Einleitung
Die moderne Technik verändert die Wahrnehmung der Welt und das Handeln in ihr. Bilder und Töne können beliebig gespeichert und manipuliert werden, an Ereignissen, die weit entfernt stattfinden, kann partizipiert werden, telekommunikative Erreichbarkeit ist eine Selbstverständlichkeit. Ganz gleich, ob es um Kommunikation, um Transport und Zugriff auf Informationen, um die eigene Mobilität oder die Mobilität von Waren geht, überall zeigt sich, dass technische und soziale Veränderungen miteinander verschränkt sind. Dabei ist die Frage nach der ersten Ursache müßig: Neue Techniken bringen ebenso neue Formen des Sozialen hervor, wie diese wiederum die Grundlage für neue Innovationen bilden. Jugendliche haben Teil an der hochdynamischen Gesellschaft. Sie beziehen sich notwendigerweise auf die gegebenen technischen und sozialen Arrangements. Keine Generation zuvor war im Besitz so vieler Artefakte (Werkzeuge, Apparate etc.) Dies bedeutet für die Jugendlichen, dass alltägliche Vorgänge unter dem Einfluss der Technik stehen: Schule und Ausbildung, Freizeitgestaltung, Vereinsarbeit oder politische Teilhabe stellen sich für sie gänzlich anders dar als für die Generation ihrer Eltern. In diesem Beitrag soll ergründet werden, welche Bezüge Jugendliche zur neuen Technik herstellen, über welche konkreten Techniken sie verfügen und in welchen Kontexten sie mit ihnen in Kontakt treten.
I. Technik in der Gesellschaft
Die Produktion und der Gebrauch von technischen Apparaten begründet soziale Verhältnisse.
Im Gegensatz dazu fehlt es der Technik II an eindeutigen Festlegungen. Sie findet in der Industrie ebenso ihren Platz wie in der eigenen Wohnung. Ihre Nutzung ist nicht vorgeschrieben. So gehört z.B. der Computer zu den Multioptions- oder Universalmaschinen. Mit ihm lassen sich komplexe Produktionssysteme steuern oder einfach Texte schreiben und auf Rechtschreibung hin prüfen. Die Hardware ist aufgabenunspezifisch und damit für fast jede Aufgabe tauglich. Diese Offenheit macht es notwendig, dass Anwendungen auf spezifische Probleme und deren Lösung abzustimmen sind, d.h., jeder Nutzer muss sich für den Umgang mit Universalmaschinen einen eigenen Leitfaden konstruieren. Technik II trägt damit zur Individualisierung und Destandardisierung der institutionellen Vorgaben bei. Neben den zweckrationalen Einsatz der Technik treten gleichwertig ästhetische, emotionale oder traditionale Anwendungsbezüge. Die physikalisch-mechanischen Maßstäbe für "richtigen" und "falschen" Technikgebrauch lösen sich zugunsten anderer Imperative auf, ebenso wie in den Bereich der Arbeitsorganisation neue Arbeitsmodelle (z.B. job enrichment, Gruppenarbeit) Einzug halten. Insofern kann man Technik II als "warme Technik"
Ein Blick in neuere techniksoziologische Arbeiten verrät, dass eine solche Trennung auch von anderen Autoren vollzogen wird. Beispielsweise beschreibt Bruno Latour das Verhältnis von Technik und (post)moderner Gesellschaft als "hybrid"
Jugendliche wachsen in dieser künstlichen Welt der alltäglichen Nutzung technischer Apparate auf. Gadgets
II. Jugendliches Technikinteresse
Im Rahmen eines von 1998 bis 2001 durchgeführten empirischen Forschungsvorhabens zu jugendlichen Lebensstilen und Mobilitätsbedürfnissen wurde u.a. die Rolle von Kommunikations- und anderen Technologien erfasst.
Ein erster Fragekomplex kreiste um das bereits seit mehreren Dekaden in unregelmäßigen Abständen untersuchte Technikinteresse. Schon in den achtziger Jahren konnte die zentrale These, die von einer hohen Technikfeindlichkeit Jugendlicher ausging, oftmals nicht bestätigt werden.
In der eigenen Untersuchung zeigt sich ein ganz ähnliches Bild. Gefragt wurde nach dem Ausmaß der Zustimmung zur Aussage "Ich interessiere mich für Technik".
Wie sich in weiteren Auswertungen zeigen lässt, korrespondiert die Einstellung zur Technik auch mit anderen Indikatoren. Fasst man diejenigen Befragten, die sich stark technikinteressiert äußerten, zu der Gruppe der Technikfans und diejenigen, die wenig bzw. nicht technikinteressiert waren, zu den Technikmuffeln zusammen und bezieht weitere Einstellungs- und Verhaltensvariablen ein, dann stellt sich Technikinteresse bzw. -desinteresse als Teil eines Lebensstils dar. Technik dient in dieser Hinsicht als Mittel der Selbststilisierung und Symbolisierung: Fans erwerben ihren Führerschein einige Monate vor den Muffeln, sie verfügen öfter über motorisierte Verkehrsmittel, engagieren sich weniger für den Umweltschutz und spielen den Einfluss des Autos auf die Umweltverschmutzung herunter. Generell haben Fans ein emotionaleres Verhältnis zum Auto und schätzen an ihm eher Eigenschaften wie Schnelligkeit oder ausgefallenes Design. Die Identifikation technikbezogener Lebensstile besitzt insofern eine Relevanz, als bestimmte persuasive (der Überredung dienende) Botschaften (die z.B. die Umorientierung auf öffentliche Verkehrsmittel zum Ziel haben) von den Jugendlichen differenziert wahrgenommen werden. Pädagogische Maßnahmen sind nur dann erfolgreich, wenn sie der Vielfalt der Lebenswirklichkeiten der Jugendlichen gerecht werden.
III. Bedeutungen von Technik
Über die Auswertung der qualitativen Interviews ist es zusätzlich möglich, die konkreten Interaktionserfahrungen der Jugendlichen mit Technik nachzuzeichnen. Unübersehbar ist dabei, dass die Präsenz von Technik in verschiedensten sozialen Situationen als normal erfahren wird oder, wie sich ein 17-jähriger Schüler äußert: "Wenn man sich so umschaut, jeder hat irgendwie einen PC. Die meisten haben Handy. Technik - das sind die alltäglichen Geräte, sie wird enorm benutzt." (Interview Dokument [ID] Nr. 304043) Kompetenz im Umgang mit Technik ist dabei unterstellt: "Ich glaub grad, dass die jüngeren Generationen, so die 14- bis 18-Jährigen, für die sind das Normalitäten. Die Selbstverständlichkeit im Umgang mit Handy und anderen Dingen, aber auch das Vokabular - all das ändert sich." (ID 393673) Heute ist Technik nicht mehr nur in den Bereichen Arbeit, Bildung oder Beruf erlebbar, sondern ihre neue Qualität liegt in den vielfältigen Irritationsmomenten und Anknüpfungspunkten für alltägliche Umgangsstile. Die Multioptionalität, verbunden mit der Kolonisierung des Alltags durch technische Apparate, begründet eine neue Stufe der Artifizierung der sozialen Verhältnisse.
In unseren Interviews nimmt z.B. die 18-jährige Johanna hierauf Bezug, indem sie von den Annehmlichkeiten der neuen Haushaltstechniken spricht. Wiederkehrend anfallende Aufgaben werden erleichtert und zeitsparend erledigt: "Also wir haben einen kleinen Handstaubsauger, das ist einfach super, viel einfacher. Wenn man ein Auto putzt und nicht erst das Riesending nach draußen schleppen muss und schauen, wo ist die nächste Steckdose. Vorher, da war's Autoputzen eigentlich immer eine Qual Es wird vieles einfacher mit dem Besen, bis das man da mal gekehrt hat und dann ist doch wieder überall Staub gelegen und so. Und da gibt's inzwischen ja auch schon Superwischer." (ID 304111) Technik wird kleiner, handlicher und preiswerter und gelangt auf diesem Weg in nahezu jeden Haushalt. Damit wird Do-it-yourself zur Handlungsmaxime, die traditionelles Berufsgeschick entwertet und stattdessen auf Wissen und Können verweist, das sich in kurzer Zeit im Selbststudium aneignen lässt.
Neben diesen generellen Entwicklungslinien der Alltäglichkeit, Fraglosigkeit und Normalität von Technik weisen die Jugendlichen in den Interviews auf fünf zentrale Aspekte der Technik hin. Technik kann für die Befragten je nach situativem Kontext andere Bedeutungen oder Funktionen annehmen. Insofern gehen die Jugendlichen produktiv mit ihrer Allgegenwart um. Die fünf Dimensionen werden im Folgenden mit Interviewausschnitten illustriert.
(1) Technik als Baustein der eigenen Zukunft: Das Wissen um technische Details vor allem bei Computer und Internet erscheint als Ressource für einen zukunftsfähigen Beruf. Der 18-jährige Christoph fasst die Rolle der Technik wie folgt zusammen: "Ja, dass muss ich sagen, Technik ist sehr wichtig für junge Menschen, weil Technik ist das Einzige, was eben die Perspektive hat in der Zukunft. Und wenn man nicht technikinteressiert ist, hat man wahrscheinlich ein Berufsproblem." (ID 309121) Dabei sehen Jugendliche in der Technikentwicklung nur ausnahmsweise Risiken oder Anlass für Pessimismus. Techniken werden stattdessen als Chancen zur Erschließung der Welt betrachtet. Technik wird mit Zukunft und Gestaltbarkeit gleichgesetzt. Matthias beschreibt dies so: "Also ich denke, die [Bedeutung von Technik; C.J.T.] wird immer stärker werden. Ich merk das an der Uni Nicht nur im Feld Computer und Telekommunikation, sondern auch gerade im beruflichen Bereich muss man mit technischen Grundkenntnissen aufwarten." (ID 393673)
(2) Technik als symbolisches Kapital: Neue Techniken sind prestigeträchtig und damit unmittelbar relevant für die Wahrnehmung durch Dritte. Soziale Anerkennung geht mit der Verfügung über technische Artefakte einher. Die symbolische Bedeutung steht dabei neben faktischen Leistungsparametern, wenn z.B. der Besitz eines Handys die Integration in die Peer-Group sichert. Die 17-jährige Sonja erläutert diese Bedeutung: "Jeder braucht ein Handy, eigentlich! Grad wenn man so 15, 16 ist, ist Technik wichtig." Denn worüber wird in der Gruppe geredet: "Ja, ich hab einen Roller oder ich mach'n 80er Führerschein Es spielt eine große Rolle, was man da so für eine Maschine hat oder als Computer hat." (ID 308019)
In einem anderen Interview erläutert ein Mädchen, dass es dank ISDN-Anschluss nun mit zwei Personen gleichzeitig telefonieren könne, und wenn sie auch noch das Handy mitbenutzt, dann wären es sogar drei Personen. Was wie eine unsinnige Rechnung aussieht, belegt die herausgehobene Bedeutung, die Technik bei der Synchronisation des jugendlichen Alltags innehat. Die Anzahl der eingehenden Telefonate und Kurzmitteilungen wird so zum Indikator für die soziale Einbindung. Berichtet wurde von einem Mädchen, das in den Ferien täglich sechs Stunden telefoniert, was als Ausdruck der höchsten Wertschätzung innerhalb der Clique interpretiert wurde.
(3) Technik als Medium des Erlebens: Jugendliche haben oftmals einfach nur Spaß an der Techniknutzung. Technik erscheint als zusätzliche Möglichkeit, um Neues auszuprobieren oder Entspannung zu suchen. Jungen und Mädchen unterscheiden sich in Bezug auf diesen Spaßfaktor nicht. Ablesbar ist dies z.B. am Handy-Besitz, bei welchem die weiblichen Jugendlichen den Jungen nicht nachstehen. Höchste Akzeptanz genießen deshalb im Jugendalter Objekte, die " convenience, comfort and joy", also Annehmlichkeiten und Spaß versprechen. Beides stellt sich offensichtlich beim Downloaden von Klingeltönen fürs Handy oder von neuesten Music-Singles für den CD-Brenner ein. Und gerade auch weil es so viele Möglichkeiten gibt, wäre eine systematische Vorgehensweise beim Erkunden und Ausprobieren der Technik abwegig. Die spielerische Nutzung und Aneignung steht im Vordergrund. Ganz im Sinne eines Bastlers sagt der 18-jährige Andreas: "Ich weiß nicht, Technik ist halt einfach mein Leben. Nicht umsonst sitz ich im Technischen Zweig der FOS [Fachoberschule; C.J.T.] Wenn ich mir das so anschau, Formel-1-Autos so was fasziniert mich einfach, wie man so was macht." (ID 309154)
(4) Technik als Objekt sozialer Differenzierung: Technik wird, wenn es um ihre Versprechungen und Wirkungen geht, je nach Generations-, Schicht- oder Geschlechtszugehörigkeit unterschiedlich beurteilt. Junge Menschen bauen einen Zugang zur Technik entsprechend den eigenen lebensweltlichen Erfahrungen auf und unterscheiden sich dabei von den Erwachsenen. Gerade im Hinblick auf Generationsunterschiede wird von ihnen immer wieder betont, dass sie selbst "sicher offener" für neuere technische Entwicklungen sind, weil die Jungen sind "vielleicht noch lernbegieriger sind oder neugieriger. Und die älteren Leute, die sind jetzt so lang mit dem Herkömmlichen klar gekommen, warum sollen die jetzt umsteigen Ich glaub, die Jüngeren sind schon eher bereit, in neue Bereiche vorzustoßen, auch mal wieder was zu lernen Weil's nicht nur für junge Leute wichtig ist, sondern für alle, wir brauchen's alle." (ID 391123) Wer von klein auf mit Technik umgeht, bildet so wie der 18-jährige Andreas den digitalen Erfordernissen gemäße Fertigkeiten aus. Er hat sich, u.a. auch aufgrund fehlender Freizeitangebote auf dem Land, mit Computerspielen die Zeit vertrieben: "So läuft's halt schon teilweise, dass du wirklich fünf, sechs Stunden Playstation [spielst; C.J.T.] Ich glaub, ab 25, 26 aufwärts ist's dann oft so, man ist zwar noch auf'm Laufenden, bekommt das alles schon noch mit vor Ort, was Handy betrifft. Die Jüngeren, die leben und wachsen mit dem besser zusammen auf."
Auch lassen sich geschlechtsspezifische Differenzen im Umgang mit Technik ausmachen. Dies zeigt sich beispielsweise bei den sozialen Konstellationen der Nutzung, wie ein junger Mann erläutert: "Das kommt auf den Freundeskreis an; z.B. bei Mädchen, da ist der Computer kein Thema. Ich kenn vielleicht drei Mädchen, die sich wirklich für Computer interessieren. Allerdings bei Jungen ist das so. Technik ist für mich eine Frage der Interessengruppe und des Freundeskreises." (ID 306089) Bestimmte neuere Techniken, allen voran das Handy, scheinen aber mit der weiblichen Lebenswelt besser übereinzustimmen, da hier Besitz und Nutzung nahezu gleich zwischen den Geschlechtern verteilt sind. Auf die Nachfrage, ob Technik insgesamt eine Sache für Männer oder für Frauen ist, antwortet deshalb eine andere Befragte: "Natürlich auch eine Sache für Frauen, mit Sicherheit. Es mag vielleicht sein, dass Frauen sich mit der Autotechnik nicht so gut auskennen. Frauen werden aber selbstständiger, können selber gucken, was fehlt Also die Zeiten, glaub ich, die haben sich da in der Hinsicht schon sehr geändert." (ID 393162)
(5) Technik als Ordnung im sozialen Alltag: Wenn Jugendliche Techniken benutzen, so gestalten sie die Struktur des Alltags. Techniken ermöglichen und begrenzen gleichzeitig soziales Handeln. "Technology is shaping society" lautet die Formel der sozialkonstruktivistischen Technikforschung. Im deutschsprachigen Raum gilt der Gedanke, dass Technik die Gesellschaft formt, als zu undifferenziert. Tatsächlich verändert sich aber soziales Handeln, wenn der Alltag mit Techniken durchwebt ist: "Ich würde sagen, dass die Technik eine sehr hohe Bedeutung für junge Leute hat im Bereich von 16 - 26. Ich denke da besonders an das Handy eben, was in den letzten zwei bis drei Jahren immens zugenommen hat unter jungen Leuten, die Form der Kommunikation, sich verständigen und auch Termine abmachen, dass man irgendwo gemeinsam hinfährt. Beispiel: Da geht man jetzt bei jungen Leuten dazu über, wenn man am Wochenende irgendwo hinfahren möchte, zu einer Disco usw., man macht das nicht vorher aus, wie man das beim Festnetz-Telefon gemacht hat, sondern da heißt es, wir fahren dann los und während dem Fahren machen wir das per Handy aus Wenn man z.B. Computerspiele anschaut, es geht ja schon bei 5-, 6-Jährigen los. Früher hat man vielleicht öfter im Sandkasten gespielt oder ist ausgebüchst, und jetzt erfährt man die Welt durch Nintendo oder Computerspiele, entdeckt 3-D-Welten, die man sonst nicht erfahren kann." (ID 391631)
Auf die Frage danach, wie sich neue technische Entwicklungen im Bereich der Kommunikationstechnik auf das Verkehrsverhalten auswirken, geben die Jugendlichen folgende Auskunft: Zunächst wird deutlich, dass Heranwachsende ihre Mobilität nur selten planvoll gestalten. Wichtiger ist hohe Flexibilität. Interessanterweise deuten die Jugendlichen die Frage nach den Auswirkungen der Kommunikationstechnologien auf die Mobilitätspraxis mehrheitlich um und sprechen stattdessen von den Auswirkungen auf das Verabredungsverhalten. Mobilität, Kommunikation und Verabredung scheinen im Jugendalter dicht beieinander zu liegen: "Ich glaub, das Verabredungsverhalten, das verändert sich. Ich glaub, bevor man sich tatsächlich an einem Punkt zusammen trifft, dass man dann vorher zehnmal telefonieren muss, weil wenn man sagt ,ach ja, das klären wir später` oder ,ach ja, da ruf ich mal eben noch den dazu an` oder ,ach, ich hab jetzt gerade gesehen, ich kann 'ne halbe Stunde später kommen, komm doch auch 'ne halbe Stunde später`" (ID 391524) Der Alltag der Jugendlichen verändert sich, wenn er, wie hier geschildert, von Techniken durchwoben ist. Es entfalten sich neuartige individuelle Lebensstile und soziale Arrangements.
IV. Technik im Jugendalltag
Jugendliche gehen mit technischen Apparaten um, die zur Technik II gehören. Ein Streifzug durch ihren Alltag lässt folgende technikbezogene Highlights erkennen: Wer 18 Jahre jung ist, hat fast immer einen Führerschein.
(1) Computer, Internet, Handy: Bereits vor vier Jahren attestierte sich die Hälfte der 12- bis 19-Jährigen gute bzw. sehr gute Kenntnisse im Umgang mit Hard- und Software.
Das Handy ist wie das Internet ein relativ neues Phänomen, welches dennoch bereits eine eigene jugendkulturelle Bedeutung erlangt hat.
(2) Mobilitätstechnik: Das Fahren und Fliegen der Menschen gründet auf Technik. Wer nicht nur zu Fuß unterwegs sein will, muss sich technischer Artefakte bedienen. Gerade bei Jugendlichen erweist sich das Auto ganz im Sinne von Technik II als "Tandem von Technik und Individualität".
Mobilitätstechnik wird auf diese Weise ähnlich der Kommunikationstechnik Teil eines persönlichen Lebensstils. Technikgestütztes Fahr- und Freizeitverhalten fungiert als Baustein der eigenen Identität. Vor allem für Technikfreunde ist das Auto selten ein reiner Gebrauchsgegenstand, sie schätzen vor allem die "Show"-Eigenschaften, die gleichzeitig die eigene Persönlichkeit unterstreichen. Ihnen fällt es entsprechend schwer, vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen. Dies hat nicht immer mit den angeführten Gründen der Zeitersparnis oder der ständigen Verfügbarkeit zu tun, sondern es geht beim Fahren um Erlebnis und Wirkung, um Spaß an der Technik, an Farbe und Motorsound.
(3) Arbeitsweltliche Bezüge: Technik II findet sich nun nicht nur in der Freizeitwelt der Jugendlichen, sondern ebenso in Schule und Ausbildung. Wenn es um die neue Technik in der Arbeitswelt geht, dann stehen mindestens drei Bereiche im Vordergrund: die Veränderungen in den Ausbildungsinhalten und in den betrieblichen Arbeitsvollzügen sowie die Neugestaltung der Klientenbeziehungen. Sobald der Übergang von der Schule in den Beruf ansteht, fällt dem ersten Bereich besondere Relevanz zu. Es stellt sich die Frage, welchen Beruf man ergreifen soll, ob dieser Beruf zukunftsfähig ist und welches technische Vorwissen man dafür benötigt. Was die Veränderungen der Berufe und deren Ausbildungsinhalte betrifft, so zeigen sich technikinduzierte Revisionen auf zwei Ebenen: a) Informationstechnische Grundbildung wird mit jeweils unterschiedlicher Ausgestaltung für alle Berufe verbindlich und entsprechend zum Gegenstand der Ausbildungspläne an Berufsschulen und Betrieben; b) neue Berufsbilder werden geschaffen, die speziell den Bedürfnissen einer technisierten Gesellschaft Rechnung tragen sollen. In den vergangenen fünf Jahren wurden insgesamt elf solcher neuen Berufsbilder staatlich implementiert. Dabei handelt es sich einerseits um Berufe im Medien-, andererseits um Berufe im IT-Bereich. Konkret ging es z.B. um den Mediengestalter für Digital- und Printmedien, den Fachinformatiker oder den Informatikkaufmann. Wie die Tabelle 2 zeigt, ist das Stellenangebot in diesen Bereichen entgegen dem gesamtdeutschen Trend innerhalb eines Jahres stark gestiegen.
Computer und Internet haben also neue Berufsbilder hervorgebracht. Sie veränderten und verändern aber ebenso nachhaltig die Arbeitswelt und das Verhältnis zwischen Firmen und Klienten. Computer sorgten zunächst dafür, dass in den Unternehmen die mehrfache Erfassung von Daten, Texten und sonstigen Dokumenten überflüssig wurde. Intra- und Internet ermöglichten in einem nächsten Schritt, dass Dokumente auf einem zentralen Server archiviert werden können, auf den von allen Arbeitsplätzen aus zugegriffen werden kann. Insofern ist das, was die Verwaltung bislang kennzeichnete, nämlich die diskontinuierliche Arbeit mit Akten und Dokumenten, vereinfacht und rationalisiert worden. Boten, die selbst Akten durch die Verwaltungen transportieren, sind heute die absolute Ausnahmeerscheinung. In ähnlicher Weise ist der Kontakt zwischen Firma oder Behörde und Kunde auf neue Weise gestaltet worden: Vielfach können Klienten ihre Anliegen bereits in digitaler Form vorbringen. Systemtheoretisch gesprochen, erweitern die Organisationen mit der Hilfe von Computer und Internet ihre Systemgrenzen und beziehen andere Subsysteme in die Leistungserbringung ein. Damit entsteht eine neue Situation: Zuständigkeiten und Verantwortungen werden an die Individuen zurückdelegiert. Wer mit der Bahn fahren möchte, muss das Internet bedienen können und sich selbst seine Karte bestellen und drucken. Wer seine Telefonrechnung bezahlen möchte, muss sich zuerst seine Rechnung herunterladen usw. Das Ende der Dienstleistungsgesellschaft scheint eingeläutet zu werden. Das individuelle Zeitbudget wird belastet, weil ein immer größerer Teil für zusätzliche Verrichtungen einkalkuliert werden muss, die vormals von Dienstleistern erledigt wurden. Gleichzeitig entsteht ein Zwang zur Kompatibilität, da der Besitz neuester Technik vorausgesetzt wird.
V. Fazit
Die Aneignung der natürlichen und sozialen Welt wird über die modernen technischen Hilfen nachhaltig verändert. Um dies verständlich zu machen, wurde zwischen Technik I, der industriellen Technik, und Technik II, der Alltagstechnik, unterschieden. Technik II zeichnet sich insbesondere durch vielfältige Einsatzmöglichkeiten aus, ihre Nutzung ist nicht festgelegt. Damit korrespondiert die Aufforderung, aus den vorhandenen Optionen auszuwählen und individuell sinnhafte Anwendungen zu "kontextualisieren". Statt um Vereinfachung und Rationalisierung geht es um " convenience, comfort and joy" in der alltäglichen Lebensführung. Jugendliche wachsen in der Welt der Technik II auf. Sie sind an ihr interessiert; sie treffen in verschiedenen sozialen Kontexten auf diese Technik, verfügen in sehr großem Maße über sie und produzieren mit ihrer Hilfe neuartige Bedeutungen und Lebensstile. Diese Situation hält für die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Jugend einige Herausforderungen bereit: Traditionelle Zugänge erweisen sich nun als unzureichend. Forschungen zur Veränderung des Jugendalltags und zu den gesellschaftlichen Auswirkungen sind überfällig. Insbesondere auch im interkulturellen Vergleich müssen folgende Fragen bearbeitet werden: Was sind die wirklich relevanten technischen Objekte? Wie erfolgt deren Aneignung? Welche Rolle spielen dabei spezifische Konstellationen z.B. in der Peer-Group? Von wem erlernen Mädchen und von wem Jungen den Umgang mit den Geräten? Wie viel Zeit und Geld investieren Jugendliche in die neue Technik wirklich? Leiden herkömmliche jugendtypische Freizeitformen, wie z.B. das Zusammenkommen in Cliquen, die sportliche Betätigung oder auch die politische Beteiligung, unter dem Einzug der neuen Techniken in den Jugendalltag? Welche Chancen und Risiken sind damit verbunden? Welche Beziehungsmuster zu älteren Generationen lassen sich erkennen? Alle diese Fragen und viele andere mehr indizieren einen hohen Forschungsbedarf. Eine Informationsgesellschaft muss sich mit den Grundlagen ihrer eigenen Entfaltung und speziell den Möglichkeiten ihrer sozialisatorischen Vermittlung befassen, um diesen Namen wirklich zu verdienen.