Einleitung
Ihr wisst, auf unsern deutschen Bühnen Probiert ein jeder was er mag; Drum schonet mir an diesem Tag Prospekte nicht und nicht Maschinen.
J. W. v. Goethe, Faust, Vorspiel
Der Zusammenhang von Kunst und Geld war nicht nur dem Theaterdirektor in Goethes "Faust", er ist jedem Künstler geläufig. Nur, wer zahlt? Soll dies "der Staat" sein und, wenn ja, in welchem Umfang? Man kann nicht sagen, dass die Frage nach der Begründung von Staatsgeldern für Kunst und Kultur bislang theoretisch geklärt wäre. Dabei existieren zwei Denkfiguren, die entschiedener und mit Erfolg auf die Begründung von Kulturpolitik angewendet werden könnten: das Verhältnis von öffentlichen und privaten Gütern einerseits, von investiven und konsumtiven (Staats-)Ausgaben andererseits. Beide Verhältnisbestimmungen sind in der gegenwärtigen kulturpolitischen Diskussion im Fluss. Wenn man sie genauer untersucht, dann wird nicht nur die Ästhetisierung unserer Wirklichkeit, sondern auch die wohlfahrtsstaatliche Bestimmung von Kunst und Kultur deutlich. Letztere ist natürlich nicht unproblematisch, und deshalb soll ein Weg skizziert werden, der den Wohlfahrtsstaat als Kulturstaat in die Verantwortung nimmt und zugleich einen Beitrag zur Entstaatlichung leistet, um die Individualität der Kunst und die Gemeinschaftsbildung der Kultur zu gewährleisten.
I. Öffentliche Güter und wohlfahrtsstaatliche Investitionen
Kunst und Kultur als öffentliches Gut zu betrachten kann sich auf die Verfassung berufen. Die Freiheit der Kunst in Art.5 (3) des Grundgesetzes ist zwar in liberaler Tradition negativ gefasst, wurde in der verfassungsrechtlichen Diskussion jedoch zunehmend positiv als staatliche Gewährleistung der Freiheit interpretiert - bis hin zur Formulierung im Einigungsvertrag Art.35 (1), wonach Deutschland ein "Kulturstaat" sei.
Die Befürworter eines öffentlichen Kulturauftrags können der neoliberalen Marktideologie entgegenhalten, dass die marktlichen Kunstprodukte - wie das private Fernsehen, das Kommerzkino, die Bestsellerkultur - oft mangelhaft sind. Andererseits gehört zu einer demokratischen Gesellschaft konstitutiv die individuelle Handlungsautonomie, die Chance, in einer Pluralität von Kulturangeboten zu wählen, die durch öffentliche, das heißt staatliche Entscheidungen nur begrenzt vorstrukturiert sein darf. Die soziologische Steuerungstheorie hat deshalb schon lange eine Dreigliederung von Markt, Staat und Gemeinschaft favorisiert: Neben die öffentliche (staatliche) und die private (marktliche) Güterproduktion tritt seit je eine Produktionsform, die als intermediäre, gemischte oder eben gemeinschaftliche bezeichnet werden kann: Stiftungen, Verbände, Vereine und Netzwerke - also Formen, in denen Individuen allein oder im Zusammenschluss mit anderen ohne (marktliche) Profit- und (staatliche) Herrschaftsinteressen tätig werden.
Amitai Etzioni hat auf die Effektivitätsvorteile gemeinschaftlicher Non-Profit-Organisationen gegenüber staatlicher und marktlicher Organisation auch im Kulturbereich hingewiesen.
Betrachten wir die zweite Polarität: das Verhältnis von investiven und konsumtiven Ausgaben. Üblicherweise werden Ausgaben für Kunst und Kultur als konsumtive Ausgaben gefasst, nur die erforderlichen Bauten und Geräte gelten als investiv. Man könnte diese ökonomische Sichtweise zumindest gedanklich umkehren, denn ihr liegt eine materialistische Sicht der Wirklichkeit zugrunde. Investitionen in materielle Güter und selbst in monetäre Größen (wie Aktien oder Unternehmensanteile) werden hier als das eigentlich Wesentliche betrachtet. Demgegenüber würde eine eher geisteswissenschaftliche Sicht der Wirklichkeit auf eine Wertschöpfungsrechnung abheben, wie sie unterdessen in der Rechnungslegung großer Unternehmen üblich wird.
Diese theoretischen Überlegungen haben weitreichende praktische Folgen. Sie ändern vor allem den Blick auf den Wohlfahrtsstaat, auf die gesellschaftliche Absicherung auch von Kunst und Kultur. In den letzten Jahren kommt kaum eine öffentliche Diskussion mit Kunstschaffenden ohne die Klage aus, die öffentliche Hand würde sich aus der Kulturfinanzierung zurückziehen. Man befürchtet ein "Theatersterben", die "freie Kulturszene" werde "ausgeblutet", die international einzigartige Kulturlandschaft Deutschlands sei gefährdet. International ungewöhnlich ist freilich nicht nur die für Flächenstaaten höchste Museums-, Theater- oder Berufsorchesterdichte pro Einwohner, sondern auch die Finanzierung von Kunst und Kultur in Deutschland. Fast 90 Prozent der Ausgaben der Stadt- und Staatstheater mit ihren jährlich mehr als 22 Millionen Besuchern
Das im Modellprojekt SAKUSDAT ("Sächsische Kulturstatistik Datenbank") entwickelte neue Abgrenzungskonzept staatlich/kommunaler Kulturfinanzierung, das zusätzlich zu den vom Statistischen Bundesamt aufgrund der Bund-Länder-Kommission getroffenen Abgrenzungen unter anderem die Ausgaben für Kunsthochschulen oder das Bibliothekswesen einbezieht, sieht die öffentlichen Kulturausgaben in Jahr 2000 sogar bei ca. 7,95 Mrd. Euro. Der Arbeitskreis Kulturstatistik e.V. berechnete, dass diese Ausgaben aufgrund der im Grundgesetz gewollten Länderhoheit in der Kulturpolitik vor allem von den Ländern (47 Prozent) und den Kommunen (46 Prozent) getragen werden, der Bund konzentriert seine Mittel (sieben Prozent) bislang vor allem auf "Leuchttürme" nationaler Bedeutung, wie die neue "Bundeskulturstiftung" oder die Berliner Museumsinseln.
II. Kulturpolitik als Sozialpolitik
Kunst und Kultur scheinen im Wohlfahrtsstaat Deutschland insoweit eine eigentümlich schillernde Rolle zu spielen: Im internationalen Vergleich erscheinen sie als relativ hoch subventioniert, doch aus Sicht der Kulturaktiven bedroht. Kunst und Kultur unter dem Blickwinkel wohlfahrtsstaatlicher Politik zu betrachten ist freilich in Deutschland noch kaum üblich.
Als das erstarkende Bürgertum die wirtschaftliche Trägerschaft der Theater- und Opernhäuser im Übergang vom 19. zum 20.Jahrhundert von den fürstlichen Höfen übernahm, geschah dies im Bewusstsein, dass die kommunalen Haushalte von ihm finanziert und durch seine Vertreter kontrolliert wurden. Erst in der Weimarer Republik und vor allem in der Bundesrepublik sowie, parallel, in der DDR wurde die Finanzierung und Trägerschaft von Theatern und anderen Institutionen der "Hochkultur" zu einer politischen Frage auch für die breiten Massen. Erst damit wurden Kunst und Kultur faktisch zu einem sozialpolitischen Thema. Während in der DDR dieser Zusammenhang (naturgemäß nicht ohne Herrschaftsinteressen der Parteikader) von Anfang an bewusst war, bedurfte es der sozialdemokratischen Regierungsübernahme der siebziger Jahre, um den sozialpolitischen Charakter der Kulturpolitik zu betonen. Hermann Glaser sprach damals vom "Bürgerrecht Kultur", Hilmar Hoffmann forderte "Kultur für alle". Die "Neue Kulturpolitik" wurde zum Bestandteil eines wohlfahrtsstaatlichen Programms ("Demokratisierung der Kultur", "kulturelle Demokratie").
Die sozialpolitische Begründung von Kultur erweiterte unter den Bedingungen eines teils explosiven Wirtschaftswachstums das bürgerlich verankerte, staatlich getragene Kunstsystem - Theater, Museen, Orchesterwesen, Kunsthochschulen. Hinzu kam im Aufgreifen neuer Initiativen "freier" und "alternativer" Kultur der Post-68-Epoche ein breites Spektrum an soziokulturellen Projekten, die nun ebenfalls mit öffentlichen Mitteln rechnen konnten - zumal sich mit den "Grünen" eine Partei formiert hatte, die als politische Lobby dieses Kultursegments auftrat. Unter der Signatur von "Breitenkultur" und von "niedrigschwelligen Angeboten" zwischen Sozialarbeit und Kunst kam die staatliche Kulturförderung auch mehr oder weniger gesellschaftskritischen Institutionen zugute. Freilich war diese Förderung prekär. Die Staatsferne der "Soziokultur" führte schon seit Mitte der achtziger Jahre zu einem ständigen Kampf um Haushaltsmittel. Anders als bei ausdrücklich kommerziellen Kulturangeboten - Operettenbühnen, Tourneetheater, Pop- oder Volksmusik - liegt beispielsweise bei Soziokulturellen Zentren die Eigenfinanzierungsquote mit 45 Prozent noch immer so niedrig, dass Staatsmittel ("Staatsknete") unverzichtbar erscheinen.
Die "freie" Kunstszene wird häufig als ein Innovationspool für die Institutionen der "Hochkultur" und auch dadurch als öffentlich förderwürdig gewertet. Diese Legitimation von Staatsmitteln für nichtstaatliche und nichtkommerzielle Kulturinitiativen und -institutionen (überspitzt formuliert: als die "Jusos der Hochkultur", als großflächige Lehrlingswerkstatt) ist natürlich nicht unumstritten. Die früheren Postulate einer eigenständigen Ästhetik sind heute, nicht zuletzt aufgrund der "Fahrstuhleffekte" in die "etablierten" Kultureinrichtungen, einem pragmatischen Pluralismus gewichen. Nachwuchsförderung und ästhetische Breite können im politischen Verteilungskampf um Ressourcen allerdings nur dann als Argumente genügen, wenn das klassische Medium der Politik hinzutritt: die Macht und ihre Mobilisierung. Nun ist Macht offensichtlich ein ganz kunstfernes Argument - und damit werden neue Probleme generiert, im demokratischen Wohlfahrtsstaat zudem Probleme, die noch kaum richtig wahrgenommen und reflektiert erscheinen.
III. Von der Ästhetik der Macht zur Sozialästhetik
Der Politologe Klaus von Beyme hat in seiner Studie "Die Kunst der Macht und die Gegenmacht der Kunst"
In der Realität vermischen sich diese Idealtypen, und in Zeiten gesellschaftlicher Dynamisierung, wie gegenwärtig, werden die Gewichte neu justiert. Es ist deshalb kein Zufall, dass das vereinte und an der Schwelle in die europäische Interation stehende Deutschland, zudem unter rot- grüner Regierung, mit der "Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien" zumindest ein "kleines" Bundeskulturministerium einführte und zugleich das Stiftungswesen ausweiten möchte. Die kulturpolitische Staatsmacht wird unter den Bedingungen rasanten Wandels amorph, Verantwortungen werden abgeworfen.
Doch neue Verantwortungen und Ressourcen für die Kunst entstehen nicht von allein. Die Omnipräsenz kultureller Produkte in den sich vermassenden Medien, in Kulturevents und Sponsoringstrategien fördert zwar eine Menge handwerklichen Geschicks im Kulturbereich. Doch ob die Breite der Kunstproduktion auch künstlerische Qualität ermöglicht, ist nicht nur in der Sozio- und "freien" Kultur eine offene Frage. Sicher ist allein, dass der Staat als Kulturförderer zunehmend von der Kultur- und Medienwirtschaft überflügelt wird. Der unterdessen vierte "Kulturwirtschaftsbericht" des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) verweist auf eine boomende Branche: "Kulturwirtschaft umfasst alle Wirtschaftsbetriebe und Selbstständigen, die zur Vorbereitung, Schaffung, Kulturvermittlung und/oder medialer Verbreitung Leistungen erbringen oder dafür Produkte herstellen und veräußern." Während die Umsätze der NRW-Gesamtwirtschaft zwischen 1980 und 1996 um 206 Prozent stiegen, weist die NRW-Kulturwirtschaft "im engeren Sinne" für denselben Zeitraum eine Umsatzentwicklung von 314 Prozent auf. Auch die Europäische Kommission kam schon Mitte der neunziger Jahre zu dem Ergebnis, dass dieser Wirtschaftssektor "einen vorderen Rang in den als ,Arbeitsplatzpotentiale` anerkannten Sektoren einnimmt".
Immerhin 642000 Erwerbstätige verzeichnet der Mikrozensus im Jahr 2000 im Kultursektor (einschließlich des Verlagsgewerbes), mit einer Steigerung von 21 Prozent seit 1995, während der allgemeine Anstieg der Zahl der Erwerbstätigen in diesem Zeitraum nur bei 1,5 Prozent lag. Kennzeichnend ist der mit 20 Prozent doppelt so hohe Selbstständigenanteil gegenüber der Gesamtwirtschaft. Der Gesamtumsatz der Kulturwirtschaft belief sich nach der Umsatzsteuerstatistik im Jahr 1999 auf über 70 Mrd. Euro, derjenige der Kulturwirtschaft im engeren Sinne auf immerhin 40,8 Mrd. Euro.
Verbirgt sich hinter dieser Entwicklung womöglich jener in die Gesellschaft "erweiterte Kunstbegriff", den Joseph Beuys einst beobachtete und förderte? Trägt die spezifisch deutsche Mischung von Kultur- und Wohlfahrtsstaat mit einer expansiven Kulturwirtschaft zu einer Ästhetisierung der Gesellschaft bei? Beuys' Forderung: "Nichts für mich, sondern alles für die anderen" und seine Maxime: "Freiheit ist ja das größte Gesetz in sich"
In Deutschland wurden die Grundlagen dafür früh gelegt - man erinnere sich nur an Immanuel Kants Erkenntnisse über die Notwendigkeit eines ästhetischen Sinnes namens "Gemeinsinn", wie er für "die allgemeine Mitteilbarkeit eines Gefühls" erforderlich sei ("Kritik der Urteilskraft", §21, B66). Wolfgang Welsch hat für die gegenwärtige Moderne eine "Protoästhetik" ausgemacht, eine "ästhetikartige Verfassung der Wirklichkeit"
IV. Kulturpolitik als soziale Investition
So bleibt die Frage an die Politik, die unter den Bedingungen der Globalisierung mittlerweile nicht allein im Bereich von Kunst und Kultur als brennend erlebt wird: Kann Politik die Eigenständigkeit derjenigen Subsysteme der Gesellschaft sichern, die gegenüber der Macht der großen Systeme, vor allem der Wirtschaft, Schutz brauchen? Die Perspektive wird damit weit. Seit einigen Jahren werden in den Sozialwissenschaften unter den Signaturen "Sozialkapital", "kulturelles Kapital", "Lebenswelt", "Kommunitarismus" oder "Gemeinschaft" jene Ressourcen und Milieus zum Thema, die zugleich die Voraussetzungen der kapitalistischen Ökonomie und des demokratischen Wohlfahrtsstaates bilden. Jene sind durch beide gefährdet, begründen aber, geradezu in einem dialektischen Verhältnis, zugleich deren Existenz. Die Grundwerte der Moderne - Gleichheit, Freiheit, Solidarität - sind gekoppelt an Gerechtigkeitswerte, deren Wurzeln in gemeinschaftlichen Traditionen und geistigen Strömen entdeckt werden. Politik als in Recht institutionalisierte Macht birgt im demokratischen Wohlfahrtsstaat des 21.Jahrhunderts eine gewaltige Steuerungsaufgabe: Sie muss die Grenzen der Subsysteme schützen wie ihre "Interpenetration" (Talcott Parsons) gestalten. "Gestaltung" ist ein durchaus "ästhetischer" Begriff. Zu Recht spricht man von der "Kunst" der Politik.
Wie könnte ein politischer "Stil" aussehen, der diesen hohen Ansprüchen genügt? Gestaltung erfordert Intervention und Zurückhaltung, erfordert - um nochmals Joseph Beuys zu zitieren - eine meditative Haltung: "Das Ganze kann ja nur erworben werden durch Übung." Die Gesellschaft insoweit als eine "soziale Plastik" zu verstehen, an der in einer Demokratie alle Bürger mitarbeiten und deren "Oberbildhauer" eben auch Politiker sind, erweitert den Blick aufs Ganze, auf ihre mögliche "Schönheit" - und auf das Scheitern von Kunst, der Wollen nicht genügt. Es ist vielleicht kein Zufall, dass heute in den Parteien - einschließlich der Grünen - eine liberale Grundstimmung reüssiert. Jenes Streben zur Mitte hin, und damit die Verweigerung der Extreme, erscheint als logische Folge von zwei Realprozessen: der Entstehung einer "Bürgergesellschaft", einer Gesellschaft der Individuen, und der geistigen Globalisierung, die zwar mit Fundamentalismen kämpft, doch als "Weltkultur" auch eine Konvergenz von Weltreligionen in einer Art "Weltethos" (Hans Küng) erlangt. Sozial- und kulturpolitisch könnte man das vielleicht so beantworten: Auf die Individualisierung reagiert am besten ein bürgergesellschaftlicher Sozialstaat, der die Bürger als Bürger und nicht zuerst als Lohnarbeiter (oder Beamte usf.) absichert.
Diese Maßstäbe der Qualität freilich kann Politik aufgrund ihrer logischen Fokussierung auf Macht keineswegs definieren. Gerade auf Gesellschaftsreform programmierte Parteien (wie die Grünen) müssten sich deshalb auf qualitätssicherndes "institution building" konzentrieren - das in einer notwendigen Spannung zum Gerechtigkeitswert "Gleichheit" steht. Ihr Kampf für Investitionen in das "kulturelle Kapital" der Gesellschaft muss um Bündnisse mit allen "zentristischen" Kräften bemüht sein. Es ist folgerichtig, dass die Grünen ihre frühere, einseitige Konzentration auf die "Sozio"- und "freie" Kultur aufgegeben haben und die Freiheit, also Autonomie der Kunst (als Zentrum jeder Kultur), als solche verteidigen. Wie jeder Wirtschaftskundige weiß, sind Investitionen immer mit Risiken verbunden. Es ist aber nicht einzusehen, dass 26 Milliarden Euro "Abschreibungen", also: Verlust bei der Deutschen Telekom (im Jahr 2002) als legitimes Investitionsrisiko gedeutet werden können - verbunden mit entsprechenden steuerlichen Vorteilen, damit indirekter staatlicher Subvention -, die Kulturhaushalte der Gebietskörperschaften jedoch gleichzeitig um geradezu verschwindende Bruchteile dieser (und anderer) Beträge stranguliert werden.
Natürlich kommt es nicht nur auf absolute Geldbeträge an, wenn es um Qualitätsförderung geht. Wie man es seitens der Politik dem Management von Großunternehmen überlässt, die Investitionsentscheidungen zu treffen, muss auch über die Kulturinvestitionen durch die Kulturschaffenden verfügt werden können. Sie müssen sich begründen lassen - durch Zuschauerzahlen, Qualitätswettbewerbe, ästhetische Diskurse -, doch war Kunst historisch niemals ein vor allem durch individuelle Marktnachfrage gesteuertes System. Die Politik kann fordern und fördern, dass der Zugang zur Kunst allen Befähigten aktiv und allen Bürgern als Kunstrezipienten und als selbst künstlerisch Aktiven offen steht. Auch hier bleibt viel zu tun: Lokale Musikschulen sind bedroht, Kunstschulen existieren noch immer nur in wenigen Gemeinden, der Musik- und Kunstunterricht an den Schulen wird systematisch unterbewertet. Der Zugang zur Kultur erfordert zu Recht Subventionen - und dies, wenn die Ästhetisierung unserer Wirklichkeit gut begründet werden soll, nicht zu knapp.
V. Wo investieren?
Dieses allgemeine Plädoyer für die staatliche Mitfinanzierung von Kunst und Kultur kann sich auf theoretische wie auf praktische Begründungen berufen. Im Konkreten freilich stößt es sich an vielerlei Konkurrenzansprüchen. Vor allem auf kommunaler Ebene werden die Fördermittel für Theater und Museen zunehmend gegen sozialpolitische Aufgaben oder andere, durchaus begründbare öffentliche Güter gesetzt. In einer Demokratie zählt die Meinung der Bürger, ihrer politischen Repräsentanten und Entscheidungseliten. Damit wird Kulturpolitik wichtig: Sowohl die Produzenten von Kunst und Kultur wie ihre Nutzer müssen sich organisieren und artikulieren. Dass in Kunst und Kultur auch staatliche Mittel fließen müssen, wird glücklicherweise kaum bestritten. Die Höhe dieser Investitionen lässt sich nur politisch, nicht wissenschaftlich vorschreiben. Man braucht dafür gute Argumente und Durchsetzungsvermögen.
So ist beispielsweise auch das "Bündnis für Theater", der Vorschlag einer von Bundespräsident Rau berufenen Arbeitsgruppe zur "Zukunft von Theater und Oper in Deutschland", vor allem politisch zu bewerten.
Damit wird aber die ästhetische Diskussion erst eröffnet - jene Spannung von traditionsbewusster Niveaupflege und kreativem Experiment, die keineswegs nur zugunsten des Letzteren, vor allem nicht zugunsten des in Deutschland von manchen Feuilletons noch immer allzu geschätzten Regietheaters beantwortet werden darf: jener "Dekonstruktion" von Texten durch Regisseure, welche diese Texte kaum zu verstehen scheinen. Noch immer weht ein Theaterzeitgeist, der im Schrillen über Unausgereiftes hinwegspielt. Zu Recht heißt es im Präsidentenbericht, dass "die Kunst im Mittelpunkt des Interesses zu stehen" hat. Die Bewertung von Kunst wird immer ein ästhetisches Problem bleiben. Sie kann nur in einer Hinsicht ein politisches Problem sein: Als öffentliche bzw. von der Öffentlichkeit subventionierte Kunst muss das Theater "sein" Publikum finden.
Hier herrscht, trotz teils beachtlicher Besucherzahlen, die wirkliche Krise, vor allem bei jungen Leuten.
Natürlich würde auch die Umsetzung dieser Anregung Geld kosten. Deshalb soll am Ende noch ein Vorschlag stehen, der zumindest für Theater und Oper Geld bringt. Wenn man den Gedanken von Antje Vollmer folgt, die deutsche Theaterlandschaft als "Weltkulturerbe" zu betrachten, dann spricht viel dafür, zumindest einen Teil der Kosten aus dem Erbe der Gesellschaft zu tragen, aus ihrem angesammelten Vermögen. Die Form dafür wäre eine Stiftungslösung. Um die bisherige Zuschusssumme der öffentlichen Haushalte für Theater und Oper von etwa 2 Mrd. Euro jährlich zu erreichen, wäre ein Stiftungsvermögen von bis zu 50 Mrd. Euro erforderlich. Das ist viel. Würde aber der Bund seine verbliebenen Telekom-Aktien zum Nennwert von ca. 23 Mrd. Euro (Februar 2003) dafür einbringen, wäre schon fast die Hälfte des Stiftungskapitals beisammen. Das würde genügen, um eine Grundfinanzierung der deutschen Theater- und Opernlandschaft zu erreichen. Der Rest würde - wie bisher - aus kommunalen und Landesmitteln, über Eintrittsgelder, Spenden und Sponsoring, aber auch aus den Nutzungsgeldern eines Bühnenfernsehens durchaus einspielbar sein. Eine solche Lösung wäre zugleich ein Beitrag zur Entstaatlichung von Kunst und Kultur.
Nun könnte man einwenden, dass damit zwar eine Lösung für Theater und Oper in Sicht wäre, doch noch längst nicht für das Gesamt des öffentlichen Gutes an Kunst und Kultur. Aber so ist das in der Politik. Es braucht viele Lösungen. Theater und Oper waren und sind "Leuchttürme" der deutschen Kulturpolitik.
Internetverweise des Autors:
www.kulturportal-deutschland.de
Externer Link: https://www.kupoge.de
Externer Link: https://www.kulturpolitik.de