Einleitung
Seit der Geburt des Klon-Schafes Dolly im Jahr 1996 steht fest, dass es prinzipiell möglich ist, auch geklonte Menschen zu schaffen. Seitdem nimmt die Debatte über das "Baby-Klonen" kein Ende: Immer wieder gelingt es dem italienischen Gynäkologen Severino Antinori, seinem US-Kollegen Panayiotis Zavos sowie Mitgliedern der Sekte Raël mit ihrer Firma Clonaid, Schlagzeilen zu machen mit Ankündigungen, Babies klonen zu wollen oder dies gar schon erfolgreich getan zu haben. Von seriöseren Wissenschaftlern wie Ian Wilmut, dem "Schöpfer" des Klon-Schafes Dolly, wird deren Ansinnen regelmäßig als "inhuman" und "kriminell" verurteilt. Wilmut dagegen setzte und setzt sich dafür ein, geklonte Embryonen für die Herstellung von embryonalen Stammzelllinien verwenden zu dürfen, um damit Zellersatztherapien zu entwickeln. Dieses Werben war offensichtlich erfolgreich: In Großbritannien ist das Forschungs-Klonen mittlerweile erlaubt.
Schon seit 1990 ist in Großbritannien die Forschung mit menschlichen Embryonen bis zum 14. Tag der Entwicklung zur Verbesserung von fortpflanzungsmedizinischen Behandlungsmethoden rechtlich zulässig. Im Dezember 1998 wurden die Empfehlungen der Human Fertilisation and Embryology Authority und der Human Genetics Advisory Commission publiziert, denen zufolge das Klonen für die Forschung, nicht aber für die Fortpflanzung zugelassen werden solle. Im Dezember 2000 fiel dann die Entscheidung im britischen Parlament, die embryonale Stammzellforschung und das Forschungs-Klonen zuzulassen. Das Fortpflanzungs-Klonen wurde mit dem Gesetz verboten.
In Deutschland dagegen verbietet das Embryonenschutzgesetz von 1990 jegliche Form der Verwendung von Embryonen für die Forschung. Zudem verstößt das Klonen von Embryonen unabhängig von dessen Zielsetzung grundsätzlich gegen das im Embryonenschutzgesetz verankerte Klonverbot (§ 6). Die britische Entscheidung hat aber auch in Deutschland eine neue Debatte über den Embryonenschutz und das Klonen ausgelöst. Bundeskanzler Gerhard Schröder reagierte mit seinem "Beitrag zur Gentechnik" auf die britische Entscheidung, in dem er schrieb: "Eine Politik ideologischer Scheuklappen und grundsätzlicher Verbote wäre nicht nur unrealistisch. Sie wäre auch unverantwortlich. Eine Selbstbescheidung Deutschlands auf Lizenzfertigungen und Anwenderlösungen würde im Zeitalter von Binnenmarkt und Internet nur dazu führen, dass wir das importieren, was bei uns verboten, aber in unseren Nachbarländern erlaubt ist."
Zwei Zielsetzungen, eine Methode
Normalerweise entsteht ein Embryo durch die Verschmelzung einer Ei- und einer Samenzelle. Der Kern der befruchteten Eizelle enthält alle Gene - zu gleichen Teilen von Mutter und Vater -, die der Mensch für seine Entwicklung benötigt. Die verschiedenen aus der befruchteten Eizelle hervorgegangenen Körperzellen unterscheiden sich dadurch, dass nur diejenigen Gene, die gerade gebraucht werden, "aktiv" sind und abgelesen werden. Die Kerne von Körperzellen enthalten dennoch das vollständige Genmaterial. Diesen Umstand machen sich die Forscherinnen und Forscher beim Klonen zunutze. Beim Klonen wird einer Körperzelle der Zellkern entnommen und in eine befruchtete Eizelle eingeschleust, deren Kern zuvor entfernt wurde. Die Eizellen mit dem neuen Erbgut können sich im Labor teilen und zu Embryonen entwickeln. Offensichtlich bewirken Botenstoffe aus dem Eiweiß der Eizelle, dass Gene "aktiviert" werden, welche die Entwicklung steuern, und Gene, die in spezialisierten Geweben Stoffwechselprozesse bestimmen, "deaktiviert" werden. Darüber, was bei dieser Art der "Reprogrammierung" genau geschieht, ist nur sehr wenig bekannt. Bis zu diesem Schritt unterscheiden sich das Forschungs-Klonen und das Fortpflanzungs-Klonen nicht voneinander.
Fortpflanzungs-Klonen
Wenn der geklonte Embryo in die Gebärmutter einer Frau überführt wird, ist es möglich, dass er sich zu einem Kind entwickelt. Dieses Kind wäre dann der genetische Zwilling desjenigen Menschen, von dem der Zellkern der geklonten Eizelle stammt. Das geklonte Kind hätte also nur einen biologischen Elternteil. Trotz mehrfacher anders lautender Pressemeldungen ist bislang wohl noch kein Klon-Baby geboren worden - zumindest konnte das bisher niemand belegen. Technisch gesehen wäre das aber im Bereich des Möglichen, auch wenn wir aus Tierversuchen wissen, dass nur bei einem kleinen Prozentsatz der Klonversuche lebensfähige Tiere entstehen. Die meisten geklonten Embryonen gehen auf einer frühen Entwicklungsstufe zugrunde. Die wenigen geborenen Tiere sind zumeist schwer krank, sie leiden unter anderem an Herz- und Lungenschäden, Übergröße, Arthritis, Fettsucht und Krebs. Bis zur Geburt des ersten Klon-Schafs waren 276 Versuche gescheitert.
Forschungs-Klonen
Das Klonen für Forschungen mit dem Ziel, neue Therapien zu entwickeln, wird in der internationalen Wissenschaftsgemeinschaft dagegen von vielen als große Chance angesehen. Technisch entspricht das Verfahren der Herstellung embryonaler Stammzelllinien, nur dass keine "normalen", im Labor gezeugten Embryonen, sondern geklonte Embryonen verwendet werden: Diese sollen sich im Labor einige Tage entwickeln, und zwar bis zu dem Zeitpunkt, zu dem sich die eigentliche Embryonalanlage inmitten einer Hohlkugel aus Zellen (Blastozyste) herausbildet. Diese embryonalen Stammzellen werden dann entnommen und separat weitergezüchtet. Unter geeigneten Kulturbedingungen müssten sich aus den geklonten embryonalen Stammzellen, wie aus "normalen" embryonalen Stammzellen, verschiedene Arten von Geweben wie Muskel- oder Nervengewebe züchten lassen. Damit, so die Idee, sollen krankhaft geschädigte Gewebe mit körpereigenem Material regeneriert werden, z.B. Herzmuskelgewebe für Infarkt- oder Nervengewebe für Parkinson-Patienten.
Im Februar veröffentlichte das Wissenschaftsmagazin "Science" die Nachricht, dass es einer von Hwang Woo Suk geleiteten südkoreanischen Forschergruppe erstmals gelungen sei, menschliche Embryonen zu klonen und daraus entwicklungsfähige Stammzellen zu gewinnen. Die Forscher entnahmen 16 Frauen insgesamt 242 Eizellen, mit denen die Klonexperimente durchgeführt wurden. Daraus entwickelten sich 30 fünf Tage alte Embryos (Blastozysten), denen 20 Stammzellen entnommen wurden, aus denen sich schließlich eine Stammzelllinie gewinnen ließ. Diese wiederum entwickelte sich weiter zu Vorläuferzellen verschiedener Gewebe.
Nun könnte gefragt werden, welchen Vorteil dieser Ansatz im Vergleich mit der "normalen" embryonalen Stammzellforschung hätte. Die Antwort ist einfach: Wenn die Ausgangszelle vom Patienten stammt, kann davon ausgegangen werden, dass das Immunsystem des Patienten die therapeutischen Zellen nicht als "fremd" wahrnimmt und abstößt. Allerdings ist dieses Vorgehen nicht alternativlos: Es gibt noch einen dritten, ethisch weniger bedenklichen Forschungsansatz, die adulte Stammzellforschung, bei der körpereigene Stammzellen des Patienten für die Therapieentwicklung verwendet werden. Auch hierbei wäre nicht mit Abstoßungsreaktionen im Körper des Patienten zu rechnen. Festzuhalten ist, dass es sich bislang beim Forschungs-Klonen lediglich um ein wissenschaftliches Modell handelt, von dem heute noch niemand sagen kann, ob, wann und für welche Krankheiten sich Therapien jemals entwickeln lassen. Noch stärker im Bereich des Spekulativen bewegt sich die Frage, welche Erfolgsaussichten und welche Risiken für die Patienten mit solchen Therapien verbunden wären. Im Tierversuch entwickeln übertragene, aus geklonten Stammzellen entwickelte Präparate Tumore. Erste Anwendungen der Klontechnik sind deshalb auch eher im Bereich pharmakologischer Tests zu erwarten, bei denen aus Stammzellen gezüchtete Gewebekulturen auf die individuelle Reaktion von Wirkstoffen getestet werden. Neueste Forschungsergebnisse deuten auch eine mögliche Nutzung der Klontechnik für die Zucht von Ei- und Samenzellen an. Jenseits der Implantation von Ersatzgewebe zeichnen sich Perspektiven der Keimbahntherapie ab.
Eine Methode - zwei unterschiedliche Beurteilungen
Die Basistechnologie, das menschliche Klonen, ist also unabhängig von der Zielsetzung, der medizinisch unterstützten Fortpflanzung oder der Forschung, dieselbe. Die ethischen Diskussionen des Forschungs-Klonens und des Fortpflanzungs-Klonens aber unterscheiden sich erheblich. Während Forscher, die Babys klonen wollen, weitgehend einhellig als Scharlatane oder Verbrecher angesehen werden, gilt das Forschungs-Klonen als zwar hoch umstrittenes, zugleich aber hochrangiges Forschungsgebiet.
Fortpflanzungs-Klonen
Severino Antinori und Panayiotis Zavos behaupten, mit Hilfe des Klonens ungewollt kinderlosen Paaren zu Nachwuchs verhelfen zu wollen. Doch dafür, so lautet angesichts der Risiken und der geringen Erfolgsaussichten des Klonens einer der Haupteinwände, stehen mit den Methoden der In-vitro-Fertilisation oder auch der Adoption weit weniger fragwürdige Wege offen. Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit würden geklonte Babys mit schweren gesundheitlichen Schäden auf die Welt kommen. Möglicherweise würden sie auch das "genetische Alter" ihres Zwillings erben und entsprechend kürzer leben. Sei der Wunsch nach einem biologisch eigenen Kind auch noch so groß, auf der Grundlage des heutigen naturwissenschaftlich-medizinischen Erkenntnisstandes ist das Fortpflanzungs-Klonen wissenschaftlich und ethisch nicht vertretbar. Soweit herrscht Einigkeit. Aber, gesetzt den Fall, die Erfolgsquoten ließen sich entscheidend verbessern, die Entwicklung der geklonten Babys besser kontrollieren und die Risiken erheblich vermindern, gilt der Einwand dann auch noch? "Es gibt nichts Besseres für den Erfolg als ein gesundes Kind", hat schon Robert Edwards, Schöpfer des ersten in vitro gezeugten "Retortenbabys" Louise von 1978, die gesellschaftliche Durchsetzung der modernen Reproduktionsmedizin resümiert.
Die Argumente gegen das Fortpflanzungs-Klonen müssen schon grundsätzlicher Natur sein, oder sie werden gegen das Zusammenspiel von technologischer Entwicklung und Konsumentenfreiheit keinen Bestand haben. Ein Baby zu klonen wäre damit verbunden, einen Menschen zu schaffen, der mit einem anderen Menschen genetisch identisch und ihm damit zumindest sehr ähnlich ist. Das Hauptargument für das Fortpflanzungs-Klonen ist die reproduktive Freiheit in einem sehr liberalen Verständnis. Im Namen der reproduktiven Freiheit führen manche an, es sei doch legitim, wenn Eltern, die ein Kind verloren haben, sich dieses durch Klonierung wieder erschaffen wollten. Aber auch das Motiv eines Elternteils, sich selbst in Originalgestalt reproduzieren zu wollen, oder das Motiv mancher Frauen, auf fortpflanzungswillige Männer nicht mehr angewiesen zu sein, wird keineswegs von allen Ethikern für völlig abwegig gehalten. "Was spricht dagegen?", fragt etwa der Philosoph Johann Ach..
Im Unterschied zu anderen biomedizinischen Zukunftstechnologien verläuft die Konfrontationslinie eher zwischen Kritikern und Kritikern von Kritikern als zwischen Befürwortern und Gegnern. Wenn etwa gegen das Klonen angeführt wird, eine vollständige oder zumindest sehr weit gehende genetische Festlegung eines Kindes würde dessen Menschenwürde verletzen, wird dies mit einer theoretischen Erörterung des Geltungsanspruchs von Menschenwürde-Argumenten in der Bioethik-Debatte überhaupt beantwortet.
Sicher aber wäre ein geklontes Kind mit außerordentlich starken Erwartungshaltungen konfrontiert, was eine freie Persönlichkeitsentwicklung zwar nicht ganz unmöglich machen, doch aber schwer beeinträchtigen würde. Sein Recht auf psychische Integrität wäre damit grundlegend gefährdet. Im Gegensatz zu schädigenden Erziehungsmaßnahmen, zu denen sich eine Person zumindest reflexiv verhalten kann, wäre die Festlegung der genetischen Konstitution eines Kindes irreversibel seinen Handlungsmöglichkeiten entzogen. Die fehlende Einwilligung des geklonten Kindes vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Fehlbarkeit experimenteller Eingriffe selbst unter der Bedingung einer Optimierung von Verfahren und das damit verbundenen Schädigungspotenzial würde sein Recht auf körperliche Integrität verletzen.
Ein weiteres Argument lautet, das Klonen von Menschen würde die biologische Integrität der Menschheit gefährden.
Einen neuen und weiterführenden Aspekt gegen das Klonen führte Jürgen Habermas in die Debatte ein mit dem Argument, dass die Unverfügbarkeit unseres biologischen Ursprungs, die wir je nach kulturellem und religiösem Hintergrund als Zufall, Geschöpflichkeit oder Naturwüchsigkeit bezeichnen, zu unserem gattungsethischen Selbstverständnis gehört, ohne das wir uns nicht länger "als autonome und gleiche, an moralischen Gründen orientierte Lebewesen verstehen" können.
Forschungs-Klonen
Weit übersichtlicher ist die ethische Debatte über das Forschungs-Klonen. Schließlich geht es hier nicht um das zukünftige Schicksal geklonter Kinder und die normativen Grundlagen des gesellschaftlichen Miteinanders oder gar die "biologische Integrität" der Menschheit, sondern vor allem um die Frage, ob die Erzeugung geklonter menschlicher Embryonen und ihre Vernutzung für die Forschung ethisch gerechtfertigt werden kann. Diejenigen, die sich für das Forschungs-Klonen aussprechen, rechtfertigen dies in erster Linie mit der Hoffnung auf die Entwicklung neuer Therapien für die Heilung schwer kranker Menschen. Unbestritten ist in der ethischen Diskussion, dass dem medizinischen Fortschritt ein hoher Wert zukommt. Strittig ist allenfalls, wie realistisch die Erreichbarkeit der erhofften therapeutischen Ziele ("Therapie von Alzheimer") tatsächlich ist und ob die adulte Stammzellforschung als möglicherweise gleichwertige oder sogar überlegene Option vernachlässigt wird. Außerdem wird kritisch hinterfragt, ob derart individualisierte Therapien, bei denen für jeden Patienten eigene Stammzelllinien entwickelt werden müssten, nicht zu erheblichen Gerechtigkeitsproblemen führen werden, da sich diese selbst in den reichen Ländern kaum solidarisch finanzieren ließen. Im internationalen Maßstab wird dieser Zweifel dadurch verstärkt, dass die Hinwendung zur individualisierten Klontherapie das internationale Forschungsportfolio und Therapieangebot unweigerlich zu Lasten der Menschen in den ärmsten Ländern dieser Erde verschiebt, in denen Aids, Malaria und Hunger die Menschen gar nicht so alt werden lassen, dass sie jemals von einer Therapie gegen Alzheimer profitieren könnten.
Darüber hinaus ist vollkommen ungeklärt, woher die enorme Zahl an Eizellen, die für das Forschungs-Klonen und erst recht für mögliche zukünftige therapeutische Anwendungen notwendig wären, kommen soll. Schon heute sind "gespendete" Eizellen für die Behandlung ungewollt kinderloser Paare in den Ländern, in denen dies zulässig ist, trotz Appellen an den Altruismus von jungen Frauen und verschiedener Anreizsysteme Mangelware. Angesichts der Tatsache, dass die Gewinnung von Eizellen für die betroffene Frau wegen der notwendigen Hormonbehandlung und invasiver Eingriffe mit erheblichen Belastungen und Gesundheitsrisiken verbunden ist, wirft die fremdnützige Verwendung von Eizellen ohnehin grundsätzliche ethische Rechtfertigungsprobleme auf.
Der zentrale Streitpunkt in der ethischen Diskussion ist jedoch die Frage, ob das Klonen von Embryonen die Menschenwürde verletzt. Wie das Dolly-Experiment nahe legt, besitzen auch geklonte Embryonen das Potenzial, sich unter geeigneten Bedingungen - d.h. in der Gebärmutter einer Frau - zu einem Kind zu entwickeln. Sie wären damit in ethischer Hinsicht gleich zu behandeln wie "normale" Embryonen. Für Vertreter von Positionen, die davon ausgehen, dass einem menschlichen Lebewesen von seiner Entstehung an Menschenwürde und ein darin begründetes Recht auf Leben zukommt, ist die Erzeugung von Embryonen mit dem Ziel ihrer Vernutzung grundsätzlich ethisch inakzeptabel, unabhängig davon, auf welche Weise diese Embryonen entstanden sind. Nun gibt es gute Argumente dafür, diese Position zu teilen: Sie geht von der Unteilbarkeit der Menschenwürde und der universellen Geltung der in ihr begründeten Rechte aus und schreibt dem vorpersonalen menschlichen Leben denselben moralischen Status zu wie dem personalen. Die entgegengesetzte Position macht den moralischen Status menschlicher Lebewesen von empirischen Eigenschaften abhängig. Hierzu wird häufig auf biologische Kriterien wie den Verlust der Fähigkeit zur Zwillingsbildung, die Nidation, die Ausbildung des Nervensystems, die abgeschlossene Organbildung oder die eigenständige Lebensfähigkeit Bezug genommen. Dabei ist zu bedenken, dass die Biologie uns zwar Auskunft über die einzelnen Phasen der Entwicklung des menschlichen Organismus geben kann, nicht aber über deren ethische Bewertung. Andere machen den moralischen Status eines menschlichen Lebewesens von ethisch relevanten Kriterien wie Leidensfähigkeit, Selbstbewusstsein, Rationalität oder Handlungsfähigkeit abhängig. Allerdings sind derartige Kriterien zur Zuschreibung von Menschenwürde - sofern hier überhaupt noch von Menschenwürde gesprochen wird - immer mehr oder weniger willkürlich und führen darüber hinaus zu moralisch ausgesprochen fragwürdigen Konsequenzen. Nicht nur Embryonen, sondern auch allen anderen Menschen, denen das jeweilige Kriterium nicht entspricht, etwa Säuglingen, schwer geistig Behinderten, komatösen oder dementen Menschen, könnte dann weniger oder keine Menschenwürde zugesprochen werden.
Eine letzte Antwort auf die Kontroverse über den moralischen Status menschlicher Embryonen kann derzeit niemand anbieten. Allerdings kann offensichtlich auf die Unteilbarkeit der Menschenwürde nicht verzichtet werden, ohne fragwürdige moralische Konsequenzen in Kauf zu nehmen. Sollte sich nämlich die Möglichkeit einer bedingten oder abgestuften Zuschreibung der Menschenwürde gesellschaftlich und politisch durchsetzen, ist eine grundlegende Veränderung des Selbstverständnisses des Menschen zu befürchten. Nicht nur vorpersonales menschliches Leben, sondern auch andere Menschen, denen die jeweils geforderten Eigenschaften oder Fähigkeiten nicht zukommen, würden dann nicht mehr unter den Schutz der Menschenwürde fallen. Deshalb sollten wir daran festhalten, dass die Menschenwürde nichts ist, was erworben wird und auch wieder verloren gehen kann.
Der Biologe Rudolf Jaenisch vertrat auf der Klonkonferenz des Bundesforschungsministeriums im Mai 2003 in Berlin die Ansicht, geklonten Embryonen käme kein Lebensrecht zu, da die meisten geschädigt seien und sich ohnehin nicht zu "normalen" Menschen entwickeln könnten.
Wie die Debatte über das Stammzellgesetz gezeigt hat, repräsentiert die hier skizzierte, an die Menschenwürde-Garantie geknüpfte "Lebensschutzposition" nach wie vor die politische Mehrheitsmeinung in Deutschland. Im internationalen politischen Raum aber scheint sie, wie der Entwurf für eine Europäische Verfassung andeutet und die Verhandlungen über eine UN-Klonkonvention zeigen, von vielen Vertretern mit einem anderen kulturellen und religiösen Hintergrund nicht geteilt zu werden.
EU-Verfassung und UN-Klonkonvention
Wird die Garantie der Menschenwürde gemäß Art. 1 Grundgesetz in Deutschland zu weit ausgelegt? Die Justizministerin hat in ihrer Rede "Vom Zeugen zum Erzeugen? Verfassungsrechtliche und rechtspolitische Fragen der Bioethik" vom Oktober 2003 diese Frage gestellt. Im Ergebnis spricht sie sich für eine vorsichtige Öffnung der Embryonenforschung, aber gegen das Forschungs- und das Fortpflanzungs-Klonen aus. Auf europäischer Ebene stellt sich diese Frage erneut mit Dringlichkeit. Dabei ist festzuhalten, dass überhaupt erst der Entwurf für eine Europäische Verfassung eine Grundrechtscharta enthält, die "den Menschen" - und nicht nur den homo oeconomicus - ins Zentrum der europäischen Einigung stellt und hierbei mit deutlichen Anklängen an das deutsche Grundgesetz der Achtung der Menschenwürde oberste Priorität gibt.
Die Tatsache, dass es sich beim Klonen um zwei Zielsetzungen, aber eine Methode handelt, prägte auch die zweite Runde der Verhandlungen über eine Klonkonvention der Vereinten Nationen im vergangenen Jahr. Der Rechtsausschuss der UN-Generalversammlung sollte eine Empfehlung für eine "Internationale Konvention gegen das reproduktive Klonen menschlicher Wesen" erarbeiten. Ein grundlegender Dissens der jeweiligen Regierungslinien stand schon in der ersten Verhandlungsrunde einer Einigung entgegen: Während über 40 Staaten das Klonen als solches, unabhängig von der damit verfolgten Zielsetzung, ächten wollten, darunter die USA, Spanien und Italien, wollten Deutschland, Frankreich und rund 20 weitere Staaten nicht das Klonverfahren selbst, sondern lediglich die Zielsetzung, damit geklonte Kinder zu schaffen, unterbinden. Verwunderung und zum Teil auch Ärger hat in der deutschen Öffentlichkeit die Haltung des deutschen Außenministeriums ausgelöst, das die Position für ein Totalverbot der Mehrheitsgruppe nicht geteilt hat, die den vergleichsweise restriktiven nationalen Gesetzen entsprochen hätte.
Im Februar 2003 legte ein Bundestagsbeschluss dann die deutsche Linie für die zweite Runde der Konventionsverhandlungen fest. Der Beschluss stellt fest, dass "jede künstliche Erzeugung menschlicher Embryonen durch Klonen" mit der universell geltenden Menschenwürde unvereinbar sei.
Auch die USA, die offiziell ein solches Totalverbot unterstützen, haben im eigenen Land keine solche Regelung und eine sehr liberale Forschungspraxis. Auch sie würden, so das Kalkül, auf Grund des politischen Einflusses christlich-konservativer Kreise sicher dazu gehören. Den USA wurde ohnehin von Beobachtern innerhalb und außerhalb des Landes zum Teil unterstellt, eine Doppelstrategie zu verfolgen. Mit ihrer konsequenten Haltung würden sie offiziell den einflussreichen christlich-konservativen Stimmen folgen, so wurde vermutet, gleichzeitig aber eine Konsensentscheidung der Generalversammlung verhindern, um dem Druck zu entgehen, eigene nationale Regelungen herbeiführen zu müssen, womit ihre ebenfalls einflussreichen ultraliberalen Kreise zufrieden gestellt werden können.
In den Verhandlungen bildeten sich dann zwei "Blöcke" heraus, angeführt von Costa Rica und Belgien. Costa Rica forderte, das Klonen sowohl für die Forschung als auch zur Fortpflanzung zu verbieten. Dieser Antrag konnte zuletzt mit der Zustimmung von immerhin 56 Staaten rechnen, darunter Spanien, Italien und die USA. Dass sich das deutsche Außenministerium diesem Block nicht anschließen wollte, sondern weiterhin für die mit Frankreich gemeinsam geplante Konsensstrategie eintrat, stieß bei Politikerinnen und Politikern fast aller im Bundestag vertretener Parteien auf Unverständnis. So kritisierten beispielsweise Maria Böhmer (CDU), Wolfgang Wodarg (SPD) und Christa Nickels (Bündnis 90/Die Grünen) die Regierungslinie als Verstoß gegen den Parlamentsbeschluss. Von Seiten des Außenministeriums wurde entgegnet, das Ziel des deutsch-französischen Vorgehens sei nach wie vor ein umfassendes Klonverbot, das aber im Falle einer Spaltung der Staatengemeinschaft nicht zu erreichen sei. Die eigene Linie würde dem Auftrag, für ein "möglichst umfassendes" Klonverbot einzutreten, damit sehr wohl entsprechen.
Überraschend übernahm dann Belgien den Inhalt des deutsch-französischen Papiers in die Formulierung eines Gegenantrags. Dieser beabsichtigte, nur das Fortpflanzungs-Klonen zu verbieten, das Forschungs-Klonen dagegen nationalen Regelungen zu überlassen. Dieser Antrag konnte mit der Zustimmung von Großbritannien, China und weiteren 30 Staaten rechnen. Obwohl er stark an das deutsch-französische Strategiepapier angelehnt war, wollte das deutsche Außenministerium auch diesen Antrag nicht unterstützen. Eine Begründung lautete, dass die Verpflichtung, das Forschungs-Klonen zu regeln, zu schwach formuliert sei. Die Haltung lässt sich aber auch so verstehen, dass mit einer Kampfabstimmung das deutsch-französische Ziel, einen Konsens der Staatengemeinschaft herbeizuführen, verfehlt worden wäre.
Mit Unterstützung der deutschen Delegation wurde schließlich eine Kampfabstimmung verhindert. Begründet wurde diese Entscheidung von Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, damit, dass nur ein Konsens der Staatengemeinschaft Grundlage für ein weltweit gültiges und effizientes Klonverbot sein könne. Die Verhandlungen in der Generalversammlung wurden damit zunächst für zwei Jahre ausgesetzt und die Arbeit an einem Konventions-Entwurf in eine Arbeitsgruppe verwiesen. Mittlerweile hat sich die Situation wieder verändert: Jetzt sollen die Konventionsverhandlungen schon im Herbst 2004 in der Generalversammlung fortgesetzt werden.
Ausblick
Die Unstimmigkeiten darüber, ob nun die Regierungslinie den Auftrag des Parlaments unterlaufen hat oder nicht, sind bislang nicht beigelegt. Angesichts der im Bundestag vertretenen Haltungen muss nicht von heute auf morgen mit einem Umsturz der Werthaltungen und einer Liberalisierung der deutschen Rechtslage gerechnet werden. Es scheint deshalb eher unwahrscheinlich, dass sich die Akteure auf der deutschen Seite mit der verfolgten Strategie ein Hintertürchen für das Forschungs-Klonen auch für die deutsche Forschung offen halten wollen. Von einer liberalen internationalen Regulierung des Forschungs-Klonens würden interessierte deutsche Forscher nämlich kaum profitieren.
Es bleibt die Frage, ob die deutsche Strategie retrospektiv betrachtet richtig war, die ja letztlich zwar eine Kampfabstimmung verhindert hat, damit aber in Kauf nehmen musste, dass bislang überhaupt keine Regulierung des Klonens verabschiedet werden konnte. Für ein Totalverbot - unter Einschluss der USA - hätte die Signalwirkung gesprochen - auch wenn es nicht von allen Staaten mitgetragen würde. Die Kritiker des Forschungs-Klonens in diesen Ländern wären dadurch gestärkt worden.
Andererseits könnte ein nicht im Konsens der Staatengemeinschaft getragenes Klon-Verbot die Antinoris und Zavos' nicht daran hindern, ihr Vorhaben dort weiter zu verfolgen, wo die Konvention nicht mitgetragen wird. Letzteres spricht für die deutsch-französische Initiative, sich international vorrangig auf ein Verbot des Fortpflanzungs-Klonens zu verständigen. Allerdings würde davon das Signal ausgehen, das Forschungs-Klonen könne abhängig vom jeweiligen kulturellen und religiösen Wertekontext so oder so beurteilt werden.
Die Verhandlungen über eine internationale Klon-Konvention machen aber noch ein weiteres Problem deutlich. Viele Delegationen orientierten sich offenbar stärker an ihren jeweiligen nationalen Diskussions- und Interessenslagen als an den internationalen Regulierungserfordernissen. Angesichts der Tatsache, dass die biomedizinische Forschung nicht an nationale Territorien gebunden ist und "Insellösungen" jederzeit ausnutzen kann, fehlt ganz offensichtlich ein internationaler zivilgesellschaftlicher Diskurs, auf den sich internationale Regulierungs-Initiativen beziehen könnten und müssten.
Einen ersten kleinen Schritt, einen solchen internationalen zivilgesellschaftlichen Diskurs zu initiieren, unternahmen die Heinrich-Böll-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Center for Genetics and Society aus Kalifornien und dem Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft (Berlin) mit der Konferenz "Within and Beyond the Limits of Human Nature", die im Oktober 2003 in Berlin stattfand.
Wie können zivilgesellschafliche Gruppen, vor dem Hintergrund unterschiedlicher Interessenfelder wie Umwelt, Menschenrechte, Frauen und Frauengesundheit, Gesundheit und Behindertenrechte sowie diverser weltlicher und religiöser Orientierungen effektive Netzwerke aufbauen, die Sichtweisen der NGOs aus dem Norden und aus dem Süden zusammenführen? Wie lassen sich die Fragen um die Reproduktionstechnologien, ihre Erforschung und Vermarktung mit einer Kritik an der globalen Ungleichheit der Gesundheitsversorgung verknüpfen? Wie kann die internationale Zivilgesellschaft produktiv mit der Spannung umgehen, die sich aus der Ablehnung der pränatalen Diagnosetechniken und der Embryonenforschung auf der einen Seite und der Verteidigung des Rechts von Frauen auf Abtreibung auf der anderen ergeben? Lassen sich die zahlreichen zivilgesellschaftlichen Aktivitäten gegen genetisch modifizierte Pflanzen und Lebensmittel für die Kritik am "Menschenmachen" nutzen? Wo sind Brücken zwischen liberal-säkularen Argumenten gegen die "consumer eugenics" und dem religiös-konservativen Engagement für den Lebensschutz?
Es stellte sich heraus, wie wichtig es ist, die gesellschaftlichen Folgen der Anwendung der neuen humangenetischen Technologien nicht isoliert zu betrachten. Erst vor dem Hintergrund der Entstaatlichung der Gesundheitssysteme, im Kontext der Frage nach sozialer Gerechtigkeit und im Rahmen globaler Regime des geistigen Eigentums zeigen sich die Konsequenzen der neuen Technologien, der Bedarf und die Ansatzpunkte ihrer nationalen und internationalen Regulation. Trotz unterschiedlicher Positionen zu einzelnen Themen entstehen hier Chancen für zukünftige, globale Zusammenarbeit - mit Blick auf das Klonen und für andere Felder der biomedizinischen Forschung.