Einleitung
Die Erwartungen junger Frauen an den zukünftigen Beruf sind vielfältig und hoch - ihre Bereitschaft, durch eine qualifizierte Berufsausbildung eine geeignete Grundlage hierfür zu schaffen, ebenfalls. Doch wie sieht es mit den Realisierungschancen aus? Inwieweit gelingt es jungen Frauen heute ihre beruflichen Orientierungen auch umzusetzen? Welche Strategien schlagen sie ein, um eine Ausbildungsstelle zu finden? Welche Chancen bietet ihnen der Ausbildungsmarkt, und welche Perspektiven auf eine qualifizierte Berufsausbildung sind hiermit verknüpft?
Der Übergang zwischen Schule und Berufsausbildung ist zu einer Lebensphase geworden, die von ihrem Ausgang her ungewiss ist. Auch für junge Frauen mit Realschulabschluss, die über gute Voraussetzungen für eine Ausbildung verfügen, gilt ein Ausbildungs- und Berufseinstieg nicht als gesichert. Sind die schulischen Voraussetzungen ungünstiger, erhöht sich das Risiko, dass sie vorübergehend oder dauerhaft ohne Ausbildung und Beschäftigung verbleiben. Doch ist die berufliche Erstausbildung nach wie vor entscheidend für den späteren Berufseinstieg und bei Frauen und Männern zentral für ihre Einmündung in den Arbeitsmarkt. Die nach der "ersten Schwelle" entstandene Verteilung von Frauen und Männern auf Ausbildungsberufe setzt sich mit ungleicher Entlohnung und Anerkennung im späteren Beruf fort. Mit den Wegen in eine Ausbildung, d.h. mit der "ersten Schwelle" des Übergangs in eine berufliche Qualifizierung, beschäftigt sich der vorliegende Beitrag.
Nicht nur soziale Risiken, auch die trotz ihrer Bildungserfolge ungleichen Chancen junger Frauen auf dem Ausbildungsmarkt führen zu der Frage, wie der Übergang von der Schule in eine berufliche Ausbildung verläuft. Eine abgeschlossene berufliche Qualifizierung ist heute Bestandteil der Lebensplanung junger Frauen. Selbst die schwierige Lage auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt führt nicht dazu, auf berufsbezogene Lebensentwürfe zu verzichten.
Die Annahme, die Einmündung junger Frauen in ein bestimmtes Spektrum von Ausbildungsberufen beruhe auf ihrer ursprünglichen Berufswahl, ist inzwischen weitgehend widerlegt. Die Berufseinmündung richtet sich auch nach den Gelegenheiten des Ausbildungsmarktes. Doch wie gehen junge Frauen mit den sich bietenden Möglichkeiten um und wie nehmen sie Ausbildungsberufe wahr, die mehrheitlich noch immer von dem einen oder anderen Geschlecht erlernt werden? Über Ursachen und Verlauf des Ausbildungs- und Berufseinstiegs junger Frauen liegen zahlreiche Forschungsergebnisse vor. Sie weisen nicht nur auf eine Vielzahl von Faktoren für ihre Berufsfindung hin, sondern auch darauf, dass Schulabgängerinnen je nach Herkunft und nationaler wie regionaler Zugehörigkeit differenziert zu betrachten sind.
Das Interesse gilt zunächst der Frage, wie sich junge Frauen nach Abschluss der Schule orientieren und inwieweit sie ihre Ausbildungsziele realisieren können. Damit konzentriert sich der folgende Beitrag darauf, welche Chancen sie auf dem heutigen Ausbildungsmarkt, d.h. im dualen Ausbildungssystem haben. Trotz einer hohen Berufsorientierung und der viel beachteten Bildungserfolge von Schülerinnen besteht für junge Frauen auf dem Ausbildungsmarkt - im Verhältnis zu jungen Männern - keine Chancengleichheit. Welche Ursachen dafür ermittelt wurden und welche Schlüsse die Erklärungsansätze nahe legen, diskutiert der Beitrag anschließend.
Berufsorientierung und Berufsfindung junger Frauen
Ausbildung und Beruf haben für junge Frauen einen hohen Stellenwert. Eine qualifizierte berufliche Ausbildung ist für sie die Voraussetzung für ihre spätere Erwerbstätigkeit, denn die Mehrheit plant eine dauerhafte Beteiligung am Erwerbsleben. Diese hohe Bedeutung von Ausbildung und Beruf im Leben junger Frauen wird durch eine Reihe von Untersuchungen belegt.
Die Suche nach einer Ausbildung stellt junge Frauen vor hohe Anforderungen. Schulabgängerinnen setzen sich mit unterschiedlichen Strategien für die Realisierung ihrer beruflichen Ziele ein. Aufgrund ihrer geringeren Chancen auf dem Ausbildungsmarkt sind sie - gezwungenermaßen - meist aktiver und flexibler als junge Männer. Sie versenden mehr Bewerbungen, nehmen häufiger an Bewerbungsgesprächen teil und bewerben sich eher in mehreren Berufen und auch außerhalb der eigenen Region; lediglich direkt bei Betrieben fragen junge Männer häufiger nach.
Angesichts der schwierigen Lage auf dem Ausbildungsmarkt kann es bei jungen Frauen auch zu einer Zurücknahme bisheriger Ziele kommen: Ursprüngliche Berufswünsche geraten dann angesichts der Schwierigkeiten und Misserfolge auf dem Ausbildungsmarkt zunehmend in den Hintergrund.
Der Zugang junger Frauen auf den Ausbildungsmarkt
Eine Berufsausbildung ist heute für junge Frauen wie für junge Männer eine Selbstverständlichkeit - 84 Prozent der jungen Frauen im Alter von 20 bis 30 Jahren besitzen eine abgeschlossene berufliche Qualifizierung.
Ungeachtet besserer Schulabschlüsse im Vergleich zu jungen Männern hat 2002 mit 49 Prozent nur knapp die Hälfte der Bewerberinnen eine Ausbildungsstelle gefunden (männliche Bewerber: 54 Prozent). Dabei haben sich rund 40 Prozent dieser jungen Frauen nicht zum ersten, sondern zum zweiten bzw. dritten Mal beworben und wiederholt einen Misserfolg bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz einstecken müssen. Doch die meisten Bewerberinnen und Bewerber - rund 90 Prozent - haben weiter Interesse an einer dualen Ausbildung.
Angesichts des Rückgangs des betrieblichen Ausbildungsangebots in den vergangenen zwei Jahren hat sich die Lage auf dem Ausbildungsmarkt insbesondere für junge Frauen wesentlich verschärft. So wurden im Jahr 2003 rund 558 000 Ausbildungsverträge abgeschlossen - 2,6 Prozent weniger als im Vorjahr. Von diesem Rückgang sind vor allem junge Frauen betroffen: Die Zahl derer, die in eine duale Ausbildung einmündeten, sank in diesem Zeitraum erheblich, um 5 Prozent, die der jungen Männer dagegen nur geringfügig um 0,6 Prozent.
Schulische Voraussetzungen und Ausbildungschancen junger Frauen
Schulabgängerinnen haben ihre männlichen Mitschüler in der schulischen Erfolgsbilanz inzwischen überholt. Sie erreichen häufiger weiterführende Schulabschlüsse; das gilt für das Abitur wie für mittlere Bildungsabschlüsse (vgl. Tabelle 1, s. PDF).
Trotz ihrer - im Vergleich zu jungen Männern - weiterführenden Bildungsabschlüsse sind nur rund 40 Prozent der Auszubildenden im dualen System weiblichen Geschlechts.
Besonders ungünstig gestaltet sich die Situation für junge Frauen in Ostdeutschland und für jene mit Migrationshintergrund. Schulabsolventinnen in den ostdeutschen Bundesländern haben ein starkes Interesse daran, unmittelbar nach der Schule eine duale Ausbildung zu beginnen (49 Prozent) - häufiger als Schulabsolventinnen in den westdeutschen Ländern (34 Prozent).
Die Chancen junger Frauen ausländischer Herkunft beim Zugang zu einer dualen Ausbildung entsprechen gleichfalls nicht ihren Schulabschlüssen: Trotz besserer Schulabschlüsse im Vergleich zur männlichen Vergleichsgruppe und eines hohen Engagements an der ersten Schwelle hatten 2002 nur 31 Prozent der jungen Frauen mit ausländischem Pass Zugang zu einer Ausbildung im dualen System - noch seltener als männliche Jugendliche ausländischer Nationalität (37 Prozent), aber wesentlich seltener als junge deutsche Frauen (rund 54 Prozent). Ungeachtet ihrer verbesserten Bildungsabschlüsse im letzten Jahrzehnt hat sich der Anteil junger Frauen ausländischer Nationalität an einer Ausbildung im dualen System seit Mitte der neunziger Jahre nicht erhöht, sondern ist seither sogar rückläufig (1994: 34 Prozent).
Eine Folge hiervon ist, dass nach Auswertungen des Mikrozensus rund 41 Prozent der jungen Frauen ausländischer Nationalität ohne anerkannten Berufsabschluss bleiben (junge Männer: 36 Prozent) - aber nur 12 Prozent der jungen Frauen deutscher Nationalität im Alter zwischen 20 bis 30 Jahren.
Junge Frauen und Männer in der dualen Ausbildung
Rund die Hälfte der jungen Frauen eines Altersjahrgangs durchlief 2002 eine Ausbildung im dualen System - rund zwei Drittel waren es bei den jungen Männern. Damit bietet das duale System männlichen Schulabgängern weiterhin deutlich bessere Chancen einer qualifizierten Berufsausbildung als jungen Frauen. Die geschlechtsspezifische Einmündung in Ausbildungsberufe betrifft junge Männer wie Frauen gleichermaßen. Es gibt allerdings mehr männlich als weiblich dominierte Berufe und somit mehr Ausbildungsmöglichkeiten für junge Männer. In 56 Prozent der Ausbildungsberufe liegt der Anteil junger Männer bei über 60 Prozent, umgekehrt haben in nur 28 Prozent der Ausbildungsberufe Frauen einen Anteil von über 60 Prozent (vgl. Tabelle 2, s. PDF).
73 Prozent der jungen Männer erhalten eine berufliche Qualifizierung in einem männlich dominierten, 43 Prozent der jungen Frauen in einem weiblich dominierten Ausbildungsberuf. Der Anteil junger Männer in gemischt besetzten Berufen ist halb so groß wie der junger Frauen (11 Prozent zu 24 Prozent). Auch gehen Männer mit rund 6 Prozent seltener in überwiegend weiblich besetzte bzw. dominierte Ausbildungsbereiche als - umgekehrt - Frauen mit 18 Prozent in überwiegend männlich besetzte bzw. dominierte Ausbildungsdomänen. Die These einer geschlechtsspezifischen Einmündung in Ausbildungsberufe trifft damit auf junge Männer deutlich stärker zu als auf junge Frauen.
Im Vergleich zu ihrem bereits verhältnismäßig niedrigen Anteil von 40 Prozent im dualen System ist der Anteil junger Frauen an allen Auszubildenden des Handwerks mit 23 Prozent besonders gering. Im vergleichsweise kleinen Segment der Freien Berufe sind junge Frauen dagegen fast unter sich. Auch im Öffentlichen Dienst, der insgesamt nur knapp 3 Prozent aller Ausbildungsplätze bietet, sind sie mit einer knappen zwei Drittelmehrheit stark vertreten.
Die Frauen benachteiligende Konzentration auf dem Ausbildungsstellenmarkt wird auch darin deutlich, dass über die Hälfte der weiblichen Auszubildenden 2002 in nur zehn Berufen ausgebildet wurde (56 Prozent) - bei den jungen Männern waren es nur circa 20 Prozent.
Die Einmündung junger Frauen in ausgewählte Ausbildungsberufe
Junge Frauen werden am häufigsten als Bürokauffrauen ausgebildet, gefolgt von den Ausbildungsberufen Arzthelferin und Kauffrau im Einzelhandel. Sehr viele münden auch in eine Ausbildung zur Friseurin sowie zur Zahnmedizinischen Fachangestellten ein. Vergleichsweise gute Chancen haben junge Frauen in den "klassischen" wie "neuen" Dienstleistungsberufen.
Bislang ist es jedoch nicht gelungen, die Teilhabe junger Frauen in technisch orientierten Berufen zu steigern. Das gilt auch für Berufe der IT-Branche. In den gewerblichen Ausbildungsberufen geht der Anteil junger Frauen sogar seit Jahren kontinuierlich zurück. Dieser Rückgang gilt für Handwerksberufe wie Tischler/in (1991 9,3 Prozent, 2002 6,6 Prozent) bzw. Maler/in und Lackierer/in (1991 9,3, 2002 8,3) sowie für eine Reihe industrieller Fertigungsberufe. So ist der Anteil weiblicher Auszubildender bei den Industriemechaniker/innen (Fachrichtung Geräte- und Feinwerktechnik) zwischen 1991 und 2002 von 10 Prozent auf 5 Prozent gesunken. Auch in den Berufen der Holz- und Kunststoffverarbeitung wie in den Chemieberufen sind junge Frauen unterproportional vertreten (7 Prozent bzw. 17 Prozent). Nur 13 Prozent der Auszubildenden zum bzw. zur Chemikanten/in sind Frauen. Noch niedriger liegt ihr Anteil in den industriellen Elektro- und Metallberufen. Beispiele hierfür sind die Informationselektroniker/innen (Frauenanteil 2 Prozent), die Elektroinstallateur/innen (1 Prozent) aber auch die Gas- und Wasserinstallateur/innen (1 Prozent). Dies gilt auch für die Ausbildung als Mechatroniker/in (3 Prozent) bzw. als Energieelektroniker/in (2 Prozent).
Dass junge Frauen sich jedoch auch für technisch orientierte Berufe interessieren, zeigt ihre hohe Teilhabe bei den naturwissenschaftlichen bzw. technischen Laborberufen: 61 Prozent der Auszubildenden zum Chemielaboranten sind junge Frauen, 79 Prozent sind es bei den Biologielaboranten. Auch den Beruf des/der Zahntechniker/in lernen zu 61 Prozent junge Frauen (vgl. Tabelle 3, s. PDF).
Doch auch einige (wenige) andere Berufe im technischen Bereich sind für junge Frauen von Interesse. Dies gilt beispielsweise für die Ausbildung zur Vermessungstechnikerin bzw. zur Mediengestalterin Bild und Ton. Knapp jeder dritte Auszubildende in dieser Berufsgruppe ist eine Frau. Demgegenüber liegt der Anteil junger Frauen in den neuen gewerblich-technischen Berufen bei nur 5 Prozent. Auch ihre Teilhabe an den neuen IT-Berufen liegt mit 14 Prozent weit unter ihrem Anteil an allen neuen Berufen (23 Prozent). Gerade in den zwei stärker technisch orientierten Ausbildungsberufen der IT-Branche werden im Vergleich zu den eher kaufmännisch orientierten deutlich weniger Frauen ausgebildet (vgl. Tabelle 3, s. PDF).
Dass junge Frauen jedoch nicht generell vor neuen Technologien zurückschrecken, zeigt ein Beispiel aus dem Bereich Druck. Lag der Anteil junger Frauen im Ausbildungsberuf des/der Schriftsetzer/in 1987 noch bei 21 Prozent, so waren 2002 über die Hälfte der Auszubildenden im Beruf des/der Mediengestalters/in für Digital- und Printmedien junge Frauen (55 Prozent).
In nur sehr wenigen technisch orientierten Berufen haben junge Frauen einen hohen Anteil. Darunter befinden sich offensichtlich verstärkt solche Ausbildungsberufe, die auf "feinmotorisch-gestalterische Tätigkeiten" hindeuten. Dies gilt innerhalb der Elektroberufe für die Ausbildung zum bzw. zur Hörgeräteakustiker/in mit einem Frauenanteil von 64 Prozent. Im Ausbildungsberuf des bzw. der Mechatroniker/in liegt der Anteil der Frauen demgegenüber nur bei 3 Prozent. Auch in die Berufe der Glasherstellung bzw. -bearbeitung münden nur wenige junge Frauen ein (15 Prozent), bei den Feinoptikern sind es dagegen 36 Prozent. Für andere Berufsfelder lassen sich ähnliche Zusammenhänge zeigen.
Ursachen ungleicher Chancen in der beruflichen Ausbildung
Warum haben junge Frauen trotz ihrer Orientierung an Ausbildung und Beruf, ihrem hohen Engagement an der ersten Schwelle sowie ihrer größeren Bildungserfolge im Vergleich zu jungen Männern geringere Chancen auf dem Ausbildungsmarkt? Weshalb gelingt es ihnen nicht, ihre Bildungspotenziale in eine qualifizierte Ausbildung umzusetzen?
Der Verlauf des Übergangs junger Frauen in eine berufliche Ausbildung wird durch zahlreiche Bedingungen und Faktoren beeinflusst. Entsprechend stehen zu der eingangs gestellten Frage unterschiedliche Erklärungsansätze und Thesen zur Diskussion. Nicht selten beruhen diese Ergebnisse auf Untersuchungen bei jungen Frauen westdeutscher Herkunft. Inwieweit sie auf andere Zielgruppen übertragbar sind, kann daher nicht immer als gesichert gelten. Soweit vorliegende Untersuchungen verschiedene Gruppen junger Frauen berücksichtigen, beziehen wir dies in unsere folgenden Ausführungen ein.
Einflüsse sozialer Bezugspersonen: Eltern, Lehrer und Gleichaltrige
Einige Erklärungsansätze gehen von der Frage aus, inwieweit die ungleichen Bildungswege von Männern und Frauen bereits in der Herkunftsfamilie angelegt werden. Einerseits hat die Lebensweise der Eltern Modellcharakter, die - auch ohne dass sich die Beteiligten darüber im Klaren sind - die beruflichen Ziele und Vorstellungen der Töchter prägt. Andererseits sind auch die Interaktionen in der Familie und die Wahrnehmungsmuster gegenüber den Töchtern von Bedeutung. Nach Ergebnissen einer regional angelegten Studie in Hamburg
Als Gründe für die geringe Teilhabe junger Frauen an technisch orientierten Berufen wird in einer Reihe von Untersuchungen weiterhin die ungleiche Förderung in den naturwissenschaftlichen bzw. technischen Fächern in der Schule zur Diskussion gestellt.
Neben den Eltern neigen auch Lehrer zu einer Wahrnehmung, die von geschlechtsspezifischen Zuschreibungen geprägt ist und den Mädchen im Verhältnis zu Jungen nicht dieselben Fähigkeiten oder Interessen unterstellt. Diese Ergebnisse werfen jedoch auch die Frage auf, inwiefern die Sichtweise von Lehrern und Eltern die Selbsteinschätzung der Schülerinnen und damit tatsächlich auch ihr Berufswahlverhalten beeinflusst. So zeigen Untersuchungen, dass für junge Frauen auch gute Noten in Fächern wie Mathematik nicht in demselben Ausmaß wie bei jungen Männern dazu führen, dass sie sich für einen naturwissenschaftlichen bzw. technischen Beruf interessieren.
Außer Lehrern und Eltern werden auch die Gleichaltrigen zunehmend als soziale Bezugspersonen in der Phase der Berufsfindung zur Kenntnis genommen. Junge Frauen orientieren sich in der Phase der Berufsfindung auch an Geschwistern oder an Gleichaltrigen aus Schule und Nachbarschaft. Wie sich diese Einflüsse auf ihr Berufswahlverhalten auswirken, ist jedoch uneinheitlich und nicht generell zu beantworten.
Gelegenheiten des Ausbildungsmarktes als eine Voraussetzung der Berufsfindung
Zwar werden die Weichen für den Verlauf der Übergangsphase zwischen Schule und Ausbildung nach den bisher dargestellten Ergebnissen bereits früh und nicht erst mit dem Abschluss der allgemein bildenden Schule gestellt. Auch wurde ausgeführt, dass sich die Ausbildung nicht immer an die Schule anschließt und die Übergänge Zwischenschritte wie Praktika, Bewerbungsaktivitäten oder Zeiten der Arbeitslosigkeit umfassen. In welche Ausbildung junge Frauen schließlich einmünden, kann sich - so die Ergebnisse weiterer Untersuchungen - nicht nur im Verlauf der Übergänge zwischen Schule und Ausbildung noch verändern. Vielmehr ist ihre Einmündung in einen bestimmten Ausbildungsberuf auch ein direktes Resultat dieser Übergangsphase und der Gelegenheiten, welche die jungen Frauen dabei auf dem Ausbildungsmarkt vorfinden.
Unter dem Stichwort "Hauptsache eine Ausbildung" wurde angesichts der zunehmenden Verschlechterung der Lage auf dem Ausbildungsmarkt bereits in den achtziger Jahren diskutiert, inwieweit sich Jugendliche zwischen Schule und Ausbildung nicht an ihren Wünschen, sondern an den erreichbaren Optionen orientieren.
Im Gegenzug zu Ansätzen, die jungen Frauen eine Berufswahl als Folge einer Benachteiligung während ihrer bisherigen Sozialisation unterstellen, gilt hier die Berufsfindung als das Resultat der vorhandenen oder eben nicht vorhandenen Gelegenheiten auf einem lokalen Ausbildungsmarkt. Demnach ist die Einmündung in so genannte "frauenspezifische" Berufe und ihre geringe Teilhabe an technisch orientierten Berufen nicht (allein) eine Folge ihrer ursprünglichen Berufswahl, sondern insbesondere der Schwierigkeit, ihre Berufsziele angesichts fehlender Ausbildungsstellen umsetzen zu können. Ausschlaggebend ist dabei, wie junge Frauen diese Phase bewältigen und daraus weitere Strategien für ihren Einstieg in eine Ausbildung entwickeln. Der Schulabschluss oder auch die Sozialisation im persönlichen Umfeld sind hierbei immer noch bedeutsam, doch haben die vom lokalen Ausbildungsmarkt geprägten Möglichkeiten erheblich an Einfluss gewonnen.
"Doing Gender" in der Wahrnehmung und Vergabe von Ausbildungsberufen
Auch wenn der Einstieg in eine Ausbildung gelingt, erfahren junge Frauen und Männer im Berufsbildungssystem in der Mehrzahl deutlich verschiedene Platzierungen.
Für einen solchen Erklärungsansatz sprechen auch folgende Ergebnisse: Berufsbezeichnungen werden von Schulabgängerinnen und Schulabgängern unterschiedlich wahrgenommen und bewertet. Mädchen und Jungen assoziieren mit denselben Berufsbezeichnungen z.B. unterschiedliche Tätigkeitsmerkmale oder unterschiedliche Eigenschaften von Personen, die diese Berufe ausüben.
Auch die Rekrutierungspraktiken der Betriebe sind entgegen dem eigenen Selbstverständnis nicht immer geschlechtsneutral. Zwar gehen Unternehmen der IT-Branche in einer Befragung mehrheitlich davon aus, junge Frauen könnten vorrangig durch ein Mehr an technikorientierten Betriebspraktika sowie durch eine Verstärkung der Kontakte zu jungen Frauen in Schule und Berufsberatung für eine Ausbildung in einem IT-Beruf gewonnen werden.
Ausblick
Der erhebliche Rückgang des Angebots an betrieblichen Lehrstellen trifft besonders junge Frauen. Inwieweit dies durch die Einführung einer Ausbildungsplatzabgabe tatsächlich verändert werden kann, bleibt abzuwarten. Eine weitere Ausgrenzung junger Frauen aus dualer Ausbildung, die sich verschärft und über Jahre hinzieht, würde möglicherweise bildungspolitische Errungenschaften gefährden: Dies gilt insbesondere dann, wenn junge Frauen von qualifizierten Ausbildungsplätzen ausgeschlossen und der Anteil junger Frauen ohne anerkannten Berufsabschluss steigen sollte.
Doch eine alternde Gesellschaft, die bereits in den nächsten Jahren vor einschneidenden demografischen Veränderungen steht, kann es sich nicht leisten, auf das Qualifizierungs- und Nachwuchspotenzial junger Frauen zu verzichten. Umgekehrt gilt es bereits heute, ihre Kompetenzen und Profile auch in technisch orientierten Berufen stärker auszuschöpfen. Denn aufgrund der demografischen Entwicklung ist absehbar, dass Auszubildende und junge Fachkräfte in wenigen Jahren in Ostdeutschland und spätestens in zehn Jahren auch in Westdeutschland Mangelware sein werden. Das haben Wirtschaft und Politik im Prinzip erkannt. Mit dem Ziel, den Anteil junger Frauen in den IT-Berufen auf 40 Prozent im Jahr 2005 zu steigern, wurde eine facettenreiche Informationskampagne gestartet, um mehr junge Frauen für eine Ausbildung in einem informationstechnischen Beruf zu gewinnen. Solche Maßnahmen - wie auch der Girl`s Day - konzentrieren sich darauf, das Interesse junger Frauen an einem technisch orientierten Beruf u.a. in der IT-Branche zu wecken. Sie müssten jedoch deutlich stärker als bisher durch Aktivitäten flankiert werden, die darauf zielen, dass sich erstens junge Frauen auch tatsächlich für einen solchen Beruf entscheiden und zweitens, dass von jenen, die sich in einem technisch orientierten Beruf bewerben, deutlich mehr als bisher auch tatsächlich einen Ausbildungsplatz sowie die Aussicht auf eine qualifizierte Beschäftigung erhalten.
Im Hinblick auf das Ziel, junge Frauen für technische Berufe zu gewinnen, existiert eine Bandbreite von Möglichkeiten, wie beispielsweise Schnupperpraktika bei Betrieben, bessere Nutzung von Assessment-Verfahren (z.B. TASTE
Weiterhin geht es darum, in Betrieben und Verwaltungen bei der Einstellung in technisch orientierten Berufen stärker als bisher geschlechtersensible Auswahlverfahren zu nutzen. Einstellungstests wie betriebliche Auswahlverfahren sollten also darauf hin überprüft werden, inwieweit sie noch implizit oder explizit Elemente enthalten, die eine geschlechtsspezifische Auswahl bedingen. In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu achten, dass junge Frauen nach Abschluss ihrer Ausbildung in einem technisch orientierten Beruf ebenso wie männliche Ausbildungsabsolventen von ihrem Ausbildungsbetrieb ein fachlich adäquates Übernahmeangebot erhalten.
Doch die geschlechtsspezifische Segmentierung trifft - wie die vorliegenden Analysen zeigen - nicht nur junge Frauen. Noch stärker als junge Frauen münden junge Männer in Berufe ein, in der vorwiegend junge Männer ausgebildet werden. Der Blick von Wissenschaft und Politik hat sich bislang zu sehr darauf konzentriert den Anteil junger Frauen in männerdominierten Bereichen zu erhöhen. Ergänzend hierzu sind Angebote notwendig, die das Berufswahlspektrum junger Männer ausweiten, um ihren Anteil in frauendominierten Berufen zu steigern. So gesehen sind die Qualifikationspotenziale junger Frauen wie Männer bislang noch nicht in voller Breite erschlossen. Wie es bei den Mädchen an weiblichen Vorbildern in technischen Berufen bzw. in Führungspositionen mangelt, so fehlt es den Jungen an männlichen Vorbildern in pflegenden, sozialen und ähnlichen von Frauen dominierten Bereichen. Eine Kampagne, die sich zum Ziel setzt, den Anteil junger Männer in diesen Bereichen zu erhöhen, könnte auch dazu beitragen, dass die Leistungen, die Frauen in den so genannten Frauenberufen erbringen, positiver bewertet und diese damit attraktiver würden.
Ob es darum geht, dass junge Männer stärker in so genannte Frauenberufe oder umgekehrt junge Frauen stärker in so genannte Männerberufe Eingang finden, die Signalwirkung, die von den Berufsbezeichnungen ausgeht und die bei Mädchen und Jungen unterschiedliche Assoziationen hervorrufen, sollte stärker berücksichtigt werden. Daher gilt es bei der Schaffung neuer Berufe bzw. bei Neuordnungen Berufsbezeichnungen zukünftig so einzusetzen, dass sie insbesondere auf die Zielgruppe attraktiv wirken, die damit stärker als bisher angesprochen werden soll, also Mädchen für technische und Jungen für soziale und pflegerische Berufe.