Einleitung
Nach dem Zweiten Weltkrieg vollzog sich in Südostasien
Freilich war die These vom europäischen Niedergang ebenso realitätsfern wie die Idee eines dauerhaften asiatischen Wirtschaftswunders, das durch die Asienkrise der Jahre 1997 und 1998 schnell als Mythos entlarvt wurde. Dennoch verfehlte die im vergangenen Jahrzehnt intensiv geführte Debatte um die Gestaltung der postbipolaren Weltordnung nicht ihre Wirkung. Seit Mitte der neunziger Jahrehaben die Europäische Union (EU) und führende asiatische Akteure, darunter vor allem dieGemeinschaft Südostasiatischer Nationen (ASEAN), ihre Beziehungen durch die Gründung neuer Kooperationsmechanismen quantitativ und qualitativ entscheidend verbessert. Parallel dazu hat eine Diversifizierung außenpolitischer Interessen im interregionalen Verhältnis stattgefunden, die in einer Ausweitung der ursprünglich primär handelspolitischen Agenda hin zu sicherheitspolitischen Themenfeldern zum Ausdruck kommt - und dies nicht erst, seit Südostasien als einer der Hauptschauplätze im Kampf gegen den Terrorismus verstärkt in das Blickfeld der Weltöffentlichkeit gerückt ist.
Ist es der EU gelungen, in Südostasien verlorenes Terrain gegenüber den USA zurückzugewinnen? Stehen die EU und die Vereinigten Staaten in der Region überhaupt in einem Konkurrenzverhältnis, oder stellen sich die Rollen vielmehr als komplementär dar? Und schließlich: Wie perzipieren südostasiatische Akteure das Engagement der USA und der EU? Die nachfolgende Auseinandersetzung mit diesen Fragen erfordert einen gewissen Grad an Vereinfachung, da auf die komplexen Prozesse außenpolitischer Entscheidungsfindung nicht im Detail eingegangen werden kann. Die Südostasienpolitik der EU ergibt sich als Summe der Interessen und Strategien der Europäischen Kommission, in weitaus geringerem Maße des Europäischen Parlaments, in erster Linie aber der Regierungen der Mitgliedstaaten. Selbst wenn die Differenzen geringer ausgeprägt sind als beispielsweise mit Blick auf China oder gar den Irak, sind die jeweiligen nationalen Politiken gegenüber der südostasiatischen Region alles andere als deckungsgleich. So wirkte sich das gespannte Verhältnis zwischen Portugal und Indonesien, das 1975 die portugiesische Kolonie Ost-Timor annektiert hatte, über mehrere Jahre hinweg negativ auf die europäisch-südostasiatischen Beziehungen insgesamt aus. Ende der neunziger Jahre fiel es der EU schwer, eine einheitliche Politik gegenüber Burma (Myanmar) zu formulieren, da einige Mitgliedstaaten einen kritischen Dialog mit der dortigen Militärregierung anstrebten, während andere eine Isolationspolitik favorisierten.
Auch für die USA kann kaum von einer kohärenten Südostasienpolitik gesprochen werden. Oftmals verfolgen die am außenpolitischen Entscheidungsprozess beteiligten Akteure, darunter neben dem Präsidenten vor allem das State Department, der Kongress, das Pentagon und das Amt des United States Trade Representative, sowie indirekt Hunderte von Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Lobbys und Pressure Groups unterschiedliche und sich nicht selten widersprechende Interessen.
Wenn im Folgenden von der EU und den USA die Rede ist, geschieht dies im Bewusstsein, dass sich in beiden Fällen die Beziehungen zu Südostasien komplexer darstellen, als es hier diskutiert werden kann. Indessen ermöglicht die Konzentration auf die wesentlichen Interessen und Politiken einen trennschärferen Vergleich, der mit Blick auf die historische, wirtschaftliche und sicherheitspolitische Dimension vorgenommen werden soll.
Die historische Dimension
Wollte man die historische Entwicklung der europäischen und der amerikanischen Beziehungen zu Südostasien auf eine kurze, vergleichende Formel bringen, so könnte diese lauten: Während die Involvierung Europas in die Geschicke der Region im Wesentlichen zielgerichtet verlief und sich vom frühen 17. bis zum 19. Jahrhundert im Ganzen als evolutionärer Prozess von christlicher Mission über Handelsposten bis zur fast vollständigen imperialistischen Dominierung Südostasiens vollzog, stellte sich die Ausdehnung der Vereinigten Staaten in den asiatischen Raum eher als Verkettung von Ad-hoc-Reaktionen auf ökonomische und geostrategische Strukturveränderungen dar. Als 1784 mit der "Empress of China" erstmals ein amerikanisches Handelsschiff in einem chinesischen Hafen (Kanton) einlief und den Beginn eines handelspolitischen Interesses der noch jungen USA in Asien markierte, blickten beispielsweise die Niederlande bereits auf ein rund 180-jähriges wirtschaftliches Engagement in Indonesien zurück. Und als 1853 der amerikanische Kommodore Matthew Perry die Öffnung Japans erzwang, strebten die Europäer bereits dem Höhepunkt ihrer Expansionspolitik in Asien zu. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts standen alle Territorien Südostasiens - mit Ausnahme des Großteils von Siam, des heutigen Thailands - unter britischer, französischer, niederländischer, spanischer oder portugiesischer Kolonialverwaltung.
Das unmittelbare, imperialistische Engagement der USA in der Region begann erst mit der Wende zum 20. Jahrhundert. Nach dem spanisch-amerikanischen Krieg von 1898 wurden die Philippinen amerikanische Kolonie und wichtigster militärischer Stützpunkt der USA in Südostasien. Innerhalb weniger Dekaden hatten die USA die Metamorphose von der Kolonie zur Kolonialmacht vollzogen. Die Aufrechterhaltung einer amerikanischen Vormachtstellung im Pazifik bildet seither ein historisch durchgängiges Leitmotiv Washingtoner Asien-Politik. Während des Kalten Krieges beruhte die annähernd hegemoniale Position der USA vor allem auf bilateralen Sicherheitsabkommen mit Japan, Taiwan, Südkorea, den Philippinen und Thailand sowie Australien und Neuseeland im ANZUS-Pakt. Der Ansatz, mit der Southeast Asia Treaty Organization (SEATO) 1954 ein der NATO nachempfundenes multilaterales Militärbündnis in Asien aufzubauen, scheiterte. Vor allem während der Zeit des Ost-West-Konfliktes kam Südostasien in der amerikanischen Perzeption eine geostrategische Schlüsselposition zu, wobei der Vietnam-Krieg den prominentesten und gleichermaßen traumatischsten Versuch Washingtons darstellte, die globale Politik der Eindämmung des Kommunismus regional umzusetzen.
Im Zuge der internationalen Strukturveränderungen zu Beginn der neunziger Jahre verlor die Region für die amerikanische Außenpolitik nur kurzzeitig ihre zentrale Bedeutung. Die erste Clinton-Administration maß südostasiatischen Akteuren, insbesondere der damals äußerst aktiven ASEAN, eine Schlüsselrolle bei der Herstellung einer sicherheitspolitisch stabilen und von demokratisch-marktwirtschaftlichen Prinzipien geprägten neuen internationalen Ordnung im asiatisch-pazifischen Raum bei. Auf der Suche nach einem außenpolitischen Schwerpunkt schenkte Clinton zu Beginn seiner Präsidentschaft Asien besondere Aufmerksamkeit, was zwangsläufig Anlass zu Irritationen gab, vor allem unter den europäischen Partnern. Im Grunde ging es dabei aber weniger um die Befürchtung, die USA könnten sich von Europa abwenden - ein Szenario, das aufgrund des hohen Institutionalisierungsgrades in den transatlantischen Beziehungen zu keinem Zeitpunkt als realistisch gelten konnte -, sondern vielmehr um die Wahrnehmung, dass die Vereinigten Staaten ihre Beziehungen zu der zum damaligen Zeitpunkt dynamischsten Wirtschaftsregion der Welt in raschem Tempo intensivierten, während Europa in Südostasien bestenfalls eine Nebenrolle spielte.
Als Schlüsselereignis galt das von Clinton im Jahr 1993 in Seattle initiierte Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs des Asia-Pacific Economic Cooperation (APEC) Forum, dem u.a. die USA, die ASEAN-Staaten, Japan und China angehören. Etliche Beobachter sahen APEC in der Lage, als Motor eines asiatisch-pazifischen Integrationsprozesses das weltwirtschaftliche Gewicht Europas entscheidend herauszufordern, wenn nicht gar signifikant schwächen zu können. Sowohl unter wissenschaftlichen Beobachtern als auch unter Politikern erlangte die Metapher vom schwächsten Glied der neuen Weltordnung Popularität für die Beschreibung der institutionellen Defizite in den europäisch-asiatischen Beziehungen. Die Asien-Strategien der deutschen Bundesregierung und der EU von 1993 bzw. 1994 zeugten deutlich von der Besorgnis, Europa könne als Verlierer eines sich ankündigenden "pazifischen Jahrhunderts" enden, entwickelten aber gleichzeitig Ideen für den Ausbau der Beziehungen zu den asiatischen "Tigerstaaten". Gute Grundvoraussetzungen waren hierfür durchaus gegeben. Anders als beispielsweise im Falle Lateinamerikas ist das europäisch-südostasiatische Verhältnis kaum jemals von Schuldzuweisungen der ehemaligen Kolonien an die einstigen Kolonialmächte für eventuelle Entwicklungsdefizite belastet gewesen. Die Beschreibung der interregionalen Beziehungen zwischen Europa und Südostasien als institutionelle Wüste war in dieser Absolutheit nie gerechtfertigt. Immerhin hatten die damalige EG und die ASEAN seit 1972 einen regelmäßigen Dialog unterhalten, der 1980 in einem weitreichenden und vor allem innovativen Kooperationsabkommen gipfelte. Von besonderer Bedeutung war die darin enthaltene Formulierung, dass es sich um ein Übereinkommen zwischen "gleichen Partnern" handele, nicht etwa um eine klassische entwicklungspolitische Vereinbarung zwischen dem "Westen" und der "Dritten Welt".
In Anknüpfung an bereits bestehende institutionelle Verklammerungen entstand auf der Grundlage einer singapurisch-französischen Initiative 1996 das Asia-Europe Meeting (ASEM), das die Beziehungen zwischen den beiden Kontinenten auf eine breitere Basis stellen und Europa einen besseren Zugang zur asiatischen "Wirtschaftswunder-Region" verschaffen sollte. Neben den EU-Staaten und den meisten südostasiatischen Ländern sind auch Japan, China und Südkorea Mitglied von ASEM.
Die wirtschaftliche Dimension
In Südostasien kommt der EU und den USA beinahe ein gleich großes handelspolitisches Gewicht zu. Mit beiden Partnern ist das Handelsvolumen zwischen 1990 und 2002 deutlich und in fast gleichem Umfang angestiegen. Im betrachteten Zwölf-Jahres-Zeitraum wuchs der EU-ASEAN-Handel um 270 Prozent - von 37 auf 101 Milliarden Euro. 2002 machten die Einfuhren aus den ASEAN-Staaten 6,3 Prozent der gesamten EU-Importe aus. Gleichzeitig belief sich der Anteil der EU-Exporte nach Südostasien auf 3,9 Prozent der Gesamtausfuhren.
Sehr ähnlich stellen sich die Handelsbeziehungen aus amerikanischer Sicht dar. Das Volumen des Güteraustausches zwischen den USA und Südostasien stieg im selben Zeitraum um 254 Prozent - von 45 auf 117 Milliarden US-Dollar. 2002 stammten 6 Prozent aller US-Importe aus Südostasien, während 4,2 Prozent der US-Exporte in den ASEAN-Staaten abgesetzt wurden. Dass sich hinter diesen nüchternen Zahlen signifikante Handelsströme verbergen, macht vor allem der Vergleich deutlich: Der Handel der EU mit ASEAN lag 2002 etwas über dem mit Russland. Seit der EU-Erweiterung ist ASEAN sogar der drittgrößte Handelspartner der EU, hinter den USA und Japan und knapp vor China. Im Falle der USA entspricht der Austausch mit Südostasien dem Handelsvolumen mit Deutschland und Belgien zusammengenommen. Es handelt sich jedoch weder aus Sicht Washingtons noch aus Sicht Brüssels um eine reine Erfolgsstory, da mit der Ausweitung der Handelsströme auch eine sprunghafte Vermehrung des jeweiligen Handelsbilanzdefizits einhergegangen ist. Betrug dieses auf EU-Seite 1990 lediglich eine Milliarde Euro, war es 2002 bereits auf 23 Milliarden Euro angewachsen. Das amerikanische Handelsdefizit im Verhältnis mit Südostasien vergrößerte sich im selben Zeitraum von acht auf 35 Milliarden US-Dollar.
Die Gemeinsamkeiten zwischen der EU und den USA enden jedoch mit den Handelsdaten und dem auf beiden Seiten vorhandenen, generellen Interesse an einem weiteren Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen mit Südostasien. Die Strategien unterscheiden sich deutlich und sind sowohl abhängig von jeweiligen politischen Interessen als auch von strukturellen Rahmenbedingungen. Wie schon die Clinton-Administration propagiert auch die Regierung von George W. Bush - durchaus nicht unumstritten - den Freihandel als Generalansatz zur Öffnung von Märkten in Asien, zum Abbau des Handelsbilanzdefizits und letztlich zur Schaffung von Arbeitsplätzen in den USA. Während Clinton jedoch zumindest in seiner ersten Amtsperiode eine Politik der Multilateralisierung internationaler Wirtschaftsbeziehungen betrieb und die Zukunft in einer asiatisch-pazifischen Freihandelszone sah, favorisiert die gegenwärtige Administration bilaterale Verträge. Die zunehmenden Schwierigkeiten der USA, ihre Interessen innerhalb der Welthandelsorganisation (WTO) durchzusetzen, und Probleme bei den Verhandlungen zu einer gesamtamerikanischen Freihandelszone (Free Trade Area of the Americas) lassen multilaterale Handelsinitiativen nicht mehr als den Königsweg zur Förderung amerikanischer Wirtschaftsinteressen erscheinen. Im Oktober 2002 kündigte Bush daher die Enterprise for ASEAN Initiative (EAI) an, die den Aufbau eines Netzwerks bilateraler Freihandelszonen (FTAs) der USA mit südostasiatischen Staaten vorsieht.
Die EAI ist vor dem Hintergrund amerikanischer Direktinvestitionen zu sehen. Zwar sind die USA der größte Anleger in Südostasien - amerikanische Unternehmen investieren dort derzeit etwa fünfmal so viel wie in China -, aber die Direktinvestitionen haben sich zwischen 1997 und 2001 von 30 auf 13 Milliarden US-Dollar reduziert.
Die von Bundeskanzler Gerhard Schröder während seiner Südostasienreise im Mai 2003 angesprochenen Pläne für ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Singapur gehen derzeit noch nicht über das Stadium politischer Rhetorik hinaus. Auch andere Vorschläge sind bisher im Sande verlaufen. Die Idee einer europäisch-ostasiatischen Freihandelszone, die 1999 von der Asia-Europe Vision Group, einer hochrangig besetzten ASEM-Beratergruppe, in die Diskussion gebracht worden war, stieß auf wenig politische Gegenliebe. Das Hauptargument der meisten Regierungsbehörden, darunter auch von Vertretern des Auswärtigen Amtes, gegen eine europäisch-asiatische Wirtschaftsintegration im Rahmen von ASEM bestand in dem Hinweis auf die Informalität des Forums. Andererseits ist das Asia-Europe Meeting geschaffen worden, um eine zwanglose Diskussion relevanter Themenbereiche und vor allem Vertrauensbildung im europäisch-asiatischen Verhältnis zu ermöglichen. Das Forum besitzt zwar nicht das Mandat für formale Vertragsverhandlungen, aber gerade in der Informalität und der Abwesenheit von politischem Erfolgsdruck liegt die Stärke des ASEM-Prozesses.
Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen auf der Basis von ASEM-Mitgliedschaft erscheinen schon deshalb wenig realistisch, weil kaum ersichtlich ist, wie die heterogenen politischen und wirtschaftlichen Interessen von demnächst wahrscheinlich 37 ASEM-Staaten erfolgreich harmonisiert werden könnten. Erschwerend käme ferner hinzu, dass es den südostasiatischen Regierungen bisher nicht einmal untereinander gelungen ist, ihre seit 1992 in Planung befindliche regionale Freihandelszone (ASEAN Free Trade Area/AFTA) vollständig zu implementieren. Wie sollte dann Einigkeit hinsichtlich eines weitaus umfassenderen, regionenübergreifenden Abkommens erzielt werden? In ihrem jüngsten Strategiepapier zu den Beziehungen der EU mit Südostasien schlägt die Europäische Kommission vorsichtig einen als "transnationale Handelsinitiative EU-ASEAN (TREATI) bezeichneten handelspolitischen Aktionsplan vor, um die Handels- und Investitionsströme zu fördern". Dies könne den Weg bereiten, um nach Abschluss der - derzeit unterbrochenen - Doha-Handelsrunde der WTO die Unterzeichnung eines Freihandelsabkommens "ernsthaft in Erwägung zu ziehen", sofern ein solches "für beide Seiten Vorteile böte".
Neben außenwirtschaftspolitischen Überlegungen hängt das im Vergleich zur EU entschiedenere Vorgehen der USA nicht zuletzt, möglicherweise sogar primär, mit der sicherheitspolitischen Dimension der Freihandelsthematik zusammen. Als mit großem Abstand dominierende Militärmacht im asiatisch-pazifischen Raum besitzen die USA in deutlich stärkerem Maße als die europäischen Staaten ein sicherheitspolitisches Interesse an und in Südostasien, wobei der Kampf gegen den Terrorismus zu einer vielfachen Potenzierung dieses Interesses geführt hat.
Die sicherheitspolitische Dimension
Als Reaktion auf die Anschläge des 11. September 2001 stellte der US-Handelsbeauftragte Robert Zoellick einen direkten Zusammenhang zwischen Außenwirtschafts- und Sicherheitspolitik her, indem er den Freihandel als eine der Hauptwaffen im Kampf gegen den Terrorismus beschrieb. Ebenso wie diverse US-Administrationen während des Kalten Krieges Freihandelsinitiativen als Strategie zur Überwindung internationaler Feindschaften und zur Bildung proamerikanischer Allianzen genutzt hätten, könne heute die globale Führerschaft der USA in Handelsfragen entscheidend dazu beitragen, "eine Koalition von Ländern zu bilden, die Freiheit in all ihren Facetten zu schätzen wissen".
Über mehrere Jahrzehnte unterhielten die USA ihre wichtigsten südostasiatischen Militärbasen auf den Philippinen. Nachdem eine Verlängerung des amerikanischen Engagements 1992 am Widerstand des philippinischen Senats gescheitert war, hatten sich die USA militärisch aus dem Land und damit auch weitgehend aus Südostasien insgesamt zurückgezogen. Ende der neunziger Jahre suchten die Regierungen in Washington und Manila nach Möglichkeiten einer Wiederaufnahme engerer sicherheitspolitischer Beziehungen. Der globale Kampf gegen den Terrorismus bot eine willkommene Gelegenheit. Zunächst als eine auf sechs Monate befristete gemeinsame Trainingsaktion mit der philippinischen Armee konzipiert, hat sich die militärische Hilfestellung der USA auf den Philippinen inzwischen zum langfristigen Engagement entwickelt. Mit 114 Millionen US-Dollar im laufenden Jahr sind die Philippinen Haupt-Empfänger von US-Militärhilfe in Asien und der viertgrößte weltweit. Im kommenden Jahr soll der Betrag auf 164 Millionen US-Dollar anwachsen. Nach mehreren gemeinsamen Manövern der amerikanischen und philippinischen Streitkräfte, an denen zuletzt 2500 US-Soldaten teilnahmen, mehren sich die Anzeichen, dass die USA die Wiedereinrichtung einer permanenten Marinebasis und möglicherweise den Transfer tausender Soldaten von den bisherigen amerikanischen Hauptstützpunkten in Asien - der japanischen Insel Okinawa und Südkorea - auf die Philippinen ins Auge gefasst haben. Laut Überlegungen aus dem Pentagon könnten von einem Stützpunkt in der südlichen Provinz Mindanao Terrororganisationen in Indonesien und Malaysia bekämpft werden. Eine Umsetzung solcher Pläne wäre jedoch äußerst problematisch, da eine dauerhafte Präsenz ausländischer Truppen auf dem philippinischen Staatsgebiet im Widerspruch zur geltenden Verfassung des Landes steht.
Im Oktober 2003 erklärte Bush die Philippinen zu einem "bedeutenden Nicht-NATO-Alliierten". Hierbei handelt es sich um einen offiziellen Status, der zum Bezug amerikanischer Hightech-Waffen und zum Austausch von Geheimdienstinformationen berechtigt.
Auch wenn hinter der Implementierbarkeit einer deutlich vergrößerten militärischen Rolle der USA in der Region noch etliche Fragezeichen stehen, lässt sich erkennen, dass analog zum außenwirtschaftlichen Bereich auch im sicherheitspolitischen Bereich bilaterale Beziehungsmuster überwiegen. Multilateralen Initiativen kommt flankierende, aber keine strukturierende Bedeutung zu. So beschreibt beispielsweise ein von den USA und den ASEAN-Staaten 2002 vereinbartes Kooperationsabkommen im weitesten Sinne ein gemeinsames Interesse an der Bekämpfung des internationalen Terrorismus, ohne die Unterzeichner jedoch auf Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels zu verpflichten. Auf einen Nenner gebracht: Die gegenwärtige Administration sieht amerikanische Sicherheitsinteressen in unmittelbarer Weise in Südostasien berührt und richtet deshalb ihr Hauptaugenmerk insbesondere auf eine schnelle Bekämpfung der Symptome von Gewalt in der Region. Demgegenüber kommt der Beschäftigung mit den Ursachen der Konfliktsituationen eine untergeordnete Bedeutung zu.
An dieser Stelle setzt die Rolle der EU und ihrer Mitgliedstaaten ein. Anders als die USA besitzt die EU mit Blick auf Südostasien kein unmittelbares sicherheitspolitisches oder militärstrategisches Interesse. Zwar halten Großbritannien und Frankreich regelmäßig gemeinsame Manöver mit Streitkräften in der Region ab, aber die Übungen sollen hauptsächlich den Verkauf britischer und französischer Militärtechnologie ankurbeln. Keinesfalls steht dieses begrenzte Engagement in Konkurrenz zu den USA. Die sicherheitspolitische Rolle der USA als Garantiemacht für Frieden und Stabilität im asiatisch-pazifischen Raum findet die beinahe uneingeschränkte Akzeptanz der EU. Legt man ein breites Verständnis von Sicherheit zugrunde, spielen europäische Akteure jedoch eine durchaus konstruktive Rolle in Südostasien, die sich als komplementär zum US-Engagement abbildet. Im Rahmen von ASEM und anderen multilateralen Foren führen europäische und südostasiatische Regierungen, ergänzt um Treffen zwischen nichtstaatlichen Akteuren beider Regionen, seit etwa vier Jahren verstärkt einen Dialog über Themen, die in den Bereich nichttraditioneller Sicherheitspolitik oder "soft security" fallen. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass Sicherheit heute nicht mehr nur im engen, traditionellen, verteidigungspolitischen Sinne als Abwesenheit von militärischer Bedrohung definiert werden kann. Armut und ökonomische Entwicklungsdefizite, Umweltzerstörung, ethnisch und religiös bedingte Konflikte, illegale Migration, Drogen- und Menschenhandel sowie Piraterie, um nur einige Felder zu nennen, wirken sich unmittelbar auf die Sicherheit von Staaten und deren Bevölkerungen aus.
Bereits 1994 hatte die EU in ihrer ersten Asien-Strategie angekündigt, auf die "Entwicklung und Konsolidierung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie die Achtung der Menschenrechte und fundamentalen Freiheiten" als unmittelbaren Beitrag zur Sicherheit und Stabilität Asiens hinarbeiten zu wollen.
Nachdem die Asien-Krise den Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und nationaler wie regionaler Stabilität hatte erkennen lassen, öffnete sich der Diskurs. Als Geburtsstunde einer nennenswerten Sicherheitsdiskussion im europäisch-asiatischen Verhältnis kann der ASEM-Gipfel 2000 in Seoul gelten. Erstmals debattierten die Delegierten beider Regionen in offiziellem, multilateralen Rahmen über Menschenrechte und über eine breite Themenpalette, die vom Drogenhandel über den internationalem Terrorismus (dies bereits ein Jahr vor den Anschlägen auf das World Trade Center) bis hin zu Massenvernichtungswaffen und Rüstungskontrolle reichte.
Seither ist die Kooperation auf diesen Gebieten vor allem in den EU-ASEAN-Beziehungen weiter vertieft worden. Nichtstaatliche Akteure, darunter die deutschen politischen Stiftungen, haben den Prozess der Sicherheitsbildung in Südostasien konstruktiv unterstützt. Zwar ist einschränkend hinzuzufügen, dass im streng empirischen Sinne kaum nachgewiesen werden kann, ob Südostasien im Zuge der holistischen Sicherheitsdiskussion mit der EU tatsächlich bereits stabiler und sicherer geworden ist, doch deuten erste Anzeichen darauf hin.
Ist die EU in Südostasien in einer besseren Position als die USA?
Im Vergleich zu den USA scheint die EU einen gewissen Standortvorteil zu besitzen, da in Südostasien die Rolle europäischer Akteure beispielsweise bei der Unterstützung von Demokratisierungsprozessen oder der Durchsetzung von Menschenrechten häufig als weniger missionarisch (und von engen eigenen Wertvorstellungen geleitet) gesehen wird als das Vorgehen der Amerikaner.
Bei der Feststellung missionarischer und moralistischer Tendenzen in der US-Außenpolitik handelt es sich keineswegs nur um den Vorwurf amerikakritischer Beobachter, sondern um einen Tatbestand, der vielen amerikanischen Analysten und Politikern gleichermaßen als selbstverständlich und legitim gilt. Wie etliche andere sieht z.B. der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger die Wurzeln der stark wertorientierten US-Außenpolitik im Glauben an die "spirituelle Überlegenheit" der USA gegenüber dem Rest der Welt.
Dass das amerikanische Sendungsbewusstsein im kulturellen Kontext Südostasiens nicht immer auf Verständnis, geschweige denn Anerkennung stößt, bedarf kaum der Erklärung. Der singapurische Diplomat Tommy Koh hat diesen Zusammenhang einmal auf eine Formel gebracht, die, möglicherweise zu leichtfertig pauschalisiert und simplifiziert, das Kernproblem aber beim Namen nennt: "Viele Asiaten verstehen Amerika einfach nicht."
Natürlich ist weder das europäisch-südostasiatische Verhältnis frei von Spannungen, noch wäre es zutreffend, den Außenbeziehungen der EU absolute Wertneutralität zu attestieren. Insgesamt ist Europa in Südostasien nicht zwangsläufig in einer besseren Position als Amerika. Das letztlich aktivere handelspolitische Zugehen Washingtons auf die Region und vor allem die unangefochtene sicherheitspolitische Dominanz der USA würden die These europäischer Überlegenheit nicht stützen. Jedoch findet die Rolle der EU in einigen zentralen Politikfeldern und nicht zuletzt bei der Suche nach den tieferen Ursachen und Gründen für den Terrorismus häufig größere Akzeptanz und Wertschätzung als entsprechende Ansätze der USA.
Dabei soll nicht unerwähnt bleiben, dass die größere Offenheit der EU gegenüber südostasiatischen Kultur- und Politikkonzepten nicht notwendigerweise nur das Produkt etwaiger Strategiebildung ist oder vom Bestreben geleitet wird, jeglichen Verdacht des Eurozentrismus im Keim zu ersticken. Die europäische Flexibilität und der Wertepluralismus im Umgang mit Südostasien sind zu einem Gutteil eine faktische Konsequenz der noch schwachen gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU, die ein an eng definierten Werten ausgerichtetes gesamteuropäisches Sendungsbewusstsein gegenüber der Region gar nicht zulässt.
Internet-Hinweise des Autors
Die beste Aufstellung vieler online abrufbarer Publikationen zu den europäisch-asiatischen Beziehungen bietet die ASEM Research Platform des International Institute for Asian Studies (IIAS): Externer Link: www.iias.nl/asem
Eine annotierte Zusammenstellung von Internetquellen zum amerikanisch-asiatischen Verhältnis und den internationalen Beziehungen Südostasiens insgesamt (auch zu Europa und anderen Regionen) findet sich unter: Externer Link: http://newton.uor.edu/Departments&Programs/AsianStudiesDept/general-ir.html