Zwar ist die extreme Armut in den vergangenen rund zwanzig Jahren weltweit zurückgegangen, aber noch immer führen viele afrikanische Staaten die einschlägigen Statistiken an. Unter den verschiedenen Faktoren, die einer effektiven Bekämpfung der Armut entgegenstehen, ist schlechte Regierungsführung in den betroffenen Ländern einer. Ich werde im Folgenden daher der Frage nachgehen, wie im subsaharischen Afrika wirtschaftliche Entwicklung und damit die Reduzierung von Armut "von unten" gelingen kann, wenn sich Regierungen eher als Hemmnis denn als Hilfe für Entwicklung und damit auch für internationale Entwicklungszusammenarbeit (EZ) erweisen.
Ich beginne zunächst mit einem Blick auf die Folgen schlechter Regierungsführung, ehe ich anschließend zunächst für den ländlichen Bereich einige Wege aufzeigen werde, wie Beschäftigungsförderung und damit Armutsminderung vorangebracht und mit Mitteln der EZ unterstützt werden könnte. Daran anknüpfend werde ich zur selben Frage die rasch wachsenden urbanen Zentren in den Blick nehmen und abschließend auf die Rolle sozialer Sicherung eingehen.
Faktor Regierungsführung
Über die Kriterien für Armut und damit über die Zahl der Armen lässt sich ebenso streiten wie über die bestehende Tiefe von Armut, in der die betroffenen Menschen leben. Legt man ein gängiges Kriterium der Vereinten Nationen zugrunde – wer mit weniger als 1,90 US-Dollar pro Tag auskommen muss, gilt als extrem arm –, lebten nach den jüngsten Schätzungen der Weltbank 2013 "nur" etwa 766 Millionen Menschen in extremer Armut. Wendet man hingegen einen multidimensionalen Armutsbegriff an, der neben dem Lebensstandard etwa auch Bildung und Gesundheit berücksichtigt, müsste eher von rund zwei Milliarden extrem armen Menschen die Rede sein.
Tatsächlich entstehen derzeit auch in afrikanischen Hauptstädten moderne Glaspaläste, und vor futuristischen Diskotheken stehen Dutzende teurer Geländewagen. Doch diese Bilder täuschen. Fast überall in Afrika kommt von der scheinbaren wirtschaftlichen Entwicklung bei der Masse der Bevölkerung nur wenig an, was unter anderem mit der Regierungsführung dieser Länder zu tun hat. Der ehemalige Botschafter Volker Seitz kommt in seiner Bilanz von rund vierzig Jahren Beschäftigung mit dem subsaharischen Afrika diesbezüglich zu einem eindeutigen wie ernüchterndem Fazit; der Titel seines Buches fasst die Kernaussage bereits zusammen: "Afrika wird armregiert".
Zum gleichen Schluss wie Volker Seitz kommt der Journalist Tom Burgis in seinem 2015 erschienenen Buch über den "Fluch des Reichtums", nur dass hier nicht alleine die Diktatoren, die ihre Völker ausplündern, als Hauptakteure des Geschehens ausgemacht werden, sondern auch internationale Konzerne, die im Verein mit den Machthabern und ihrer Entourage betrügen, Menschen kaufen oder die Umwelt zerstören.
Auch Asfa-Wossen Asserate zeigt in seinem neuen Buch über Afrika überaus deutlich, was er von den meisten afrikanischen Regierungen hält und wo er die Kernprobleme des Kontinents sieht, nämlich in der unsäglichen Korruption. Nach Auffassung des Autors wird ein Großteil der bisherigen EZ für Afrika deshalb fehlgeleitet. Allerdings seien alleine vom benötigten finanziellen Volumen her wirtschaftliche Investitionen in Subsahara-Afrika für die Entwicklung der Staaten viel wichtiger als Zuschüsse der EZ.
Bezeichnend ist allerdings, dass auch die Republik Südafrika, das wirtschaftlich stärkste und von Investoren lange Zeit gut gelittene Land an der Südspitze des Kontinents, unter zunehmender Korruption leidet und ein Großteil der Bevölkerung von der dennoch weiter herrschenden relativen wirtschaftlichen Prosperität kaum profitiert. Generell nimmt die Korruption in Subsahara-Afrika sogar zu,
Die Weltbank, die sich als "unpolitisch" versteht und sich angeblich nicht in die inneren Angelegenheiten der Mitgliedsstaaten (und Zuwendungsempfänger von Entwicklungskrediten) einmischt, bewertet die Regierungsführung aller afrikanischen Länder zumindest implizit, und zwar im Rahmen des jährlich von ihr herausgegebenen "Doing Business Report". Darin wird überaus deutlich: Schon die Betriebsgründung als einheimischer oder ausländischer Investor ist in den meisten Ländern schwierig, an Kredite heranzukommen zumeist noch schwieriger, selbst ein Stromanschluss ist in einer Reihe von Staaten in Subsahara-Afrika kaum zu bekommen. Weitere teilweise kaum überwindbare Probleme sind der Zoll und die Steuer.
Die Zwischenbilanz ist somit eindeutig: In zahlreichen afrikanischen Staaten fallen die Regierungen als Partner für EZ aus. Die Lösung für eine armutsorientierte wirtschaftliche Entwicklung in vielen Ländern des Kontinents kann also nicht "von oben" kommen. Sie kann auch nicht primär durch die stark an staatliche Lösungen gebundene bilaterale und multilaterale EZ erfolgen. Hierfür sind weder die Einflussmöglichkeiten noch die finanziellen Mittel hinreichend. Im Sinne der Sozialwissenschaftlerin Deepa Narayan, die für die Weltbank zahlreiche Studien zur Einschätzung von Armut und von möglichen Wegen aus der Armut durch Betroffene selbst erstellt hat, ist eine erfolgreiche Armutsminderung nur "from the Bottom up" zu erwarten, das heißt von der Basis aus, auf lokaler Ebene und von den Armen maßgeblich selbst initiiert.
Armutsbekämpfung im ländlichen Raum
Problemlage
Wie könnte eine solche Entwicklung "von unten" für Afrika aussehen, die sich vorwiegend auf die Betroffenen selbst stützt, aber auch lokale staatliche administrative Strukturen sowie die unmittelbar auf Ebene der Bevölkerung wirksame EZ einbezieht? Zunächst gilt es bei der Suche nach erfolgversprechenden Wegen zu berücksichtigen, wo die Armen in Subsahara-Afrika leben. In der Mehrzahl handelt es sich um ländliche Bevölkerungsgruppen, weniger als ein Drittel der Armen lebt in den urbanen Räumen. Es sollte in Afrika südlich der Sahara jedoch kein grundsätzlicher Stadt-Land-Gegensatz konstruiert werden. Je nach Staat leben auch heute noch bis zu 80 Prozent der Menschen von der Landwirtschaft. Selbst in einer kongolesischen Großstadt wie Mwene Ditu mit ihren rund 450.000 Einwohnerinnen und Einwohnern machen sich während der Regenzeit fast die Hälfte der arbeitsfähigen Personen täglich auf den Weg zu ihren Feldern.
Primäre Ursachen für ländliche Armut in Subsahara-Afrika sind vor allem – mit unterschiedlicher Gewichtung – die geringe Produktivität der Böden und entsprechend geringe Ernteerträge; zunehmende klimatische Unwägbarkeiten wie Dürren, Starkregenereignisse und eine große Variabilität der Niederschläge, vor allem in den Regionen der Sahelzone;
Ein weiterer wichtiger Faktor ist, dass landwirtschaftliche Erzeugnisse – auch wegen fehlender Infrastruktur – meist nicht vor Ort verarbeitet werden und damit eine erhöhte Wertschöpfung ausbleibt. Dies hat unter anderem zur Folge, dass es außerhalb der Landwirtschaft zu wenige Arbeitsplätze gibt, was durch die Tatsache verstärkt wird, dass es in einer armen Lebenswelt nur geringe Kaufkraft und somit kaum Nachfrage nach Gütern gibt, die nicht in Subsistenzproduktion erzeugt wurden.
Mögliche Lösungswege
Angesichts dieser Probleme und basierend auf den vielfältigen Erfahrungen aus Erfolgen wie aus Fehlschlägen sind die folgenden (entwicklungs-)politischen Antworten vordringlich.
Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit: Die Akteure von Staat und EZ sollten die Bäuerinnen und Bauern dabei unterstützen, die Fruchtbarkeit der Böden zu erhöhen, angepasste Kulturtechniken einzusetzen und, wo immer notwendig, antierosive Maßnahmen zu ergreifen.
Stärkung der Resilienz: Ergänzend gilt es, vor allem in den Sahel-Regionen die Widerstandsfähigkeit (Resilienz) der bäuerlichen Haushalte gegen zunehmende Wetterunwägbarkeiten infolge des Klimawandels zu verbessern. Dies können neben dem Erosionsschutz wasserbindende Maßnahmen sein – zum Beispiel rain water harvesting durch Pflügen auf den Konturlinien, die Errichtung kleiner Felddämme –, aber auch eine Diversifizierung der Einkommen zum Beispiel durch Agroforstwirtschaft und eine angepasste Viehhaltung sind notwendig.
Bessere Input-Versorgung: Die Inputproblematik, also die Versorgung unter anderem mit Dünge- und gegebenenfalls Pflanzenschutzmitteln, eigentlich eine Herausforderung für die nationalen Regierungen, lässt sich am besten durch Selbstorganisation der Bäuerinnen und Bauern lösen, was den kooperativen Einkauf begünstigt. Allerdings ist ganz ohne den Staat die Frage der generellen Verfügbarkeit von Inputs und vor allem deren Qualitätssicherung kaum lösbar.
Passende Technologie bereitstellen: Da die Regenzeit und damit die Aufnahme der sehr arbeitsintensiven Landarbeit mit Beginn der Regenzeit quasi an einem Tag beginnt, herrscht saisonal in der afrikanischen Landwirtschaft vielfach erheblicher Arbeitskräftemangel. Entsprechend spielt die Lohnarbeit durch Landlose oder Migrantinnen und Migranten aus anderen Klimazonen mancherorts bereits eine große Rolle. Zum Beispiel in Benin zeigt sich jedoch, dass angesichts der geringen Produktivität die Löhne mangels Kapital kaum aufzubringen sind, denn bäuerliche Betriebe erhalten noch weniger Bankenkredite als das städtische Gewerbe. Entsprechend ist die Nachfrage nach einfacher Technologie wie Motorpflügen groß. Statt großer Traktorenprogramme, wie sie derzeit im Tschad umgesetzt werden, wäre die Übernahme der in Südostasien weitverbreiteten Multifunktions-Handtraktoren eine gute Lösung.
Zugang zu Kapital erleichtern: Landwirtschaftliche Kredite sind in afrikanischen Ländern wegen zumeist fehlender Sicherheiten kaum zu bekommen. Noch mehr als für Handwerker und Händlerinnen in den urbanen Zentren wäre es deshalb für Bäuerinnen und Bauern notwendig, sich kooperativ zu organisieren, um bei Banken angemessen auftreten zu können. Und die EZ sollte Mittel bereitstellen, die den Kreditinstituten das Risiko mindern.
Zugang zu Ackerland sichern: Der gesicherte Zugang zu Ackerland sollte ein zunehmend wichtiges Thema der nationalen Entwicklungspolitiken sein. Die EZ kann dabei nur unterstützend tätig werden, also beratend und gegebenenfalls mit Finanzierungsbeiträgen bei der Erstellung nationaler Landkataster. Ganz besonders wichtig ist ein Ende des verheerenden landgrabbing, das vor allem die traditionelle Landwirtschaft massiv schädigt. Statt Land an Investoren zu übertragen, die es in der Regel zu kurzzeitigen Profitzwecken ausbeuten und nicht selten verwüstet zurücklassen, sollte die Sicherung der bäuerlichen Landtitel an erster Stelle stehen. Nur wer sicher sein kann, dass das Land der Familie auch übermorgen zur Verfügung stehen wird, investiert in seinen Acker und ist bereit, Kredite aufzunehmen und aufwändige Maßnahmen umzusetzen. Darüber hinaus bedarf es (nicht nur) in diesem Bereich eines gezielten Empowerments von Frauen: Frauen eigene Landrechte zu geben, hieße, die Produktion deutlich steigern zu können.
Wertschöpfung steigern: Für die Steigerung der Wertschöpfung aus landwirtschaftlicher Produktion vor Ort und zugleich die Schaffung nicht-bäuerlicher Arbeitsplätze ist "Wertschöpfungsketten-Verlängerung" das Zauberwort. Ob Mangos, Cashewnüsse oder Sojabohnen: Es geht hierbei darum, die Erzeugnisse nicht direkt nach der Ernte Aufkäufern ab Feld zu überlassen, sondern so viel wie möglich zu deren Wertsteigerung beizutragen. Dies beginnt damit, dass Grundnahrungsmittel teilweise eingelagert werden (wofür allerdings heute oft fehlende Lagerhäuser benötigt werden) und erst dann, wenn der Preis nach der Haupterntezeit zu steigen beginnt, verkauft werden. Statt als Rohware in der Schale könnten Cashewnüsse als getrocknete oder sogar gewürzte Kerne verkauft werden, und bei Soja böte es sich an, Erzeugnisse wie Tofu, Sojamilch oder Sojamehl teilweise schon im Dorf herzustellen, was viele Arbeitsplätze und damit lokalen Mehrwert beziehungsweise Einkommen schafft. Der Ansatz verlängerter Wertschöpfungsketten könnte durch die Bereitstellung zumindest der dringlichsten Infrastruktur flankiert werden (ganzjährig nutzbare Zugangswege zu den Dörfern, Lagerhäuser, Strom und anderes mehr).
Armutsbekämpfung im urbanen Raum
Problemlage
Trotz der überwiegenden Beschäftigung der Bevölkerung in der Landwirtschaft sollte der städtische Beschäftigungsbereich bei der Armutsbekämpfung nicht vernachlässigt werden – nicht zuletzt wegen der zunehmenden Urbanisierung. Der Arbeitsmarkt in Subsahara-Afrika ist je nach Land ganz überwiegend bis fast ausschließlich durch Informalität geprägt, das heißt, die beschäftigten Männer und Frauen haben keinerlei Sozialversicherung, und kaum ein Arbeitsverhältnis beruht auf einer formellen vertraglichen Grundlage.
Die als Antwort auf diese Herausforderung vielfach propagierte Formalisierung informeller Arbeit ist jedoch keine einfache oder rasche Lösung, denn hierbei spricht der Zentralstaat ein entscheidendes Wort mit. Ein formalisiertes Unternehmen, ob als industrieller Großbetrieb oder als Einpersonengeschäft, bekommt eine Betriebs- und Steuernummer, eine "richtige" Adresse – und wird damit bei allen präsent, die in der Verwaltung in irgendeiner Weise damit zu tun haben. In einigen Ländern hat dies zwar mehr Vor- als Nachteile – etwa in Benin, wo junge Unternehmen steuerlich zunächst relativ unbehelligt bleiben und sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Betriebe kranken- wie auch rentenversichern können –, aber in anderen Ländern wie dem Sahelland Tschad ist die Formalisierung häufig der Beginn einer fast täglichen Ausplünderung.
Der Betriebsformalisierung folgen meist Besuche von Vertreterinnen und Vertretern diverser Behörden, die allesamt Forderungen an die Unternehmensleitung stellen dürfen. Häufig können Steuerinspektoren die aus mangelhafter Buchführung vorgelegten Zahlen willkürlich in Zweifel ziehen und völlig überhöhte, teilweise absurde Forderungen stellen, die ein Unternehmen sofort in den Konkurs treiben würden. Die meisten Forderungen lassen sich nur durch Bestechungsgelder abwenden. Nach Abzug aller Kosten bleibt so nur denjenigen etwas an Einkommen übrig, die geschickt die "richtigen" höhergestellten Beamtinnen und Beamten bestechen, um sich dadurch die weniger einflussreichen vom Hals zu halten. Diese Misere ist allen wirtschaftlich aktiven Menschen in der Regel bekannt, und die Folge ist, das fast überall die Formalisierung selbst gut laufender Betriebe unterbleibt, die Belegschaft ohne Sozialversicherung bleiben muss und ein wirklicher Arbeitsschutz nahezu unbekannt ist.
So kommt es, dass selbst erfolgreiche Unternehmerinnen und Unternehmer, die ihre Geschäftstätigkeit gerne ausweiten und mehr Leute einstellen würden, sich so gut es geht zu verstecken suchen, um die Formalisierung zu vermeiden: mittels schäbiger Hangars, in Hinterhöfen gelagert, ohne Firmenschilder und daher schwer zu finden, keine eigenen Transportmittel außer Mopeds selbst im Servicehandwerk (etwa Elektriker, Klempner, Schweißer) und eben mit weniger Angestellten als eigentlich möglich. Dieser Verzicht auf Ausweitung der wirtschaftlichen Aktivität ist die übliche Konsequenz der Ausplünderung des formellen Sektors. Die weitaus negativeren Folgen sind Schließungen der "besseren" informellen Betriebe nach "Entdeckung" durch die Behörden.
Mögliche Lösungswege
Welche Lösungen sind vor diesem Hintergrund überhaupt denkbar? Im urbanen Bereich könnte der Weg aus der Armut über eine Erhöhung der Einkommen für Arbeit im informellen Sektor führen. Daneben ist eine deutliche Reduzierung der Unterbeschäftigung notwendig – zwar ist kaum jemand "arbeitslos", aber die jeweilige Tätigkeit beziehungsweise das daraus erzielte Einkommen reicht oft nicht aus, um eine Familie zu ernähren. Aus meiner Sicht sind vor allem die folgenden Maßnahmen dazu geeignet, dies zu erreichen und die Armutssituation im urbanen Raum zu verbessern.
Selbstorganisation: Ein erster Schritt zum Aufbau von "Gegenmacht" und mittelfristig damit auch zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen und zur Erhöhung der Einkommen ist die Selbstorganisation der betroffenen Erwerbstätigen. Die Gründung von zunächst informellen, je nach Land und rechtlichen Vorgaben auch formellen berufsständischen Organisationen, vielfach unterstützt durch internationale NGOs – aus Deutschland zum Beispiel durch den Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband sowie durch zahlreiche Handwerks- und Handelskammern und politische Stiftungen – und wo es geht auch durch die offizielle EZ, ist daher bereits eine weitverbreitete Praxis. Je professioneller die Organisationen arbeiten und je mehr Mitglieder sie haben, desto besser können sie diese vor staatlicher Willkür schützen und zugleich bei ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit unterstützen. Dabei müssen nicht immer nur "nationale" Organisationen entstehen. Auch städtische oder nur quartierbezogene Strukturen wirken. So lassen sich beispielsweise Marktfrauen in Ghana oder der Côte d’Ivoire heute, seitdem sie sich zusammengeschlossen haben, nicht mehr so einfach von informellen Märkten vertreiben oder von der Polizei erpressen, wenn sie keine Gewerbekarten besitzen. Wichtig ist auch, die Organisationen zu befähigen, sich in der Öffentlichkeit darzustellen, unter anderem also die Presse für ihre Sache zu gewinnen. Staatliche EZ, aber auch politische Stiftungen und andere NGOs können hierbei durchaus helfen, Wirkungen zu erzielen.
Zugang zu Krediten verbessern: Ein von der Weltbank thematisiertes und durch zahlreiche Studien belegtes Problem überall in Subsahara-Afrika ist der schwierige Zugang zu Krediten für betriebliche Investitionen und vor allem Neugründungen, selbst wenn Banken über ausreichende Finanzierungsgelder verfügen.
Umfang der Kredite vergrößern: Mit dem nächsten Kreditsegment, zwischen 1000 und 5000 Euro, ließen sich in Afrika durchaus nachhaltig Neugründungen von professionellen Handwerksbetrieben finanzieren. Informalität und Professionalität sind dabei kein Widerspruch. Hier kann die internationale EZ einen sehr wichtigen Beitrag leisten, indem sie bereits bei der vielerorts unterstützen Ausbildung Berufsalternativen thematisiert und die Rahmenbedingungen für berufliche Einstiege positiv zu beeinflussen sucht. Hierzu gehört ganz besonders der benötigte, bisher aber kaum gewährleistete Zugang zu Krediten für Betriebsgründerinnen und -gründer. Indem die EZ nationalen Kreditinstitutionen alternative finanzielle Kreditlinien für Handwerkerinnen und Handwerker, junge Unternehmerinnen und Unternehmer oder genossenschaftlich organisierte Personengruppen zur Verfügung stellt oder den Institutionen auch nur Garantien für solche mit erhöhtem Risiko verbundenen Kredite bietet, könnten überall Zehntausende gut qualifizierte junge Leute in Arbeit gebracht werden.
Bisher setzt die EZ dagegen häufiger auf hierfür absolut ungeeignete Mikrokredite. In extrem armen Ländern wie Benin, Malawi oder Sambia gibt es in der Konsequenz unzählige geförderte Mikrofinanzorganisationen. Evaluationen zeigen jedoch, dass die von diesen Einrichtungen oft zwischen 50 und 100 Euro liegenden Minimalkredite zwar zum Beispiel Marktfrauen helfen können, ihr Einkommen geringfügig zu steigern, aber sie verhelfen ihnen zumeist nicht nachhaltig aus der Armut.
Berufliche Qualifikation fördern: Die Beschäftigung junger Menschen, vor allem auch derjenigen unter ihnen, die sich durch Schule oder Studium qualifiziert haben, ist ein wichtiger Baustein, um die Armut zu bekämpfen. Es hilft wenig, über die Probleme der Informalität zu lamentieren. So gibt es bereits zahlreiche Ansätze zur Unterstützung der in Informalität arbeitenden Menschen. Die deutsche NGO Don Bosco Mondo zum Beispiel betreibt in Cotonou in Benin (sowie in zahlreichen anderen Städten in Afrika und weltweit) berufliche Ausbildungszentren für Jugendliche, davon vielerorts gezielt für Straßenkinder und Kinder aus armen Familien. Zusammen mit Partnerorganisationen werden auf diese Weise ständig einige Zehntausend junge Menschen, die ohne diese Unterstützung ihr Leben lang allenfalls unterbezahlte Handlangerdienste leisten müssten, beruflich qualifiziert. Dieses und zahlreiche weitere Beispiele zeigen, dass auch im bisher vernachlässigten informellen Sektor ohne Zielsetzung seiner Formalisierung und allenfalls mit niederschwelliger Unterstützung durch den Staat zweierlei möglich ist: Erstens können durch Verbesserung der Rahmenbedingungen massenhaft neue Arbeitsplätze geschaffen werden, und zweitens gibt es viele Möglichkeiten, bestehende Arbeit durch Qualifikation aufzuwerten und den Berufstätigen dadurch zu einem höheren Einkommen und damit zu einem Weg aus der Armut zu verhelfen.
Soziale Sicherung?
Ein weiterer Schritt, der dazu beitragen könnte, sowohl die Armen im ländlichen Raum als auch in den Städten mittelfristig aus der Armut zu führen, ist der Aufbau sozialer Sicherungssysteme in den Ländern des subsaharischen Afrika. Bereits heute gibt es diesbezüglich viele Einzelmaßnahmen: Unterstützung besonders ernährungsgefährdeter Haushalte in Dürregebieten von Kenia oder Äthiopien, Gesundheitsgutscheine für Arme in mehreren Ländern, rudimentäre Krankenversicherungen für gewerbliche Arbeitskräfte und hin und wieder auch das Bestreben, eine Rentenversicherung einzuführen. Nur wenige Länder haben jedoch flächendeckende Fürsorgesysteme eingeführt, wobei das Finanzierungsproblem nur ein Argument war.
Berechnungen der Internationalen Arbeitsorganisation, die sich in den vergangenen Jahren besonders intensiv für das Thema der sozialen Sicherung engagiert hat, zeigen, dass breitere soziale Sicherung auch in den meisten Ländern Afrikas möglich ist. Vielfach würde zwar technische Unterstützung benötigt, aber nur eine Gruppe besonders armer Staaten wäre auf umfangreichere externe Finanzierungshilfen angewiesen.
Soziale Sicherung ist dabei kein Perpetuum mobile, da die Systeme natürlich mit Geld versorgt werden müssen. Mit Blick auf die Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, SDGs, Agenda 2030) wird es allerdings kaum möglich sein, ohne eine flächendeckende Einführung sozialer Sicherungssysteme das wichtige erste Ziel der Agenda, die weltweite Beseitigung extremer Armut, zu erreichen.
Fazit
Für die in den ländlichen Räumen und zumeist von der Landwirtschaft lebenden Menschen ist die Landsicherheit Grundlage aller Überlebensstrategien. Darauf aufbauend müsste es gelingen, sich zusammenzutun und kooperativ die notwendigen Inputs wie vor allem Saatgut und Düngemittel zu besorgen und die eigenen Produkte gemeinsam selbst zu vermarkten. Zudem müssten die Wertschöpfungsketten, wo immer es geht, verlängert werden, um lokal zusätzliche Beschäftigung auch außerhalb der eigentlichen Landwirtschaft zu generieren und höhere Preise zu erzielen. Hier kann durch EZ, unter anderem mit Hilfe internationaler NGOs, auch ohne den Partnerstaat viel erreicht werden.
Das Gleiche gilt für den urbanen Raum. Hier können ebenfalls unter Umgehung des blockierenden Staates vor allem durch Professionalisierung im informellen Sektor, durch die Bereitstellung von Kreditmitteln zur Gründung und -Erweiterung kleiner Unternehmen und durch die Selbstorganisation der Beteiligten für ihre Interessenwahrnehmung Arbeit und Einkommen geschaffen werden. Wer allerdings nicht arbeitsfähig ist und deshalb durch alle Maschen einer Förderung wirtschaftlicher Aktivitäten fällt, müsste nach geltendem Menschenrechtsverständnis Sozialhilfetransfers erhalten, die ihm oder ihr ein menschenwürdiges Überleben sichern.