Einleitung
Staatliche Kunst- und Kulturförderung zielt auf die Besten; diese werden bevorzugt. Dass damit eine Diskriminierung einhergehen könnte, wird mit dem Hinweis auf die Chancengleichheit aller Kunstschaffenden und dem Verweis darauf, Kunstförderung erfolge in einem neutralen Kontext, abgewiesen. Kunst- und Kulturförderung erfolgt jedoch innerhalb eines geschlechtsdiskriminierenden gesellschaftlichen Rahmens. Sie dient nicht nur der Sicherung künstlerischer Vorhaben, sondern wirkt sich auch auf die Repräsentanz von Frauen und Männern in der Kunst aus. Die dabei weitgehend unsichtbare Bedeutung von Geschlecht hat insbesondere für Frauen nachteilige Effekte, die sich im Rahmen aktueller Finanzierungsdebatten zu verstärken scheinen. In diesem Beitrag soll die Tragweite der geschlechtsdiskriminierenden Förderpraxis skizziert und die Notwendigkeit einer verstärkten Berücksichtigung der Kategorie Geschlecht in der öffentlichen Kunstförderung hervorgehoben werden.
Aktuelle Debatten in der Kulturfinanzierung
Kulturförderung gehört zu den politischen Handlungsfeldern, in denen im Zuge von Rationalisierungsprozessen und der aktuellen Diskussion um Kulturfinanzierung als freiwilliges politisches Engagement große Einsparpotenziale vermutet werden. Tatsächlich entsprechen die öffentlichen Ausgaben für Kultur jedoch nur einem minimalen Bruchteil des Gesamtetats der öffentlichen Haushalte, und die realen Kulturausgaben sinken kontinuierlich.
In der Debatte um Einsparpotenziale im Kulturbereich geht unter, dass bei der Verteilung dieser Gelder Männer bevorzugt, Frauen benachteiligt werden. Denn die unmittelbare und mittelbare finanzielle Berücksichtigung der Geschlechter ist höchst verschieden. So kommen beispielsweise in Deutschland nur 15 Prozent aller öffentlichen Mittel der Kunstförderung Frauen zugute, in Europa sind es sogar nur 10 bis 15 Prozent.
Wenngleich es im Kulturbereich bislang keine detaillierte und qualifizierte Datengrundlage für eine Analyse der Finanzierung gibt, kann der Blick auf die drei Dimensionen von Kunstförderung helfen, die geschlechtsspezifische Bedeutung der Förderstrukturen zu verdeutlichen. Künstlerinnen und Künstler beziehen erstens direkte Einkünfte aus den öffentlichen Haushalten: Gagen, Stipendien, Ankäufe von Kunstwerken, Aufträge oder Preise. Öffentliche Zuschüsse gehen zweitens für Projektarbeit oder Personal- und Sachkosten an öffentliche oder private Einrichtungen. Drittens finanziert die öffentliche Hand die Mittel zur Deckung von Unterhaltskosten und Kosten für die künstlerische Arbeit und die Anschaffungen der staatlichen und städtischen Kulturinstitutionen. In jedem dieser drei Bereiche werden Frauen und Männer jeweils unterschiedlich gefördert. Auch wenn das vorhandene Zahlenmaterial zur Repräsentanz von Frauen und Männern in der Kunst keine detaillierte Analyse erlaubt, gibt es doch genügend Indizien dafür, dass Männer weitaus häufiger in den Genuss direkter und indirekter Förderung kommen. Sie sind nicht nur in entsprechenden Projekten, sondern auch in Leitungspositionen bekannter und hoch subventionierter Kulturinstitutionen stärker vertreten. Kürzungen von Personal- und Sachmitteln kleinerer Kulturinstitutionen benachteiligen - umgekehrt - nicht nur den eher weiblichen "Mittelbau", sondern tragen auch zur Verschlechterung der Lage von vorrangig regional bekannten Künstlerinnen und Künstlern bei. Die öffentliche Aufmerksamkeit konzentriert sich zunehmend auf die überregionalen - und meist männlichen - Größen im Kulturbereich. Auch wenn Ausstellungen sich nicht unmittelbar über Gagen oder Honorare in Einkünften niederschlagen, so haben sie doch wertvolle Multiplikationseffekte etwa durch Ankäufe, die Steigerung des Bekanntheitsgrades oder die Vergabe von Preisen.
Von Seiten des Bundes wird angesichts enger öffentlicher Haushaltslagen auf den "verschärften Legitimationsdruck"
Daten zur geschlechtsspezifischen Ungleichheit
Die Unterschiede des Durchschnittseinkommens der bei der Künstlersozialkasse versicherten Frauen und Männer sind symptomatisch für die Geschlechterdifferenzen im gesamten Kunstbetrieb. Danach hatten Künstler zum 1. Januar 2004 ein jährliches Durchschnittseinkommen von 12 447 Euro, Künstlerinnen kamen hingegen nur auf 9 331 Euro. Bei den Berufsanfängerinnen und -anfängern ist der Unterschied noch krasser: 11 729 versicherte Männer verdienten durchschnittlich 9 313 Euro, während das Durchschnittseinkommen von 14 774 Berufsanfängerinnen bei nur 7902 Euro lag.
Im Frühjahr 2004 wurde eine Studie des Deutschen Kulturrates über Frauen in Kunst und Kultur vorgestellt, in der in den Jahren 1995 bis 2000 die Situation von Frauen in Kulturinstitutionen und in der Künstlerförderung analysiert wurde.
Auch die Lage der freiberuflichen Künstlerinnen ist insgesamt schlechter als die der Künstler. So kaufen beispielsweise die Bundesländer seltener Werke von Frauen und vergeben - umgekehrt - Aufträge häufiger an Männer, die zudem ein höheres Einkommen erzielen. Für dieselbe Anzahl von Werken, die durch die Länder angekauft oder in Auftrag gegeben worden sind, erhielten Frauen eine um etwa 10 Prozent niedrigere Durchschnittssumme.
In der Diskussion um die soziale Lage und die drohende Altersarmut von Künstlerinnen und Künstlern geht ein geschlechtsundifferenzierter Blick an der besonderen Betroffenheit von Frauen vorbei. Die Zahl arbeitsloser Künstlerinnen und Künstler hat sich in den letzten Jahren zwar insgesamt beträchtlich erhöht.
Formen von Benachteiligungen
Die Art und Weise der Repräsentation von Macht im Geschlechterverhältnis ist unter dem Einfluss vermehrter öffentlicher Aufmerksamkeit gegenüber geschlechtsspezifischen Diskriminierungen subtiler geworden. Dass Künstlerinnen und ihre Werke im Gegensatz zu Künstlern und deren Werken in der Öffentlichkeit seltener wahrgenommen werden, hängt auch mit einem Verständnis von künstlerischer Genialität zusammen, das sich implizit auf ein männliches Subjekt bezieht. Der Mythos des künstlerischen Schöpfertums, wonach Männer produzieren, Frauen aber nur reproduzieren können, führt nicht selten zum sozialen Ausschluss von Künstlerinnen. In den gebräuchlichen Interpretationen der Werke von Künstlerinnen werden entweder die als typisch weiblich symbolisierten Merkmale betont oder bestimmte Eigenschaften der Werke als typisch weiblich definiert. Künstlerinnen steht aufgrund ihrer Weiblichkeit in einer männlich dominierten Kultur kein eigener symbolischer Raum offen. Daher produzieren sie entweder außerhalb der symbolischen Ordnung und somit auch außerhalb öffentlicher Anerkennung "ganz andere", mithin weibliche Kunstwerke. Oder sie wenden sich weiblich symbolisierten Kategorien zu und stehen auch damit außerhalb der herrschenden ästhetischen Maßstäbe. Dem Vorwurf, ihr Kunstschaffen sei eigentlich männlich oder typisch weiblich, können Künstlerinnen innerhalb dieser symbolischen Ordnung kaum ausweichen.
Die gängige Praxis der Kunstförderung unterstreicht diese symbolischen Ausschlussmechanismen. Eine geschlechtssensible Kunst- und Kulturpolitik, die mit spezifischen Instrumenten - wie etwa Quotierungen - regulierend auf das geschlechtsspezifische Ungleichgewicht einwirkt, könnte hier Abhilfe schaffen. Aber auch die Kunst selbst kann - im Zusammenwirken mit der theoretischen Auseinandersetzung - notwendige Impulse setzen und tradierte ästhetische Kategorien in Frage stellen.
Kunstförderung ist keine politikfreie Zone, sondern beruht auf spezifischen Strukturen des Kunstbetriebes. Künstlerinnen sind - wie oben bereits erwähnt - in politischen Institutionen oder Entscheidungsgremien nur schwach vertreten. Gleichzeitig weisen die Organisationsformen und Binnenstrukturen des Kunstbetriebes spezifische Barrieren auf, die Frauen den Zugang zu Machtpositionen erheblich erschweren.
Anforderungen an die Kunstförderung
Ungeachtet der breiten Fächerung von Frauenförderpolitik sind entsprechende Bemühungen im Kunst- und Kulturbereich insgesamt eher ineffektiv.
Gelingen könnte dies durch eine quantitative Gleichstellungspolitik, etwa in Form von Quoten. Diese könnten - beispielsweise bei Berufungen von Professoren und Professorinnen an Kunsthochschulen - dazu beitragen, das Fehlen weiblicher Leitbilder zu ersetzen und so Leitungspositionen für Studentinnen als Karriereoption attraktiver zu machen. Bei der Vergabe von Preisen und Ehrungen sollten die Jurys wechselnd und geschlechtergerecht besetzt werden. Quoten sind in vielen Bereichen der Kunst- und Kulturförderung möglich und notwendig, etwa beim Ankauf von Kunstwerken, bei der Auftrags- und Ausstellungsvergabe und der Gestaltung von Katalogen sowie bei Gremienbesetzungen. Da die traditionelle Kunstförderung Männer bevorzugt, kann zum Abbau von Ungleichheiten vorübergehend auch ungleiche Behandlung notwendig sein.
Eine wichtige Voraussetzung für die Wirksamkeit solcher ergebnisorientierter Instrumentarien ist das Aufbrechen tradierter Klischees und Stereotypen. Politisches Handeln sollte zu einem Bewusstseinswandel beitragen, in dessen Verlauf geschlechtstypische Klischees abgebaut werden.
Eine geschlechtssensible Kunst- und Kulturförderung setzt Wissen über die (geschlechtsspezifischen) Rahmenbedingungen der Mittelverteilung und Haushaltsbudgetierungen sowie über die Entscheidungsprozesse prägenden Normen voraus. Um zu Geschlechtergleichheit beizutragen, müssen außerdem bestimmte politische Strategien und die Verteilungsmodi von Ressourcen verändert werden. So bietet sich zunächst vor allem die Durchführung von Pilotprojekten an, um die Leistungsfähigkeit von Genderpolitik zu demonstrieren und die Akteurinnen und Akteure zu sensibilisieren.