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Internationale Internet-Governance | Medienpolitik | bpb.de

Medienpolitik Editorial Ein Vakuum aus Kalkül. Zum Zustand der deutschen und europäischen Medienpolitik Medienkonzentration und Medienvielfalt Öffentlich-rechtlicher Rundfunk in der Schusslinie: eine Differenzierung Kommunikationspolitik für die Kommunikationsgesellschaft. Verantwortungskultur durch Regulierung Facebook & Google entflechten? Warum digitale Medien-Monopole eine Gefahr für Demokratien sind Internationale Internet-Governance. Das Internet als Herausforderung für etablierte Medienpolitik Im Mittelpunkt das Kind. Eine kinderrechtliche Perspektive auf den Kinder- und Jugendschutz im Internet

Internationale Internet-Governance Das Internet als Herausforderung für etablierte Medienpolitik

Johanna Esch

/ 15 Minuten zu lesen

Wenn es um das Internet geht, wird nationale Medienpolitik zunehmend wirkungslos. Multistakeholder- und Bottom-Up-Ansätze wie das Internet Governance Forum können neue Alternativen sein.

Das Internet erleichtert schon heute unseren Alltag, etwa wenn wir Familientreffen mit einem Instant-Messenger-Dienst planen, wenn wir einen Urlaub online buchen oder wenn wir auf dem Weg zur Arbeit schnell in der Nahverkehrsapp gucken, ob unser Zug Verspätung hat. In Zukunft könnte das Internet noch mehr Chancen bieten. So kann ein "smartes" Klassenzimmer unter Umständen die Qualität der Bildung erhöhen, das Abgleichen von großen Datenmengen im Netz medizinische Diagnosen verbessern und durch Online-Beteiligungstools kann die demokratische Teilhabe gefördert werden. Doch Themen wie Hasskommentare in sozialen Netzwerken, Datenmissbrauch oder Diskussionen um Künstliche Intelligenz und Netzneutralität zeigen, dass das Internet auch neue Herausforderungen für die Gesellschaft mit sich bringt.

Diese netzpolitischen Diskussionen werden in der Regel der Medienpolitik zugeordnet, obwohl sie überwiegend mehrere Politikbereiche gleichzeitig tangieren, etwa Sicherheits-, Wirtschafts- und Sozialpolitik. Ganz gleich, welcher Politikbereich betroffen ist: Es geht letztlich um die Frage, wie wir als digitale Gesellschaft in Deutschland zusammenleben wollen, welche Regeln wir uns beim Surfen im Netz geben wollen und wie wir dafür sorgen, dass diese Regeln auch eingehalten werden.

In diesem Artikel zeige ich, warum klassische medienpolitische Regelungen beim Umgang mit dem Internet nicht mehr greifen. Darüber hinaus werden Lösungsansätze aufgezeigt, wie das Internet reguliert werden kann. Diese Lösungsansätze – so viel sei schon zu Beginn gesagt – funktionieren vor allem auf internationaler Ebene.

Globaler Charakter des Internets

Das Internet ist technisch gesehen ein weltumspannendes dezentrales Netzwerk aus Rechnern. Es hat überall auf der Welt Nutzer*innen, funktioniert nicht nach nationalstaatlichen Prinzipien und kennt keine nationalen Grenzen. Internetnutzer*innen verlassen mit einem Klick unter Umständen den deutschen Rechtsraum, obwohl sie sich beim Surfen mit dem Tablet nicht von der heimischen Couch erheben. Diese Eigenschaften des Internets machen seine Regulierung zu einer immensen Herausforderung. Aufgrund der Internationalität des Mediums Internet ist die bisherige, national ausgerichtete Medienpolitik nicht mehr wirksam. So kann Deutschland beispielsweise das Zeigen von pornografischem Material ohne Altersnachweis verbieten und damit seine Jugendschutzvorschriften im Netz anwenden; die tatsächliche Handhabe ist aber wesentlich komplizierter. Denn wenn die Server, auf denen das Material gespeichert ist, in einem Land mit einer anderen Rechtsprechung als in Deutschland liegen, ist das Material nicht unbedingt illegal. Auch ein bloßes Übertragen des deutschen Rechts oder der deutschen Moral- und Wertevorstellungen auf das Internet ist nicht möglich. So werden Aufnahmen von einem bekleideten, sich küssenden Paar in Deutschland nicht als jugendgefährdend wahrgenommen, in anderen Ländern sind solche Bilder jedoch verboten oder sorgen zumindest für Verärgerung in der Bevölkerung. Weltweit herrscht demnach keineswegs Einigkeit darüber, was moralisch im Internet akzeptiert ist und was illegal ist und was nicht.

Lösungsansätze auf internationaler Ebene

Auf internationaler Ebene gibt es zwei gegenläufige Positionen dazu, wie das Internet reguliert werden sollte. In Staaten wie China, dem Iran oder Russland gibt es die Tendenz, das Internet nach dem Souveränitätsprinzip der einzelnen Länder zu regulieren. Dabei gilt, dass jeder Staat für seine Bürger*innen Funktionen im Internet genehmigen oder sperren kann – so, wie es aus nationaler Sicht angemessen scheint. Staaten schaffen dadurch eine Art beschränktes nationales Internet. Zum Beispiel hat China die nationale Souveränität zum obersten netzpolitischen Ziel erklärt und deswegen Netzangebote im zweistelligen Millionenbereich geschlossen. Die verbleibenden Angebote unterliegen der staatlichen Zensur und werden von rund 30000 Spezial-Polizist*innen überwacht. Das führt dazu, dass das soziale Netzwerk Facebook in China nicht existiert und der Messenger-Dienst Whatsapp so verlangsamt wird, dass er de facto nicht nutzbar ist. Im August 2018 sorgte die Meldung für Schlagzeilen, dass das in China verbotene Google eine nach den chinesischen Zensurrichtlinien funktionierende Suchmaschine starten wolle. Aufgrund dieser Situation spricht der Netzpolitik-Experte Wolfgang Kleinwächter im Fall China nicht mehr vom Internet, sondern von einem "nationalen Intranet".

Im Gegensatz zu diesem Politikstil steht die demokratische Überzeugung, dass ein freies Internet ein wichtiges Gemeingut ist, das durch internationale Kooperationen geschützt werden sollte. Diese Kooperationen können zum einen auf zwischenstaatlicher (intergouvernementaler) Ebene oder als Internet-Governance-Ansatz entstehen. Beide Wege werden von demokratischen Staaten und auch von Organisationen wie der Europäischen Union und dem Europarat genutzt. Der klassische Weg in der internationalen Politik ist die Lösungsfindung auf zwischenstaatlicher Ebene. Zwei oder mehrere Staaten beziehungsweise ihre Regierungen verhandeln über gemeinsame Regeln. Am Ende der Verhandlungen steht ein Vertragswerk.

Für diese Art der internationalen Kooperation ist die Budapester Konvention gegen Cyberkriminalität von 2004 ein wichtiges Beispiel. Sie ist ursprünglich ein Regelwerk zwischen Mitgliedsstaaten des Europarates, wurde aber auch von anderen Ländern wie den USA, Japan oder Südafrika unterzeichnet.Die Budapester Konvention stimmt die unterschiedlichen nationalen strafrechtlichen Bestimmungen für Straftaten im Internet und deren Verfolgung auf internationaler Ebene miteinander ab. Da das Übereinkommen nicht immer mit nationalem Recht zu vereinbaren ist, wird es auch kritisch bewertet. Beispielsweise verbietet die Konvention rassistische Äußerungen im Netz, während die gleichen Äußerungen in den USA jedoch durch nationales Recht erlaubt werden, da sie unter den Schutz der freien Meinungsäußerung fallen.

Solche rein zwischenstaatlichen Regulierungen des Internets haben den Vorteil, dass es valide Vertragswerke gibt, auf die sich Staaten berufen können. Ein Defizit ist, dass diese Verträge wegen der technologischen Schnelllebigkeit des Internets schnell veraltet sind. Ein anderes Defizit liegt in der Wirksamkeit zwischenstaatlicher Vertragswerke. Es gibt Bedenken, dass wegen der vielfältigen und teils äußerst mächtigen nichtstaatlichen, oft privatwirtschaftlichen Akteur*innen eine rein zwischenstaatliche Regulierung des Internets nicht mehr uneingeschränkt möglich sei. Vielmehr brauche es für eine wirksame Regulierung internationale Kooperationen, bei denen die verschiedenen Internet-Akteur*innen aus Wirtschaft, Politik und auch Zivilgesellschaft eingebunden sind.

Ein Beispiel, das verdeutlicht, dass eine Regulierung ohne den Einbezug der mächtigen Internetkonzerne kaum möglich ist, ist der Streit zwischen der EU und Google. Die Staaten der EU haben ein gemeinsames Kartellrecht. Aus Sicht der EU-Kommission verstößt Google dagegen, indem es mit seinem Betriebssystem Android seine Marktmacht missbraucht. Die EU belegte den Konzern deswegen mit einer Rekordstrafe von 4,3 Milliarden Euro. Indem die EU-Staaten sich auf ihr Kartellrecht berufen, nutzen sie also ihr gemeinsames Vertragswerk. Ob die Strafzahlungsforderung Google jedoch dazu bringen wird, sein Handeln zu ändern, ist noch offen. Es ist eher davon auszugehen, dass der Konzern, der 2017 einen Umsatz von über 110 Milliarden Euro erwirtschaftete, diesen und weiteren Strafzahlungen nachkommt, anstatt seine ertragreichen Geschäftspraktiken zu ändern. Das Vertragswerk würde demzufolge seine erwünschte Wirkung verfehlen, Marktmissbrauch zu verhindern.

Internet-Governance

Der andere Ansatz zur Regulierung des Internets ist der Internet-Governance-Ansatz, den die UN, die EU und Staaten wie Deutschland zur Regulierung des Internets anwenden. Der Internet-Governance-Ansatz betont den dezentralen und internationalen Charakter des Internets und setzt auf internationale Kooperationen zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteur*innen. Der Ansatz greift damit die Kritik an der zwischenstaatlichen Lösungsfindung auf. Die UN definiert Internet-Governance wie folgt: "Internet Governance ist die Entwicklung und Anwendung von gemeinsamen Prinzipien, Normen, Regeln, Entscheidungsfindungsverfahren und Programmen, die die Entwicklung und den Gebrauch des Internets prägen, durch Regierungen, private Unternehmen und die Zivilgesellschaft."

Internet-Governance folgt zwei Grundsätzen: dem Multistakeholder- und dem Bottom-up-Ansatz. Für den Multistakeholder-Ansatz ist es maßgeblich, dass die verschiedenen Interessengruppen (Stakeholder), wie Vertreter*innen aus Wirtschaft, Politik, Zivilgesellschaft, Netzcommunity und Wissenschaft, gleichberechtigt zusammenkommen. Das Ziel des Ansatzes ist es, einen groben inhaltlichen Konsens zwischen den Stakeholdern herzustellen. Der Bottom-up-Ansatz beschreibt einen Politikstil, in dem nicht politische Beschlüsse (etwa Gesetze) getroffen werden und dann von "oben" nach "unten" an die Bürger*innen weitergereicht werden, sondern das Gegenteil geschieht: Politische Vorschläge können von "unten", etwa von zivilgesellschaftlichen Vertreter*innen, nach "oben" gelangen.

Gerade deswegen wird dem Ansatz der Internet-Governance ein Legitimationsdefizit vorgeworfen: Nichtstaatliche Internet-Akteur*innen sind keine gewählten Vertreter*innen und hätten deswegen keine Berechtigung, den Politikprozess zu gestalten. Zudem wird der Internet-Governance-Ansatz wegen eines möglichen Machtgefälles zwischen den Stakeholdern kritisiert. Es gibt Bedenken, dass Vertreter*innen der Wirtschaft – vor allem von US-Unternehmen – durch ihre finanziellen Mittel ihre Interessen überproportional durchsetzen können. IT-Sicherheitsexpert*innen und Netzaktivist*innen warnen davor, dass Politiker*innen wenig Internet-Expertise mitbrächten und deswegen leicht von Wirtschafts-Lobbyist*innen beeinflusst werden könnten. Empfehlungen könnten so leicht im Sinne der Konzerne verwässert werden. Auch vor der Zeit des Internets wurde die Medienpolitik in Deutschland von Lobbyist*innen beeinflusst. Allerdings ist die Wirtschaftskraft, die technische Monopolstellung und die damit verbundene Macht der größten Internetkonzerne wie Google, Apple, Facebook und Amazon nicht mit der Situation von Politik und Wirtschaft vor dem Internet zu vergleichen. Folglich ist der Umgang mit den großen Internetkonzernen für die deutsche Medienpolitik eine neue Herausforderung.

Ziel des Internet Governance-Ansatzes ist es, den Austausch, die Diskussionen und die Verständigung zwischen Internet-Akteur*innen zu fördern. Grundsätzlich sind Erfolge und Misserfolge diesbezüglich allerdings schwer messbar. Ob beispielsweise ein soziales Netzwerk seine Datenschutzrichtlinien verbessert, weil es in einem Internet-Governance-Prozess vorher mit Datenschützer*innen diskutiert hat, ist kaum nachzuweisen.

Nationale und europäische Ebene

Die deutsche Politik rückte das Thema Internet zuletzt mehr in den Vordergrund. Planmäßig sollen im Jahr 2018 neue Foren entstehen, die teils Multistakeholder-Elemente aufweisen, wie etwa eine Datenethik-Kommission, ein Digitalrat und eine Enquete-Kommission zu Künstlicher Intelligenz.

Zu Beginn der aktuellen Legislaturperiode wurden netzpolitische Themen zum ersten Mal stärker zentralisiert im neugeschaffenen Amt der Staatsministerin für Digitalisierung im Kanzleramt, besetzt mit der CSU-Politikerin Dorothee Bär. Dennoch gibt es in Deutschland kein eigenständiges Digitalministerium. Allerdings wurde zur besseren Netzpolitik-Koordinierung unter dem Vorsitz der Bundeskanzlerin ein Digitalkabinett gegründet – eine Vernetzungsrunde maßgeblich der Bundesminister*innen. Erste Themen des Digitalkabinetts sind künstliche Intelligenz, der Einsatz der Blockchain-Technologie und die Digitalisierung der Arbeitswelt. Internetthemen verteilen sich nach wie vor auf verschiedene Ministerien, etwa auf die Bundesministerien für Verkehr und digitale Infrastruktur, für Familie, Senioren, Frauen und Jugend oder für Verteidigung.

Für viele Regelungen der Internetnutzung in Deutschland ist zudem die EU zuständig. Sie nutzt zur Bearbeitung internetpolitischer Fragen sowohl den zwischenstaatlichen als auch den Internet-Governance-Regulierungsansatz. Das gleichzeitige Anwenden dieser beiden Politikstile steht durchaus im Widerspruch zueinander. Beispiele, bei denen die EU einen zwischenstaatlichen Regulierungsweg gewählt hat, sind neben der Verhängung von Kartellstrafen auch die Datenschutz-Grundverordnung, die Regeln zur Verarbeitung personenbezogener Daten in den EU-Staaten vereinheitlicht. Den Internet-Governance-Ansatz wendet die EU etwa an, indem sie das europäische Internet Governance Forum, den European Dialogue on Internet Governance (EuroDIG), unterstützt.

Die Europäische Kommission hebt hervor, dass der Internet Governance-Ansatz "unerlässlich" sei, um die Chancen, die durch das Internet für die Mitgliedsländer entstehen, zu nutzen. Die Kommission hat deswegen 2010 ein politisches Programm zu Internetthemen verabschiedet, die Digitale Agenda, für die sie zwei Hauptziele formuliert. Erstens will die Kommission ein freies Internet, das "denselben Gesetzen und Normen unterliegt, die auch in anderen Bereichen unseres täglichen Lebens gelten". Zweitens sollen EU-Bürger*innen von der Wirtschaftskraft der Internetbranche profitieren. Dieses Ziel steht vor dem Hintergrund, dass laut der digitalen Agenda der Kommission Wirtschaftsbereiche, die mit dem Internet verknüpft sind, siebenmal schneller wachsen als andere Wirtschaftsbereiche. Aufgrund dessen versucht die EU, ihre Mitgliedsländer attraktiver für die Internetbranche zu machen und vereinheitlicht dafür ihre Internetregeln. Sie nutzt in diesem Kontext den Begriff des digitalen Binnenmarktes.

Die beiden beschriebenen Ziele der EU stehen teils im Gegensatz zueinander, was die netzpolitische Debatte zu Cloud Computing aus dem Jahr 2012 beispielhaft zeigt. Die Möglichkeit, große Datenmengen im Internet zu speichern, nutzten immer mehr Privatpersonen und Firmen. EU-Politiker*innen sahen eine verpasste Marktchance, da kein europäisches Unternehmen an der Spitze der Cloud-Anbieter war. Sie formulierten ein Strategiepapier mit dem Ziel, die Branche in Europa zu fördern und erfolgreich am Cloud-Computing-Markt teilhaben zu können. Durch die Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden wurde kurze Zeit später klar, wie schlecht viele Internetfirmen mit Nutzerdaten umgehen. Die EU änderte ihre Cloud-Computing-Strategie daraufhin grundlegend. Anstatt auf dem wirtschaftlichen Interesse liegt der neue Fokus nun auf dem Schutz der Datensouveränität und der Bürgerrechte. Da sich die demokratischen und freiheitlichen Normen der EU nicht immer mit ihren wirtschaftlichen Interessen vereinen lassen, ringt die EU nach wie vor um eine geeignete Regulierung des Internets.

Vereinte Nationen

Eine weitere netzpolitische Institution, in der Deutschland und die EU sich engagieren, ist das Internet Governance Forum (IGF) – die maßgebliche Einrichtung der UN zur Bearbeitung von Internet-Themen. Das IGF ist eine seit 2006 bestehende Diskussionsplattform auf internationaler Ebene, die mit dem Internet-Governance-Konzept arbeitet. Das IGF soll den gleichberechtigten Austausch zwischen Interessensvertreter*innen von Staaten, internationalen Organisationen, der Privatwirtschaft und der Zivilgesellschaft anregen. Das Forum arbeitet vor allem auf sein jährliches Treffen hin, bei dem bis zu 3000 Vertreter*innen aller Stakeholder-Gruppen zusammenkommen. 2019 wird das Treffen in Berlin stattfinden. Das IGF formuliert den sogenannten Chairman’s Report, eine neutrale Zusammenfassung des jährlichen Treffens und einziges formales Produkt des Forums. Weder dieser Bericht noch im Forum getätigte Aussagen haben bindende Verpflichtungen für Politiker*innen oder andere Akteur*innen.

Das IGF gliedert sich in staatsübergreifende und nationale Initiativen. Das deutsche Äquivalent ist das Internet Governance Forum Deutschland (IGF-D). Hier arbeiten Vertreter*innen der Bundesregierung, Zivilgesellschaft (etwa Amnesty International), Wissenschaft, Wirtschaft (etwa eco-Verband der Internetwirtschaft) und der technischen Community sowie Nachwuchsvertreter*innen zusammen. 2017 stand unter anderem "Hacking durch Staaten" als Thema auf der Agenda des jährlichen Treffens. Das IGF-D präsentiert seine Agenda beim IGF-Treffen auf internationaler Ebene.

Das IGF und seine Unterforen unterliegen den bereits beschriebenen Chancen und strukturellen Problemen des Internet-Governance-Ansatzes. Da das IGF keine bindenden Vorschriften, Erklärungen oder Abkommen formuliert, werden die fehlenden Ergebnisse des Forums als Defizit gesehen. Der Informatiker und Philosoph Max Senges bemängelt, dass das IGF "weder Zuckerbrot noch Peitsche zur Verfügung" hat, um seine Ideen durchzusetzen. Die Sozial- und Medienwissenschaftler Joachim Betz und Hans-Dieter Kübler bewerten das Forum als "ständig tagend (…), aber wenig bewegend". Allerdings weist das IGF eine vor seiner Existenz nicht dagewesenen Diskussionskultur bei Internetfragen auf. Gerade der fehlende Zwang, gemeinsame Erklärungen zu formulieren, macht diese offene Diskussion unter den Stakeholdern möglich. Die Chance des IGFs liegt vielmehr in der Vernetzung der Internet-Akteur*innen auf Augenhöhe. Die große Stärke des Forums formuliert das IGF selbst wie folgt: "Das IGF mag zwar kein Mandat haben, um Entscheidungen zu treffen. Aber es kann diejenigen, die ein Mandat haben, informieren und inspirieren."

Das IGF-D berichtet außerdem von der positiven Komponente, dass Akteur*innen aller Stakeholder-Gruppen im IGF-D beruflich im Bereich Internet arbeiten. Ihre im Forum gewonnen Erkenntnisse nähmen sie mit in ihre Netzwerke und in ihre tägliche Arbeit. Auf diese Weise wirkt das IGF-D nicht nur auf politische Entscheidungsträger*innen, sondern auch zurück in die beteiligten Unternehmen und Initiativen. Grundsätzlich wird das IGF als sinnvolle Möglichkeit der internationalen Internetregulierung gesehen, auch wenn es Forderungen zu Reformen gibt.

Fazit

Die Bedeutung des Internets steigt weltweit von Tag zu Tag. Internetpolitische Themen gewinnen deswegen massiv an Relevanz und stellen Deutschland, die EU und die UN vor die Herausforderung, wie sie das Internet regulieren können.

Dieser Artikel zeigt drei Erkenntnisse auf. Erstens: Eine auf nationale Lösungen ausgerichtete Medienpolitik ist überholt. Zweitens: Internetregulierungsmaßnahmen bewegen sich in diversen Spannungsfeldern. Zum einen sollen sie ein freies Internet mit demokratischen Grundsätzen garantieren und Verstöße gegen diese Grundsätze wirksam ahnden. Zum anderen sollen die Regulierungsmaßnahmen nicht den wirtschaftlichen Nutzen, der durch das Internet entstehen kann, oder den technischen Fortschritt hemmen. Drittens: Die ausschließliche Lösungsfindung auf zwischenstaatlicher Ebene ist wegen der neuen Herausforderungen, die durch das Internet auftreten, kein geeigneter Politikstil, um das Internet zu regulieren. De facto können Entscheidungen, die das Netz betreffen, ohne nichtstaatliche Akteur*innen nicht mehr getroffen werden. Vielmehr kann ein Politikstil, der dem Bottom-up- und dem Multistakeholder-Ansatz folgt, ein Lösungsweg sein. Hierbei müssen sowohl die Politik, die Zivilgesellschaft, als auch die Internetkonzerne miteingebunden werden. Eine Medienpolitik, die diesen Erkenntnissen Rechnung trägt, wird Internet-Governance genannt.

Die Frage, wie wir als digitale Gesellschaft zusammen leben wollen, kann in bereits vorhandenen Foren, wie etwa dem IGF, diskutiert werden. Allerdings kann das Internet nur zu einem Gemeingut werden, das allen in der digitalen Gesellschaft nutzt, wenn Politiker*innen anfangen, die in diesen Foren geführten Diskussionen ernst zu nehmen und ihre Politik nach den Erkenntnissen der Foren zu gestalten.

ist Journalistin und Politikwissenschaftlerin. Sie arbeitet als freie Journalistin für den Westdeutschen Rundfunk und forscht derzeit an der Universität zu Köln zum Thema Internet-Governance.
E-Mail Link: johannaesch@gmx.de