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Das Alter(n): Gestalterische Verantwortung für den Einzelnen und die Gesellschaft

Ursula M. Staudinger

/ 22 Minuten zu lesen

Genauso wie der Tod, so ist wahrscheinlich auch die Angst vor dem Tod, ein evolutionär verankerter Grundbestandteil der Conditio humana. Es ist kein Phänomen der Moderne, dass Menschen jung bleiben wollen.

I. Das Alter: Jeder möchte lange leben, aber niemand möchte alt sein

Genauso wie der Tod, so ist wahrscheinlich auch die Angst vor dem Tod und der Wunsch, nicht zu altern, ein evolutionär verankerter Grundbestandteil der Conditio humana. Es ist kein Phänomen der Moderne oder gar der Postmoderne, dass Menschen jung bleiben bzw. wieder jung werden wollen. Die Darstellungen des Jungbrunnens von Lucas Cranach d.J. (1546) aus der Renaissance oder das Geschenk der ewigen Jugend durch die Götter in der antiken Mythologie verweisen auf die lange Geschichte dieses Wunsches. Man sollte es deshalb nicht ausschließlich einem durch die Wertewelt moderner Industriegesellschaften verursachten Jugendwahn ankreiden, wenn Menschen versuchen, die Erkenntnisse der Biologie und Medizin zu nutzen, um sich jung zu erhalten. Eine solche vermeintlich kulturkritische Sicht geht am Kern des Phänomens vorbei.

Nach Prognosen werden im Jahre 2050 (unter der Bedingung einer jährlichen Netto-Zuwanderung von 100 000 Personen) fast 40 Prozent der Bevölkerung 60 Jahre und älter sein. Wir haben in den letzten hundert Jahren eine Erhöhung der durchschnittlichen Lebenserwartung (bei Geburt) um etwa 30 Jahre erlebt. Dies ist eine unerhörte Errungenschaft der menschlichen Kultur, nicht etwa ein Ergebnis biologisch-evolutionärer Prozesse. Die menschliche Kultur hat mit Hilfe von Hygiene, Medizin und hohem Lebensstandard in den "natürlichen" Verlauf der menschlichen Entwicklung eingegriffen. Daraus lässt sich eine gesellschaftliche und individuelle Verantwortung definieren, das Begonnene verantwortungsvoll weiterzuführen. Man könnte es gar als unverantwortlich bezeichnen, beim bloßen Hinzufügen von 30 Jahren - also der Quantität - stehen zu bleiben und sich nicht mehr um die Lebensqualität dieser Jahre zu kümmern. Dies wäre nicht nur unverantwortlich gegenüber dem Einzelnen, sondern auch volkswirtschaftlich nicht vertretbar. In der Ausgestaltung dieser gewonnenen Jahre liegt die Zukunft des Alterns. Hier müssen Gesellschaft, Wissenschaft und der Einzelne zusammenarbeiten. Vier in diesem Zusammenhang zentrale Maßnahmenbereiche möchte ich im Folgenden kurz umreißen: gesellschaftliche Altersbilder, Produktivität und Alter, Bildung und Alter sowie intergenerationelle Beziehungen.

II. Gesellschaftliche Altersbilder und -stereotype

Wir unterscheiden wie selbstverständlich eine Vielzahl von Kulturen der Jugend und des frühen Erwachsenenalters: die "Raver" und "Dinks" bis hin zu den "Yuppies".

Solche Vielfalt gilt es auch im Alter zu erkennen. Es kann nicht angehen, dass man die im Alter ab 60 Jahren durchschnittlich noch verbleibenden 25 bis 30 Lebensjahre mit nur einem einzigen Etikett versieht - nämlich "Alter". Machen Sie ein Gedankenexperiment und stellen sie sich dies am Beginn des Lebens vor: Neugeborene würden mit dem gleichen Etikett belegt wie Erwachsene im Alter von 25 Jahren, oder ein Jugendlicher von 15 Jahren erhielte das gleiche Etikett wie ein 40-Jähriger. Ohne hier eine Symmetrie der Alters-Prozesse am Beginn und am Ende des Lebens nahe legen zu wollen, wird durch dieses Gedankenexperiment doch deutlich, wie viel Differenzierungsarbeit für das letzte Drittel des Lebens noch auf uns wartet. Selbst unsere Sprache gerät hier vorläufig noch an ihre Grenzen. Es gibt allerdings Anfänge einer sprachlichen Differenzierung: die jungen und die alten Alten oder das 3. und das 4. Lebensalter. Man unterscheidet diese beiden Altersphasen, um den einschneidenden gesundheitlichen Einbußen, die im Durchschnitt etwa ab dem 80. bis 85. Lebensjahr auftreten, gerecht zu werden. Das 4. Alter stellt an die Gesellschaft und den Einzelnen ganz andere Anforderungen als das 3. Alter. Für das 3. Alter besteht die Herausforderung in der Schaffung von mehr Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Partizipation. Dagegen steht im 4. Alter würdevolle Integration durch Schutz und Unterstützung bei wachsender Abhängigkeit und Pflegebedürftigkeit im Vordergrund.

Diese Zweiteilung des Alters ist notwendig und hilfreich, doch sollten wir es dabei nicht bewenden lassen. Die gerontopsychologische Forschung hat gezeigt, dass es das Altern nicht gibt. Wir müssen zwischen Personen unterscheiden: Jede Person, und man sollte hinzufügen, jede Kohorte (Geburtsjahrgang) altert anders. So wurden etwa in der Berliner Altersstudie unter den über 75-Jährigen mehr als sieben verschiedene Altersformen gefunden, die vom fröhlichen, fiten und aktiven über den zufriedenen, kontemplativen bis hin zum missmutig enttäuschten sowie abhängigen und schwachen alten Menschen reichen. Das chronologische Alter verliert im Verlauf des Lebens zunehmend an Informationswert hinsichtlich der Eigenschaften und der Leistungsfähigkeit des Menschen. Hier liegt eine große Herausforderung an die Gesellschaft: Nicht ein Rezept für alle, sondern eine Vielfalt an Alternsformen gilt es zu unterstützen und zu propagieren. Die biologischen wie die psychologischen Entwicklungsprozesse gewinnen im letzten Lebensabschnitt an Dynamik, ähnlich - aber nicht symmetrisch - wie zu Beginn des Lebens. Am Anfang des Lebens unterteilen wir in Entwicklungsabschnitte von zwei bis drei Jahren (z.B. Säuglingsalter, Kleinkindalter) und dann von fünf und zehn Jahren (z.B. mittlere Kindheit, Adoleszenz). Eine ähnliche Feingliederung (in umgekehrter Reihenfolge) ist auch für unser Nachdenken über die Gestaltung der letzten 25 bis 30 Jahre des Lebens sinnvoll.

Die Stereotypenforschung hat gezeigt, dass es in den Köpfen der Menschen eine Vielzahl von Vorstellungen über das Alter und keineswegs nur ein positives oder ein negatives Altersstereotyp gibt. In den Medien herrscht allerdings häufig noch ein einseitig negatives Altersstereotyp vor. Alter wird in den Printmedien, den Nachrichten- und Magazinsendungen fast ausschließlich als "Problemlage" diskutiert. Im Gegensatz dazu wird in vielen Unterhaltungsendungen ein unrealistisch positives Altersbild gezeichnet, das soweit geht, dass "das Alter" eigentlich ausgespart bleibt. Eine Vielfalt von Altersbildern in der Öffentlichkeit hat demgegenüber eine nicht zu unterschätzende Vorbildwirkung für ältere Menschen, aber auch für die Ausbildung der Vorstellungen über das eigene zukünftige Altern bei Jüngeren. Wir wissen aus der gerontologischen Forschung, dass die Wirkung von Altersbildern auf das individuelle Altern enorm ist. So konnte eine jüngst veröffentlichte Studie einen Zusammenhang zwischen der Positivität oder Negativität des Altersbildes und der Lebensdauer nachweisen. Personen mit einer positiven Einstellung zum Alter lebten 7,5 Jahre länger als solche mit einer negativen Einstellung. Hier liegt eine Verantwortung u.a. auch für die Medien in Deutschland, im Unterhaltungs- wie im Informationsbereich ein vielfältigeres, differenzierteres Bild des Alters zu etablieren.

III. Produktivität und Alter

Eine Gesellschaft mit einem Anteil von gegenwärtig etwa 25 Prozent und demnächst fast 40 Prozent über 60-Jähriger sollte, ja muss Möglichkeiten vorsehen, dass alte Menschen sich produktiv einbringen können. Damit ist nicht unbedingt die Erhöhung des Rentenalters gemeint. Vielmehr geht es um die Schaffung neuer Formen der Produktivität, die den Fähigkeiten und Wünschen dieser Lebensphase gerecht werden, ähnlich wie dies in dem von den Vereinten Nationen 2002 in Madrid verabschiedeten internationalen Aktionsplan für das Altern vorgeschlagen und empfohlen wird.

Es gibt in Deutschland auch schon eine Reihe von Ansätzen, wie zum Beispiel den Seniorexpertenservice oder die Wissensbörsen, welche die Möglichkeit zur tätigen Produktivität jenseits des Erwerbslebens im klassischen Sinne bieten. In jüngster Vergangenheit hat sich der Schwerpunkt auf die Unterstützung bürgerschaftlichen Engagements verlagert. Ehrenamtlich tätige ältere Menschen sollen qualifiziert werden, ehrenamtliche Initiativen zu unterstützen, aber auch andere am Ehrenamt interessierte alte Menschen für solche Tätigkeiten zu motivieren und weiterzubilden. Allerdings zeigen alle diese Bemühungen bisher noch nicht die angestrebte Breitenwirkung bei der gegenwärtig älteren Generation. Nach dem Alters-Survey sind bei den über 65-Jährigen nur 12,3 Prozent ehrenamtlich und 3,3 Prozent beruflich tätig. Im internationalen Vergleich ist das Engagement der deutschen Rentner als vergleichsweise gering einzustufen: Spitzenwerte werden beispielsweise aus Japan berichtet, wo im Alter noch 27,7 Prozent der Befragten arbeiten, oder aus den USA, wo sich 30,7 Prozent der Älteren ehrenamtlich engagieren. Neben dieser klassisch tätigkeitsbezogenen Betrachtung von Produktivität soll im Folgenden ein psychologischer Begriff von Produktivität vorgestellt werden, der wesentlich breiter angelegt ist.

Der psychologische Begriff von Produktivität geht über manuelle und geistige Produktivität, also das Herstellen von Dingen mit unseren Händen oder das Produzieren von Texten, Ratschlägen und Ideen hinaus. Im Alter gibt es eine psychologische Form der Produktivität, die darin besteht, mit den altersbedingt auftretenden Einbußen produktiv umzugehen. Psychologische Produktivität kann dementsprechend neben manueller und geistiger auch emotionaler und motivationaler Natur sein. Was hat man sich hierunter vorzustellen?

Gemeint ist mit emotionaler Produktivität, dass eine Person, die chronisch unter extremen altersbedingten Einschränkungen leidet, durch die eigene emotionale Verfassung - also zum Beispiel durch Zufriedenheit und Ausgeglichenheit - sich eine positive Ausstrahlung "erarbeitet" hat und damit zugleich einen psychologisch produktiven Kontext für andere Menschen bildet. Man kann so an der Entstehung positiver Emotionen in anderen Menschen direkt Anteil haben und auf diese Weise psychologisch produktiv sein. Darüber hinaus hat die emotionale Verfassung natürlich Auswirkungen auf das Denken und Wollen der Person selbst. Schließlich ist mit der motivationalen Natur von Produktivität gemeint, dass man durch die eigenen Ziele und Werte produktiv zu sein vermag, aber auch, dass man Ziele und Werte in anderen mit beeinflussen kann. Was bedeutet es zum Beispiel für eine/n 40-jährige/n Arbeitneh-merIn, eine/n 75-jährige/n RentnerIn zu kennen, die/der trotz gesundheitlicher Einschränkungen zufrieden und in Harmonie ihre/seine Tage verbringt? Könnte dies nicht eine Lebensperspektive aufzeigen, die auf die Lust am gegenwärtigen Leben und Arbeiten zurückstrahlt?

So verstandene Produktivität bemisst sich vornehmlich in Erkenntnis, Anerkennung, emotionalem Wohlbefinden, in Zielgerichtetheit des Strebens oder in Lebenssinn. Diese für volkswirtschaftliche Überlegungen zunächst scheinbar so wenig relevanten Maßeinheiten sind in ihren indirekten Auswirkungen auf die volkswirtschaftliche Produktivität im engeren Sinne jedoch kaum zu überschätzen.

Der Mensch erfährt dort Sinn und ist dort psychologisch produktiv, wo er Pläne verfolgt, die eine harmonische Erfüllung seiner verschiedenen Fähigkeiten und Interessen erwarten lassen, und wo er in diesen Plänen vorankommt. Ein solcher Sinnbegriff und Begriff von Produktivität machen deutlich, dass der biologische Abbau und der soziale Rollenverlust per se zu keinem Bedeutungs- oder Produktivitätsverlust führen müssen. Vielmehr ist es das Leben, das die alte Person mit diesen biologischen und sozialen Veränderungen führt, das sinnvoll oder sinnlos, das produktiv oder unproduktiv ist.

Die Bewältigung der beiden letzten Entwicklungsaufgaben des Menschen - nämlich zum einen die Weitergabe von Erfahrungen an die nachfolgenden Generationen (Generativität) und zum anderen die Integration des gelebten und des ungelebten Lebens im Angesicht der eigenen Endlichkeit - trägt zu dieser Form der Produktivität bei. Beide Aufgaben stehen in engem Zusammenhang mit der bewussten Wahrnehmung und Akzeptanz von auslaufender Lebenszeit. Vielleicht liegt gerade in diesem Bewusstsein der Endlichkeit auch die Kraft, die Einheiten des Glücks zu verkleinern, sich an den kleinen Dingen des Lebens zu freuen, eine Bescheidenheit und Zufriedenheit zu entwickeln, die früheren Lebensaltern so normalerweise verschlossen bleibt.

Die Lösung dieser Entwicklungsaufgaben wird zwar angestrebt, jedoch ist sie nicht garantiert; sie kann auch misslingen. Der alte Mensch versinkt dann in Verzweiflung über sein unerfülltes, verronnenes Leben. Der Bilder verbitterter, halsstarriger und der Welt gegenüber verschlossener alter Menschen sind viele in der Literatur. Wenn aber die Bewältigung des Alterns gelingt, so werden dessen Eigenschaften - die "psychologischen Produkte" - als große Tugenden wie Weisheit, Lebenserfahrung, Gelassenheit oder Besonnenheit bezeichnet. Gelassenheit angesichts nachlassender körperlicher und sozialer Kräfte ist nicht als unrealistisches Zudecken, als Schönfärberei zu verstehen. Hier handelt es sich vielmehr um die Fähigkeit, auch in der Niedergeschlagenheit über Verlorenes oder nicht mehr zu Erreichendes noch zur Hoffnung zurückzufinden. Gelassenheit, Einsicht oder gar Weisheit kommen aber nicht "automatisch" mit dem Älterwerden; sie erfordern vom Einzelnen, dass er sich mit seinen Erfahrungen, der Endlichkeit des eigenen Lebens wie auch mit der Aufgabe der Generativität gegenüber den nachfolgenden Generationen aktiv auseinander setzt.

Auf diese Weise im Alter produktiv zu sein stellt also Anforderungen an den Einzelnen. Die Gesellschaft wiederum ist gefordert, Rahmenbedingungen zu schaffen, die diese Art der Produktivität unterstützen, sie vielfach erst möglich werden lassen. Zusammenfassend gilt also: (1) Produktivität ist nicht mit Aktivität gleichzusetzen. Viele Menschen wünschen sich im Alter die Erlaubnis (und sollten sie von der Gesellschaft bekommen), erschöpft zu sein. (2) Die interaktive Natur der Spezies Mensch ist auch für das Verständnis der psychologischen Produktivität des Alters zentral. Der alte Mensch ist ein nicht zu unterschätzender Entwicklungskontext für die nachfolgenden Generationen und umgekehrt. Folgendes Gedankenexperiment macht dieses Argument vielleicht noch deutlicher: Stellen wir uns eine Gesellschaft vor, in der alle Menschen mit dem Austritt aus dem Erwerbsleben sterben. Welche Folgen hätte dies für die emotionale und motivationale Verfassung der im Erwerbsleben Stehenden? (3) Produktivität im Alter umfasst bei entsprechender Unterstützung durch die soziale Umwelt das ganze Spektrum alter Menschen, nicht nur die Gesunden und Aktiven, sondern auch die Pflege- und Hilfsbedürftigen. Und schließlich sei (4) nochmals auf die Bedeutsamkeit gesellschaftlicher Strukturen und der Öffentlichkeit in ihren förderlichen und - wie leider noch so häufig - auch hinderlichen Auswirkungen auf die Produktivität und Selbstentfaltung im Alter hingewiesen.

Die Sozialpolitik ist aufgefordert, Rollenmöglichkeiten zu schaffen, welche die psychologische und die tätige Produktivität alter Menschen nutzen helfen. Dies gilt ebenso für die Schaffung institutioneller Strukturen hinsichtlich der Versorgung und Unterstützung Pflegebedürftiger, um auch ihnen Raum für die Äußerung von psychologischer Produktivität zu ermöglichen. Auch Technik und Umweltgestaltung sollte man in diesem Zusammenhang nicht vergessen. Es besteht die Chance, dass eine neue Generation an "intelligenten" technischen Hilfsmitteln den Alltag im Alter wesentlich erleichtert: Es werden beispielsweise Gedächtnisdefizite dadurch ausgeglichen, dass der Herd Alarm schlägt, wenn etwas überkocht. Es wird der chronischen Gefahr des Flüssigkeitsmangels, die im Alter aufgrund reduzierten Durstempfindens gegeben ist, durch "sprechende" Flaschen entgegengewirkt. Es wird dem Schlaganfall und Herzinfarkt durch "intelligente" Kleidung mit integriertem Frühwarnsystem vorgebeugt. Durch solch vielfältige technische Hilfen wird es Älteren nicht zuletzt ermöglicht, länger in der eigenen Wohnung leben zu können.

IV. Bildung für das Alter

Das verlängerte Leben stellt Herausforderungen an den Einzelnen wie an die Gesellschaft insgesamt, die der Unterstützung durch entsprechende Bildungsangebote und einer veränderten Institutionenwelt der Bildung bedürfen. Es sind allerdings nicht nur die demographischen Herausforderungen, die für das Bildungssystem relevant sind. Es sind auch die neuen Herausforderungen einer zunehmend globalisierten und sich immer schneller wandelnden Welt. In den westlichen Industriegesellschaften ist eine immer älter werdende Bevölkerung mit immer stärker beschleunigtem Technologie- und Wissenswandel konfrontiert. Das Individuum und die Gesellschaft müssen also nicht nur damit fertig werden, dass gegenwärtige und zukünftige Generationen beträchtlich länger leben als alle anderen vor ihnen, sondern sie müssen auch damit umgehen, dass frühere Konzepte wie einmaliger, lebenslanger Kompetenzerwerb oder eine weitgehende berufliche Planungssicherheit der Vergangenheit angehören.

Wir werden älter als je zuvor und das in einer sich immer rascher wandelnden Gesellschaft. Dies bedeutet u. a., dass Bildung nicht mehr nur auf einen Beruf gerichtet und nicht nur auf Berufsqualifikation beschränkt sein kann. Vielmehr ist es notwendig, über kontinuierliche berufsbildende Prozesse nachzudenken und neben die Berufsbildung - ganz im Sinne Wilhelm von Humboldts - die "Entwicklungsbildung" zu stellen. Mit "Entwicklungsbildung" meine ich, dass die Gestaltungsmöglichkeiten von Entwicklung und Altern, die aufgrund kultureller Intervention (Hygiene, Medizin, Ernährung) historisch neue zeitliche Dimensionen angenommen haben, dem Einzelnen nicht mehr "automatisch" gegeben sind oder vermittelt werden. Die verlängerte Lebenszeit ist nicht durch evolutionär geprägte biologische Prozesse optimiert. Auch die Vermittlung von Gestaltungswissen durch Traditionen und familiäre Sozialisation ist nicht gewährleistet, da vorherige Generationen weder mit solchen individuellen noch gesellschaftlichen Umständen Erfahrungen sammeln konnten. Vielmehr ist hier ein gesellschaftlicher Bildungsauftrag entstanden, den es gilt, institutionell und curricular aufzunehmen.

Aus solchen Überlegungen leitet sich eine weitere grundlegende Bemerkung ab. Die Maßnahmen angesichts der demographischen Verschiebungen und des rapiden Wissens- und Technologiewandels in unserer Gesellschaft müssen immer auf zwei Zielgruppen gerichtet sein: zum ersten natürlich auf die gegenwärtig alten Geburtsjahrgänge, also Menschen, die vor 1940 geboren wurden (wenn man etwa das Alter 60 als Trennlinie annimmt), und zum zweiten aber auch auf die zukünftig alten Jahrgänge. Die Maßnahmen, die diesen beiden Zielgruppen dienen, überlappen sich zwar, sind aber nicht identisch. Manche Veränderungen der Bildungsangebote und Bildungstechniken, die speziell für die Ausgangslage der gegenwärtig alten Jahrgangsgruppen entwickelt werden müssen, werden für die zukünftig Alten nicht nötig sein - und umgekehrt müssen Maßnahmen, die auf die zukünftigen Alten gerichtet sind, sich auf die Umgestaltung der Bildung in allen Lebensabschnitten beziehen, was für die jetzt Alten keine Relevanz mehr besitzt. Denn hinsichtlich der zukünftig Alten wird deutlich, dass Bildungsmaßnahmen, die auf die Bewältigung des immer währenden Wandels und die Vermittlung von Entwicklungswissen für den Einzelnen gerichtet sind, nicht erst im Alter ansetzen können, sondern eine Umgestaltung und Innovation des gesamten Bildungssystems verlangen.

Ein hilfreiches Rahmenkonzept für solche weitergehenden Überlegungen stellt das Modell der Veränderung der Lebenszeitstruktur von Riley und Riley dar. In diesem Modell wird deutlich, dass die klassischen Säulen der Lebenslaufstruktur von Bildung, Arbeit und Freizeit nicht mehr sequentiell hintereinander geschaltet sein können, sondern parallel in enger zeitlicher Verknüpfung den Lebenslauf prägen müssen, um die geschilderten Herausforderungen zu bewältigen. Das heißt, wir müssen sukzessive Abschied nehmen von der Vorstellung, in der Kindheit und Jugend nur zu lernen, dann nur zu arbeiten und im Alter nur Freizeit zu haben. Schon die erste formale Schulausbildung sollte im zweiten Teil, also im Alter zwischen 12 und 18 Jahren, eine enge Verzahnung mit der Welt der Arbeit haben.

Arbeitsbiographien werden nicht mehr ausschließlich aus der Ausübung eines Berufs bestehen, sondern es muss immer wieder Phasen der Weiterbildung und auch der 'Umbildung' geben. Dazu ist es notwendig, an Bildungsurlaub und das so genannte Sabbatjahr zu denken und diese zu einem normalen Bestandteil unserer Arbeitswelt zu machen. Schließlich kann das Alter nicht mehr nur aus Freizeit bestehen. Dazu ist diese letzte Lebensphase zu lang geworden und dazu sind wir im Durchschnitt im 3. Alter (60 bis 75/80 Jahre) in der Regel noch zu gesund und tatkräftig. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass die Umdrehung der Bevölkerungspyramide von "Tannenbaum" zum "Bevölkerungspilz" es notwendig macht, die Produktivität dieser älteren Bevölkerungsgruppe zu nutzen. Die Übernahme von beruflichen und ehrenamtlichen Aufgaben im Alter gilt es durch ein solches verändertes Bildungssystem zu unterstützen.

Ein mögliches Missverständnis möchte ich hier jedoch versuchen auszuräumen. Man sollte aus der Tatsache, dass wir uns ein Leben lang bilden müssen, nicht schließen, dass das erste formale Bildungserlebnis deshalb weniger bedeutsam würde. Das Gegenteil ist der Fall.

Der erste Kontakt mit Bildung beeinflusst unser weiteres Umgehen mit Bildung. Je besser und "höher" der erste Bildungsabschluss, desto höher ist die Chance, dass die Motivation und die Kompetenz für weitere Lernphasen im Leben vorhanden ist. Hieraus leitet sich ganz zentral ab, dass die Anstrengungen für lebenslanges Lernen zuallererst in den ersten acht bis zehn Schuljahren ansetzen müssen. Hier muss es, nur um ein Beispiel zu nennen, neben der Vermittlung der klassischen Kulturtechniken zu einer stärkeren Fokussierung auf das "learning to learn" kommen.

Betrachten wir zunächst die gegenwärtig alten Jahrgänge, so ist festzuhalten, dass die gerontopsychologische Forschung eindrucksvoll nachgewiesen hat, dass die Fähigkeit zu lernen - wenn auch langsamer und mit erhöhtem Aufwand - durchaus ein Leben lang gegeben ist, sofern keine pathologischen Bedingungen vorliegen. Es gibt in diesem Bereich auch schon eine ganze Reihe von Ansätzen, wie die Universitäten des 3. Lebensalters oder das Seniorenstudium, das alte Menschen an die Universitäten holt, sowie die Volkshochschulen als klassische Einrichtungen der Erwachsenenbildung. Außerdem gibt es vielfältige private Angebote der Weiterbildung. Allerdings erreichen alle diese Angebote nach wie vor nur einen kleinen Teil der älteren Bevölkerung und bevorzugt die gebildeteren Schichten. Eine größere Breitenwirkung wäre also wünschenswert. Biographisch geringe Erfahrung mit Bildungseinrichtungen lässt es wenig wahrscheinlich werden, dass man im Alter dann eine solche aufsucht. Dieser Trend zur Kontinuität wird allerdings noch verstärkt durch stereotypkonforme Ängste bezüglich der eigenen Leistungsfähigkeit und dem Vergleich mit anderen, besonders auch Jüngeren.

Wenn wir an Bildung für zukünftig alte Generationen denken, wenden wir uns dem Thema des lebenslangen Lernens zumeist im klassischen Sinne zu. Unsere existierenden Bildungsinstitutionen (Hauptschule, Realschule, Berufsschule, Gymnasium, Universität) haben bisher wenig bis keine Erfahrung mit dem lebenslangen Lernen. Sie setzen die klassische Idee der formalen Bildung um: Vermittlung der wichtigsten Kulturtechniken sowie berufsspezifische Kompetenzen und Fertigkeiten bzw. weiter gehende höhere Bildungsanstrengungen, die dann etwa mit 25 Jahren mit einem Universitätsabschluss enden.

Hier muss entschieden diversifiziert werden: Die klassische Bildungsklientel der 6- bis 25-Jährigen muss um 40 bis 50 Jahre auf die 6- bis 65-/75-Jährigen erweitert werden. Dieses enorme Erweiterung des Altersspektrums macht nochmals eindrücklich, vielleicht auch erschreckend deutlich, vor welch großen Herausforderungen unser Bildungssystem steht. Universitäten beispielsweise sollten ihre Expertise in einem breiten Disziplinenspektrum nutzen, um Studiengänge zu entwickeln und anzubieten, die sich auf Um- und Weiterbildung und nicht nur auf Erstausbildung beziehen. Das breite Disziplinenspektrum macht es Universitäten auch prinzipiell möglich, auf arbeitsmarktrelevante interdisziplinäre Anforderungen mit entsprechenden Studiengängen zu reagieren. Die nachwachsenden Geburtenjahrgänge werden kleiner, die dadurch an den Schulen und Universitäten frei werdenden Kapazitäten müssen sich auf neue Gruppen von Bildungsuchenden konzentrieren und entsprechend umorganisiert werden.

Es reicht also nicht aus, Menschen mittleren und höheren Alters in existierende Bildungsangebote zu integrieren. Dies ist zwar für bestimmte Personen und Bildungsziele möglich, doch für andere nicht. Die Bildungsziele und Bildungseinheiten verschiedener Altersgruppen sind genauso unterschiedlich wie die jeweils effektivsten Lehrformen. Vielmehr muss über neue, altersspezifische Angebote nachgedacht werden, die aber durchaus auch von existierenden Bildungsinstitutionen in "neuem Gewande" angeboten werden können.

Eine wichtige Voraussetzung für die notwendigen gesellschaftlichen und individuellen Veränderungsprozesse ist, dass die veränderte Konzeption von Ausbildung und Bildung auch in den Medien und der öffentlichen Meinung wahrgenommen wird und dort das klassische sequentielle Modell der Lebenslaufstrukturierung ablöst. Nachwachsende Generationen dürfen nicht mehr mit der Vorstellung aufwachsen, dass "Schule" etwas ist, was man am Anfang des Lebens für einige Jahre absolviert und dann mit dem erworbenen Abschluss ad acta legt, sondern sie müssen mit der Vorstellung groß werden, dass es vielmehr normal ist, sich ein Leben lang weiterzubilden, neu zu bilden, umzubilden. Gleiches gilt für Lehrer, Ausbilder und Eltern. Es muss sich das Verständnis durchsetzen, dass sich Bildung im Alter und Bildung für das Alter individuell und volkswirtschaftlich "lohnt".

Neben die klassische Schul- und die Berufsbildung muss die Entwicklungsbildung treten. Wie bereits erwähnt, können wir nicht mehr davon ausgehen, dass gegenwärtige und künftige Generationen qua ihrer menschlichen Natur das Wissen und Können besitzen, um ihren Lebenslauf und ihre Entwicklung zu "optimieren". Vielmehr bringen der rasante gesellschaftliche Wandel mit seiner Vielfalt von Lebenslaufmöglichkeiten sowie die historisch neue, extreme Verlängerung der Lebenszeit Anforderungen für den Einzelnen mit sich, die er/sie nur noch bedingt ohne weitere Bildungsanstrengungen erfolgreich bewältigen kann. Auch die Familie stößt hier an ihre Grenzen, da eine historisch neue Situation vorliegt, für die es keine Vorerfahrung in der Eltern- oder gar Großelterngeneration gibt, und uns der gesellschaftliche Wandel tagtäglich mit immer wieder neuen Herausforderungen konfrontiert.

Diesem durch die demographischen Umbrüche und die anderen Eigenschaften der postindustriellen Gesellschaft bedingten enormen Bildungsbedarf im Bereich der Lebensführung und Lebensbewältigung gilt es durch entsprechende Angebote zu entsprechen. Geschieht dies nicht, besteht die Gefahr, dass in unserer Gesellschaft die Schere des Wissens immer weiter auseinander klafft. Dieses Auseinanderklaffen bedeutet, dass sich Personen, die Zugang zu höherer Bildung haben, Kompetenzen und das Ausgangswissen erwerben, sich weiteres Wissen zur Entwicklungsoptimierung kontinuierlich zugänglich zu machen. Andere Bevölkerungsschichten dagegen wird dieser selbst gesuchte Zugang zu entwicklungsrelevantem Wissen verwehrt sein. Schlimmer noch - sie werden gar nicht wissen, dass es solches Wissen gibt. Eindrucksvoll zeigte jüngst eine Untersuchung, welche Konsequenzen das Bildungsniveau in diesem Fall auf gesundheitsrelevantes Wissen und gesundheitsförderlichen Lebensstil hat. Um solche Bildungslücken zu schließen, sollte man beginnen, über Unterrichtselemente nachzudenken, die sich mit dem Wissen beschäftigen, das man in den letzten Jahrzehnten in den Verhaltens- und Sozialwissenschaften über Voraussetzungen und Prozesse gelungener Entwicklung angesammelt hat.

V. Intergenerationelle Beziehungen

Der demographische Wandel stellt uns auch vor die Frage der intergenerationellen Beziehungen und der Generationengerechtigkeit in unserer Gesellschaft. In dem schon erwähnten neuen Weltaltenplan der Vereinten Nationen steht diese Thematik unter dem Stichwort einer "Gesellschaft für alle Altersgruppen" (A Society for all Ages) ganz oben auf der Agenda. Generationenbeziehungen und -gerechtigkeit an sich sind keine neuen Themen, neu ist jedoch die Betonung der Tatsache, dass Gerechtigkeit in beide Richtungen gelten muss, also hinsichtlich der alten wie der jungen Generation. Dies impliziert ein Geben und Nehmen, ein Fordern und Zurückstecken auf beiden Seiten. Die Notwendigkeit für gegenseitige Solidarität ist dabei niemals "noch nicht relevant" oder irgendwann "abgegolten". Sie stellt vielmehr - wie die Bildung - einen lebenslangen Anspruch an jedes Mitglied eines Gemeinwesens dar.

Im Jahr 2050 sollen, wie bereits erwähnt, fast 40 Prozent der Bevölkerung 60 Jahre und älter sein. Gegenwärtig liegt dieser Anteil bei etwa 20 Prozent. Aus diesen Schätzungen lässt sich ableiten, dass sich in Zukunft notgedrungen mehr Kontakte zwischen den Generationen in verschiedenen Lebenskontexten ergeben werden - insbesondere am Arbeitsplatz, aber auch in Nachbarschaftsumwelten, in Vereinen, religiösen Gruppierungen, in Fortbildungseinrichtungen und Universitäten. Ob diese dann als bedrohlich für die Innovationskraft einer Gesellschaft oder ganz im Gegenteil als eine Chance anzusehen sind, ist eine Frage, der es in der gegenwärtig noch fehlenden Forschung nachzugehen gilt.

Die derzeitigen Daten zu außerfamiliären Kontakten über die Altersgrenzen hinweg sind allerdings noch bestürzend: In einer jüngsten repräsentativen Studie aus Baden-Württemberg etwa gaben von den 15- bis 20-Jährigen nur 14 Prozent an, dass sie im Beruf oder in ihrer Ausbildung häufig mit über 60-Jährigen zu tun haben. Und außerhalb des beruflichen Kontexts sind es sogar nur noch vier Prozent der 15- bis 20-Jährigen, die häufig Kontakt mit über 60-Jährigen haben. Erstaunlich sind allerdings auch die Angaben zu familiären Kontakten: Nur 33 Prozent der 15- bis 20-Jährigen gaben an, dass sie innerhalb der Familie häufig Kontakt mit über 60-Jährigen haben. Die Autoren der Studie ziehen das plakative Fazit: "Man kann somit (...), festhalten, dass (...) der Kontakt zwischen Jung und Alt in Deutschland mehr oder minder abgerissen ist."

Aber es gibt Ausnahmen, wie beispielsweise die Zeitzeugen-Initiativen: Ältere Menschen gehen in die Schulen und sprechen mit Schülern über den Nationalsozialismus, den Krieg und die Nachkriegszeit. Der Wert der Vermittlung dieser historischen Erfahrungen aus erster Hand ist in seiner Wirkung auf die nachfolgenden Generationen gar nicht zu überschätzen. Es gibt weiterhin in jüngster Vergangenheit Modellversuche, die ältere Menschen als unterstützende Kräfte in Kindertagesstätten und Ganztagsschulen einsetzen. Solche generationsübergreifenden Einsätze älterer Menschen könnten noch vielfältiger werden.

Unsere gegenwärtig noch alterssegregiert organisierte Gesellschaft erlaubt es jedoch noch nicht, die Potenziale und/oder Gefahren intergenerationeller Beziehungen in ihrer ganzen Breite zu erkunden. Man nimmt beispielsweise einerseits an, dass sich Entwicklungsdefizite der Jugend und des Alters durch intergenerationelle Kontakte abmildern lassen. Andererseits gibt es aber auch Stimmen, die befürchten, dass durch vermehrten Kontakt Jugendlicher mit alten Menschen eine zu starke Rückwärtsgerichtetheit in der Erziehung entstehen könnte.

VI. Ausblick

Kehren wir zum Ausgangspunkt dieses Beitrags zurück, so lässt sich hoffentlich feststellen, dass die Diskussion über "unser Alter" in der Tat mehr ist als Rentendiskussion und Debatte um das Gesundheitssystem. Das Alter umfasst gegenwärtig einen Zeitraum von 25 bis 30 Jahren (wenn 60 Jahre der Startpunkt ist). Es stellt eine Herausforderung für den Einzelnen dar und für die Gesellschaft - aber ebenso eine Chance, die es zu nutzen gilt. Die Chance können wir dann verstärkt wahrnehmen, wenn u. a. in den Medien vielfältigere Altersbilder propagiert werden, die dem alten - aber auch dem jungen - Menschen aufzeigen, welche Möglichkeiten und Grenzen das Alter bietet und welche Verantwortung für die Gestaltung dieser Lebensphase damit einhergeht.

Die Chance der verlängerten Lebenszeit liegt in der Entdeckung neuer und veränderter Formen der tätigen und der psychologischen Produktivität des Alters. Die Chance längeren Lebens liegt auch im lebenslangen Lernen. Schließlich besteht ein gegenwärtig noch verborgenes Potenzial des erhöhten Altenanteils in unserer Gesellschaft vielleicht in der systematischen Nutzung intergenerationeller Kontakte. Wir müssen als Individuen und in vielen Bereichen unserer Gesellschaft umdenken und umstrukturieren, dann können wir das Alter, unser Alter auch als Möglichkeit und Chance und nicht nur als Problem begreifen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Statistisches Bundesamt, Bevölkerungsentwicklung bis zum Jahr 2050. Ergebnisse der koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung, Stuttgart 2000.

  2. Vgl. Reiner H. Dinkel, Demographische Alterung: Ein Überblick unter besonderer Berücksichtigung der Mortalitätsentwicklung, in: Paul B. Baltes/Jürgen Mittelstraß/Ursula M. Staudinger (Hrsg.), Alter und Altern: Ein interdisziplinärer Studientext zur Gerontologie, Berlin 1994.

  3. Vgl. Paul B. Baltes, Die unvollendete Architektur der menschlichen Ontogenese: Implikationen für die Zukunft des vierten Lebensalters, in: Psychologische Rundschau, Bd. 48, 1997, S. 191 ff.

  4. Vgl. ebd.

  5. Vgl. Karl Ulrich Mayer/Paul B. Baltes (Hrsg.), Die Berliner Altersstudie, Berlin 1996.

  6. Vgl. Sigrun-Heide Filipp/Anne-Kathrin Mayer, Bilder des Alters, Stuttgart 1999.

  7. Vgl. Eva-Marie Kessler/Katrin Rakoczy/Ursula M. Staudinger, How realistic is the portrayal of older people in prime time TV series?, Dresden 2003 (i. E.).

  8. Vgl. Becca R. Levy/Martin D. Slade/Suzanne R. Kunkel/Stanislav V. Kasl, Longevity increased by positive self-perceptions of aging, in: Journal of Personality and Social Psychology, Bd. 83 (2002), S. 261 ff.

  9. Der Wortlaut des Aktionsplanes und die Relevanz für die ECE-Staaten ist zu finden unter www.mica2002.de

  10. Vgl. Erfahrungswissen für Initiativen (www.efi-programm.de): ein Modellprogramm des BMFSFJ.

  11. Vgl. Martin Kohli/Hans Künemund, Nachberufliche Tätigkeitsfelder. Konzepte, Forschungslage, Empirie, Schriftenreihe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Bd. 130.1, Stuttgart 1997. Anm. der Redaktion: vgl. auch ihren Beitrag in diesem Heft.

  12. Vgl. Ursula M. Staudinger, Psychologische Produktivität und Selbstentfaltung im Alter, in: Margret M. Baltes/Leo Montada (Hrsg.), Produktivität und Altern, Hamburg 1996.

  13. Vgl. Ursula M. Staudinger, Viele Gründe sprechen dagegen und trotzdem fühlen viele Menschen sich wohl: Das Paradox des subjektiven Wohlbefindens, in: Psychologische Rundschau, Bd. 51 (2000), S. 185 ff.

  14. Vgl. Ursula M. Staudinger, Lebenserfahrung, Lebenssinn und Weisheit, in: Sigrun Heide Filipp/Ursula M. Staudinger (Hrsg.), Entwicklungspsychologie des mittleren und höheren Erwachsenenalters (Enzyklopädie der Psychologie), Göttingen 2003 (i. E.).

  15. Vgl. Erik H. Erikson, Identität und Lebenszyklus, Frankfurt/M. 1966.

  16. Vgl. U. M. Staudinger (Anm. 13).

  17. Vgl. dies. (Anm. 14).

  18. Vgl. Georg Rudinger/Elke Jansen, Technik, neue Medien und Verkehr, in: S. H. Filipp/U. M. Staudinger (Anm. 14).

  19. Vgl. H. Beare/R. Slaughter, Education for the twenty-first century, New York 1993.

  20. Vgl. Ursula M. Staudinger, Eine Expertise zum Thema "lebenslanges Lernen" aus der Sicht der Lebensspannen-Psychologie, in: Franz Achtenhagen/Wolfgang Lempert (Hrsg.), Lebenslanges Lernen im Beruf: Seine Grundlegung im Kindes- und Jugendalter (III), Opladen 2000.

  21. Vgl. Mathilda W. Riley/Jack W. Riley, Individuelles und gesellschaftliches Potential des Alterns, in: P. B. Baltes/J. Mittelstraß/U. M. Staudinger (Anm. 2).

  22. Vgl. Karl U. Mayer, Bildung und Arbeit in einer alternden Bevölkerung, in: P. B. Baltes/J. Mittelstraß/U. M. Staudinger (Anm. 2), S. 518-543.

  23. Vgl. J. Mirowski/C. E. Ross, Education, personal control, life style, and health, in: Research on Aging, Bd. 20, 1998, S. 415 ff.

  24. Vgl. Paul B. Baltes/Ursula M. Staudinger/Ulman Lindenberger, Lifespan psychology: Theory and application to intellectual functioning, in: Annual Review of Psychology, Bd. 50, 1999, S. 471 ff.

  25. Vgl. Martin Kohli/Hans Künemund (Hrsg.), Die zweite Lebenshälfte. Gesellschaftliche Partizipation im Spiegel des Alters-Surveys, Opladen 2000.

  26. Vgl. Ineke Maas/Ursula M. Staudinger, Kontinuität und Diskontinuität im Lebenslauf, in: K. U. Mayer/P. B. Baltes (Anm. 5).

  27. Vgl. G. Dohmen, The future of continuing education in Europe, Bonn 1998.

  28. Vgl. J. Mirowski/C. E. Ross (Anm. 23).

  29. Vgl. U. M. Staudinger (Anm. 20).

  30. Vgl. Statistisches Bundesamt (Anm. 1).

  31. Sigma, Survey zum Generationenverhältnis in Baden-Württemberg, Stuttgart 1999, S. 23.

  32. Vgl. Ursula M. Staudinger, Opportunities and limitations of intergenerational relations, in: Stefan Pohlmann (Hrsg.), Facing an aging world - Recommendations and perspectives, Regensburg 2003; Marlis Buchmann, Notwendigkeit der Interdisziplinarität in der Jugendforschung, Vortrag anlässlich der Eröffnung des Jacobs Centers für Productive Youth Development an der Universität Zürich, 2. April 2003.

Dr. phil. habil., geb. 1959; Professorin für Entwicklungspsychologie der Lebensspanne, TU Dresden.

Anschrift: Institut für Psychologie IV, Technische Universität Dresden, 01062 Dresden.
E-Mail: E-Mail Link: staudinger@psychologie.tu-dresden.de

Veröffentlichungen u.a.: (Hrsg. zus. mit P.B. Baltes/J. Mittelstraß) Alter und Altern: Ein interdisziplinärer Studientext zur Gerontologie, Berlin 1994; (Hrsg. zus. mit Ulman Lindenberger) Understanding human development: Dialogues with lifespan psychology, Amsterdam 2003.