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Von der Baath-Herrschaft zur Neo-Baath-Regierung | Islam und islamische Welt | bpb.de

Islam und islamische Welt Editorial Freiheit, Wissen und Ermächtigung von Frauen in arabischen Ländern Frauen unter der Scharia Arabisches Satellitenfernsehen - Demokratisierung ohne politische Parteien? Afghanistan nach den Taliban Von der Baath-Herrschaft zur Neo-Baath-Regierung

Von der Baath-Herrschaft zur Neo-Baath-Regierung

Walter Posch

/ 24 Minuten zu lesen

Die Lage im Irak ist alles andere als stabil. Von Demokratie kann noch nicht gesprochen werden. Der Angriff auf das Land hat mehr Probleme geschaffen als gelöst. Ob durch die geplanten Wahlen im Januar 2005 die Lage stabilisiert werden kann, bleibt abzuwarten.

Einleitung

Nach zwei Golfkriegen und dreißig Jahren Tikriter Familienherrschaft war die Modernität der irakischen Gesellschaft nur mehr in der Erinnerung vorhanden. Der Irak wurde - wie alle anderen Staaten der Region - von einer Welle der Re-Islamisierung erfasst, die Saddam Hussein für sich zu nutzen versuchte. Seine "Pseudo-Islamisierung der Partei" war aus einer Not geboren: Er wollte lieber auf der islamischen Welle reiten, als von ihr hinweggespült zu werden. Während in den kurdischen Autonomiegebieten vom Staat unabhängige politische Parteien existierten, wurde unter Saddams direkter Herrschaft nur den ulema, dem islamischen Klerus, ein gewisses Maß an Unabhängigkeit zugebilligt. Von diesen Veränderungen in der irakischen Gesellschaft drang kaum etwas nach außen. Im Allgemeinen wurde davon ausgegangen, dass "die Schiiten" als stärkste "Bevölkerungsgruppe" die Macht übernehmen und eine Theokratie nach iranischem Muster errichten würden. Die Angst davor war mit einer der Gründe, warum die USA den schiitischen Aufständischen des Jahres 1991 ihre Hilfe verweigerten und einen geschwächten und international isolierten Saddam Hussein in Bagdad akzeptierten. Zur offiziellen Politik wurde ein "Regimewechsel" erst 1998 mit dem "Iraq Liberation Act". Unmittelbar nach dem Ende des zweiten Golfkrieges kooperierte Washington bereits mit der irakischen Opposition. Diese Kooperation wurde nach 1999 neu organisiert.

In den meisten Darstellungen wird darauf verzichtet, den amerikanischen Pragmatismus herauszustreichen, der es den USA ermöglichte, ideologisch unterschiedliche Gruppen lose zu koordinieren. Eine Kooperation mit den kurdischen Nationalisten (Patriotic Union of Kurdistan/PUK und Kurdistan Democratic Party/KDP) ist nachvollziehbar, da diese ihr Überleben letztendlich der amerikanischen Intervention und der Flugverbotszone verdanken. Ebenso plausibel ist die Zusammenarbeit mit irakischen Monarchisten, Ex-Baathis, Ex-Militärs und westlich orientierten Geschäftsleuten wie Ahmad Chalabi. Überraschender war aber die US-Kooperation mit radikalen Islamisten wie zum Beispiel der Islamischen Bewegung Irakisch Kurdistan (IMIK) und den radikalen, iranfreundlichen schiitischen Fundamentalisten des "Hohen Rates der Islamischen Revolution im Irak" (Supreme Council of the Islamic Revolution in Iraq/SCIRI). Letztere hatten nicht nur ihre Basis in Teheran, sondern standen (und stehen) auch noch dem radikalen Flügel der Teheraner Mullahs nahe. Alle Parteien teilten die Erkenntnis, dass es ihnen allein nicht gelingen würde, Saddam Hussein zu stürzen, und dass sie nach dem Sturz Saddams ein gewichtiges Wort mitreden wollten. Mit Ausnahme der Kurden wusste keine der Parteien, wie groß die eigene Anhängerschaft im Land war. Darüber hinaus verfügte niemand - außer den kurdischen Gruppen (KDP, PUK) und der SCIRI - über nennenswerte militärische Kapazitäten. Die meisten der genannten Parteien wurden später von den Amerikanern durch ihre Kooptierung in den Irakischen Regierenden Rat (Iraqi Governing Council/IGC) an der Macht beteiligt. Eine "Fünfergruppe" bestehend aus KDP, PUK, SCIRI, INA (Iraqi National Accord oder Wifaq) und dem Irakischen Nationalkongreß/INC war seither der wichtigste Ansprechpartner für die USA.

Nach dem Sturz Saddams

Die irakische Bevölkerung reagierte im Großen und Ganzen mit Freude auf den Sturz des Diktators. Am größten war die Begeisterung bei den Kurden im Norden des Landes, die sich eine baldige Unabhängigkeit erhofften, während in jenen Gegenden, in denen die regimefreundlichen Patronagenetzwerke am stärksten waren, die Sorge über die Zukunft überwog. Die kurdischen Parteien nutzten die Situation nach Saddams Sturz umgehend, um mit ihren Milizen über die Waffenstillstandslinie vorzurücken. Während sie Städte wie Khanaqin und die kurdische Region um Jabal Sanjar ohne Probleme einnehmen konnten, mussten sie aus Kirkuk auf amerikanischen Druck hin wieder abziehen. Nach dem Ende der Kampfhandlungen kehrten kurdische Flüchtlinge in die Gebiete zurück, aus denen sie zuvor von Saddam Hussein vertrieben worden waren. Dabei kam es teilweise zur Flucht und Vertreibung der arabischen Bevölkerung. Am kompliziertesten und am gefährlichsten war die Situation in Kirkuk, wo es ohne massive amerikanische Präsenz wahrscheinlich zum offenen Bürgerkrieg gekommen wäre. Die Lage bleibt explosiv und scheint sich im letzten Jahr aufgrund des unklaren Status der Erdölstadt noch verschärft zu haben. Außerdem werden mit Kirkuk auch türkische Empfindlichkeiten berührt: Einerseits sieht sich Ankara als Schutzmacht der Turkmenen in der Region (und Kirkuk als deren kulturelles und politisches Zentrum), andererseits wäre ein souveräner Kurdenstaat mit Kirkuk als Hauptstadt lebensfähig. In der Öffentlichkeit hielten sich die kurdischen Parteiführer Talabani und Barzani mit Äußerungen über eine mögliche Sezession zwar zurück und kooperieren eng mit den amerikanischen Besatzungsbehörden und der Regierung, der wichtige Vertreter beider Parteien angehören. Die kurdische Öffentlichkeit favorisiert naturgemäß ihre Unabhängigkeit vom Irak. Die Eingliederung Kirkuks in die kurdische Autonomieregion ist vor diesem Hintergrund eine Minimalforderung der kurdischen Nationalisten.

In den arabischen Gebieten warnten schiitische und sunnitische ulema vor Chaos und Anarchie, erließen fatwas gegen Plünderungen und gegen die willkürliche Ermordung ehemaliger Baathisten. In streng konservativen sunnitischen Städten wie Falluja, die von Baath-Anhängern sofort verlassen wurden, gelang es den Imamen der Moscheen, das gesellschaftliche Leben zu reorganisieren und - ähnlich wie im schiitischen Süden des Landes - für ein gewisses Maß an Ruhe und Ordnung zu sorgen. Der schiitische Klerus konnte in weniger als einem Monat die Macht in den wichtigsten Städten des Südens übernehmen. Auf Anweisung Ayatollah Sistanis wurden Nachbarschaftskomitees, die für Ordnung sorgen und islamische Gesellschaftsnormen durchsetzen, gegründet. Der Aufbau dieser Komitees ging rasch und ohne Zwischenfälle vonstatten. Sie existieren oft neben oder anstelle der von den Amerikanern eingesetzten Verwaltung, gegen die sie sich im Ernstfall ohne Probleme durchsetzen könnten.

Den Amerikanern gegenüber verhielt sich die Bevölkerung eher skeptisch. Für kurze Zeit - zwischen dem Fall des Regimes am 9. April 2003 und der offiziellen Erklärung des Kriegsendes durch Präsident Bush am 1. Mai 2003 - bestand eine reelle Chance, die Bevölkerung für die amerikanischen Besatzer zu gewinnen, da die Freude über den Sturz Saddams noch überwog. Diese Chance wurde durch Missmanagement jedoch vertan. Die offensichtliche Unfähigkeit der Besatzungstruppen, für Sicherheit zu sorgen, und die Verschlechterung der materiellen Lage großer Teile der Bevölkerung trugen zur Desillusionierung bei. Die hohen Verluste der irakischen Zivilbevölkerung durch Bombardierungen und das harte Vorgehen der Amerikaner - vor allem die Demütigung der Familienväter vor ihren Töchtern und Frauen - führten rasch zu offener Feindseligkeit, die von in- und ausländischen Extremisten geschürt wurde.

ORHA und CPA

Die von den USA installierte Zivilverwaltung - zuerst das Office for Reconstruction and Humanitarian Assistance (ORHA) und dann die Coalition Provisional Authority (CPA) - war nach der Resolution 1483 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen jene Behörde, welche die "nach dem anwendbaren Völkerrecht bestehenden spezifischen Befugnisse, Verantwortlichkeiten und Verpflichtungen dieser Staaten [d.i. die Kriegskoalition, W. P.] als Besatzungsmächte unter einheitlicher Führung" wahrnahm. Resolution 1511 unterstrich den vorübergehenden Charakter der CPA, die im Allgemeinen aber nie als Institution der Kriegskoalition betrachtet wurde, sondern als amerikanische Besatzungsbehörde. Die Bildung der ORHA/CPA war nach Ansicht der US-Administration unter anderem deshalb notwendig, weil man bei sofortiger Machtübergabe mit dem Ausbruch von Feindseligkeiten innerhalb der mit den USA verbündeten Gruppen rechnete.

Die amerikanische Besatzungsbehörde nahm ihren Dienst unter ungünstigen Verhältnissen auf: Jay Garner kam erst am 21. April 2003 nach Bagdad - die Plünderungen, vor denen bereits ein Jahr vorher gewarnt wurde, waren schon im Gange. Manche hatten sogar behauptet, dass die Unfähigkeit, rasch und entschlossen auf die Plünderungen zu reagieren, böser Wille seitens der Amerikaner gewesen sei. Vor allem die Plünderungen im irakischen Nationalmuseum, das im Gegensatz zum Erdölministerium nicht geschützt wurde, fügten dem amerikanischen Ansehen in der irakischen und internationalen Öffentlichkeit schweren Schaden zu, auch wenn sich die Verluste des Museums letztlich doch in Grenzen hielten. Als ein Jahr später der schreckliche Folterskandal von Abu Ghraib an die Öffentlichkeit kam, war die amerikanische Reputation gänzlich zerstört.

Planungsfehler

Das soll nicht bedeuten, dass es keine Planung gegeben hätte. Man ließ sich aber in wichtigen Punkten von eigenen Wünschen, den Interessen ausgewählter Exiliraker und den Erfahrungen des letzten Krieges anstatt von den irakischen Realitäten leiten. Im Pentagon war man offensichtlich der Ansicht, dass die amerikanischen Truppen als Befreier willkommen geheißen würden und man in der Lage sein würde, die Macht in die Hände von Protagonisten wie Ahmad Chalabi zu legen. Aber es existierten auch Pläne für Szenarien, die gar nicht eintraten: Es kam zu keiner blutigen Entscheidungsschlacht um Bagdad, keinen Flüchtlingsströmen, keiner Hungersnot, keinem Einsatz chemischer und/oder biologischer Waffen, und die irakische Armee ergab sich nicht in Massen. Schließlich wurden viele Mängel "von oben" für nicht existent erklärt. General Shinseki hatte bereits vor dem Krieg davor gewarnt, dass zu wenig Truppen eingeplant wurden, um nach dem Sieg die öffentliche Sicherheit gewährleisten zu können. Des Weiteren hatten überdurchschnittlich wenige US-Soldaten die nötige Ausbildung und Erfahrung in "Peace-keeping"- und "Nation-building"-Einsätzen.

Dabei wurde für die konkrete Nachkriegsordnung sogar eine Arbeitsgruppe aus Exilirakern und Beamten des amerikanischen Außenministeriums zusammengestellt. Deren Ergebnisse lagen bereits seit Ende 2002 vor. Diese Gruppe wurde aber Opfer der Zerwürfnisse innerhalb der amerikanischen Administration. Mitarbeitern des Pentagon hatte man sogar vom Umgang mit den Experten des Außenministeriums abgeraten. Jay Garner, der der kurzlebigen ORHA vorstand, versuchte vergeblich, auf ihre Expertise zuzugreifen. Einem nach seiner Absetzung veröffentlichten Interview zufolge wurde ihm die Kooperation von Donald Rumsfeld oder "noch höher" untersagt. Das wirkte sich auf die Leistungsfähigkeit der amerikanischen Besatzung aus, da weder die ORHA noch die CPA über die benötigte Anzahl ausgebildeter Regional- und Krisenmanagement-Experten, geschweige denn über die dringend nötigen Sprach- und Kulturkenntnisse verfügten. Die wenigen landeskundigen Spezialisten in der CPA - viele davon Exiliraker, die ihren Beitrag zum Wiederaufbau leisten wollten - zogen sich bald frustriert zurück, da man ihnen eine Partizipation an Entscheidungsfindungsprozessen verweigerte. Die sich zusehends verschlechternde Sicherheitslage führte dazu, dass sich die Angehörigen der CPA immer mehr in die "Grüne Zone" Bagdads zurückzogen und dadurch von den Bedürfnissen der Bevölkerung nur wenig erfuhren.

Auflösung der Baath-Partei und der Armee

Mit dem Amtsantritt Paul Bremers am 13. Mai 2003 sollte ein Neustart versucht werden. Sein Auftrag lautete, die Reste des Baath-Regimes aufzulösen und den Irak auf seine Souveränität vorzubereiten. Als ersten symbolträchtigen Schritt löste er die Baath-Partei und bald darauf die Armee auf. Die Entscheidung dafür musste auf höchster Ebene gefällt worden sein, da Bremer nach Garner "mit einem Koffer voller Anweisungen" aus Washington kam und in dieser Frage keinen großen Handlungsspielraum hatte. Durch die rigorose De-Baathifizierung der Ministerien verlor die ohnehin geschwächte Bürokratie ihre letzten Kader. Viele Baathisten gingen in den Untergrund. Allerdings befanden sich die USA in einer Zwickmühle: Hätte man die meisten Baathisten in Amt und Würden gelassen, wäre ihnen vermutlich vorgeworfen worden, diese in Wirklichkeit zu fördern. Die treibende Kraft hinter der De-Baathifizierung waren Exiliraker. Paul Bremer war hingegen ermächtigt, gegen jede Personalentscheidung sein Veto einzulegen. Durch die vielen Ausnahmen wirkte die Maßnahme chaotisch und willkürlich. Außerdem war die Sichtweise viel zu eurozentrisch und entsprach nur bedingt der irakischen Realität, da unter Saddam Parteimitgliedschaft nicht unbedingt gleichbedeutend mit Treue zu Saddam Hussein war. Informelle Patronagenetzwerke über Stammes-, Clan- und Familienbande mit Mitgliedern der Machtelite waren und sind wichtiger als Parteimitgliedschaft.

Die Auflösung der Armee verschlimmerte die Situation, da sie ein zusätzliches Heer von Unzufriedenen schuf. Zehntausende Kadersoldaten bildeten den wichtigsten Rekrutierungspool für die Aufständischen. Dieser Schritt war aus zwei weiteren Gründen problematisch: erstens, weil man die Armee nach Überprüfung des Offiziers- und Unteroffizierskorps zur Bekämpfung der Aufständischen hätte einsetzen können, und zweitens, weil sie, im Gegensatz zur Republikanischen Garde, die letzte genuin irakische Institution war.

Widerstand

Die geheimen Patronagenetzwerke des gestürzten Regimes waren noch so stark, dass Saddam erst nach mehr als einem halben Jahr festgenommen wurde und andere wichtige Baathisten wie der ehemalige Innenminister Izzat ad-Din Ibrahim ad-Duri sich noch immer verstecken können. Das spricht für die These, dass das Regime gewisse Vorbereitungen zur Flucht in den Untergrund getroffen haben musste. Dabei soll es sich vor allem um Teile des Sicherheitsapparates wie zum Beispiel ausgewählte Einheiten der Republikanischen Garden und die Nachrichtendienste handeln.

Die Plünderungen nach dem Sturz Saddams wurden zum größten Teil im Rahmen der organisierten Kriminalität begangen. Dadurch wurde das Bild von der allmächtigen amerikanischen Armee nachhaltig zerstört und potentielle Widerstandskämpfer ermutigt, zu den Waffen zu greifen. Der sunnitische Widerstand ist bis dato noch nicht wirklich erforscht. Listen verschiedener Organisationen sind mit Vorsicht zu behandeln, da sich viele Gruppen ad hoc für einen Anschlag bilden. Einige wenige Gruppen, von deren Existenz mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden kann, lassen sich dennoch identifizieren.

Ehemalige Mitarbeiter des Sicherheitsapparates gründeten "Al-Awdah - die Rückkehr", das erste Netzwerk verschiedener Zellen im Widerstand. Sie verfügten und verfügen über ausreichend Waffen, Munition und Geld, das sie an Freiwillige weitergaben. Im Allgemeinen geht man von einer Pyramidenstruktur aus: Baathisten liefern Geld und Waffen oder stellen Experten zur Verfügung, und Freiwillige, die keine Baathisten sein müssen, führen die Anschläge aus. Oder sie unterstützen einfach eine Gruppe, die ihnen ideologisch sogar fern sein mag, mit der sie aber der Widerstand gegen die USA eint.

Auf dem Land ging der Widerstand jedoch von den Moscheen und radikalen Islamisten aus. Islam und Nationalismus sind hier die treibenden Kräfte. Die "Brigaden der Revolution von 1920", auch Irakischer Nationaler Islamischer Widerstand, die "Nationale Front zur Befreiung des Irak" und die "Irakische Islamische Widerstandsfront" agieren großenteils unabhängig von den Baathisten und sind jene Netzwerke des Widerstandes, welche die meisten Anschläge auf die Besatzungstruppen zu verantworten haben. Auf lokaler Basis gibt es noch einige kleinere Gruppen, die oft um eine gewisse Moschee herum gebildet wurden. In Falluja zum Beispiel wurde ein Mudjahedin-Rat eingerichtet, der die Aktionen der verschiedenen "Bataillone" koordiniert und das Verhältnis zu den arabischen Freiwilligen regelt. Im Kampf gegen die Besatzungsmacht anerkennen sie gewisse Grenzen: Bis zum Herbst 2004 konnte man ihnen keine Entführungen nachweisen.

Die Entführungen waren anfangs eher kriminell als politisch motiviert, da vor allem irakische Schulkinder, meist Mädchen, entführt wurden, um von den Eltern Lösegeld zu erpressen. Später begannen kleinere, besonders radikale sunnitische Widerstandsgruppen mit der Entführung von Ausländern, da ihnen dadurch ein größeres Medienecho zuteil wurde. Die Entführungen und die grausamen Ermordungen wehrloser Ausländer werden von der irakischen Öffentlichkeit abgelehnt. Die gefährlichsten Gruppen sind jene ausländischen oder von Ausländern geleiteten Organisationen, deren Aktivisten seit Jahren in der internationalen islamistischen Terrorszene tätig sind (wie zum Beispiel die "Islamische Armee in Irak", die Gruppe von Abu-Mus'ab al-Zarqawi, "Al-Tawhid wa al-Jihad" und "Ansar al-Sunnah"). Von 12000 Gefangenen Anfang Dezember 2003 waren 350 ausländische arabische Kämpfer, und von diesen standen fünf unter Verdacht, mit Al-Qaida in Verbindung zu stehen. Diese Gruppen hatten ursprünglich keinerlei organisatorische Koordination und schlossen sich erst im Oktober 2004 dem Al-Qaida-Netzwerk an. In der Regel töten sie ihre Gefangenen medienwirksam - manchmal in der Form quasi-ritueller Hinrichtungen.

Das Verhältnis zwischen einheimischen Widerständlern und internationalen Islamisten ist nicht immer friktionsfrei. In Falluja zum Beispiel kam es zu Spannungen, da der Bevölkerung der Preis, den sie für die islamische Solidarität zu bezahlen hat, zu groß war. Außerdem hatten die ausländischen Araber, die meisten von ihnen Salafisten, das sind Anhänger einer besonders radikalen Richtung, keinen Respekt für den eher traditionellen Islam in Falluja und wollten Verhandlungen mit den Amerikanern unbedingt verhindern.

Zarqawi

Nach der Festnahme Saddam Husseins im Dezember 2003 wurden Abu-Mus'ab al-Zarqawi die meisten Anschläge zugeschrieben. Für die amerikanische Regierung ist er deshalb von Bedeutung, weil seine Anwesenheit im Irak als Beweis für die Verbindungen des Baath-Regimes mit Al-Qaida diente. Als relativ sicher gilt seine jordanische Abstammung und seine seit Jahrzehnten andauernde Aktivität in der internationalen islamistischen Szene. Er soll sich noch immer im Irak aufhalten. Ob er noch am Leben ist und noch beide Beine hat oder eines tatsächlich in Afghanistan verlor, ist Gegenstand von Mutmaßungen. Zarqawi konkurrierte mit Usama bin Ladin, soll sich aber diesem im Oktober 2004 unterworfen und dem Al-Qaida-Netzwerk angeschlossen haben. Eine mögliche Kooperation mit Al-Qaida deutete er bereits in seinem im Januar abgefangenen Brief an, in welchem er die Lage im Irak analysiert. Darin schlug er vor, auf schiitische Geistliche Anschläge zu verüben, um einen Bürgerkrieg zwischen Sunniten und Schiiten zu provozieren.

Doch die wichtigsten Anschläge auf schiitische Kleriker scheinen nicht von Abu-Mus'ab al- Zarqawi unternommen worden zu sein. Mit derErmordung Ayatollah Abdulmajid Khoeis wurden sowohl Anhänger Muqtada Sadrs als auch Baathisten in Zusammenhang gebracht. Der brutale Anschlag auf Ayatollah Muhamamd Baqir Al-Hakim und ein weiterer Mordversuch an einem hochrangigen Ayatollah im Sommer 2003 gehen wahrscheinlich ebenfalls auf Kosten der Baathisten. Vielleicht steht er aber hinter dem Anschlag auf Ayatollah Sistani vom Januar 2004. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hat Zarqawi aber den Anschlag auf die UNO zu verantworten. Die Anschläge auf die christliche Minderheit im Land müssen nicht unbedingt von ihm ausgeführt worden sein, sie lassen sich aber durch seine Weltanschauung erklären.

Falluja

Ende April 2003 eskalierte eine ursprünglich friedliche Demonstration in Falluja, bei der mehr als ein Dutzend unbewaffnete Iraker von amerikanischen Soldaten getötet wurden. Damals versuchten die Geistlichen in den Moscheen noch die Bevölkerung zu beruhigen und waren sogar bereit, mit den Amerikanern zu kooperieren, um Anarchie und Chaos zu vermeiden. Die Gemäßigten unter ihnen dürften dann - einem allgemeinen Trend folgend - ebenfalls radikalisiert worden sein. Das strenggläubige Falluja entwickelte sich immer mehr zum Zentrum radikaler Sunniten und war ab dem Sommer 2003 einer der gefährlichsten Orte für Koalitionstruppen.

Ende März 2004, im Zuge der allgemeinen Empörung über die Tötung des Hamas-Führers Yassin durch israelische Truppen im Gaza-Streifen, wurden vier Angestellte einer Sicherheitsfirma in Falluja getötet und ihre Leichen von einer wütenden Masse geschändet. In den anschließenden Gefechten mit den US-Soldaten, denen mehr als 40 Amerikaner und über 600 Iraker, davon mindestens die Hälfte Frauen und Kinder, zum Opfer fielen, erwiesen sich die neu aufgestellten irakischen Truppen als vollkommen unbrauchbar. Die Gefechte in und um Falluja dauerten den ganzen April 2004 an und führten zu keinem eindeutigen Ergebnis. Schließlich setzten die USA einen ehemaligen General Saddams mit einer irakischen "Brigade" ein, wodurch sich die Lage vorerst beruhigte. Anfang September 2004 wurde die "Falluja-Brigade" jedoch wieder aufgelöst, da diese offen mit dem Widerstand kooperierte. Falluja ist in diesen Tagen zum Symbol des irakischen Widerstandes geworden, das sowohl von Schiiten als auch von Sunniten unterstützt wurde. Mitglieder des IGC und der UN-Beauftragte Lakhdar Brahimi warfen den amerikanischen Truppen vor, Kollektivstrafen gegen die Bevölkerung zu verhängen. Sogar britische Offiziere kritisierten das amerikanische Vorgehen als "überproportional hart". Mitte September 2004 hatten die USA die Kontrolle über mindestens acht Städte verloren. Falluja war nur der Auftakt einer landesweiten spontanen Erhebung, Ramadi, Samarra, Ba'quba folgten, und mit der Entscheidung im Mai 2004, gegen Muqtada Sadr vorzugehen, entfachte Paul Bremer den Widerstand der radikalsten schiitischen Gruppe.

Einige Tage nach den amerikanischen Präsidentschaftswahlen fiel die Entscheidung, die Rebellenhochburg Falluja anzugreifen. Ministerpräsident Iyad Allawi verhängte den Notstand über das Land und gab den Befehl zum Angriff auf die Stadt. Seither befinden sich amerikanischen und irakische Truppen auf dem Vormarsch; große Teile der Stadt wurden bereits zurückerobert.

Muqtada Sadr

Für den Großteil des schiitischen Widerstandes ist der junge Kleriker Muqtada Sadr verantwortlich. Er konnte auf ein von seinem Vater, dem 1999 ermordeten Muhammad Sadiq Sadr, hinterlassenes Netzwerk radikaler schiitischer Anhänger, mit Zentrum in Sadr-(ehemals Saddam-)City, zurückgreifen. Als Theologe kaum bedeutend und daheranfangs unterschätzt, hatte er sich dem im iranischen Qom ansässigen Ayatollah Husseini-Ha'eri angenähert, der sich im Sommer 2004 von ihm lossagte. Muqtada lässt sich aus Teheran nicht steuern. Dafür sprechen seine zahlreichen antiiranischen Äußerungen. Muqtada, der sich seiner Ablehnung durch das schiitische Establishment sehr wohl bewusst ist, gründete im Juli 2003 die Mahdi-Armee, eine Miliz, die sich anfänglich auf die Rolle einer Sittenpolizei beschränkte.

Es kam daher überraschend, dass just zu dem Zeitpunkt, als Falluja belagert wurde, Paul Bremer die unbedeutende Zeitung Muqtadas verbieten und ihn verhaften lassen wollte. Daraus wurde gefolgert, dass Muqtadas Reaktion auf die Tötung Sheikh Yassins für die in der CPA dominierenden Kreise die eigentliche Ursache war. Muqtadas unausgebildeter Miliz gelang es in kurzer Zeit Kut, Nasiriyah, Kufa, Najaf und Teile von Karbala einzunehmen. In keiner dieser Städte war die Sadr-Bewegung zuvor wirklich stark gewesen. Nachdem seine Leute die Moschee in Najaf vier Monate lang besetzt hielten, entschlossen sich die US-Soldaten anzugreifen. Die Kämpfe in dieser für die Schiiten heiligen Stadt lösten auch in sunnitischen Ländern Empörung aus. Schließlich wurde der Konflikt durch Ayatollah Sistani gelöst, die Amerikaner und Muqtadas Anhänger zogen ab: Vom Haftbefehl gegen ihn war keine Rede mehr, und das theologische Establishment unter Sistani kontrolliert wieder Najaf. Ohne das Eingreifen der US-Soldaten wäre dies wohl kaum möglich gewesen.

Bürgerkrieg?

Zum Widerstand müssen auch die brutalen und fast schon alltäglichen Selbstmordanschläge gerechnet werden, für die nicht nur einige ausländische Fanatiker verantwortlich gemacht werden können. Als Täter kommen sowohl ehemalige Baathisten als auch ausländische oder einheimische Islamisten in Frage. Spätestens seit den letzten schiitischen Feierlichkeiten im März 2004, als bei zwei Anschlägen auf Schiiten in Karbala und Bagdad über zweihundert Menschen starben, wird nicht mehr daran gezweifelt, dass mit aller Gewalt ein Bürgerkrieg initiiert werden soll. In der Region südlich und südwestlich von Bagdad werden Schiiten von radikalen Sunniten vertrieben. Ziel ist ein konfessionell "gesäuberter" Gürtel rund um Bagdad. Die verbliebenen Schiiten hatten sich im Sommer 2004 zum Widerstand organisiert und wurden durch SCIRI unterstützt. Nach ersten gewalttätigen Auseinandersetzungen hat sich die Lage in dieser Region etwas beruhigt. Die schiitisch-sunnitischen Spannungen im Großraum Bagdad sind wahrscheinlich gefährlicher als die Spannungen im Norden, die ein größeres Konfliktpotential bergen (Volksgruppenkonflikt, Involvierung von Nachbarstaaten).

Abhängigkeit und Souveränität

Anfang April 2003 äußerte der stellvertretende US-Verteidigungsminister Paul Wolfowitz die Hoffnung, die Macht innerhalb von sechs Monaten an eine souveräne irakische Regierung übergeben zu können. Ein erstes Treffen von Oppositionsgruppen in Nasiriyah am 15. April 2003 scheiterte am Widerstand der SCIRI, die für die Errichtung eines islamischen Staates plädierte. Nach einem weiteren Treffen in Bagdad am 26. Mai 2003 beendeten die USA Mitte Mai diesen Prozess aus Angst vor der Unfähigkeit der existierenden Gruppen, eine stabile Regierung zu bilden oder sich gegen die Dominanz schiitischer Fundamentalisten zur Wehr zu setzen. Am 13. Juli 2003 war die CPA gezwungen, einen 25-köpfigen Regierenden Rat (Iraqi Governing Council - IGC) einzusetzen, der aus Exilirakern, irakischen Parteien, die mit den USA verbündet waren, Vertretern irakischer Stämme und Unabhängigen bestand.

Die Zusammensetzung des Rates spiegelte die allgemeinen Vorstellungen über die irakische Bevölkerung wider. Demnach besteht diese nur aus Kurden, Schiiten und Sunniten. Für den Normalfall gemischter sunnitisch-schiitischer und arabisch-kurdischer Ehen oder für eine Selbstidentifikation als Muslime, Araber oder Iraker bleibt in diesem Denken kein Platz. Damit wurde die Tendenz zur Fragmentierung der irakischen Gesellschaft entlang ethnisch-konfessioneller Bruchlinien gefestigt. Allerdings war nur ein sunnitischer Fundamentalist vertreten, und viele wichtige Stämme fehlten. Diese beriefen als Reaktion darauf im Dezember 2003 einen eigenen Rat ein, der jedoch in den Augen der Amerikaner eine potenzielle Widerstandsfront darstellte. Der IGC bildete ein Gremium von neun Personen, unter denen, dem arabischen Alphabet folgend, monatlich die Präsidentschaft rotierte. Am 1. September 2003 ernannte der Rat die neue irakische Regierung, die nach dem ethno-konfessionellen Schlüssel des Rates gebildet wurde.

Mitte November 2003 prognostizierte die CIA eine weitere Zunahme des Widerstandes gegen die Besatzung. Nach Konsultationen mit Washington und Gesprächen mit Mitgliedern des IGC wurde das "Abkommen vom 15. November" geschlossen. Darin wurde die Übergabe der Macht an die Iraker und die Auflösung der CPA am 30. Juni 2004 festgelegt. Dieser Zeitplan wurde eingehalten - Bremer übergab sogar zwei Tage vor dem geplanten Machtwechsel viele Befugnisse an die neue irakische Regierung des Iyad Allawi. Zum Staatspräsidenten wurde ein ehemaliges IGC-Mitglied, Ghazi al-Yawer, ein Notabler vom Stamm der Shammar, gekürt. Von einer Souveränität des Irak zu sprechen scheint etwas verfrüht zu sein, da die US-Botschaft in Bagdad zum Teil die Rolle der CPA übernommen hat.

In der Realität hat sich also wenig geändert: Die Regierung ist hinsichtlich der Sicherheit nach wie vor von den amerikanischen und Koalitionsstreitkräften abhängig - auch wenn daran gearbeitet wird, eigene Sicherheitskräfte aufzubauen. Die Wirtschaft kann sich aufgrund der Sicherheitslage nicht normal entwickeln. Wahlen müssen vorbereitet und ein Ausgleich zwischen säkularen und islamistischen Kräften in Gesellschaft und Politik muss gefunden werden. Sensible Themen wie zum Beispiel die kurdische Autonomie werden zur Zeit gar nicht behandelt. Als Erfolg kann jedoch die irakische Nationalkonferenz vom August 2004, die trotz der Belagerung Najafs durchgeführt wurde, beurteilt werden. In dieser Konferenz wurde eine 100-köpfige Kommission gewählt, welche die Wahlen im Januar vorbereiten soll.

Die größte Herausforderung bildeten die Wahlen und die Verfassungsfrage. Ursprünglich hatte Paul Bremer ein System von Wahlmännern im Auge, das im Endeffekt auf Notablenversammlungen hinauslief. Ayatollah Sistani protestierte dagegen mit einer fatwa, in der er die Ausarbeitung einer zukünftigen irakischen Verfassung durch frei gewählte Vertreter und nicht durch von der CPA eingesetzte Experten verlangte. Seine Forderung nach freien Wahlen wiederholte er im November 2003 und zu Beginn des Jahres 2004. Letztendlich konnte er sich mit seinen wichtigsten Forderungen durchsetzen: Die oben genannte Nationalversammlung tagte im August, und aller Voraussicht nach wird Anfang 2005, der prekären Sicherheitslage zum Trotz, gewählt werden.

Die Verfassungsfrage ist für die kurdischen Parteien wichtig: Ihre zentralen Forderungen nach weitgehender Autonomie widersprechen einer irakisch-zentralstaatlichen Vorstellung. Die KDP hatte bereits eigene Verfassungsentwürfe für Kurdistan und für den Gesamtstaat Irak veröffentlicht. Basierend auf den Punkten des Abkommens vom 15. November 2003 wurde ein Gremium zur Ausarbeitung einer provisorischen Übergangsverfassung (Transitional Administrative Law - TAL) gebildet, das bis Ende Februar 2004 die ersten Entwürfe vorlegen konnte. Nach Einsprüchen von kurdischer Seite wurde eine - wie es zunächst schien - für alle Seiten akzeptable Lösung gefunden und am 8. März in Bagdad feierlich unterzeichnet. Den kurdischen Nationalisten war damit aber nur eine kurze Atempause gegönnt. Abgesehen davon, dass viele Unklarheiten im Verhältnis Kurdistan - Irak bestehen blieben, waren die kurdischen Politiker nach der Verabschiedung von UN-Resolution 1546 enttäuscht. In der Resolution wurde das TAL nicht erwähnt. Ayatollah Sistani übte zuvor starken Druck auf die Regierung aus, woraufhin PUK und KDP mit dem Verlassen der Regierung drohten. Das TAL hätte den Kurden nicht nur das Recht eingeräumt, gegen die zukünftige Bundesverfassung Einspruch einzulegen, sondern sie war vielmehr die einzige Rechtsgrundlage für ihre Autonomie. Die amerikanische Regierung ist dadurch in die prekäre Situation geraten, die kurdischen Parteien, welche die einzigen eindeutig proamerikanischen Gruppierungen sind, die über nennenswerte militärische Kapazitäten verfügen, zu verprellen.

Alte Freunde, alte Feinde?

Der Amtsantritt der Regierung Allawi ist in abgeschwächter Form eine Rückkehr zu einem älteren amerikanischen Projekt: einen prowestlichen säkularen Baathisten einzusetzen. Der INA ist die Sammelorganisation ehemaliger Baathisten und damit eine Antithese zu Ahmad Chalabis INC. Chalabi war nach den Vorwürfen, die Iraner mit sensiblen Informationen über die amerikanischen Operationen im Irak versorgt zu haben, nicht mehr tragbar. Wenn Chalabi aber nun vor einer Re-Baathifizierung warnt, klingt das unglaubwürdig, da seine Leute bereits im Juli 2003 ehemalige Mitarbeiter der Abteilungen "Türkei" und "Iran" der Mukhabarat, des ehemaligen Parteigeheimdienstes, angeworben hatten - genauso wie die CIA. Im April 2004 wurde die De-Baathifizierung insgeheim zurückgenommen und nach erfahrenen Offizieren für die neue Armee gesucht. Schließlich verfolgt die Regierung Allawi, zeitgleich mit der amerikanischen Offensive vom Oktober 2004, einen schärferen Kurs gegen den Widerstand, allen voran gegen die schiitischen Fundamentalisten, und sie holt immer mehr ehemalige Baathisten an die Macht zurück. Die irakische Hizbullah bezichtigte den Chef der Mukhabarat, Schahwani, einige ihrer Mitglieder ohne Haftbefehl festzuhalten und ihre Büros ohne richterliche Erlaubnis durchsucht zu haben. Diesen Anschuldigungen begegnete die Regierung mit dem Vorwurf, die mit der Hizbullah verbündete SCIRI werde von Teheran aus gesteuert. Das dient wahrscheinlich in erster Linie dazu, die Wahlaussichten der SCIRI zu schmälern, ist aber deshalb besonders gefährlich, weil es eine etwas gemilderte Neuauflage der Konfrontation zwischen regierenden Baathisten (überwiegend sunnitischer Herkunft) und schiitischen Fundamentalisten in der Opposition ist. Teheran wiederum würde wohl kaum ohne amerikanische Unterstützung angegriffen werden. Damit dürften die Grundlinien der weiteren amerikanischen Irakpolitik vorgezeichnet sein: mit US-freundlichen bzw. von den USA abhängigen Neo-Baathisten das Vorrücken des schiitischen Fundamentalismus - ob auf demokratischem Wege oder nicht - im Irak zu verhindern.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Für eine offiziöse Darstellung der amerikanischen Bemühungen, das Regime zu stürzen, vgl. Kenneth Katzman, Iraq: U.S. Regime Change Efforts and Post-Saddam Governance, CRS - Report for Congress RL 31339, 23. 2. 2004, S. 2, 12 - 21.

  2. Aufgrund von deren Kontakten zu radikalen sunnitischen Extremisten stellten die USA die finanzielle Unterstützung nach 2001 ein, vgl. K. Katzman, ebd., S. 13.

  3. Für weitere von den USA geförderte Gruppen vgl. K. Katzman (Anm. 1), S. 18f.

  4. Vgl. Human Rights Watch, Claims in Conflict, Reversing Ethnic Cleansing in Northern Iraq, Vol. 16/4, August 2004; dies., Iraq: Forcible Expulsion of Ethnic Minorities, Vol. 15/3, März 2003.

  5. Vgl. George Packer, The Next Iraqi War? What Kirkuk's struggle to reverse Saddam's ethnic cleansing signals for the future Iraq, in: The New Yorker vom 4. 10. 2004.

  6. So ignorierte die Bevölkerung von Najaf einen von den USA eingesetzten sunnitischen Bürgermeister. Vgl. William Booth, In Najaf, New Mayor is Outsider Viewed With Suspicion, in: The Washington Post vom 14. 5. 2003.

  7. Vgl. K. Katzman (Anm. 1), S. 22.

  8. Vgl. Peter Sluglett, Iraq after the US Invasion, in: ISIM newsletter vom 13. 12. 2003, S. 24f.

  9. Vgl. Alexander H. Joffe, Museum Madness in Baghdad, in: Middle East Quarterly, 11 (Frühling 2004) 2, S. 31 - 43; Cristina Erck, Viel Lärm um nichts? Neues über den Zustand der Kulturgüter im Irak, in: Neue Zürcher Zeitung vom 24. 6. 2003; Mary Wiltenburg/Philip Smucker, Looters Plunder in Minutes Iraq's millennia-old legacy, in: The Christian Science Monitor vom 14. 4. 2003.

  10. Vgl. In Cheney's Words: The Administration's Case for Removing Saddam Hussein, in: New York Times vom 27. 8. 2002.

  11. Vgl. Larry Diamond, What Went Wrong in Iraq, in: Foreign Affairs, (September/Oktober 2004).

  12. Vgl. Robin Wright/Thomas E. Ricks, Bremer Criticizes Troop Levels. Ex-Overseer of Iraq Says U.S. Effort Was Hampered Early On, in: The Washington Post vom 5. 10. 2004.

  13. Vgl. Ghassan Attiyah/Kanan Makiya/Democratic Principles Work Group, Final Report on Transition To Democracy in Iraq, London, November 2002.

  14. Vgl. Gordon Corera, Iraq provides lessons in nation building, in: Jane's Intelligence Review, (Januar 2004), S. 30 - 33.

  15. Ähnliches trifft übrigens auch für die Streitkräfte zu. Vgl. Anthony Cordesman, Iraq and Asymmetric Warfare: The US vs. FRL/Islamist Due, 6. 12. 2003, S. 12f. (www.csis.org).

  16. Vgl. Iraq Is Not a Lost Battle. An Interview with Isam al-Khafaji, in: Middle East Report, 228 (Herbst 2003), S. 24 - 27.

  17. Vgl. Sarah Graham-Brown, Multiplier Effect. War, Occupation and Humanitarian Needs in Iraq, in: ebd., 228 (Herbst 2003), S. 17.

  18. Vgl. Amerikanische Ungewissheiten im Irak - Erreichtes und Versäumtes. General Kimmitts Rückblick auf die Besetzung, in: Neue Zürcher Zeitung vom 9. 7. 2004.

  19. Zu den Folgen der De-Baathifizierung für das akademische Leben vgl. Keith Watenpaugh/Edouard Méténier/Jens Hanssen/Hala Fattah, Opening the Doors. Intellectual Life and Academic Conditions in Post-War Bagdad, A Report of the Iraqi Observer vom 15. 6. 2003, S. 21 - 24.

  20. Vgl. Thomas Shanker, Saddam's secret service planned for insurgency, Pentagon finds, in: International Herold Tribune (IHT) vom 30. 4. 2004; Jeffrey B. White/Michael Schmidmayr, Resistance in Iraq, in: Middle East Quarterly, (Herbst 2003), S. 17 - 32.

  21. Vgl. Scott Ritter, Misunderstanding Iraq, Saddam's people are winning the war, in: IHT vom 23. 7. 2004.

  22. Vgl. (http://www.fas.org/irp/news/2004/09/az091904. html).

  23. Vgl. Milan Vesely, The Awdah Threat, in: The Middle East, (August/September 2003), S. 20 - 23.

  24. Vgl. Samir Haddad/Mazin Ghazi, Who Kills Hostages in Iraq?, in: Al Zawra vom 19. 9. 2004 (http://www.fas.org/irp/news/2004/09/az091904.html).

  25. Vgl. A. Cordesman (Anm. 15), S. 8.

  26. Vgl. Karl Vick, Insurgent Alliance Is Fraying In Fallujah. Locals, Fearing Invasion, Turn Against Foreign Arabs, in: The Washington Post vom 13. 10. 2004.

  27. Vgl. Walter Posch, Irak unter Saddam Hussein. Das Ende einer Ära? Historischer Hintergrund, Akteure, Szenarien, Wien 2002, S. 132.

  28. Vgl. (http://www.dawn.com/2004/10/18/top7.htm).

  29. Vgl. BBC-News, Profile: Abu Musab al-Zarqawi (http://news.bbc.co.uk/2/hi/middle_east/3483089.stm) und (http://www.cpa-iraq.org/transcripts/2004 0212_zarqawi_full.html).

  30. Vgl. Scott Peterson, Iraqis Begin Warming at US. Presence, in: The Christian Science Monitor vom 1. 7. 2003.

  31. Vgl. Dan Murphy, Radical Islam grows among Iraq's Sunnis, in: ebd. vom 28. 7. 2004.

  32. Vgl. Iraq troops refused to join fight in Falluja, in: The Financial Times vom 12. 4. 2004.

  33. Vgl. Annia Ciezadlo, Nationalism grows in Iraq, in: The Christian Science Monitor vom 15. 4. 2004.

  34. Vgl. Scott Peterson, Tough US tactics quell Fallujah unrest, but at what cost?, in: ebd. vom 20. 4. 2004.

  35. Vgl. Luke Harding, Iraq: A descent into civil war?, in: The Guardian vom 15. 9. 2004.

  36. Vgl. Iraq as the 51st state, Interview mit Juan Cole, in: The Asia Times vom 14. 6. 2004 (http://www.atimes.com/atimes/Middle_East/FF18Ak01.html).

  37. Vgl. William Pfaff, When Marines Make Policy, Iraq Burns, in: IHT vom 21. 8. 2004.

  38. Vgl. Nicholas Blanford, Huge Blasts Attack Iraq Unity, in: The Christian Science Monitor vom 3. 3. 2004.

  39. Vgl. Gudrun Harrer, Konfessionelle Säuberung, in: Der Standard vom 5. 7. 2004.

  40. Vgl. Mariam Shahin, A 'Quota' Council, in: The Middle East, (August/September 2003), S. 10f.

  41. Vgl. K. Katzman (Anm. 1), S. 25.

  42. Vgl. Josh White/Jonathan Weisman, Limited Sovereignty Planned, in: The Washington Post vom 22. 4. 2004.

  43. So wird auf der noch bis zum 30. Juni 2005 zugänglichen Leitseite der CPA auf die Seite der amerikanischen Botschaft verwiesen, vgl. (www.cpa-iraq.org> und http://iraq.us embassy.gov).

  44. Vgl. John F. Burns, Iraqi Conference on Election Plan Sinks Into Chaos, in: The New York Times vom 16. 8. 2004.

  45. Vgl. Walter Posch/Nathan J. Brown, Kurdische Unabhängigkeitsbestrebungen und die irakische Verfassung, Schriftenreihe der Landesverteidigungsakademie 3, Wien 2004, S. 79 - 82.

  46. Vgl. Kurds Hint at Hesitation Over New Rule, in: The Guardian vom 9. 6. 2004.

  47. Vgl. Letter from Barzani and Talabani to President Bush, in: KurdishMedia.com vom 1. 6. 2004.

  48. Vgl. Raymond W. Copson, Iraq War. Background and Issues Overview, CRS - Report for Congress RL31715, 22. 4. 2003, S. 22.

  49. Vgl. Ahmad Chalabi, The Biggest Error Was Occupation, in: Middle East Quarterly, 11 (Sommer 2004) 3, S. 69 - 77.

  50. Vgl. Neela Benerjee/Douglas Jehl, US helps Iraq rebuild units that monitor Iran, in: The New York Times vom 22. 7. 2003.

  51. Vgl. Nir Rosen, Unsavory allies stack CIA's deck, in: post-gazette.com vom 24. 8. 2003.

  52. Vgl. Robin Wright, U.S. Moves to Rehire Some From Baath Party Military, in: The Washington Post vom 22. 4. 2004.

  53. Vgl. Edward Wong/Erik Eckholm, Allawi Presses Effort to Bring Back Baathists, in: The New York Times vom 12. 10. 2004.

  54. Vgl. Iraqi minister, intelligence chief to be investigated over unwarranted arrest, in: www.chinaview.cn vom 21. 9. 2004.

Dr. phil., geb. 1966; Studium der Turkologie und Islamkunde in Wien; Mitarbeiter der Landesverteidigungsakademie Wien; seit 2004 European Union Institute for Security Studies (EU-ISS), Paris.
Anschrift: EU - ISS, 43 Avenue du Président Wilson, 75016 Paris.
E-Mail: E-Mail Link: w.posch@iss-eu.org

Veröffentlichungen u. a.: Irak unter Saddam Hussein. Das Ende einer Ära?, Wien 2002 (Schriftenreihe der Landesverteidigungsakademie 13); Die irakischen Schiiten nach dem Fall Saddam Husseins, in: Österreichische Militärische Zeitschrift, (2003) 6; (zus. mit Nathan J. Brown) Kurdische Unabhängigkeitsbestrebungen und die Irakische Verfassung, Wien 2004.