Einleitung
Die Europäische Kommission hat am 30. Juni 2004 einen Vorschlag für eine "Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche einschließlich der Finanzierung des Terrorismus" (3. Geldwäscherichtlinie - 3.GWRL) vorgelegt.
Mit der ersten Geldwäscherichtlinie waren die Mitgliedstaaten verpflichtet worden, Geldwäsche von Erlösen aus Drogenstraftaten zu untersagen und dafür zu sorgen, dass in den nationalen Finanzsektoren die Identität der Kunden festgestellt wird, dass Belege aufbewahrt, interne Kontroll- und Mitteilungsverfahren eingeführt und den Behörden Transaktionen gemeldet werden, die auf Geldwäsche hindeuten. Die Beschränkung auf Drogenstraftaten erwies sich bald als zu eng. Mit einer Änderungsrichtlinie (2001/97/EG) erfolgte die Einbeziehung des Waschens von Erlösen aus schweren Straftaten, die beträchtliche Erträge hervorbringen und mit einer langen Freiheitsstrafe geahndet werden können. Die Finanzierung des Terrorismus war bislang nicht ausdrücklich genannt. Die Mitgliedstaaten sind aber der Auffassung, dass alle Straftaten im Zusammenhang mit der Finanzierung des Terrorismus als "schwere Straftaten" gelten.
Strategien
Der Europäische Rat erklärte am 21. September 2001, dass der Terrorismus eine "wirkliche Herausforderung für die Welt und Europa" bedeute und dass seine Bekämpfung eines der vorrangigen Ziele der EU sein werde. Wenige Tage später verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Resolution 1373, in der bekräftigt wurde, dass terroristische Handlungen eine Bedrohung des Friedens und der Sicherheit darstellen. Der Rat versicherte am 8. Oktober 2001, dass die Union und ihre Mitgliedstaaten an der globalen Koalition gegen den Terrorismus unter der Ägide der Vereinten Nationen teilnehmen werden und in enger Abstimmung mit den USA gegen die Finanzquellen des Terrorismus vorgehen wollen. Dies sollte insbesondere durch eine Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen den Dienststellen geschehen, die für die Terrorismusbekämpfung zuständig sind: Europol, Eurojust, Nachrichten- und Polizeidienste sowie die Justizbehörden.
Im "Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 27.Dezember 2001 über die Bekämpfung des Terrorismus"
Im "Rahmenbeschluss des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung"
Die Europäische Kommission hat in einer "Mitteilung an den Rat und das Europäische Parlament über bestimmte Maßnahmen, die zur Bekämpfung des Terrorismus und anderer schwerwiegender Formen der Kriminalität, insbesondere im Hinblick auf die Verbesserung des Informationsaustausches, zu treffen sind", einen Vorschlag für einen "Beschluss des Rates über den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit betreffend terroristische Straftaten" vorgelegt.
Dies ist nach Einschätzung der Kommission ein äußerst schwieriges Unterfangen. Sie ist der Überzeugung, dass Maßnahmen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität und solche zur Bekämpfung des Terrorismus verknüpft werden müssen. Die Zusammenhänge zwischen Terrorismus und anderen Formen der Kriminalität, vor allem der organisierten, sind nicht immer offenkundig. Dennoch bestehen nach Wahrnehmung der Kommission hinsichtlich der Vorgehensweisen und der Finanzierung Verbindungen, mitunter sogar zwischen den Vereinigungen selbst. Dies gilt insbesondere für den illegalen Handel mit Waffen, Betäubungsmitteln und Diamanten, aber auch für Produktfälschung und -piraterie. Terroristische Vereinigungen gehen ähnlich wie kriminelle vor, versuchen, sich durch Erpressung, Entführung oder illegalen Handel und Betrug Geld zu verschaffen, und greifen auf Bestechungspraktiken und Geldwäsche zurück. Die Kommission glaubt, dass es durch Mobilisierung der Staaten im Kampf gegen den Terrorismus und durch Sensibilisierung der Bürger möglich sein sollte, die "legalen" Quellen des Terrorismus auszutrocknen. Sie plädiert dafür, die vom Rat der EU am 21.Dezember 1998 angenommene "Gemeinsame Maßnahme zur Strafbarkeit der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung"
Nach Auffassung der Kommission sollte in jedem Mitgliedstaat die Einrichtung eines effizienten Systems zur Registrierung von Bankkonten angestrebt werden, so dass eine rasche Antwort auf Rechtshilfeersuchen möglich wird. In der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit gibt es vor allem im Bereich der Finanzdelikte erhebliche Schwierigkeiten, weil es kaum gelingt, Untersuchungen zu Konten und Bankbewegungen erfolgreich abzuschließen. Eine zentrale Erfassung der Bankkonten könnte dazu beitragen, Kapitalbewegungen im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen bezüglich der Finanzierung des Terrorismus und der Geldwäsche besser zurückzuverfolgen. Das mit dem Rechtsakt des Rates vom 16. Oktober 2001 erstellte Protokoll zu dem Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der EU enthält Bestimmungen über Auskunftsersuchen zu Bankkonten und -geschäften und über Ersuchen um Überwachung von Bankgeschäften.
Es bedarf auch eines Mechanismus, der das Sammeln und Übermitteln von Informationen ermöglicht und das Vordringen terroristischer Vereinigungen in legale Tätigkeitsbereiche verhindert. Legale Körperschaften werden von terroristischen Vereinigungen für deren Zwecke, insbesondere ihre Finanzierung, benutzt. Ebenso dringen organisierte kriminelle Vereinigungen zum Zwecke der Geldwäsche in legale Tätigkeitsbereiche vor. Es sollte nicht mehr zweifelhaft sein, dass eine bessere Transparenz juristischer Personen, einschließlich der Organisationen ohne Erwerbscharakter ("Gemeinnützigkeit"), sich bei der Prävention sowohl der organisierten Kriminalität als auch des Terrorismus als wirksam erweist. In der Strategie der EU für den Beginn des neuen Jahrtausends ist daher zu Recht die Empfehlung zu finden, dass sich die Mitgliedstaaten bemühen sollen, im Einklang mit den datenschutzrechtlichen Bestimmungen Daten über die an der Gründung und Leitung der in ihrem Hoheitsgebiet eingetragenen juristischen Personen beteiligten natürlichen Personen zu erheben und zu sammeln, um so über ein Mittel gegen das Vordringen der organisierten Kriminalität in den öffentlichen und den legalen privaten Sektor zu verfügen.
Im Hinblick auf eine wirksamere Bekämpfung der Kriminalität und des Terrorismus sollte auch die Einführung eines europäischen Strafregisters erwogen werden. Darüber hinaus muss nach den Vorstellungen der Kommission (in der Zwischenphase) ein umfassender Informationsaustausch zwischen Mitgliedstaaten und den für die Terrorismusbekämpfung zuständigen Stellen der Union stattfinden. Der Beschluss 2003/48 JI des Rates vom 19. Dezember 2002 über die Anwendung besonderer Maßnahmen im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Terrorismus ist ein erster wichtiger Schritt.
Nach den Anschlägen von Madrid hat der Europäische Rat am 25. März 2004 eine Erklärung über die Bekämpfung des Terrorismus angenommen, in der die Erforderlichkeit eines revidierten Aktionsplans zur Bekämpfung des Terrorismus hervorgehoben wird. Zu den neuen strategischen Zielen, die in dem Aktionsplan vom 7. Juni 2004 aufgeführt werden, gehören die Vertiefung der internationalen Anstrengungen zur Terrorismusbekämpfung, die Erschwerung des Zugangs für Terroristen zu finanziellen und wirtschaftlichen Ressourcen, die Maximierung der Fähigkeiten zur Aufdeckung, Untersuchung, Verfolgung und Verhütung terroristischer Angriffe, der Schutz der Sicherheit der internationalen Verkehrsverbindungen und die Sicherung eines wirksamen Grenzkontrollsystems, die Verstärkung der Fähigkeiten zur Bewältigung der Folgen eines terroristischen Angriffs, die Identifizierung und Behandlung der Faktoren, die für die Unterstützung und Rekrutierung für den Terrorismus erheblich sind, und die Entwicklung von Maßnahmen zur Unterstützung von Drittländern bei der Verstärkung ihrer Fähigkeiten zur Terrorabwehr im Rahmen der Außenbeziehungen der EU.
Motive und Definitionen
Die Kommission hält die Bekämpfung der Geldwäsche für eines der wirksamsten Mittel gegen die organisierte Kriminalität. Daher ist sie zu Recht der Auffassung, dass neben strafrechtlichen Maßnahmen Präventivmaßnahmen über das Finanzsystem zweckdienlich sind. Ohne ein koordiniertes Vorgehen gegen Geldwäsche auf Gemeinschaftsebene könnten Geldwäscher in einem einheitlichen Finanzraum leichter operieren. Geldwäsche erfolgt grenzübergreifend, und nationale Alleingänge haben nur eine sehr begrenzte Wirkung. Seit etlichen Jahren gibt es einen Trend zu einer gegenüber den Anfangszeiten der Geldwäschebekämpfung erheblich weiter gefassten Definition der Geldwäsche auf der Grundlage eines breiteren Spektrums von Straften, die der Geldwäsche vorangehen oder zugrunde liegen ("Vortaten"). Eine Ausweitung des Vortatenkatalogs erleichtert die Meldung verdächtiger Transaktionen und die internationale Zusammenarbeit. In diesem Zusammenhang ist nicht nur eine harmonisierte Fassung der Definition des Begriffs "schwere Straftaten" geboten. Die Palette der kriminellen Handlungen, die dem Geldwäschebegriff zugrunde liegt, erscheint erweiterungsbedürftig. Dabei geht es um "Terrorismus" und "Finanzierung terroristischer Handlungen". Es darf aber nicht übersehen werden, dass nicht nur "bemakelte", mit einem juristischen Makel behaftete Gelder für terroristische Zwecke eingesetzt werden, sondern auch legale. Deshalb sollte nicht nur der Terrorismus der Liste schwerer Straftaten hinzugefügt werden; vielmehr muss auch der Geldwäschebegriff so verändert werden, dass er dieser "Misch"-Finanzierung Rechnung trägt.
Die Kommission schlägt vor, u.a. folgende, vorsätzliche Handlungen als Geldwäsche anzusehen (Art. 1 der 3. GWRL): Umtausch oder Transfer von Vermögensgegenständen mit einer bestimmten Kenntnis und Zielvorstellung;
Angesichts des in Art. 1 Abs. 1 der 3. GWRL enthalten Pönalisierungsgebotes ("Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass Geldwäsche eine Straftat darstellt") und des Gebotes wirksamer Sanktionierung müssen natürliche Personen strafbar sein, die ihren Pflichten zur Kundenidentifizierung, Belegaufbewahrung und Meldung verdächtiger Transaktionen nicht nachkommen. Art. 2 der 3. GWRL umschreibt den Geltungsbereich der Richtlinie. Er umfasst Kredit- und Finanzinstitute, Abschlussprüfer, externe Buchprüfer, Steuerberater, Notare und andere selbstständige Angehörige von Rechtsberufen, wenn sie im Namen und auf Rechnung ihres Klienten Finanz- oder Immobilientransaktionen tätigen oder andere Transaktionen planen oder durchführen (Kauf und Verkauf von Immobilien oder Gewerbebetrieben; Verwaltung von Geld, Wertpapieren oder sonstigen Vermögenswerten; Eröffnung oder Verwaltung von Bank-, Spar- oder Wertpapierkonten; Beschaffung der zur Gründung, zum Betrieb oder zur Verwaltung von Gesellschaften erforderlichen Mittel; Gründung, Betrieb oder Verwaltung von Treuhandgesellschaften, Gesellschaften oder ähnlichen Strukturen). Darüber hinaus gilt die 3. GWRL auch für Anbieter von Dienstleistungen für Treuhandgesellschaften und Unternehmen, die nicht unter die vorgenannten Kategorien fallen; Versicherungsvermittler bei der Vermittlung von Lebensversicherungen und anderen Versicherungen mit Anlagezweck; Immobilienmakler; andere Personen, die mit Gütern handeln oder Dienstleistungen erbringen, wenn die Zahlung in bar erfolgt und mindestens 15 000 Euro beträgt, unabhängig davon, ob das Geschäft in Form einer einzigen Transaktion oder mehrerer verbundener Transaktionen abgewickelt wird; das gilt auch für Kasinos.
Von besonderer Bedeutung ist die Feststellung der Identität von Kunden bzw. der Feststellung des "wirtschaftlichen Eigentümers". Mittlerweile werden auch Lebensversicherungsvermittler sowie Treuhand- und Unternehmensdienstleister für Geldwäschezwecke missbraucht. Deren Einbeziehung in den Pflichtenkreis ist daher angebracht. Notare und selbstständige Angehörige von Rechtsberufen unterliegen bereits den Bestimmungen der geltenden Richtlinie, wenn sie sich - einschließlich der Steuerberatung - an Finanz- und Unternehmenstransaktionen beteiligen, bei denen die Missbrauchsgefahr im Sinne einer Geldwäsche groß ist. Allerdings müssen Freistellungen von Meldepflichten gelten, wenn es um Informationen geht, die vor oder nach einem Gerichtsverfahren bzw. während eines Gerichtsverfahrens oder im Rahmen der Beurteilung der Rechtslage für einen Klienten erlangt wurden. Zur Wahrung der in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und im Vertrag über die EU verankerten Rechte sollten nach Meinung der Kommission Abschlussprüfer, externe Buchprüfer und Steuerberater, die in einigen Mitgliedstaaten einen Klienten in einem Gerichtsverfahren verteidigen oder vertreten können oder die Rechtslage beurteilen, ebenfalls nicht der Meldepflicht unterliegen.
Das Geldwäscherisiko ist bereichsspezifisch unterschiedlich hoch. Ein risikobezogener Ansatz verlangt differenzierte Sorgfaltspflichten bei Identifizierung und Überprüfung von Kunden. Gründlichkeit ist erforderlich bei Geschäftsbeziehungen zu Einzelpersonen, die wichtige öffentliche Positionen bekleiden oder bekleidet haben. Dies gilt insbesondere für solche, die aus Ländern stammen, in denen Korruptionsdelikte weit verbreitet sind. Verdächtige Transaktionen müssen an die zuständigen Behörden gemeldet werden. Hierzu sollten "zentrale Meldestellen" in allen Mitgliedstaaten eingerichtet werden, die auch über den Versuch einer Geldwäsche zu informieren sind. Von zentraler Bedeutung für die Wirksamkeit des Geldwäschebekämpfungssystems ist der Schutz von Angestellten der meldepflichtigen Institutionen. Die Mitgliedstaaten müssen entsprechende Vorkehrungen gegen Einschüchterungs- und Bedrohungsversuche treffen. Der grenzüberschreitende Charakter der Geldwäsche und der Finanzierung terroristischer Handlungen verlangt nach der Anwendung des Gemeinschaftsstandards auch in Zweigniederlassungen oder Filialen von Kredit- und Finanzinstituten der Gemeinschaft in Drittländern, in denen es keine entsprechenden einschlägigen Rechtsvorschriften gibt. Die Verpflichteten sollten Rückmeldungen über den Nutzen ihrer Informationen und die ergriffenen Maßnahmen erhalten. Die Mitgliedstaaten sind daher aufgerufen, einschlägige Statistiken zu führen und diese permanent zu verbessern. Darüber hinaus sollten sie vor allem effektive, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen erlassen, die für den Fall gelten, dass die nationalen Vorschriften, die aufgrund der 3. GWRL erlassen sind, missachtet werden. Im Hinblick auf die häufige Mitwirkung juristischer Personen insbesondere bei komplexen Geldwäscheaktivitäten ist auch deren Sanktionierung geboten und eine entsprechende Gestaltung von Strafvorschriften erforderlich.
"Weiche" Ziele und "weiche" Waffen
Die Terroristen wissen, dass ein Sieg der USA oder "des Westens" in einem antiislamischen Ideologiekampf ausgeschlossen ist. Sie wollen ihren menschenverachtenden Nihilismus zu einem Religionskrieg stilisieren. Allein die Zahl der Selbstmordattentate zeigt, wie viel religiöser "Brennstoff" ihnen zu Verfügung steht. Das "alte Europa" hat die traurige Kunst erst erlernen müssen, Religionskriege zu beenden, nicht nur die Konfessionskriege der Neuzeit, sondern auch die Frontstellung zwischen Religion und Liberalismus, die sich seit der Französischen Revolution herausgebildet hatte.
Nach den terroristischen Attacken von Madrid wurde von einem Angriff auf die "Seele Europas" gesprochen. Angst sei im Kalkül der Terroristen die zentrale Waffe, mit der sie auf die Lähmung des öffentlichen Lebens abzielten. "Harte" Abwehr des Staates allein wird die "weichen" Ziele, also das Leben der gewöhnlichen Bürger, jedoch nicht hinreichend schützen können. Erforderlich sind auch "weiche" Waffen: Zivilcourage, Gelassenheit, Beharrlichkeit, Selbstvertrauen und auch Trotz. Vielleicht geht es sogar um eine Art von psychologischer Kriegführung: "Eine Gesellschaft, die sich nicht einschüchtern lässt, die Opfer aushält und ihr offenes Leben weiterlebt, ist vom Terror nicht zu besiegen."
Gleichwohl wird man in den Mitgliedstaaten der EU und auf gesamteuropäischer Ebene weitere Erfolg versprechende Ansätze zur Terrorismusbekämpfung entwickeln müssen. Verhütung und Verfolgung von Geldwäsche haben dabei größte strategische Bedeutung. Ihr praktischer Nutzen wird sehr viel höher sein als der gegenwärtige "Krieg gegen Terror".