Einleitung
Francis Lieber wurde von Abraham Lincoln im Jahre 1862 beauftragt, ein Militärhandbuch für die Unionstruppen zu erstellen.
Auch sein Zeitgenosse Henri Dunant wurde als Zeuge der Schlacht von Solferino im Jahre 1859 von dem Wunsch getrieben, den Krieg wenigstens der monströsesten inhumanen Ausprägungen zu berauben.
Stattdessen erweckt die tägliche Zeitungslektüre den Eindruck, dass sich die Armeen dieser Welt um das humanitäre Völkerrecht nicht mehr kümmern. Nachfolgend werden wir dies an Beispielen deutlich machen. Die These der selbst ernannten Realisten scheint zu stimmen: Die Staaten sehen sich nur an das Völkerrecht gebunden, wenn nicht wichtigere nationale Interessen dem im Wege stehen. Das Völkerrecht ist in der Frage, ob und mit welchen Mitteln Krieg geführt werden soll, relativ wirkungslos, weil die nationalen Interessen derart gewichtig sind.
Nachfolgend möchte ich dieser These von der Unwirksamkeit des humanitären Völkerrechts jedoch widersprechen. Es soll deutlich werden, weshalb sich nicht nur der moralisch, sondern auch der zweckrational handelnde Akteur bei genauer Überlegung an das humanitäre Völkerrecht hält - sprich: weshalb es im Sinne Kants sittlich, aber auch klug ist, das humanitäre Völkerrecht zu beachten.
Beispiele aus bewaffneten Konflikten
Fünf markante Problembereiche scheinen die Ansicht zu bestätigen, dass das humanitäre Völkerrecht seine Akzeptanz unter den Kriegsparteien und seine sich daraus ergebende Wirkung verloren hat: erstens der Luftkrieg der USA in Afghanistan, zweitens der Terrorismus in Israel, im Irak und in den USA, drittens das Verhalten der israelischen Armee in den besetzten Gebieten, viertens der Streit um den Kriegsgefangenen-Status von Mitgliedern der Taliban bzw. der Al-Qaida auf Guantanamo und fünftens die Folter von Gefangenen im Rahmen des "Kriegs gegen den Terrorismus". Die ersten drei Punkte behandeln wir unter dem Titel des Schutzes der Zivilbevölkerung, die beiden letzten Punkte unter dem Titel der Behandlung von Kriegsgefangenen.
Der Schutz der Zivilbevölkerung
Das Bedürfnis nach verstärktem Schutz der potenziellen Opfer nichtinternationaler Kriege belegt die folgende Tatsache: Während die Zivilbevölkerung im Ersten Weltkrieg (je nach Schätzung) 5 - 15 Prozent der Opfer ausmachte, liegt diese Zahl in den Konflikten der neunziger Jahre bei 90 - 95 Prozent.
Es sollen hier nicht etwa Menschenleben gegeneinander aufgerechnet werden. Vielmehr ist festzustellen, dass das humanitäre Völkerrecht sowohl terroristische Anschläge als auch die krasse Nichtbeachtung möglicher ziviler Opfer unter demselben Tatbestand als Kriegsverbrechen behandelt und verbietet. Der einschlägige Begriff lautet: indiskriminierende Kriegsführung. Damit bezeichnet man eine Kriegsführung, die nicht zwischen Angriffen auf Kombattanten einerseits und auf die Zivilbevölkerung andererseits unterscheidet. Denn das Kriegsrecht
Gleichzeitig lässt es das humanitäre Völkerrecht aber auch nicht zu, dass eine Unterscheidung bei der Beurteilung von Völkerrechtsverbrechen gemacht wird, je nachdem, ob die Opfer durch "böse Terroristen" oder durch "gute Soldaten" verursacht wurden. Die sprachliche Verunglimpfung von zivilen Opfern als "Kollateralschäden" lässt das humanitäre Völkerrecht nicht zu. Edward S. Herman brachte diese Schizophrenie auf den Punkt: "We're the good guys, so if we killed some innocent people, well, we didn't do it on purpose. The bad guys, on the other hand, are being bad intentionally."
A. P. V. Rogers schlägt vor, die Bestimmung von Art. 57 Abs. 2 lit. a (i) des 1. ZP
"If the target is sufficiently important, higher commanders may be prepared to accept a greater degree of risk to the aircraft crew to ensure that the target is properly identified and accurately attacked. (...) However, if the target is assessed as not being worth that risk and a minimum operational altitude is set for their protection, the aircrew involved will have to make their own assessment of the risks involved in verifying and attacking the assigned target. If their assessment is that (a) the risk to them of getting close enough to the target to identify it properly is too high, (b) that there is a real danger of incidental death, injury or damage to civilians or civilian objects because of lack of verification of the target, and (c) they or friendly forces are not in immediate danger if the attack is not carried out, there is no need for them to put themselves at risk to verify the target. Quite simply, the attack should not be carried out."
Nicht nur die angreifende, sondern auch die verteidigende Partei trifft eine Verantwortung für den Schutz der Zivilbevölkerung. Diese völkergewohnheitsrechtliche Verpflichtung entspringt für die Vertragsstaaten des 1. ZP zudem aus Art. 58 und verlangt, "soweit dies praktisch irgend möglich ist", a) Zivilpersonen und zivile Objekte aus der Umgebung militärischer Ziele zu entfernen, b) keine militärischen Ziele in dicht bevölkerten Gebieten anzulegen und c) die Zivilbevölkerung durch weitere Maßnahmen möglichst vor den Gefahren zu schützen. Wenn diese Regel nicht befolgt wird, ist die angreifende Partei zwar nicht von ihren Sorgfaltspflichten bei der Festlegung der Angriffsziele befreit, doch verschiebt sich in Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips die Hauptverantwortung für Schädigungen der Zivilbevölkerung in Richtung verteidigende Partei (z.B. bei der militär- oder völkerstrafrechtlichen Beurteilung).
Die israelische Armee zeigt im Umgang mit der palästinensischen Bevölkerung insbesondere eine Tendenz zu Kollektivstrafen (wie z.B. Häuserzerstörungen).
"(1) Keine geschützte Person darf für eine Übertretung bestraft werden, die sie nicht persönlich begangen hat. Kollektivstrafen wie auch jede Maßnahme zur Einschüchterung oder Terrorisierung sind verboten. (2) Die Plünderung ist verboten. (3) Vergeltungsmassnahmen gegen geschützte Personen und ihr Eigentum sind verboten."
Das heißt, die von der israelischen Armee in rund 1000 Fällen angewandte Methode der Zerstörung von Häusern von Familien mutmaßlicher Terroristen ist nicht zulässig, weil sie eine Form der Kollektivstrafe darstellt. Ebenfalls verboten sind nach Abs. 3 jegliche ungerechtfertigten Zerstörungen des Eigentums der Palästinenser.
Die Behandlung von Kriegsgefangenen
Wem der Status eines Kriegsgefangenen zugesprochen wird, der hat zu jedem Zeitpunkt das Recht auf eine humane Behandlung durch die ihn gefangen haltende Kriegspartei. Die USA weigerten sich zunächst, den festgenommenen Taliban- und Al-Qaida-Mitgliedern den Schutz der Genfer Konventionen zukommen zu lassen. Nach heftigen Protesten im In- und Ausland gab Präsident Bush am 7. Februar 2002 folgende Lösung bekannt: Die Genfer Konventionen gelten für die Auseinandersetzung zwischen den Taliban und den USA, nicht aber für die nichtstaatliche Al-Qaida. Weder den Taliban- noch den Al-Qaida-Mitgliedern wird aber der Kriegsgefangenenstatus zugesprochen. Sie sollen trotzdem alle eine humane Behandlung im Sinne der Genfer Konventionen erfahren.
Zwar ist es richtig, die Taliban und die Al-Qaida innerhalb des Afghanistankriegs separat zu betrachten. In diesem Sinne ist es auch vertretbar, wenn die Al-Qaida-Mitglieder als illegale Kombattanten nicht in den Genuss des Kriegsgefangenen-Status kommen, da es sich um eine kriminelle Organisation handelt. Somit dürfen sie für alle Kampfhandlungen strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden, weil diese nicht als Akte in einem bewaffneten Konflikt legitimiert sind. Doch selbst dann noch unterstehen die während der kriegerischen Auseinandersetzung festgenommenen Al-Qaida-Kämpfer dem Schutz der Genfer Konventionen - wie jede andere zivile, wenn auch kriminelle Person, die während eines bewaffneten Konfliktes in die Fänge der gegnerischen Partei gerät.
Unhaltbar ist die Argumentation des Weißen Hauses für die Entscheidung, den Taliban den Kriegsgefangenenstatus aus dem Grunde zu verweigern, weil sie keine Uniformen getragen und sich so nicht genügend von der Zivilbevölkerung unterschieden hätten. Denn diese Kriterien gelten nach Art. 4 A Ziff. 2 der Dritten Genfer Konvention und nach Art. 44 Abs. 3 des 1. ZP nur für Milizen und freiwillige Korps, die nicht Bestandteil einer offiziellen Kriegspartei sind. Die Taliban sind jedoch ohne Zweifel eine offizielle Kriegspartei im Afghanistankrieg.
Über die Beweggründe, warum sich die USA so strikt gegen die Gewährung des Kriegsgefangenenstatus für die Taliban wehrten, wurde viel spekuliert, zumal die USA nie eine detaillierte Begründung für ihre Entscheidung gegeben hatten. Erst recht ging man auf das Verlangen des Internationalen Roten Kreuzes (IKRK) nicht ein, für das Festhalten jedes Gefangenen eine rechtliche Begründung zu geben. Kommentatoren versuchen, sich das Verhalten der USA unter Bezugnahme auf drei vermeintliche oder tatsächliche Beschränkungen zu erklären, die das humanitäre Völkerrecht den USA auferlegen würde, wenn sie die Taliban als Kriegsgefangene anerkennen würden:
Erstens wird vorgebracht, dass Kriegsgefangene nur zu Angaben über ihre Person befragt werden dürfen, womit Befragungen über weitere Terror-Pläne nicht zulässig wären. Hierbei handelt es sich vielleicht um eines der am weitesten verbreiteten Missverständnisse auf dem Gebiet des humanitären Völkerrechts: Art. 17 Abs. 1 der Dritten Genfer Konvention handelt von einer Pflicht des Kriegsgefangenen. "Jeder Kriegsgefangene ist auf Befragen hin nur zur Nennung seines Namens, Vornamens und Grades, seines Geburtsdatums und der Matrikelnummer (...) verpflichtet." Wenn er wissentlich gegen diese Vorschrift verstößt, dürfen ihm von der ihn gefangen haltenden Partei Vergünstigungen aberkannt werden (Abs. 2). Dies ist die einzige zulässige Sanktion für die Weigerung des Kriegsgefangenen, die genannten Angaben zur Person offen zu legen.
Über alle anderen Dinge darf er natürlich auch befragt werden, nur ist er nicht zur Auskunft verpflichtet. Insbesondere darf er auf keinen Fall Zwang oder Folter ausgesetzt werden, wenn er die Auskunft verweigert (Abs. 4). Ohnehin ergibt sich für die USA in diesem Punkt kein Vorteil daraus, dass sie den Taliban den Kriegsgefangenenstatus verweigern, denn dann sind diese Bestandteile der Zivilbevölkerung, und Folterungen an der Zivilbevölkerung sind nach Art. 32 Vierte Genfer Konvention, nach der UNO-Folterverbots-Konvention von 1984
Zweitens wollte man sich die Möglichkeit nicht nehmen lassen, eventuelle Taliban-Mitglieder vor amerikanischen Gerichten zur Rechenschaft zu ziehen. Es wurde bereits gezeigt, dass das humanitäre Völkerrecht sich nicht gegen die Bestrafung von Terroristen stellt, sondern diese sogar fordert, weil sie schwere Kriegsverbrechen begangen haben.
Drittens stellt das humanitäre Völkerrecht gewisse Mindeststandards auf, wie Kriegsgefangene untergebracht sein und im Alltag behandelt werden müssen. In der Tat auferlegt die Dritte Genfer Konvention verschiedene Pflichten: Die Kriegsgefangenen dürfen z.B. nur in Anlagen interniert werden, die auf dem Festland liegen und jede mögliche Gewähr für Hygiene und Reinlichkeit bieten (Art. 22 Abs. 1). Generell sollen die Unterkunftsbedingungen der Kriegsgefangenen "ebenso günstig sein wie diejenigen der im gleichen Gebiete untergebrachten Truppen des Gewahrsamsstaates. Diese Bedingungen haben den Sitten und Gebräuchen der Gefangenen Rechnung zu tragen und dürfen ihrer Gesundheit keinesfalls abträglich sein." (Art. 25) Es ist relativ leicht ersichtlich, dass die Haftbedingungen in Guantanamo diesen Pflichten nicht gerecht werden. Man wollte jedoch den Häftlingen die (Verfahrens-)Rechte der US-amerikanischen Verfassung nicht gewähren, weshalb man sie nicht auf amerikanischem Boden unterbringen konnte. Da man sich dadurch wiederum einer Verletzung des humanitären Völkerrechts schuldig gemacht hätte, verweigerte man den Taliban den Kriegsgefangenenstatus.
Kriegsgefangene sind nach Beendigung des bewaffneten Konflikts freizulassen, es sei denn, sie hätten Kriegsverbrechen begangen, für die sie vor Gericht zu stellen sind. Da es sich beim "Krieg gegen den Terrorismus" nach Ansicht der USA um eine jahrzehntelange Aufgabe handelt, möchten sie die Kriegsgefangenen auf unbestimmte Zeit in Gewahrsam behalten. Es ist deshalb beunruhigend zu sehen, dass die USA derzeit für nur 15 von 585 Gefangenen auf Guantanamo einen Prozess vor Militärkommissionen vorbereiten.
Die Effektivität des humanitären Völkerrechts
Nach diesen Schilderungen scheint es, dass sich das humanitäre Völkerrecht in den jüngsten Konflikten kaum Geltung verschaffen kann. Im Folgenden wird dargelegt, weshalb es trotz allem ein Akt der Klugheit und nicht allein der Sittlichkeit ist, das humanitäre Völkerrecht zu beachten. Die drei rationalen Gründe lauten: Reziprozität,
Reziprozität
Für die Erläuterung dieses ersten Grundes können wir uns eines Gedankenexperiments von John Rawls bedienen:
Oft wurde diesem Ansatz entgegengehalten,
Diese Kritik ist grundsätzlich berechtigt. Im Bereich des humanitären Völkerrechts erweist sich Rawls' These jedoch als sehr wertvoll: Jede kriegführende Partei muss damit rechnen, dass der Feind Gefangene aus ihren Reihen machen wird. Das Recht des Stärkeren gilt hier nicht: Selbst eine Weltmacht nimmt gewisse Einbußen in den Möglichkeiten der Kriegsführung zum Schutz humanitärer Anliegen in Kauf, solange diese Optionen auch ihren Feinden verloren gehen. Selbst bei derart grundlegenden Rechten ist es also erst die Absicherung der Gleichbehandlung, welche ihre Akzeptanz ausmacht - obwohl man ihre Einhaltung als selbstverständlich vermuten möchte. Das Verhalten ist in diesem Fall zwingend risikoavers: Es ist keine realistische Situation denkbar, in welcher ein Staat für eine Maximierung seiner eigenen Optionen in der Kriegsführung die Missachtung des humanitären Völkerrechts durch seinen Feind akzeptieren würde.
Dies wird an einem Beispiel deutlich: Die USA hatten im Vietnam-Krieges ähnliche Probleme zu lösen wie heute während des Afghanistankriegs.
Wir können folglich zwei Ausnahmesituationen ausmachen, in denen das humanitäre Völkerrecht seine Kraft verliert: Mit der Abnahme der Gefahr, dass ein Staat (bzw. seine Soldaten oder seine Zivilbevölkerung) selbst Opfer von Verletzungen des humanitären Völkerrechts werden könnte, sinkt auch seine Bereitschaft zur Einhaltung dieser Normen aus machtpolitischen, eigennützigen Gründen. Führt ein Staat wie die USA Krieg gegen einen kaum staatlich institutionalisierten Gegner wie die Taliban, so besteht durch die in der Art der Kriegsführung liegenden Gründe kaum eine Gefahr, dass amerikanische Soldaten durch die Taliban gefangen genommen werden. Deshalb ist der regulierende Faktor außer Kraft gesetzt: Aus einer Verletzung humanitären Völkerrechts können die USA militärstrategische Vorteile gewinnen, ohne dass sich gleichzeitig das Risiko erhöht, selbst Opfer solcher Verletzungen zu werden.
Gleiches gilt in Situationen, in denen die eine Kriegspartei gar nicht erst damit rechnet, dass sich die Gegenpartei an entsprechende Regeln hält. Warum sollen sich die Israelis an die Bestimmungen zum Schutz der Zivilbevölkerung halten, wenn die Strategie der Palästinenser einzig und allein auf die Schädigung der israelischen Zivilbevölkerung abzielt? Durch die Beachtung des humanitären Völkerrechts würde Israel eigene militärische Handlungsoptionen verlieren, ohne dass gleichzeitig das Risiko vermindert würde, selbst Opfer solcher Verletzungen zu werden.
Disziplin
Die beiden genannten Ausnahmen vom Reziprozitätsgedanken stellen in der Realität jedoch nur scheinbar einen Freibrief für Verletzungen des humanitären Völkerrechts aus. Es ist auch in solchen Fällen klug, sich an das humanitäre Völkerrecht zu halten. Zunächst sei nur kurz auf die Tatsache hingewiesen, dass die Sicherheit der eigenen Staatsangehörigen niemals absolut sein kann, wie sich jüngst im Irak durch die Enthauptung von Amerikanern vor laufender Kamera bzw. bei der Schändung der Leichen von vier Mitarbeitern einer amerikanischen Sicherheitsfirma gezeigt hat.
Doch viel wichtiger ist es, an dieser Stelle deutlich zu machen, dass nur eine Armee, die sich an das humanitäre Völkerrecht hält, eine effiziente Armee sein kann. Denn das A und O einer wirksamen Armee ist die Disziplin der Truppenangehörigen. Wenn aus Abu Ghraib berichtet wird, dass die Kommandantin vollkommen überfordert gewesen sei, die Disziplin ihrer Truppe aufrechtzuerhalten, so sind die nun zu Tage kommenden Bilder nur Ausdruck dieser mangelnden Disziplin. Soldatinnen und Soldaten, die sich an das humanitäre Völkerrecht halten, haben sich selbst dagegen jederzeit unter Kontrolle und können somit ihren Auftrag deutlich effizienter wahrnehmen und umsetzen. Sie konzentrieren sich auf das gemäß diesem Auftrag Wesentliche und verschwenden ihre Kräfte nicht für Dinge, die mit dem Auftrag nichts zu tun haben.
Die Disziplin der Truppenangehörigen korreliert mit ihrem psychischen Zustand. Denn jeder Krieg ruft Stresssymptome hervor. In der Betreuung der Truppenangehörigen sind deshalb die immer besser dokumentierten Erkenntnisse aus früheren bewaffneten Konflikten zu implementieren.
Glaubwürdigkeit
Es ist allerdings vorstellbar, dass eine absolut disziplinierte Armee sich systematisch über das humanitäre Völkerrecht hinwegsetzt. Dies ist dann der Fall, wenn die Völkerrechtsverletzungen auf Befehl der Vorgesetzten erfolgen. Es sei daran erinnert, dass allein schon die bewilligten US-amerikanischen Richtlinien über die Verhörtechniken im Irak dem humanitären Völkerrecht widersprachen, auch wenn die Folterungen, die den Skandal auslösten, nach diesen Richtlinien nicht erlaubt waren. Spricht somit angesichts der asymmetrischen Konfliktstrukturen nichts für die Einhaltung des humanitären Völkerrechts, wenn die Disziplin der Truppen anderweitig sichergestellt werden kann?
Hier können wir den Kreis schließen, den wir zu Beginn mit dem amerikanischen Begründer des humanitären Völkerrechts geöffnet haben: Francis Lieber hielt den Abschluss eines zukünftigen gerechten Friedens für die Grundlage eines jeden Krieges, da ohne ihn ein Krieg nie zu einem Ende käme. Deshalb verlange schon der Sinn und Zweck eines gerechten Krieges, dass das Vertrauen auf beiden Seiten erhalten bleibe. Und dies sei nur dann der Fall, wenn die Parteien gewisse Verpflichtungen selbst bei der Kriegsführung akzeptierten.
Ohne dies hier im Detail ausführen zu können,
Diese Zusammenhänge machen deutlich, dass es auch für die vermeintlich stärkere Partei in einem bewaffneten Konflikt sinnvoll sein kann, sich an rechtliche Normen gebunden zu fühlen. Aus den jüngsten Verletzungen geht das humanitäre Völkerrecht somit gestärkt hervor. Denn es hat seine Entwicklung stets als Reaktion auf grauenhafte Erfahrungen durchschritten - es ist "geronnene Erfahrung"