Einleitung
Im Politikbetrieb hat sich in den letzten Jahrzehnten ein tief greifender Wandel vollzogen. Zwar wird er nach wie vor in weiten Teilen von Männern geprägt, aber diese sind längst nicht mehr unter sich - auch nicht in den Führungsgremien von Parteien. Die Ausweitung von Partizipation und Repräsentation von Frauen wurde durch eine Vielzahl von Einflussfaktoren bestimmt: durch einen latenten gesellschaftlichen Druck, die Festschreibung von Quoten und Quoren in Parteistatuten, das zunehmende Umwerben von Frauen als spezifischer Wählergruppe sowie durch die Implementierung von frauen- bzw. gleichstellungspolitischen Maßnahmen. Diese Entwicklung ist gegenwärtig in allen europäischen Staaten zubeobachten, wenn auch in unterschiedlichen Ausmaßen. Und bei aller Skepsis, die unter nicht wenigen Politikern auch heute noch anzutreffen ist, finden sich doch kaum noch Spitzenpolitiker, die so weit gehen würden, das Ziel der Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit offensiv und medienöffentlich in Frage zu stellen- mit allerdings bemerkenswerten Ausnahmen.
Diese Ausnahmen finden sich in einer Parteienfamilie, die seit den achtziger Jahren in einer Vielzahl europäischer Demokratien mit spektakulären Wahlerfolgen für zum Teil erhebliche Verwerfungen gesorgt hat: der des Rechtspopulismus. In den entsprechenden Organisationen, etwa der italienischen Lega Nord, dem französischen Front National oder dem belgischen Vlaams Blok, sind Männer weitgehend unter sich. Die unangefochten agierenden Parteiführer sind männlichen Geschlechts, die Frauenanteile in den Parteigremien, unter den Mandatsträgern sowie innerhalb der Mitgliedschaft liegen zumeist weit unter dem Durchschnitt der jeweiligen Länder. Zugleich erhalten rechtspopulistische Parteien ihre Stimmen mehrheitlich von Männern. Deren Anteil an der Wählerschaft liegt nicht selten bei 60 Prozent und darüber. Häufig werden rechtspopulistische Formationen deshalb auch als "Männerparteien" bezeichnet.
Wie äußern sich nun Parteien, die auf Männer offenkundig eine besondere Anziehungskraft ausüben, zu geschlechterpolitischen Fragestellungen? Welches Wissen über das Geschlechterverhältnis bringen sie in Umlauf? Dies soll im Folgenden anhand der Politik der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) und der Schweizerischen Volkspartei (SVP) betrachtet werden. Beide Parteien zählen zu den erfolgreichsten rechtspopulistischen Formationen Europas, ist es ihnen doch gelungen, ihre Wahlerfolge in Regierungsbeteiligungen auf nationaler Ebene münden zu lassen. Zwar vertreten beide Parteien ein relativ traditionelles, allenfalls vorsichtig modernisiertes Geschlechterrollenverständnis, aufgrund deutlich differierender strategischer Gesamtkonzeptionen unterscheiden sich ihre inhaltlichen Detailpositionen sowie ihr Umgang mit dem Themenkomplex aber zum Teil fundamental.
Deutungs- und Handlungsrahmen
Beim rasanten Aufstieg rechtspopulistischer Parteien haben geschlechterpolitische Fragen keine zentrale Rolle gespielt. Die Kombination der Themenkomplexe "Einwanderung" und "Innere Sicherheit" hat sich in fast allen europäischen Staaten als die wirksamste Strategie zur Mobilisierung von Protestwählern erwiesen. Mit zunehmender Stimmenstärke tendieren rechtspopulistische Parteien allerdings häufig dazu, nahezu alle im parlamentarisch-politischen Feld relevanten Themenfelder besetzen zu wollen. In welcher Weise und welchem Ausmaß sie dies in der Geschlechterpolitik tun, hängt vor allem davon ab, inwieweit sie eine Verknüpfung mit rechtspopulistischen Stereotypen für möglich und viel versprechend halten, ob und wie sich geschlechterpolitische Fragen kohärent in den von ihnen über viele Jahre etablierten Deutungs- und Handlungsrahmen integrieren lassen.
Rechtspopulistische Formationen zeichnen sich durch eine spezifische Kombination von Politikinhalten und -verfahren aus. Frank Decker merkt zu Recht an, dass die Techniken der Ansprache und bisweilen auch die Organisationsform rechtspopulistischer Parteien mit den von ihnen vermittelten Politikinhalten in enger Verbindung stehen, dass "die Form, indem sie auf bestimmte inhaltliche Auffassungen zurückverweist, selbst ideologische Qualität annimmt"
Die inhaltlichen Bezugspunkte sowie die Artikulationsweise, mit der die Frontstellung Volk - Elite fortwährend thematisiert wird, müssen Anknüpfungspunkte an das Alltagswissen und die Alltagserfahrungen der vom Rechtspopulismus umworbenen Wählerinnen und Wähler aufweisen, um politische Wirkung entfalten zu können. Der argumentative Rückgriff auf gesellschaftlich möglichst breit verankerte Common Sense-Elemente zählt dementsprechend zu den zentralen Strategien rechtspopulistischer Politik. Mit dieser semantischen Strategie eng verbunden sind spezifische kommunikative Praktiken. Der vereinfachende argumentative Rückgriff auf den Alltagsverstand etwa bewegt sich in der Regel auch sprachlich im Modus der Komplexitätsreduktion. Zu den für den Rechtspopulismus kennzeichnenden Elementen der politischen Rhetorik werden insbesondere die Inszenierung von Tabubrüchen, Formen kalkulierter Ambivalenz, das Prinzip der stetigen Wiederholung von Grundaussagen, die Emotionalisierung der politischen Auseinandersetzung, das Einfordern radikaler Lösungen, das Denken in Verschwörungstheorien und dichotomen Weltbildern, die Verwendung von Gewaltmetaphern sowie der Einsatz von persönlichen Beleidigungen gerechnet.
Die Thematisierung geschlechterpolitischer Fragen ist mit dem Deutungs- und Handlungsrahmen des klassischen Rechtspopulismus nur partiell in Einklang zu bringen. Der Gegensatz von Volk und Elite kann in diesem Politikfeld nicht sehr stark konturiert werden, auch eignet es sich nur bedingt für öffentlichkeitswirksame Provokationen oder das Schüren von Ängsten. Dieses Politikfeld zählt außerdem nicht zu jenen mit einem Höchstmaß an medialer Aufmerksamkeit, es sei denn, es gelingt eine thematische Verknüpfung mit klassischen rechtspopulistischen Themen, etwa in der diskursiven Verbindung von Familien- und Zuwanderungspolitik. Aus rechtspopulistischer Sicht bietet die Transformation der Geschlechterverhältnisse zudem auch die Chance für identitätspolitische Themensetzungen, vor allem durch das Aufgreifen von Verunsicherungen, die mit veränderten Rollenerwartungen an Männer und Frauen einhergehen. Bei einem Eintreten für ein traditional und dichotom orientiertes Geschlechterrollenverständnis dürften sich Rechtspopulisten mit dem Alltagsverstand ihrer Wählerklientel häufig im Einklang wissen. Ob und wie entsprechende Fragen von rechtspopulistischen Parteien im politischen Tagesgeschäft aufgegriffen werden, hängt nicht zuletzt von nationalen Spezifika ab. Mit welchen Parteien konkurrieren Rechtspopulisten jeweils? Welche Themen stehen auf der politischen Agenda? Mit welchen Themensetzungen lassen sich Abgrenzungen zu anderen Parteien herstellen? Aus welchen Milieus rekrutieren sich die Stammwähler? Und nicht zuletzt: Wird von den "Männerparteien" bewusst der Versuch unternommen, die bislang im eigenen Parteiapparat wie auch unter den Sympathisanten unterrepräsentierten Frauen verstärkt anzusprechen?
Die SVP: Förderung der traditionellen Familie statt "Sozialausbau"
"Über Gleichstellungsbüros, Frauenbeauftragte und Forschungsstellen für Gender Studies (Geschlechterstudien) mischt sich der Staat immer mehr in die Aufgabenteilung zwischen Mann und Frau ein und versucht zu regulieren. (...) Die SVP lehnt diese Einmischung in die Familie ab und fordert die Abschaffung dieser Institutionen. Jede Familie soll eigenverantwortlich entscheiden, wer welche Aufgaben übernimmt. Es ist nicht Aufgabe des Staates, hier einzugreifen und Männer wie Frauen in bestimmte Rollen zu zwingen."
Die Schweizerische Volkspartei, die sich bis 1991 konstant auf einem Niveau von etwa zehn Prozent der Wählerstimmen bewegte, erreichte bei den Nationalratswahlen im Oktober 2003 mit 26,7 Prozent nicht nur ihr bislang bestes Ergebnis, sie wurde auch mit Abstand zur stimmenstärksten Partei der Schweiz. Dabei sprach sie Männer signifikant stärker an als Frauen. Unter Ersteren erreichte sie 32, bei Letzteren lediglich 23 Prozent.
Der Aufstieg der SVP ist untrennbar mit der Person Christoph Blochers verbunden, der 1977 den Vorsitz der SVP im Kanton Zürich übernahm und die Partei auf den Kampf gegen die "classe politique" verpflichtete. Dieser Kurs, verbunden mit einer nationalkonservativen und strikt wirtschaftsliberalen Ausrichtung, gewann in den neunziger Jahren auch in der Gesamtpartei die Oberhand. Die SVP profilierte sich unter Führung ihres Züricher Flügels als Oppositionspartei, obgleich sie im schweizerischen Konkordanzsystem seit 1929 jeweils einen von sieben Sitzen in der Bundesregierung innehatte. Nach dem überragenden Wahlsieg von 2003 wurde Christoph Blocher in einer für schweizerische Verhältnisse unüblichen Kampfabstimmung zum zweiten Bundesrat seiner Partei gewählt und leitet nun das Justiz- und Polizeidepartement. Zwar sehen sich Blocher und die SVP durch diesen Schritt "in die Verantwortung genommen", ihre spezifische Ideologie und die Besonderheiten des schweizerischen politischen Systems erlauben es der Partei bislang jedoch, die über Jahre erfolgreiche Oppositionsrhetorik weiterhin aufrechtzuerhalten.
Da der Besetzung der schweizerischen Regierung keine Koalitionsverhandlungen vorausgehen, ist die SVP nicht genötigt, unangenehme Kompromisse einzugehen und so die eigenen Wähler zu enttäuschen. Sie kann im Parlament durchaus gegen Vorlagen der Regierungsmehrheit votieren und im Falle von Abstimmungsniederlagen auch Volksabstimmungen gegen Regierungs- und Parlamentsbeschlüsse initiieren, ohne dass dies ihre Regierungsbeteiligung gefährden würde.
Eine eigenständige Geschlechterpolitik kann auf dieser Folie kaum entwickelt werden, selbst die Familienpolitik nimmt in der SVP einen untergeordneten Stellenwert ein. Die Parteiführung beschränkt sich in der Regel darauf, auf Vorstöße der anderen Parteien zu reagieren, agiert auf diesem Feld also eher defensiv. Die SVP-Strategie zielt nicht darauf, die eigenen Vorstellungen zum Geschlechterverhältnis offensiv zum Gegenstand identitätspolitischer Auseinandersetzungen zu machen, sie verfolgt vielmehr eine Strategie der partiellen De-Thematisierung. Geschlechterpolitische Vorstöße der Konkurrenzparteien werden deshalb in der Regel kaum auf einer geschlechterpolitischen Ebene attackiert, sondern entweder auf einer finanz- und sozialpolitischen oder aber in einer Diskussion des Verhältnisses von Individuum und Staat. Zugleich aber wird die eigene Klientel nicht darüber im Unklaren gelassen, dass die SVP ein traditionelles Geschlechterrollenverständnis vertritt.
Frauenpolitik spielt in den Überlegungen der SVP keine Rolle. Sie wird in Wahl- und Parteiprogrammen nicht einmal erwähnt, sondern es wird lediglich darauf verwiesen, dass es nicht im Aufgabenbereich des Staates liege, einzelne Bevölkerungsgruppen zu fördern. Im Selbstverständnis der SVP widerspricht Frauenpolitik dem Prinzip der Eigenverantwortung, auf kantonaler und kommunaler Ebene wird die Bezuschussung von Frauenprojekten nicht selten als unzulässige "Randgruppenförderung" abgelehnt, als Verschwendung von Steuergeldern angeprangert. In der Ablehnung der Mutterschaftsversicherung, gegen deren Einführung die SVP das Referendum ergriffen hatte, argumentierte selbst die SVP-Frauenorganisation, dass dieses Vorhaben nicht finanzierbar sei und mittelfristig zu Abgabenerhöhungen führen werde: "Die Zeche hätten schliesslich alle in Form neuer Steuern zu bezahlen, auch die Mütter."
Die familienpolitischen Stellungnahmen der SVP durchzieht der gleiche Grundtenor. Zwar wird die Familie als "bleibendes Fundament der Gesellschaft" gewürdigt, dies bedeute aber keineswegs, dass sie durch sozialpolitische Programme zu fördern sei. Nicht Kinderkrippen und Familienzulagen seien vom Staat bereitzustellen, stattdessen werden Steuererleichterungen wie Kinderfreibeträge oder Ehegattensplitting angemahnt. Auch hier greifen finanzpolitische Argumente und ein "freiheitliches" Staatsverständnis ineinander. Die SVP hebt hervor, dass die traditionelle Familie "enorme unentgeltliche Arbeit für die Gesellschaft"
Die Rhetorik von Eigenverantwortung und Privatsphäre, von persönlichen Neigungen und Begabungen kann nur schwer verbergen, welche Erwartung gesellschaftlicher Normalität sich dahinter verbirgt. Frauenerwerbstätigkeit gilt der SVP nicht als wünschenswert, Vereinbarkeitsprobleme von Familie und Beruf sind für die Partei dementsprechend kein Thema. Der Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen wird als "familienzersetzend" gegeißelt, als "Ohrfeige an alle traditionellen Familien, die ihren Beitrag zur Betreuung, Erziehung und Bildung ihrer Kinder auf eigene Rechnung leisten".
Frauen sollen tunlichst am Herd glücklich werden, die gesellschaftliche Rolle von Männern wird gar nicht erst thematisiert. Ziel der SVP ist die Rehabilitierung der traditionellen bürgerlichen Familie. Der Weg dorthin führt über den Versuch einer De-Politisierung der Geschlechterverhältnisse. Die Strategie, sich möglichst selten und zumeist nur wenig explizit zu geschlechterpolitischen Fragen zu äußern, bietet für die SVP den Vorteil, das eigene Themenprofil übersichtlich zu halten. Mit ihrer nationalkonservativen Anhängerschaft dürfte sie sich ohnehin darüber einig sein, dass in puncto Geschlechterrollen kaum Diskussionsbedarf besteht.
Die FPÖ: Geschlechterpolitik als sozialpolitische Intervention
"Politik für Männer ist keine Politik gegen Frauen, sondern im Gegenteil Politik, die beide Geschlechter vereinen und die Interessen beider (...) positiv zusammenführen soll. All jene, die versuchten, eine Parteinahme für die Interessen der Männer gegen die Wahrnehmung von Fraueninteressen auszuspielen, haben leider übersehen, dass eine vernünftige Geschlechter- und Emanzipationspolitik nur dann erfolgreich gestaltet werden kann, wenn beide Geschlechter aktiv daran mittun und die Politik beiden Geschlechtern Gerechtigkeit widerfahren lässt."
Mit dem Eintritt in die österreichische Bundesregierung im Februar 2000 schien die Freiheitliche Partei Österreichs am Ziel angekommen zu sein. Seit der Übernahme des Parteivorsitzes durch Jörg Haider im Jahr 1986 konnte sie ihren Stimmenanteil sukzessive von 5 Prozent auf 26,9 Prozent steigern. Es erwies sich jedoch recht bald, dass die FPÖ der neuen Rolle als Regierungspartei nicht gewachsen war, zumal nach dem Rücktritt Haiders vom Parteivorsitz. Innerparteiliche Turbulenzen mündeten in vorgezogene Neuwahlen, bei denen die Freiheitlichen im November 2002 auf nur noch 10 Prozent abstürzten. Die FPÖ trat zwar erneut in eine Regierungskoalition mit der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) ein, konnte sich seither aber kaum konsolidieren. Die derzeitige Vorsitzende, Ursula Haubner, ist bereits Haiders vierte Nachfolgerin binnen vier Jahren. Seit Regierungseintritt gab es bei nahezu allen Landtagswahlen massive Stimmenverluste. In der Bundesregierung musste die FPÖ ihre über Jahre äußerst erfolgreiche Oppositionsstrategie aufgeben und konnte fortan ihrer Klientel nur schwer vermittelbare Kompromisse präsentieren. In der Ausländerpolitik ist sie im Schatten des ÖVP-Innenministers heute kaum noch sichtbar, in der Sozialpolitik musste das FPÖ-geführte Ministerium fortlaufend tief greifende Einschnitte vertreten. Dies kostete sie vor allem die Sympathie der Arbeiterschaft, die in den neunziger Jahren zu großen Teilen von den Sozialdemokraten zur FPÖ übergelaufen war. Zugleich aber begannen sich die Freiheitlichen auf einem für sie relativ unbekannten Terrain zu profilieren, der Geschlechterpolitik. Bereits im Nationalratswahlkampf 1999 hatte Jörg Haider die Losung ausgegeben, die FPÖ müsse zukünftig für Frauen attraktiver werden. Dem lag die Überlegung zu Grunde, dass die Partei nur dann weiter wachsen könne, wenn es ihr gelinge, ihr Image als "Männerpartei" abzulegen und vermehrt von Frauen gewählt zu werden.
Die FPÖ-Strategie zur Besetzung geschlechterpolitisch relevanter Themen bewegte sich zunächst auf zwei institutionellen Feldern: der Frauen- sowie der Familienpolitik. War die Eingliederung des Frauenministeriums in ein von der FPÖ geführtes Familienministerium von Frauenpolitikerinnen bereits als Provokation empfunden worden, kam die spätere Besetzung der Ministeriumsspitze mit einem Mann einem offenen Affront gleich. Damit wurde ein spürbarer Kurswechsel in der österreichischen Frauenpolitik eingeleitet. Dieser beinhaltete zwar auch Mittelkürzungen bei emanzipatorisch orientierten Frauenprojekten, politisch relevanter aber erscheint die symbolische und diskursive Neutralisierung des Politikfelds. Frauenminister Herbert Haupt brachte sein Verständnis von Frauenpolitik fortan auf die Formel "pragmatisch, nicht ideologisch". FPÖ-Frauensprecherin Theresia Zierler sekundierte, man werde sich fortan um die "wahren Probleme" der Frauen kümmern, statt aggressiv gegen Männer vorzugehen. In der Faschingszeit verkündete Minister Haupt schließlich die Schaffung einer "männerpolitischen Grundsatzabteilung". Als Abteilung 6/6 der Sektion VI wurde diese ins Ministerium eingegliedert: Geschlechterpolitik als Herrenwitz, eine bis dato nicht gekannte Variante. Die FPÖ sah sich mit permanentem politischen und medialem Gegenwind konfrontiert. Die Einrichtung der Männerabteilung verteidigte Haupt mit dem Hinweis, auch das vermeintlich starke Geschlecht werde zunehmend diskriminiert, etwa am Arbeitsplatz oder als Väter nach Scheidungen.
Die Hauptstoßrichtung der FPÖ liegt allerdings ohnehin nicht darin, eine genuin "freiheitliche" Frauen- und Männerpolitik zu etablieren, in erster Linie geht es ihr um eine Überführung geschlechterpolitischer Fragen in das Feld der Familienpolitik.
Trotz dieser Einbindung hat sich die (familienzentrierte) Geschlechterpolitik mehr und mehr zu einem eigenständigen Schwerpunkt der FPÖ entwickelt, zumal sich ihre Bundesspitze seit 2002 aus dem Sozial- und Familienministerium rekrutiert.
Fazit
Sowohl die SVP als auch die FPÖ vertreten ein Geschlechterrollenverständnis, das Frauen in erster Linie als Mütter begreift und auf die Verrichtung von Familienarbeit festzulegen versucht. Der strategische Umgang mit geschlechterpolitisch relevanten Fragestellungen unterscheidet sich allerdings deutlich, ebenso der anvisierte Weg zum Erreichen der eigenen Ziele. Die SVP weist geschlechterpolitische Ansinnen als schlichtweg nicht notwendig zurück. Sie behält auf diesem Feld eine seit Jahren eingespielte Oppositionsstrategie bei, behandelt Geschlechterpolitik vornehmlich im Rahmen des von ihr mit Vehemenz geführten "Kampfes gegen Sozialausbau". Durch den Verweis auf die zu schützende Privatsphäre der traditionellen Familie versucht sie sich an einer De-Politisierung der Geschlechterverhältnisse. Themen wie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie werden von ihr deshalb schlichtweg nicht diskutiert. Im bürgerlich-rechtskonservativen Weltbild der SVP ist der Mann als Alleinverdiener und Familienernährer vorgesehen, und mutmaßlich ist die von der Partei primär angesprochene Klientel in ökonomischer Hinsicht auch noch zu großen Teilen in der Lage, diesen Status aufrechtzuerhalten.
Der FPÖ bleibt ein ähnlicher Weg versperrt, obwohl er in seiner Klarheit unter wahlstrategischen Aspekten vermutlich den erfolgversprechenderen darstellen würde. Als in eine Koalition eingebundene Regierungspartei im Wesentlichen dem Modus des Gestaltens verpflichtet, muss sich ihre Geschlechterpolitik weitaus mehr an der Komplexität sich verändernder gesellschaftlicher Realitäten orientieren - und auch an der permanenten Kritik der Oppositionsparteien und frauenpolitischer Akteurinnen. Zwar war es für die FPÖ gemeinsam mit der ÖVP möglich, die Frauenpolitik seit der Regierungsübernahme schrittweise ins Abseits zu schieben, ihre familienpolitischen Ziele aber kann sie nur auf der Basis von fortwährenden sozialpolitischen Interventionen erreichen. Einem Großteil ihrer Wählerklientel ist der Weg zurück zum Modell des alleinigen Familienernährers schon aus ökonomischen Gründen versperrt, der viel beschworene "kleine Mann" kommt ohne eine Erwerbstätigkeit seiner Frau kaum noch über die Runden. Die Vereinbarkeitsfrage kann die FPÖ im Gegensatz zur SVP nicht ignorieren, aber sie beantwortet sie in einer Weise, die Frauen den partiellen Ausstieg aus der Berufstätigkeit in finanzieller Hinsicht ermöglichen soll. Von der Bundesregierung mittlerweile mit einem Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit ausgestattet, werden Frauen vor allem als "Zuverdienerinnen" betrachtet. Zwar führt die FPÖ nach wie vor die Devise ins Feld, Frauen lediglich eine Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Optionen gewähren zu wollen, aber schon der eklatante Mangel an Kinderbetreuungsplätzen macht diese Behauptung zur Farce.