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Zwischen Afro-Optimismus und Afro-Pessimismus | Entwicklung in Afrika | bpb.de

Entwicklung in Afrika Editorial "Entwicklungshilfe ist nur ein kleiner Teil dessen, was Migration beeinflussen kann". Ein Gespräch Zwischen Afro-Optimismus und Afro-Pessimismus. Aussichten der afrikanischen Wirtschaft Entwicklungszusammenarbeit gegen Fluchtursachen in Afrika – Kann das gelingen? Partnerschaft mit Zukunft? Privatunternehmen in der Entwicklungszusammenarbeit Subsahara-Afrika: Wirtschaftliche Entwicklung "von unten" fördern Den kolonialen Blick überwinden: "Afrikabilder" und "Afrikapolitik"

Zwischen Afro-Optimismus und Afro-Pessimismus Aussichten der afrikanischen Wirtschaft

Farai Mutondoro

/ 17 Minuten zu lesen

Afrika sollte sich seine wachsende Erwerbsbevölkerung ebenso zunutze machen wie die Tatsache, dass es über 60 Prozent der ungenutzten landwirtschaftlichen Nutzfläche der Welt verfügt. Hohe Verschuldung, Korruption und illegale Finanzflüsse gefährden die Entwicklung jedoch.

Bevor man auf den Zustand der afrikanischen Volkswirtschaften und den Hype, der um sie gemacht wird, zu sprechen kommt, sollte man sich bewusst machen, dass die Art und Weise, in der der Kontinent in der Fachliteratur betrachtet und analysiert wird, sich verändert hat. Dabei fallen zwei gegensätzliche Narrative ins Auge: Afro-Pessimismus versus Afro-Optimismus. Die Vertreterinnen und Vertreter des Afro-Pessimismus beschreiben "Afrika" als einen schon immer beängstigenden, rückständigen und von Armut geplagten Kontinent, der auch weiterhin so bleiben wird. Diese Sichtweise ist seit den 1980er Jahren vorherrschend. Autorinnen und Autoren, die sie sich zu Eigen gemacht haben, sehen Afrika vor allem im Zusammenhang mit allem Schlechten, das der Kontinent erlebt hat: von Hungersnöten in Somalia und Äthiopien, über Seuchen wie Ebola in der Demokratischen Republik Kongo, bis hin zu den Bürger- und ethnischen Kriegen unter anderem in Südsudan. So betont etwa der US-amerikanische Publizist David Rieff, Afrika sei für die geostrategischen Interessen der wichtigsten reichen Länder sowie für die wirtschaftlichen Belange der meisten multinationalen Konzerne nebensächlich – mit Ausnahme derer, die Ölförderung oder Bergbau betreiben. Afrikas einzig wichtige Rolle in der Weltwirtschaft sei die eines Produzenten von Rohstoffen, hauptsächlich von Öl, Mineralien und Metallen.

Auch das renommierte Magazin "The Economist" bezeichnete Afrika Anfang des neuen Jahrtausends noch als "hoffnungslosen Kontinent" und beschrieb dabei die negativen Erscheinungen in Sierra Leone ebenso wie die Überschwemmungen in Mosambik und Madagaskar, Hungersnöte in Äthiopien und Simbabwe sowie Kriege, die sich in alle Himmelsrichtungen ausbreiteten. Ein Jahrzehnt später änderte das Magazin jedoch seine Einschätzung, was die Charakterisierung des afrikanischen Kontinents und insbesondere seiner Volkswirtschaften angeht. So war im Dezember 2011 von "Afrikas hoffnungsvollen Wirtschaften" zu lesen, und im März 2013 unterstrich das Magazin diese neue Sichtweise durch die Veröffentlichung eines Sonderberichtes unter dem Titel "Ein hoffnungsvoller Kontinent". Der Sinneswandel des "Economist" steht sinnbildlich für den immer häufiger vertretenen Afro-Optimismus, der dem Afro-Pessimismus durch die Betonung des afrikanischen Wirtschaftswachstums entgegentritt. Die Wachstumsmuster der afrikanischen Ökonomien haben seit 2000 – und vor allem 2008/09, als der Rest der Welt im Zeichen der globalen Rezession stand – den Afro-Optimismus zur maßgeblichen Erzählung gemacht und vor allem Handelsnationen in und außerhalb Afrikas in eine gewisse Euphorie versetzt.

"Africa Rising"?

Die afro-optimistische Sichtweise wird seit der Jahrtausendwende in erster Linie durch die Erzählung vom wirtschaftlich aufsteigenden Kontinent getragen, die unter dem Schlagwort "Africa Rising" große Verbreitung gefunden hat und einen bedeutenden Wandel in der Wahrnehmung des Kontinents widerspiegelt. Führende Finanzinstitutionen wie der Internationale Währungsfonds (IWF) und eine Reihe politischer Entscheidungsträger machten sich diese Erzählung zu Eigen und warben nachdrücklich für seine Unterstützung. Einen Höhepunkt bildete 2014 die vom IWF und der mosambikanischen Regierung ausgerichtete Konferenz "Africa Rising: Road to Mozambique" in Maputo. In ihrer Keynote bezeichnete die geschäftsführende IWF-Direktorin, Christine Lagarde, Mosambik als Verkörperung des positiven Geistes in Afrika, hatte das südostafrikanische Land in den vergangenen zwei Jahrzehnten doch ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von 7,4 Prozent verzeichnet.

Mit dem Verfall der Rohstoffpreise kurz darauf sanken jedoch auch die Wachstumsraten der afrikanischen Volkswirtschaften von durchschnittlich 4,5 Prozent 2014 auf 3,0 Prozent im Folgejahr. Seitdem ist die Rede vom aufsteigenden Kontinent umstritten: Während eine Denkschule davon ausgeht, dass die Euphorie endgültig verflogen ist und der nüchternen Realität weichen musste, geht eine andere davon aus, dass Afrika nach wie vor im Aufstieg begriffen ist und große Potenziale für weiteres Wachstum birgt.

Der ehemalige Vizepräsident der nigerianischen Zentralbank, Kingsley Chiedu Moghalu, weist darauf hin, dass das Africa-Rising-Narrativ zu illusionären Ansichten führen könne, da es auf dem zyklischen Wachstum durch Einnahmen aus Rohstoffverkäufen basiere. Entsprechend rät er den afrikanischen Regierungen, sich unabhängiger von Rohstoffexporten zu machen und stattdessen stärker in die Produktion zu investieren, damit die Afrikanerinnen und Afrikaner konsumieren können, was sie selbst produziert haben. In ähnlicher Weise beschreibt der Wirtschaftswissenschaftler Thandika Mkandawire in einem Interview die euphorische Sichtweise als genauso irreführend wie die afro-pessimistische. Auch er betont die Notwendigkeit für afrikanische Länder, mehr für einen starken Produktionssektor zu tun, um Arbeitsplätze zu schaffen.

Der Wirtschaftswissenschafter Brahima Coulibaly von der US-amerikanischen Denkfabrik Brookings Institution hält dagegen und argumentiert, die Kritiker des Africa-Rising-Narrativs hätten eine Reihe wichtiger Faktoren übersehen:

  • Wenn man die drei größten afrikanischen Volkswirtschaften (Südafrika, Angola und Nigeria) außer Acht lasse, habe sich die Wachstumsrate in Subsahara-Afrika 2017 von 2,5 Prozent auf fast 4 Prozent erhöht. Die Wirtschaft wachse dort somit schneller als die Weltwirtschaft insgesamt (3,5 Prozent).

  • Fünf der zehn am schnellsten wachsenden Wirtschaften in der Welt befänden sich in Afrika.

  • Die hohen Rohstoffpreise zwischen 2000 und 2014 seien nur ein Faktor für die positive wirtschaftliche Entwicklung in der Region gewesen. Zu den weiteren Faktoren gehörten makroökonomisches Management, Regierungsführung und wirtschaftliche Rahmenbedingungen sowie das aufsteigende Unternehmertum.

  • Selbst wenn die drei größten afrikanischen Wirtschaften in der Flaute stecken bleiben sollten, würde dies nicht unbedingt das Ende der Africa-Rising-Story bedeuten. Denn sie müsse sich nicht notwendigerweise auf ganz Afrika beziehen. So habe sich das Narrativ der "Asiatischen Tiger" von den 1960er bis zu den 1990er Jahren auch nur auf Hongkong, Singapur, Südkorea und Taiwan bezogen und andere sich entwickelnde Länder in Asien ausgeschlossen. Auf ähnliche Weise unterschieden sich auch afrikanische Volkswirtschaften und sollten deshalb individuell bewertet werden.

Ausblick

Die afrikanische Wirtschaft als Ganzes ist in makroökonomischer Hinsicht seit 2000 gewachsen. Dieses Wachstum wurde durch den Anstieg der Rohstoffpreise ermöglicht, vor allem des Ölpreises, der von weniger als 20 US-Dollar pro Barrel 1999 auf mehr als 145 US-Dollar 2008 stieg. Der Anteil der Rohstoffe bei den Exporten der Subsahara-Staaten stieg von 57 Prozent in den Jahren 1990 bis 1999 auf 76 Prozent in den Jahren 2010 bis 2014. Allerdings erklärt der Rohstoffboom das Wachstum nur zum Teil. Natürliche Ressourcen trugen zwischen 2000 und 2008 nur zu 24 Prozent zum Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bei, von daher leisteten andere wichtige Wirtschaftsbereiche wie Groß- und Einzelhandel, Verkehrswesen, Telekommunikation und Produktion ebenfalls wesentliche Beiträge zur wirtschaftlichen Entwicklung. Tatsächlich verzeichneten Länder wie Ruanda und Äthiopien, die nicht so stark von Rohstoffexporten abhängig sind, im vergangenen Jahrzehnt höhere Wachstumsraten als Länder, bei denen Rohstoffexporte eine größere Rolle spielen. Zwischen 2008 und 2011, also während einer Phase großer weltwirtschaftlicher Unsicherheit, wuchs die afrikanische Gesamtwirtschaft um mehr als vier Prozent.

Der Abschwung folgte 2015/16 mit dem Einbruch des Ölpreises: Von 100 US-Dollar pro Barrel 2013 sank er bis Februar 2016 auf 26 US-Dollar, ehe er sich bis Oktober bei etwa 50 US-Dollar einpendelte. Der Preisverfall traf Afrika besonders, weil einige der führenden afrikanischen Volkswirtschaften, etwa Angola und Nigeria, eine dramatische Abhängigkeit von der Ölproduktion aufweisen. In Angola, Gabun und der Republik Kongo sind 40 bis 50 Prozent des BIP auf die Ölexporte zurückzuführen, im Falle von Äquatorialguinea sind es sogar 80 Prozent. Entsprechend machen in Angola, der Republik Kongo und Äquatorialguinea die Erlöse aus dem Ölverkauf 75 Prozent der Staatseinnahmen aus.

Auch der Verfall der Mineralien- und Metallpreise und die Eintrübung der chinesischen Wirtschaft 2015/16 hatten negative Auswirkungen auf die afrikanische Wirtschaft. Während die Preise für die wichtigen Exportgüter Kupfer und Eisenerz um etwa 25 beziehungsweise 40 Prozent einbrachen, gingen infolge der nachlassenden chinesischen Nachfrage nach Primärgütern 2015 auch die afrikanischen Exporte nach China um beinahe 40 Prozent zurück. Entsprechend erreichte das afrikanische Wirtschaftswachstum mit 1,5 Prozent 2016 einen Tiefpunkt – den tiefsten seit mehr als zwei Jahrzehnten.

Seit 2016 hat sich die afrikanische Wirtschaft jedoch wieder etwas erholt: Der Afrikanischen Entwicklungsbank zufolge betrug das reale Wachstum 2017 3,6 Prozent, für 2018 und 2019 wird ein Wachstum von 4,1 Prozent erwartet. In ihrem jüngsten "African Economic Outlook" hebt die Entwicklungsbank mit Blick auf das Wirtschaftswachstum die folgenden regionalen Unterschiede hervor:

"Ostafrika bleibt mit einem geschätzten Wachstum von 5,6 Prozent 2017 nach 4,9 Prozent 2016 die am schnellsten wachsende Region in Afrika. Das Wachstum dürfte rege bleiben und 2018 5,9 Prozent und 2019 6,1 Prozent erreichen. In der Region ist starkes Wachstum weitverbreitet und liegt in vielen Ländern (Dschibuti, Äthiopien, Kenia, Ruanda, Tansania und Uganda) bei 5 Prozent oder mehr. (…)

Nordafrika verzeichnete 2017 mit 5 Prozent die zweithöchste Wachstumsrate in Afrika, nach 3,3 Prozent 2016. Das Wachstum der Region wird sich 2018 voraussichtlich auf 5,1 Prozent beschleunigen, um 2019 auf 4,5 Prozent zurückzugehen. (…)

Südliches Afrika. Das Wachstum im südlichen Afrika verdoppelte sich 2017 fast, auf 1,6 Prozent von 0,9 Prozent 2016. Die Verbesserung spiegelt die bessere Performance der drei wichtigsten Rohstoffexporteure wider: Südafrika, das sein (mit 0,9 Prozent immer noch geringes) Wachstum verdoppelte, Angola, wo sich die Wirtschaftsleistung auf 2,1 Prozent erhöhte, und Sambia, dessen Wachstum 4,1 Prozent betrug. (…)

Westafrika. Begünstigt durch erhöhte Ölförderung und Produktionswachstum in der Landwirtschaft dürfte Nigeria seine 2017 erzielten Zuwächse konsolidieren. Es wird daher mit einer Beschleunigung des Wachstums in Westafrika auf 3,6 Prozent 2018 und 3,8 Prozent 2019 gerechnet. Andere große Länder, die zu diesem Wachstum beitragen, sind Côte d’Ivoire, Ghana und Senegal; bei kleineren Ländern (Benin, Burkina Faso, Sierra Leone und Togo) ist mit einem Wachstum von 5 Prozent oder mehr zu rechnen.

Zentralafrika. Trotz der Erholung der Ölpreise blieb die Region Zentralafrika weiter hinter den Erwartungen zurück. In der Republik Kongo (–4 Prozent) und Äquatorialguinea (–7,3 Prozent) schrumpfte die Wirtschaftsleistung deutlich, wodurch das Gesamtwachstum der Region 2017 auf 0,9 Prozent fiel. Eine moderate Erholung in der Republik Kongo wird das Wachstum in der Region fördern, das 2018 um 2,6 Prozent und 2019 um voraussichtlich 3,4 Prozent zulegen wird."

Während ich diesen Text schreibe, herrscht also durchaus wieder verstärkte Euphorie in Bezug auf die verheißungsvolle Zukunft der afrikanischen Volkswirtschaften vor. So argumentiert auch Brahima Coulibaly, dass die Hälfte der Volkswirtschaften in Subsahara-Afrika im Verlauf der nächsten fünf Jahre mit einer Wachstumsrate zulegen werden, die ähnlich oder höher ist als jene, die in der Hochphase des Africa-Rising-Hypes vorherrschte.

Coulibaly zufolge wird sich zudem etwa die Hälfte der weltweit am schnellsten wachsenden Ökonomien nach wie vor auf dem afrikanischen Kontinent befinden, wobei mehr als zwanzig Volkswirtschaften im Verlauf der kommenden fünf Jahre mit einer durchschnittlichen Rate von fünf Prozent oder mehr wachsen werden – und somit schneller als die Weltwirtschaft insgesamt, für die eine Rate von 3,7 Prozent prognostiziert wird. Ghana, Äthiopien, Côte d’Ivoire, Senegal, Ruanda, Tansania, Burkina Faso, Sierra Leone, Benin und Guinea sollen demnach die Top-Ten-Performer des Jahres 2018 werden. Aus makroökonomischer Perspektive scheint die Zukunft somit glänzend zu sein. Doch ein Blick auf die sozialen und menschlichen Entwicklungsfaktoren sowie auf die Entwicklung der Regierungsführung lässt etwas anderes vermuten.

Paradox der afrikanischen Wirtschaft

Mit Blick auf das Unvermögen vieler afrikanischer Wirtschaften, hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen und das Leben der vielen in Armut lebenden Menschen zu verbessern, bestehen ernste Bedenken. Sorge bereiten auch die zunehmende Verschuldung gegenüber China sowie das Ausmaß der Korruption und der illegalen Finanzströme. Eine sozioökonomische Transformation findet bislang nicht statt, das beeindruckende Wirtschaftswachstum ändert für viele Afrikanerinnen und Afrikaner nichts: Noch immer leben 695 Millionen Menschen in Afrika ohne sanitäre Grundversorgung, nur 34 Prozent der Bevölkerung sind an das Straßennetz angeschlossen, 620 Millionen Menschen in Subsahara-Afrika haben keine Stromversorgung, und 2014/15 litten rund 153 Millionen Menschen im Alter über 15 Jahren in Subsahara-Afrika unter schwerer Ernährungsunsicherheit. Zwar ist der Bevölkerungsanteil, der unterhalb der Armutsgrenze lebt, zwischen 1990 und 2012 von 55 Prozent auf 43 Prozent zurückgegangen, aber durch das Bevölkerungswachstum ist die absolute Zahl armer Menschen gestiegen. Ein Anteil von 61,7 Prozent der städtischen Bevölkerung in Subsahara-Afrika lebt in Slums.

Das zentrale Problem bei der zunehmenden Armut und wachsenden Ungleichheit ist das Ausmaß der Arbeitslosigkeit. Laut Afrikanischer Entwicklungsbank ist die Beschäftigungsrate zwischen 2000 und 2014 zwar jährlich um mindestens 2,8 Prozent angestiegen, aber angesichts der Größe und des Wachstums der heutigen Erwerbsbevölkerung ist diese Rate sehr niedrig. 2015 lebten in Afrika etwa 226 Millionen Jugendliche; Schätzungen zufolge wird ihre Zahl bis 2030 um 42 Prozent auf 321 Millionen anwachsen. Schon 2010 lag der afrikanische Anteil an der globalen Erwerbsbevölkerung bei 54 Prozent. Bis 2090 wird er voraussichtlich auf 64 Prozent ansteigen.

Das schwache Beschäftigungswachstum trifft in erster Linie Frauen und Jugendliche. Beide Gruppen sind wesentliche Faktoren für Afrikas transformative Agenda, bleiben aber strukturell machtlos und ungeschützt. Die jungen Afrikanerinnen und Afrikaner gelten als die größte Wachstumschance des Kontinents – doch das Wachstum der Erwerbsbevölkerung scheint gegenwärtig eher eine Bürde für die afrikanischen Wirtschaften zu sein. Die Rate der Armutsreduktion ist niedriger als das durchschnittliche Bevölkerungswachstum. Das bedeutet im Wesentlichen, dass immer mehr junge Menschen in Armut aufwachsen. Die Tatsache, dass für diese jungen Menschen keine hochwertigen Arbeitsplätze geschaffen werden, hat zahlreiche Afrikanerinnen und Afrikaner zur Auswanderung gezwungen oder in den informellen Sektor gedrängt, wo sie mit ungezügelter Korruption, sexuellem Missbrauch und politischer Vetternwirtschaft konfrontiert sind.

Entwicklungshilfe und Wirtschaftswachstum

Auf dem afrikanischen Kontinent fließen seit vielen Jahren unterschiedliche Kapitalströme aus dem Ausland zusammen, alle angeblich mit dem einzigen Ziel, das afrikanische Wirtschaftswachstum zu fördern. Die Hilfe für Afrika wurzelt unter anderem im früheren kolonialen Verhältnis zwischen westlichen und afrikanischen Ländern – es ist vor allem auf dieses Verhältnis zurückzuführen, dass Afrika zum Empfänger diverser Hilfeleistungen seitens westlicher Regierungen, Stiftungen und Hilfsorganisationen wurde. Die Mittel aus dem Ausland setzen sich in erster Linie zusammen aus Direktinvestitionen, Entwicklungshilfe in Form von Darlehen zu Vorzugskonditionen (niedrigere Zinssätze, längere Laufzeiten als marktüblich) und Subventionen, aber auch aus Warenkrediten, die in jüngster Zeit in großem Umfang von China, Afrikas größtem Handelspartner, gegeben wurden (2015 in Höhe von 60 Millionen US-Dollar). Das Gros der Entwicklungshilfegelder stammt aus dem Westen, insbesondere aus den USA, dem Vereinigten Königreich und anderen europäischen Staaten wie Schweden, Deutschland, Frankreich und Norwegen.

Eine Auswertung der Verteilung der Entwicklungshilfegelder zwischen 1980 und 2013 zeigt, dass der größte Anteil der ausländischer Hilfsmittel nach Westafrika ging (33 Milliarden US-Dollar), gefolgt von Ostafrika (29,8 Milliarden) und dem Südlichen Afrika (26,2 Milliarden). Hinsichtlich der sektoralen Verteilung floss die offizielle Entwicklungshilfe vor allem in das Sozialwesen, den Wirtschaftssektor sowie in die Dienstleistungsbranchen der jeweiligen Länder.

Die Entwicklungshilfe war und ist Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Auseinandersetzungen; manche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler argumentieren, die Hilfe habe positive Wirkung erzielt, andere behaupten das Gegenteil. Die Ökonomin Dambisa Moyo etwa kritisiert, dass die Entwicklungshilfe eine Kultur der Abhängigkeit geschaffen und Korruption gefördert habe. Obwohl Afrika in den vergangenen Jahren mehr als eine Billion US-Dollar erhalten habe, seien viele Länder nach wie vor unterentwickelt und hingen am Tropf ausländischer Geldgeber. Zwar lassen sich diese Argumente nicht von der Hand weisen, aber nichtsdestotrotz hat Entwicklungshilfe in Afrika durchaus auch Positives bewirkt. Angesichts der sich vergrößernden Ungleichheit, gestiegener Armutsanfälligkeit und verbreiteter Arbeitslosigkeit füllt die Entwicklungshilfe ein strukturbedingtes Vakuum. Vor dem Hintergrund, dass viele Afrikanerinnen und Afrikaner vom Wirtschaftswachstum nicht profitieren, bietet die Hilfe denjenigen, die keinen Zugang zu grundlegenden Einrichtungen wie medizinische Versorgung, Bildung und Obdach haben, eine Art soziales Sicherheitsnetz.

So wird beispielsweise in Simbabwe der Gesundheitshaushalt weitgehend von ausländischen Gebern finanziert, da es die Regierung des Landes seit etlichen Jahren versäumt, das öffentliche Gesundheitswesen angemessen auszustatten. Ein anderes Beispiel ist die Landwirtschaft: Studien zeigen, dass Entwicklungshilfe die Produktivität des afrikanischen Agrarsektor erhöht hat. Diese wiederum ist ausschlaggebend für das Wirtschaftswachstum in Afrika, da sie eine gewisse Industrialisierung ermöglicht, Arbeitsplätze schafft und durch den Export ausländische Direktinvestitionen erwirtschaftet. Schließlich sind über 60 Prozent des ungenutzten Ackerlands der Welt in Afrika. Darüber hinaus ist Entwicklungshilfe durch finanzielle Unterstützung von Bildungsprojekten ein Schlüssel für die Entwicklung des Humankapitals in Afrika.

Als Antikorruptionsexperte bin ich zudem der Auffassung, dass Entwicklungszusammenarbeit nach wie vor wesentlich für die Förderung von Demokratisierungsprozessen sowie für Initiativen zugunsten verantwortungsvollen Regierens ist. Durch die Entwicklungszusammenarbeit sind Wahlen in Afrika zur Normalität geworden. Zudem hat sich durch von außen finanzierte Maßnahmen zur Förderung von Transparenz in Politik und Wirtschaft – wie die Initiativen "Publish What You Pay", "Extractive Industries Transparency Initiative", "Open Contracting" oder die Plattform "Open Governance" – die Art und Weise, wie der Rohstoffsektor reguliert wird, zum Positiven verändert. Ohne Entwicklungszusammenarbeit würden die endemische Korruption in Afrika, Menschenrechtsverletzungen, soziale Ungerechtigkeit und geschlechtsbezogene Gewalt unwidersprochen bleiben. Entwicklungshilfe hat sich daher als äußerst wichtiges Finanzierungsmodell für Afrikas gesellschaftspolitisches und wirtschaftliches Wachstum erwiesen, das es afrikanischen Regierungen gestattet, wichtige politische und institutionelle Rahmenbedingungen zu schaffen. Sie wird daher auch künftig von zentraler Bedeutung bleiben, wenn es darum geht, die internationalen Ziele der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung zu erreichen.

Schulden, Korruption, illegale Finanzströme

Zu den größten Herausforderungen für die afrikanischen Wirtschaften zählen die immense Staatsverschuldung, die Korruption und die illegalen Finanzströme. Die erhöhte Verschuldung der jüngeren Zeit hängt dabei unmittelbar mit der Entwicklung der Rohstoffpreise zusammen: Vor allem der Einbruch der Rohstoffpreise ab Mitte 2014 und die Notwendigkeit, den zuvor während der Boomjahre begonnenen Ausbau der Infrastruktur zu finanzieren, haben bei afrikanischen Ländern zu einem Anstieg des Schuldenstandes geführt. In Ghana ist die Auslandsverschuldung allein 2016 um 41 Prozent gestiegen.

Ein Beispiel aus dem Tschad veranschaulicht den Zusammenhang zwischen Ölpreisentwicklung und Verschuldung – und die damit verbundenen Folgen für die Bevölkerung: Noch 2014 nahm die staatliche tschadische Ölgesellschaft einen Kredit in Höhe von 1,4 Milliarden US-Dollar bei dem schweizerisch-englischen Rohstoff-Handelskonzern Glencore auf, in der Hoffnung, den Kredit mit den zukünftigen Erlösen aus dem Verkauf von Rohöl, das seinerzeit mit über 100 US-Dollar pro Barrel gehandelt wurde, zurückzahlen zu können. Zwei Jahre später verschlangen die Rückzahlungen nach dem Ölpreisverfall jedoch bereits 85 Prozent der Erlöse, woraufhin Streiks gegen Sparmaßnahmen dazu führten, dass Krankenhäuser lahmgelegt und Schulen wochenlang geschlossen wurden.

Besonders beunruhigend ist auch die Art und Weise, wie manche dieser Kredite verwendet werden: Die meisten werden für konsumtive Nutzung eingesetzt, etwa zur Bezahlung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst oder zum Ankauf von Fahrzeugen für Ministerinnen und Minister, nicht aber für Investitionen. Einige dienen schlichtweg der persönlichen Bereicherung. Der Ökonom Léonce Ndikumana hat herausgefunden, dass im Zeitraum von 1970 bis 2010 für jeden geliehenen Dollar bis zu 63 Cent den Kontinent binnen fünf Jahren durch illegale Finanzströme wieder verließen. Häufig wird das Geld dabei als Privatvermögen aus dem Land transferiert.

Ebenso hat ein Großteil des wirtschaftlichen Wachstums allein die politischen Eliten begünstigt. Dies ist auch einer der Gründe dafür, weshalb es etwa in Südafrika und Simbabwe einen gewaltigen Aufschrei gegen die ehemaligen Präsidenten Jacob Zuma und Robert Mugabe gab. Ein Beispiel für undurchsichtige Finanzströme lieferte auch der ehemalige mosambikanische Präsident Armando Guebuza, einer der Gastgeber der eingangs erwähnten "Africa Rising"-Konferenz: Dem "Africa Report" zufolge war seine Regierung 2013 in dubiose Kreditgeschäfte verwickelt. Dies sowie die argen wirtschaftlichen Probleme ließen sein Land schon kurze Zeit später keineswegs mehr als Verkörperung des zuvor beschworenen Africa-Rising-Geistes erscheinen.

Von Geheimhaltung sind auch viele Geschäfte zwischen afrikanischen Regierungen und China gekennzeichnet, was Raum für Korruption und Verdunklung lässt. Schätzungen zufolge verlieren afrikanische Länder pro Jahr fast 60 Milliarden US-Dollar durch illegale Finanzströme – in erster Linie durch Steuerhinterziehung von Handelsfirmen, Unterbewertung von Dienstleistungen und gehandelten Waren, aber auch durch Korruption und organisiertes Verbrechen. Verschuldung, Korruption und illegale Finanzströme sind nicht nur Bedrohungen für die wirtschaftliche Entwicklung, sondern gefährden auch eine nachhaltige sozioökonomische Transformation des Kontinents.

Fazit

Dank des Anstiegs der Rohstoffpreise wächst die afrikanische Wirtschaft seit Beginn des neuen Jahrtausends. Erst die Auswirkungen des Verfalls der Rohstoffpreise und die Abschwächung der chinesischen Wirtschaft 2014/15 legten das Ausmaß offen, in dem die wirtschaftliche Entwicklung in Afrika von diesen beiden Variablen abhängt. Das Wachstum in den Jahren davor vermochte den Bedürfnissen und Interessen der afrikanischen Bürgerinnen und Bürger nicht ausreichend Rechnung zu tragen. So, wie die meisten afrikanischen Wirtschaftssysteme strukturiert sind, wird der Großteil der Afrikanerinnen und Afrikaner an den Rand gedrängt: Ihre Wirtschaften verschaffen ihnen weder Jobs noch grundlegende soziale Dienstleistungen, sodass ihnen lediglich zwei Möglichkeiten bleiben: auszuwandern oder Teil des informellen Sektors zu werden.

Afrika sollte sich seine wachsende Erwerbsbevölkerung ebenso zunutze machen wie die Tatsache, dass es über 60 Prozent der ungenutzten landwirtschaftlichen Nutzfläche der Welt verfügt. Im Wesentlichen bedarf es dafür der Entwicklung eines robusten Produktionssektors, der Beschäftigung schafft und das produziert, was Afrikanerinnen und Afrikaner konsumieren. Die afrikanischen Regierungen und Bürgerinnen und Bürger müssen sich der ausufernden Korruption und den illegalen Finanzströmen entschieden entgegenstellen, da vor allem diese einen gewaltigen Anteil des wachsenden öffentlichen Vermögens auffressen.

Übersetzung aus dem Englischen: Peter Beyer, Bonn.

ist Programmleiter bei Transparency International Simbabwe und unter anderem Experte für die Themen Korruptionsbekämpfung, politische Ökonomie und Governance. Externer Link: http://faraimutondoro.com