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Editorial | Arbeit: Ausbildung - Beruf - Qualifizierung | bpb.de

Arbeit: Ausbildung - Beruf - Qualifizierung Editorial Fachkräftemangel bedroht Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft Berufliche Weiterbildung am Scheideweg Bildungsförderung, Verteilungspolitik und soziale Durchlässigkeit Neue Wege der Berufsausbildung Junge Frauen: Bessere Schulabschlüsse - aber weniger Chancen beim Übergang in die Berufsausbildung Neue Berufsbiografien und alter Sozialstaat?

Editorial

Katharina Belwe

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Berufliche Aus- und Weiterbildung sind wesentliche Voraussetzungen für einen sicheren Arbeitsplatz. Die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften steigt ständig, die Chancen gering qualifizierter bzw. ungelernter Arbeitskräfte auf eine Beschäftigung nehmen ab.

Berufliche Aus- und Weiterbildung sind wesentliche Voraussetzungen für einen sicheren Arbeitsplatz und ein gutes Einkommen. Zugleich handelt es sich dabei um eine wichtige gesellschaftliche und wirtschaftliche Aufgabe, denn die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften steigt ständig. Umgekehrt nehmen die Chancen gering qualifizierter bzw. ungelernter Arbeitskräfte auf eine Beschäftigung ab. Auch wenn man es sich angesichts 4,5 Millionen registrierter Arbeitsloser nur schwer vorstellen kann, Deutschland wird auf mittlere Sicht unter Fachkräftemangel leiden. Eine wesentliche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die demografische Entwicklung. Für Ende dieses Jahrzehnts wird mit einem spürbaren Rückgang des Anteils junger Menschen gerechnet. Dann wird es noch mehr darauf ankommen, das vorhandene Begabungspotenzial voll auszuschöpfen.

Für Alexander Reinberg und Markus Hummel liegt die Lösung des Problems in verstärkten Bildungsinvestitionen in die nachrückenden Generationen. Sie fordern eine breit angelegte Bildungsoffensive auf allen Ebenen der allgemeinen und beruflichen Qualifizierung sowie der Weiterbildung. Da Qualifizierungsprozesse langfristiger Natur seien, sollte diese Offensive möglichst bald einsetzen. Und sie sollte den veränderten Anforderungen gerecht werden - so Volker Baethge-Kinsky, Ruth Holm und Knut Tullius. Der oder die Einzelne müssten heute eine größere Verantwortung für die eigene Erwerbs- und Bildungsbiografie übernehmen als in der Vergangenheit. Die dafür erforderlichen institutionellen Rahmenbedingungen gelte es allerdings noch zu schaffen.

Dass der Staat keine nachhaltigen bildungspolitischen Maßnahmen ergreift, liegt für Werner Schönig und Oliver Farhauer in der Logik des politischen Systems: Politiker müssen an kurzfristigen Erfolgen interessiert sein, wenn sie wiedergewählt werden wollen. Für nachhaltige Investitionen des Staates "in die Köpfe seiner Bevölkerung" fehle ihnen der lange Atem. Die politische Voraussetzung für einen bildungspolitischen Kurswechsel sehen die Autoren in der Zustimmung privilegierter Schichten zur verstärkten Förderung benachteiligter Kinder.

Der sinkenden Ausbildungsbereitschaft der Betriebe bei steigender Nachfrage nach Ausbildungsstellen soll nun durch den Mitte Juni geschlossenen Ausbildungspakt mit der Wirtschaft begegnet werden. Damit ist die Ausbildungsplatzabgabe - für Reinhard Zedler ohnehin das falsche Signal - erst einmal vom Tisch. Denn diese würde nach Zedler nicht zu einem Zuwachs, sondern zu einem Rückgang des Lehrstellenangebotes führen. Der Autor verweist auf ungenutzte Ressourcen und diskutiert andere Möglichkeiten zur Förderung der betrieblichen Ausbildungsbereitschaft, etwa eine flexiblere Gestaltung der Ausbildungsvergütung.

Junge Frauen sind vom Rückgang des Angebots an betrieblichen Lehrstellen besonders betroffen. Ungeachtet größerer Bildungserfolge werden sie beim Zugang zu qualifizierten Ausbildungsplätzen benachteiligt. Mona Granato und Karin Schittenhelm haben untersucht, wie junge Frauen sich nach Abschluss der Schule orientieren und inwieweit sie ihre Ausbildungsziele realisieren können.

Der Beruf werde seine Prägekraft für eine ganze Erwerbsbiografie verlieren, schreibt Christoph Strünck. Beschäftigungsverhältnisse würden bunter und brüchiger, Menschen wechselten von abhängiger Beschäftigung in Selbstständigkeit, in Arbeitslosigkeit, in Kindererziehung, in Weiterbildung oder auch in geringfügige Beschäftigung. Der auf Vollbeschäftigung ausgerichtete deutsche Sozialstaat sei allerdings auf die Flexibilisierung von Berufen und Beschäftigungsverhältnissen nicht besonders gut vorbereitet.