Vertrag stieg die Bedeutung der Ruhrkohle in doppelter Hinsicht. Zum einen erlangte das Ruhrrevier durch die Gebietsabtretungen – das Deutsche Reich verlor die Reviere an der Saar und in Elsass-Lothringen sowie Teile des oberschlesischen Reviers – einen noch höheren Stellenwert in der nationalen Kohlenwirtschaft. Zum anderen waren die Ruhrkohlen ein wichtiger Teil der zu leistenden Reparationen und in dieser Funktion auch der Auslöser für die Besetzung des Ruhrgebiets durch die Franzosen. Die Ruhrbesetzung wiederum beschleunigte die ohnehin schon hohe Inflation weiter, die so zu einer Hyperinflation wurde. Die französische Regierung hatte mit Unterstützung der belgischen und der italienischen Verantwortlichen der deutschen Regierung vorgeworfen, ihren Kohlelieferungen nicht nachgekommen zu sein, die Entsendung internationaler Kontrolleure in das Ruhrgebiet verlangt und war schlussendlich in dieses einmarschiert. Die Finanzierung des passiven Widerstands an der Ruhr und die Importe britischer Kohle, die zur Deckung der inländischen Steinkohlennachfrage nötig wurden, führten das Reich dann in die Hyperinflation.
Nach der Währungsreform 1924 und dem Ende der Ruhrbesetzung 1925 stand der Ruhrbergbau wirtschaftlich deutlich besser da als die übrigen europäischen Reviere. Die als Reparationen gelieferten Ruhrkohlen erschwerten den Absatz der aus diesen Revieren stammenden Steinkohlen, während die deutsche Regierung nach der Freigabe der Zollpolitik die Einfuhr britischer Kohlen kontingentierte und sich die Ruhrkohle aufgrund der Reparationen nicht über Absatzprobleme beklagen konnte. Dies und die Gebietsverluste führten dazu, dass 1925 drei Viertel aller im Deutschen Reich geförderten Steinkohlen aus dem Ruhrrevier stammten. Allerdings zeigten sich zu dieser Zeit strukturelle Probleme des Ruhrbergbaus – namentlich die Konkurrenz der Braunkohle auf verschiedenen Märkten, der Wettbewerb mit neu aufsteigenden Steinkohlenrevieren auf den verbleibenden Märkten und die Verschiebung der Absatzmärkte infolge der Gebietsabtretungen sowie ein auf technologischem Fortschritt beruhender Rückgang der industriellen Nachfrage. Entsprechend stand die zweite Hälfte der 1920er Jahre im Zeichen einer Modernisierung und Rationalisierung des Ruhrbergbaus, die sich unter anderem in einem Anstieg der maschinell geförderten Steinkohle auf 66 Prozent zeigte – vor dem Beginn des Ersten Weltkriegs hatte dieser Wert bei zwei Prozent gelegen.
Nur wenige Jahre später traf die Weltwirtschaftskrise das Ruhrgebiet – zwar mit leichter Verzögerung, dafür jedoch umso stärker. Im Deutschen Reich fiel die Industrieproduktion um 40 Prozent, entsprechend schwerwiegend waren die Auswirkungen im schwerindustriell geprägten Ruhrgebiet. Hier fiel der Anteil der Beschäftigten in Industrie und Handwerk von knapp 60 Prozent im Jahr 1925 auf etwa 30 Prozent im Jahr 1933, während zugleich über ein Viertel der Beschäftigten erwerbslos wurde. Die Belegschaft im Ruhrbergbau schrumpfte zwischen 1929 und 1932 von knapp 353.000 auf 190.000 Beschäftigte, während die Fördermenge von über 123 Millionen Tonnen im Jahr 1929 auf knapp 74 Millionen Tonnen im Jahr 1932 sank, bevor 1933 eine erste Erholung einsetzte, die aber deutlich länger andauerte als in anderen Branchen.
Auch wenn die jährliche Kohlenförderung erst 1937 wieder über den Wert von 1929 stieg, blieb die wirtschaftliche und politische Bedeutung des Ruhrreviers unbestritten. Im Rahmen des Vierjahresplans bildete die Steinkohle, und damit vor allen anderen Revieren die Ruhrkohle, die Basis der Rüstungs- und Autarkiewirtschaft. Zudem kam der Ruhrkohle aufgrund ihrer Exportstärke eine wichtige Rolle für die Devisenbeschaffung zu. Die Zechenbesitzer an der Ruhr scheuten jedoch größere Investitionen in den Ausbau ihrer Anlagen – Mittel für staatliche Investitionen waren für den Steinkohlenbergbau nicht vorgesehen – und bevorzugten eine Steigerung der geförderten Mengen durch eine Ausweitung der Belegschaft. Vor dem Hintergrund der durch die Aufrüstung und die Autarkiebestrebungen ausgelösten Hochkonjunktur misslang jedoch nicht nur die Anwerbung neuer Arbeitskräfte, vielmehr musste der Ruhrbergbau eine starke Abwanderung der Beschäftigten hinnehmen. Erleichterung brachte weder die Schichtzeitverlängerung noch die Anwerbung in- und ausländischer Arbeitskräfte, sodass der Arbeitskräftemangel bis Kriegsbeginn nicht behoben werden konnte. Anders als zu Beginn des Ersten Weltkriegs wurden Förderung und Transport der Ruhrkohlen 1939 nicht durch die Mobilmachung und Einberufung gestört. Allerdings wurden auch Teile der Belegschaft der Zechen eingezogen, sodass sich der Mangel an Bergleuten weiter verschärfte. In der Folge kam es zu einer Anwerbung ausländischer Zivilarbeiter. Im weiteren Kriegsverlauf wurden massiv Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene in den Ruhrzechen eingesetzt.
Bis Anfang der 1940er Jahre gelang den Ruhrzechen eine Steigerung ihrer Förderung. Nachdem 1941 mit fast 130 Millionen Tonnen fast der Spitzenwert aus dem Jahr 1939 erreicht wurde, sank die Fördermenge in den kommenden beiden Jahren jedoch leicht und stürzte dann 1944 auf etwa 111 Millionen und 1945 auf 33 Millionen Tonnen. Diese Zahlen spiegeln den Zusammenbruch der Kohlewirtschaft Ende 1944 wider. Infolge konzentrierter Luftangriffe gegen die Verkehrsinfrastruktur des Ruhrgebiets im Herbst 1944 war ein Transport von Gütern aus dem Ruhrgebiet in die übrigen Teile des Reichs ab Oktober faktisch nicht mehr möglich. So konnten selbst die geringen Fördermengen der letzten Kriegsmonate nicht mehr an die Verbraucher geliefert, geschweige denn nach Dringlichkeit verteilt werden.
Der Ruhrbergbau nach dem Zweiten Weltkrieg
War der Ruhrbergbau eine Basis der Kriegswirtschaft, kam ihm nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine Schlüsselrolle für die wirtschaftliche und politische Entwicklung der Bundesrepublik zu. Unmittelbar nachdem der Krieg im Ruhrgebiet im April 1945 geendet hatte, waren jedoch zuerst einige Schwierigkeiten zu überwinden. Während die Zechen von Kriegsschäden verhältnismäßig gering betroffen waren, waren große Teile des Wohnraums im Ruhrgebiet zerstört. Mit dem Zusammenbruch der Kohlenwirtschaft im Winter 1944/45 war auch die Versorgung der Einwohner im Ruhrgebiet zusammengebrochen, sodass weder ausreichend Wohnraum noch Lebensmittel für die ohnehin stark dezimierte Bevölkerung zur Verfügung standen. Während sich die Menschen auf zu wenig Wohnraum drängten, mangelte es den Zechen nach der Befreiung der Zwangsarbeiter an Arbeitskräften. Verschiedene Anwerbe- und Zwangsverpflichtungsmaßnahmen der Alliierten blieben ohne Wirkung, was nicht zuletzt an der weiterhin schlechten Ernährungslage im Ruhrgebiet lag, die zudem die Förderleistung der Bergarbeiter beeinträchtigte. Erst Ende der 1940er Jahre stellten sich erste Erfolge ein, die jedoch mit der ohnehin starken Verbesserung der wirtschaftlichen Lage einhergingen. Negativen Einfluss auf die Förderleistung des Ruhrbergbaus hatte auch der während der Kriegsjahre betriebene Raubbau, bei dem sich der Abbau auf die leicht zu gewinnenden Flöze konzentriert hatte. Aufgrund der lange Zeit ungeklärten Eigentumsverhältnisse im Ruhrbergbau und des staatlich festgesetzten Kohlepreises verzögerten sich zudem dringend nötige Investitionen, sodass die Entwicklung des Ruhrbergbaus Anfang der 1950er Jahre hinter der anderer Branchen zurückblieb.
Die Organisation des Ruhrbergbaus hatten die Alliierten mit der Gründung der Deutschen Kohlenbergbau-Leitung (DKBL) 1947 und des Deutschen Kohlen-Verkauf (DKV) weitestgehend in die Hände der Deutschen gelegt. Zuvor hatte die britische Militärregierung, die außerdem die Liquidation des RWKS verfügt hatte, verschiedene Kontroll- und Verteilungsstrukturen geschaffen, bis der operative Teil 1948 an den DKV übergeben wurde, der fortan als zentrale Verkaufs- und Vertriebsorganisation für Steinkohlen fungierte. Vor dem Hintergrund der immer moderater werdenden Deutschlandpolitiken der Briten und US-Amerikaner fürchteten die Franzosen einen Verlust der Kontrolle über das Ruhrgebiet und seine Schwerindustrie. Zum einen trieb die Franzosen die Angst vor einer erneuten Aufrüstung Deutschlands, zum anderen war die französische Stahlindustrie von den Kokskohlen aus dem Ruhrrevier abhängig. Als sich abzeichnete, dass die übrigen westlichen Alliierten an einer strengen Fortführung der Kontrollen nicht interessiert waren, änderte die französische Regierung ihre Strategie, und Außenminister Robert Schuman stellte im Mai 1950 seine Vision einer europäischen Montanunion vor. Bundeskanzler Konrad Adenauer begrüßte den Vorschlag, die europäischen Kohle-, Eisen- und Stahlindustrien aus der Zuständigkeit der nationalen Regierungen herauszulösen und einer supranationalen Behörde – der sogenannten Hohen Behörde – zu unterstellen. Er erhoffte sich für die junge Bundesrepublik einen Rückgewinn an relativer Macht und Souveränität. Auch der Ruhrbergbau stand den Plänen Schumans anfangs nicht ablehnend gegenüber. Hier sah man eine Möglichkeit, sich durch die Montanunion vor den Interventionen der Alliierten – die Eigentumsfrage war zu diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend geklärt – schützen zu können. Als im Laufe der Verhandlungen jedoch die französische Delegation die Liquidation des DKV und ein Kartellverbot forderte, kippte die Stimmung an der Ruhr. Erbittert kämpften die Akteure des Ruhrbergbaus für ihre zentralisierte Verkaufsorganisation, deren Abschaffung sie für nicht praktikabel hielten. Infolge des Widerstandes des Ruhrbergbaus kam es beinahe zum Scheitern der Verhandlungen, woraufhin die Alliierte Hohe Kommission starken Druck auf die Bundesregierung ausübte, die daraufhin die Notwendigkeit einer Liquidation des DKV anerkannte und damit den Weg zur Gründung der EGKS freimachte. Die wirtschaftliche und politische Bedeutung des Ruhrbergbaus war somit eines der Motive für die Bemühungen einer europäischen Einigung nach 1945, auf der wiederum die heutige Europäische Union fußt. Aus Sicht der Akteure des Ruhrbergbaus hatten sie für die politisch gewollte Gründung der EGKS "ein schwer erträgliches Maß wirtschaftlicher Opfer" zu erbringen. Die Schaffung der Montanunion gegen die Interessen des Ruhrbergbaus ist jedoch eher ein Beleg für die hohe Bedeutung des Ruhrbergbaus in Europa – der Anteil der Ruhrkohlen an der gesamten Förderung in der EGKS lag 1952 bei knapp 48 Prozent – denn für eine mangelnde Durchsetzungskraft der Akteure.
Auch Anfang der 1950er Jahre war der Ruhrbergbau noch immer nicht in der Lage, die stetig wachsende Nachfrage nach Energie zu befriedigen. Zur Deckung der Energielücke wurden zusätzliche Steinkohlen sowie Öl importiert, zudem wurden Anreize zur Stimulierung der Erzeugung von Heizöl gesetzt. Parallel zu dieser Entwicklung begann Anfang der 1950er Jahre auch die Modernisierung des Ruhrbergbaus und das Abteufen neuer Schächte, hierfür waren mit dem Investitionshilfegesetz Mittel für die zu langsam wachsenden Grundstoffindustrien zur Verfügung gestellt worden. Nachdem die Kriegsfolgen überwunden waren, setzte ein Wachstum der Förderung ein; 1956 wurde der Spitzenwert der Zwischenkriegszeit übertroffen. An die starke Förderleistung der Jahre 1937 bis 1943 reichten die in den 1950er Jahren geförderten Mengen jedoch nicht heran. Die 1956 geförderten 124,6 Millionen Tonnen Ruhrkohle machten dabei mehr als 82 Prozent der bundesrepublikanischen Steinkohlenförderung aus.
Der Ruhrbergbau in der Europäischen Kohlenkrise
Im Februar 1958 wurden auf den Zechen im Ruhrgebiet erste Feierschichten eingelegt, erstmals seit der Rüstungskonjunktur überstieg die Förderung die Nachfrage. Einen langfristigen Rückgang der Steinkohlennachfrage hatte kaum jemand prognostiziert, vielmehr waren auch die Akteure im Ruhrbergbau davon ausgegangen, auch weiterhin in hohem Maße an einem stark wachsenden Energiebedarf zu partizipieren. Entsprechend überraschend begann mit dem Einbruch der Nachfrage im Winter 1957/58 die Kohlenkrise. In der zweiten Hälfte der 1950er Jahre hatte sich das Mineralöl auf dem deutschen Markt durch den Wegfall des Heizölzolls verbilligt, zudem war es zu einer Erschließung neuer Fördergebiete gekommen, und nach dem Ende der Suezkrise 1956 waren die Transportpreise stark gefallen. Zwischen 1957 und 1960 halbierten sich die Preise für Heizöl, während die gesunkenen Frachtraten auch die importiere amerikanische Steinkohle stark verbilligten. Auch andere Entwicklungen, wie der Wechsel von Schiene zur Straße oder die Umstellung der Lokomotiven auf Dieselkraftstoffe, wirkten gegen den Ruhrbergbau.
Die strukturellen Verschiebungen in der Energienachfrage stürzten nicht nur den Ruhrbergbau, sondern alle westeuropäischen Steinkohlenreviere in die Krise. In den Mitgliedsländern der EGKS sank der Anteil der Steinkohle an der Deckung des gesamten Energiebedarfs von 74 Prozent 1950 auf 53 Prozent 1960. Weitere fünf Jahre später, 1965, wurden nur noch 38 Prozent des Energiebedarfs durch Steinkohle gedeckt. In dem gleichen Zeitraum stieg der Anteil des Erdöls zunächst von zehn auf 27 Prozent und dann auf 45 Prozent. In Deutschland lag die Bedeutung der Steinkohle höher als im europäischen Durchschnitt, sodass 1957 etwa 68 Prozent des Primärenergieverbrauchs durch Steinkohle, 15 Prozent durch Braunkohle und etwa zwölf Prozent durch Mineralöl gedeckt wurden. 1969 war der Anteil der Steinkohle auf knapp 32 Prozent gesunken. Anders als die IG Bergbau, deren Vertreter recht früh auf die strukturellen Ursachen der Bergbaukrise hinwiesen und eine Neuordnung des Steinkohlenbergbaus forderten, postulierten die Vertreter der Unternehmerseite den konjunkturellen und damit vorübergehenden Charakter der Krise. Entsprechend konzentrierten sich die Maßnahmen in der unmittelbaren Folgezeit der Krise auf die Betriebsebene. Zur Erleichterung der Absatzsituation wurde die Notgemeinschaft deutscher Steinkohlenreviere GmbH gegründet, über die bestehende Verträge über den Import von US-amerikanischen Steinkohlen abgelöst wurden. Trotz des starken Rückgangs der Steinkohlenimporte gingen die Förderzahlen weiter zurück, was wiederum zu massenhaften Entlassungen der Beschäftigten führte. Waren 1957 noch 397.000 Menschen bei den Zechen an der Ruhr beschäftigt, waren es 1961 nur noch 296.000 und 1966 nur noch etwas über 200.000. Das Bundeswirtschaftsministerium unterstützte die Anpassungsmaßnahmen zwar mit finanziellen Hilfen, gab jedoch den Forderungen des Ruhrbergbaus nach einem Schutz der Steinkohlen vor der Konkurrenz durch andere Energieträger erst 1960 mit der Einführung einer Heizölsteuer nach. Allerdings konnte Ruhrkohle an vielen Orten die künstlich angehobenen Ölpreise trotzdem nicht unterbieten. 1961 und 1962 kam es, nach einer kurzen Erholung im Jahr 1960, zu erneuten Zechenschließungen. Die Zahlung von Stilllegungsprämien ab Dezember 1962 ließ die Zahl der Schließungen weit über das erwartete Maß hinaus in die Höhe schießen, führte jedoch nicht zu der Stilllegung der unrentabelsten Zechen des gesamten Ruhrbergbaus. Vielmehr wurden jeweils die in ihrem Unternehmensverbund defizitären Zechen geschlossen. Zudem hemmte die Prämie die Ansiedelung neuer Industrien, da die Zechenunternehmen keinen unmittelbaren finanziellen Druck zur Veräußerung von Flächen spürten. Eine weitere Verschärfung der Krise Mitte der 1960er Jahre mündete in Verhandlungen über die Gründung einer Einheitsgesellschaft für die Ruhrkohle – eine solche war bereits zehn Jahre zuvor von Seiten der Gewerkschaften vorgeschlagen worden. 1969 kam es dann zur Gründung der Ruhrkohle AG, unter deren Dach etwa 94 Prozent der geförderten Ruhrkohlen vereint waren.
Der Niedergang des Ruhrbergbaus
Rückblickend markierte die Kohlenkrise den Anfang vom Ende des Ruhrbergbaus. In den nachfolgenden Jahrzehnten kam es nicht zu einer Stabilisierung oder gar einem Wachstum des Ruhrbergbaus. Allgemein verlor die Steinkohle, die ihre hohe Bedeutung vom 18. Jahrhundert bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts der ersten großen Energiewende verdankt hatte, ihre Dominanz in der zweiten und dritten Energiewende. Auch innerhalb des stetig schrumpfenden Steinkohlensegments – 2017 lag der Anteil der Steinkohle am Primärenergieverbrauch der Bundesrepublik bei knapp elf Prozent, die benötigten Steinkohlen wurden zum größten Teil importiert – erwies sich die Ruhrkohle als nur noch begrenzt konkurrenzfähig, weswegen hohe Subventionszahlungen nötig wurden, um das Ende des deutschen Steinkohlenbergbaus hinauszuzögern. In diesen hohen Subventionen für einen sozialverträglichen Niedergang des deutschen Steinkohlenbergbaus spiegelte sich noch einmal die große Bedeutung des Ruhrbergbaus.