Einleitung
Die Erneuerbaren Energien (engl. renewables) waren Anfang Juni 2004 das Thema einer internationalen Konferenz in Bonn, zu der die Bundesregierung eingeladen hatte. Bei dem viertägigen Treffen sollten rund 3000 Teilnehmer aus über 150 Ländern die Weichen für den globalen Ausbau der Erneuerbaren Energien stellen. Regierungsvertreter und internationale Organisationen wie das UN-Umweltprogramm (UNEP) und die Weltbank verhandelten mit Unternehmern, Wissenschaftlern und Vertretern von Verbänden und Nichtregierungsorganisationen. Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte auf dem UN-Umweltgipfel in Johannesburg 2002 die internationale Konferenz angekündigt. Damals war beschlossen worden, den globalen Anteil an Erneuerbaren Energien substanziell und nachdrücklich zu erhöhen.
Zur Eröffnung betonte Bundesumweltminister Jürgen Trittin, die Erneuerbaren Energien seien unerschöpflich und fast überall verfügbar; zudem verringerten sie die Abhängigkeit vom Öl. Außerdem seien sie "ein wesentlicher Schlüssel für die globale Bekämpfung der Armut"
Die Beratungen der "Renewables"-Konferenz mündeten in einen internationalen Aktionsplan, der einzelne Maßnahmen und freiwillige Verpflichtungen einzelner Länder und Regionen zusammenfasst. Trittin lobte die Ergebnisse der Konferenz: "Der Aktionsplan wird Investitionen in Milliardenhöhe mobilisieren, die in die Energiegewinnung aus Wind, Sonne, Biomasse und Erdwärme gehen. Dies hilft auch dem Klima. Mit der Umsetzung dieser Maßnahmen wird der weltweite Ausstoß von Kohlendioxid in steigendem Maße sinken: Im Jahre 2015 wird sich die zu erwartende CO2-Einsparung auf schätzungsweise 1,2 Milliarden Tonnen pro Jahr belaufen. Die Renewables 2004 ist ein Meilenstein für den Übergang zu einem Energiesystem, das den Klimaschutz und die realen Entwicklungschancen der Armen dieser Welt gleichermaßen in den Mittelpunkt rückt."
Nachhaltigkeit als Maßstab von Regierungshandeln
Der Konferenz ist es demnach gelungen, Ergebnisse fern von politischer Akklamation zu erreichen, den Stillstand von Johannesburg 2002 zu überwinden und Partnerschaften zu schmieden, die eine nachhaltige Energiepolitik ermöglichen. Dies ist essentiell, denn nur im Zusammenspiel ökonomischer, ökologischer und sozialer Interessen und ihrer politischen Akteure kann Nachhaltigkeit die entscheidende Durchschlagskraft als gesellschaftliches, politisches und ökonomisches Strukturprinzip im politischen System entfalten.
Im Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung 1998 Nachhaltigkeit zum Maßstab ihres Handelns bestimmt und dies bei ihrer Wiederwahl im Jahre 2002 bekräftigt.
Der Nachhaltigkeitsgedanke der Bundesregierung fußt auf dem Drei-Säulen-Modell: Der Begriff der Nachhaltigkeit, wie er im Brundtland-Report und der Rio-Deklaration entwickelt wird, hebt die engen Beziehungen zwischen ökologischer, ökonomischer und sozialer Entwicklung hervor. Zwischen politischen und gesellschaftlichen Akteuren ist es weitgehend unumstritten, dass die Umsetzung des Leitbildes eines umfassenden Strategieansatzes bedarf, der die verschiedenen Dimensionen integriert. Daher müssen ökologische, ökonomische und soziale Fragen in ihrer wechselseitigen Abhängigkeit betrachtet und Zielkonflikte und Trade-off-Probleme in einem "magischen Dreieck" (Udo Simonis) - oder auch Viereck oder Fünfeck, je nach Konzeption und damit Anzahl der Dimensionen - zum Ausgleich gebracht werden.
Demgegenüber fordern "Drei-Säulen-Modelle" die Gleichrangigkeit der verschiedenen Dimensionen. Zwei Argumentationslinien, die alternativ, teilweise aber auch parallel verwendet werden, begründen dies. Die erste geht davon aus, dass sich die Frage, auf welche Hinterlassenschaft kommende Generationen einen Anspruch haben, nicht nur aus rein ökologischem Blickwinkel klären lässt. Ökonomische, soziale und kulturelle Werte werden als Ressourcen angesehen, die dazu beitragen, menschliche Bedürfnisse zu befriedigen. In Konzepten, die sich so positionieren, wird der Begriff der Nachhaltigkeit positiv bestimmt, indem Mindestbedingungen formuliert werden, auf deren Einhaltung künftige Generationen einen moralischen Anspruch haben.
Dagegen geht eine andere Argumentationslinie davon aus, dass sich der Handlungsspielraum nachhaltiger Entwicklung aus der Tragfähigkeit oder den Belastungsgrenzen natürlicher und gesellschaftlicher Systeme ergibt. Die zivilisatorische Entwicklung werde nicht nur durch ökologische, sondern ebenso durch ökonomische, soziale und politische Risiken bedroht. Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft werden als unterschiedlich strukturierte, eigenständige, aber miteinander gekoppelte Subsysteme betrachtet, deren Funktionsfähigkeit und Störungsresistenz es im Interesse zukünftiger Generationen zu erhalten gelte.
Einer weiteren Dimension, der institutionellen Frage, widmen sich nur wenige Autoren. "Während bei den übrigen Dimensionen im Mittelpunkt steht, was nachhaltige Entwicklung aus ökologischer, ökonomischer, sozialer und kultureller Sicht inhaltlich bedeutet, geht es bei der institutionellen Dimension um die Frage, wie eine nachhaltige Entwicklung umgesetzt werden könnte bzw. welche Qualitäten Institutionen haben müssten, um dieser Aufgabe gerecht zu werden."
Dieser Weg ist beschwerlich, aber unerlässlich. Gerade weil er von allen Beteiligten ein hohes Maß an Diskussionsbereitschaft, Konsensfreude und Durchsetzungswillen verlangt, ist er der einzig gangbare, um Nachhaltigkeit als gesellschaftliches und politisches Steuerungsprojekt zukunftsfähig und dauerhaft zu installieren.
Das EEG - Vorbildfunktion für eine Energiewende
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz gilt als Prestigeobjekt der Bundesregierung, wenn es um die Umsetzung einer Nachhaltigkeitsstrategie geht. Das EEG ist weltweit Vorreiter für eine Zukunft, die auf Erneuerbare Energien baut.
Das EEG-Gesetz wurde von Protagonisten der Erneuerbaren Energien als Meilenstein auf dem Weg ins Jahrhundert der Erneuerbaren Energien gefeiert. Auch gab es große Unterstützung von der Erneuerbare-Energien-Branche, aber auch von der IG Metall und dem Bauernverband. Zum 1.Januar 2004 verabschiedete der Gesetzgeber zusätzlich ein Fotovoltaik-Vorschaltgesetz. Am 2.April 2004 hat der Deutsche Bundestag die Novelle des EEG-Gesetzes
Aus Sicht des BMU wurden die Rahmenbedingungen für die Einspeisung, Übertragung und Verteilung von Strom aus Erneuerbaren Energien deutlich verbessert: "Die Novelle des EEG wird die positive Entwicklung der Erneuerbaren Energien weiter verstetigen und auf alle Bereiche regenerativer Energien ausdehnen. Dies gilt allen voran für die Bioenergien, (...) aber auch für die Bereiche Erdwärme und Fotovoltaik. (...) Großen Wert haben wir dabei auf den innovativen Charakter dieses Gesetzes gelegt, das eine jährlich sinkende Vergütung und starke Anreize für die breite Einführung der modernsten Technologien setzt. Insgesamt wird es somit möglich sein, in wenigen Jahren mit sinkenden Kosten immer mehr Strom durch regenerative Energien zu produzieren. Schon heute werden mit dem EEG etwa neben weiteren Luftschadstoffen mehr als 36 Mio. Tonnen klimaschädliches CO2 vermieden. Unser Ziel wird es sein, den Anteil der Erneuerbaren Energien kontinuierlich auf mindestens 20 Prozent bis zum Jahre 2020 zu erhöhen."
Während der BUND und andere Umweltverbände die EEG-Novelle als "großen Schritt nach vorn"
Der Bundesverband Erneuerbarer Energie e.V. (BEE) wie auch das Aktionsbündnis Erneuerbare Energien, eine Allianz aus bundesweit 30 Organisationen von Gewerkschaften und Industrieverbänden, BUND-Jugend und Kirchen bis hin zu Verbraucherschützern, unterstützen die EEG-Novelle einhellig: "Mit diesem Gesetz wird endlich eine Wende in der Energiepolitik erkennbar",
Während die Solarindustrie positiv auf das EEG reagierte und betonte, dass es jetzt Investitionssicherheit beim Wettlauf um den Spitzenplatz in dieser globalen Schlüsseltechnologie gebe,
Zu einer Einigung zwischen den Kontrahenten auf der politischen Bühne konnte es nur durch ein vom Kanzler initiiertes Spitzengespräch zwischen Vertretern von Politik, Verbänden und Stromversorgern zur zukünftigen Energiepolitik kommen. Wesentliche Argumentationen dieser Verhandlungsrunde wurden in die EEG-Novelle integriert, die Trittin schließlich als "guten Kompromiss" bezeichnete.
Leitlinien nachhaltiger Energiepolitik
Das novellierte EEG gehört zu den wirkungsvollsten und effizientesten Klimaschutzinstrumenten in Deutschland. Eine gemeinsame Forschungsskizze des Instituts für Technische Thermodynamik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Stuttgart, des Instituts für Energie- und Umweltforschung (ifeu) in Heidelberg und des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie betont, dass das Wachstum Erneuerbarer Energien in der Vergangenheit wesentlich durch die Gegebenheiten der bundesdeutschen Förderpolitik geprägt war. Es habe aber Rückschläge auf dem Weg zu einer breiteren Markteinführung von Erneuerbarer Energien gegeben. Erst seit kurzer Zeit zeichne sich, nicht zuletzt durch die Etablierung des EEG und seiner stetigen Weiterentwicklung sowie aufgrund der glaubwürdigen Zielsetzung einer Verdopplung des Beitrags Erneuerbarer Energien bis 2010, eine zielstrebigere Ausbaustrategie ab.
Als Orientierungsrahmen für eine nachhaltige Gestaltung der Energiepolitik formulieren die beteiligten Institute folgende Leitlinien: Zugang und Verteilungsgerechtigkeit für alle; effektive Ressourcenschonung; Umwelt-, Klima- und Gesundheitsverträglichkeit; soziale Verträglichkeit; Risikoarmut und Fehlertoleranz; umfassende Wirtschaftlichkeit; bedarfsgerechte Nutzungsmöglichkeit und dauerhafte Versorgungssicherheit; Verstärkung internationaler Kooperation.
Die Studie verdeutlicht, dass im Gegensatz zu den unterschiedlichen Vorstellungen über mögliche Effizienzsteigerungen, zum zukünftigen Einsatz der Kernenergie und zu den Möglichkeiten einer Kohlendioxid-Rückhaltung nahezu alle aktuellen Untersuchungen zu der Aussage gelangen, dass nur eine deutliche Steigerung des Beitrags Erneuerbarer Energien die Chance bietet, in einen nachhaltigen Energiepfad einzuschwenken. Der Einsatz moderner Technologien zur Nutzung Erneuerbarer Energien müsste deshalb bis 2050 um das 24fache wachsen, um etwa 75 Prozent des Gesamtbedarfs zu decken.
Interessenausgleich in Netzwerken und Institutionen
Konsistente, langfristig angelegte Strategien sowie kraftvolles politisches Handeln auf nationaler und internationaler Ebene sind notwendig, weil langfristige Perspektiven eine entscheidende Grundlage für Investitionsentscheidungen im industriellen Sektor darstellen. Die Intensivierung von Netzwerkstrukturen ist besonders wichtig, um die technologischen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Kapazitäten in den Industrie- und Entwicklungsländern auszubauen. Insbesondere auf der Nachfrageseite, also beim Bewusstsein und dem Verhalten der Verbraucher, aber auch bei derpolitisch-gesellschaftlichen Durchsetzung des Strukturwandels erfüllen zivilgesellschaftliche Netzwerke wichtige Funktionen für die Energiewende. Deshalb sollte der Austausch aller gesellschaftlichen Akteure über Zielsetzungen, Maßnahmen und Partnerschaften einer nachhaltigen Entwicklung verbessert werden. Dem Aufbau neuer Partnerschaften zwischen staatlichen, zivilgesellschaftlichen und privatwirtschaftlichen Akteuren (Public-Private-Partnerships) kommt in den nächsten Jahren große Bedeutung zu.
Da Zukunftsfähigkeit auch Langzeitpolitik verlangt, sind institutionelle Innovationen gefragt, die den Mangel an Langzeitorientierung im vom Parteienwettbewerb geprägten politischen System ausgleichen, ferner Institutionen, die Kommunikation, Konfliktaustragung und Konsensfindung unterstützen. Da Zukunftsfähigkeit nur als gesamtgesellschaftliches Anliegen zu begreifen und zu bewältigen ist, kann es aber nicht an eine Institution delegiert werden, sondern bedarf des Zusammenwirkens einer Vielzahl von Akteuren, um Zielkonflikte auszubalancieren.
In diesem Sinne ist Nachhaltigkeit kein starres Programm, das Ziele und Mittel festlegt und klare Anweisungen zum Handeln bereithält, sondern eine "regulative Idee", ein ständiger Suchprozess. Die Ziele müssen global und langfristig anvisiert werden. Die Maßnahmen und Programme, um diese Ziele zu erreichen, müssen dagegen lokal und kurzfristiger angelegt sein. Ein Beispiel dafür ist das EEG bzw. seine Novelle.
Internet-Hinweise der Autorin
Externer Link: www.bmu.de
Externer Link: www.umweltlexikon-online.de
Externer Link: www.erneuerbare-energien.de
Externer Link: www.nachhaltigkeit.aachener-stiftung.de