Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Australia - the Lucky Country? | Umgang mit Migrantinnen und Migranten | bpb.de

Umgang mit Migrantinnen und Migranten Editorial Erfolge und Misserfolge der Integration -Deutschland und die Niederlande im Vergleich Australia - the Lucky Country? Multikulturalismus in Kanada - Modell für Deutschland? Reaktionen auf muslimische Zuwanderung in Europa Ursachen fremdenfeindlicher Einstellungen in Westeuropa

Australia - the Lucky Country? Multikulturalismus und Migrationspolitik im Zeichen neokonservativer Reformen

Sigrid Baringhorst

/ 17 Minuten zu lesen

In Australien ist der Multikulturalismus einer eher restriktiven Einwanderungspolitik gewichen. Die seit 1996 betriebene Politik der neokonservativen Regierung entspricht den Ängsten breiter Teile der Bevölkerung vor einer asiatischen Invasion.

I. Backlash Down Under - einwandererfeindlicher Populismus im Aufschwung

Bis in die achtziger Jahre war die australische Einwanderungs- und multikulturelle Integrationspolitik getragen von einem Konsens der großen politischen Parteien, der Australian Labor Party (ALP) und der konservativen Liberal Party. Der parteipolitische Konsens basierte auf einer breiten Unterstützung relevanter gesellschaftlicher Interessengruppen. Zu nennen sind in dem Zusammenhang erstens die Arbeitgeberverbände. Vor allem die Bauindustrie sowie andere von der inländischen Nachfrage abhängige Industriezweige setzten sich immer wieder für großzügige Einwanderungsregelungen ein und widersetzten sich erfolgreich einer Initiative der Labor-Regierung, als diese Ende der achtziger Jahre für eine Senkung der Höchstzahlen für Einwanderer plädierte.


Eine zweite einflussreiche Lobbygruppe bilden die Repräsentanten der Einwanderer und ethnischen Gemeinschaften. Als besonders gut organisiert und politisch einflussreich gelten die Vereine der griechischen und anderen südeuropäischen Einwanderer. Während die Arbeitgeber in einwanderungspolitischen Debatten die ökonomische Rationalität hoher Einwandererzahlen betonen, setzen sich die Vertreter der Einwanderergemeinschaften insbesondere für Maßnahmen der Familienzusammenführung und eine finanzielle Stärkung der Selbstorganisationen der Einwanderer ein.

Menschenrechtsorganisationen bilden die dritte relevante Interessengruppe im Bereich der Einwanderungs- und Integrationspolitik. In enger Zusammenarbeit mit den Einwandererorganisationen engagieren sie sich insbesondere in Fragen der wohlfahrtsstaatlichen Unterstützung für Migranten, wobei seit Regierungsantritt der neo-konservativen Regierung unter John Howard im Jahr 1996 vor allem die zunehmend restriktive und inhumane Behandlung von Asylbewerbern im Zentrum ihrer Kritik steht.

Während Arbeitgeber-, Einwanderer- und Menschenrechtsorganisationen die ALP-Regierungen (1983 - 1996) erfolgreich unter Druck setzten, die Einwandererzahlen nicht zu reduzieren und die Wohlfahrtsdienste für Migranten auszubauen, stieß die Einwanderungspolitik unter der australischen Bevölkerung nicht zuletzt aufgrund steigender Arbeitslosenzahlen seit Mitte der achtziger Jahre auf wachsende Ablehnung. In einer Umfrage aus dem Jahr 1990 empfanden 58 Prozent der Befragten die Zahl der Einwanderer als "gone too far" bzw. "gone much too far". 1993 unterstützten schon 70 Prozent der Befragten diese Kritik an den als zu hoch empfundenen Einwandererzahlen; nach einer Umfrage der Newsweek stimmten auch im Wahljahr 1996 71 Prozent der Befragten mit der Aussage überein, dass "the total number of migrants coming to Australia each year is too high". Als besonders unpopulär gilt die Familienzusammenführung, die als wesentlicher Grund für die signifikante Zunahme asiatischer Einwanderer betrachtet wird. Demgegenüber gibt es noch immer eine recht breite Unterstützung für eine rein nach ökonomischen Effizienzkriterien selektierende Einwanderungspolitik.

Parteipolitisch äußerte sich der steigende Unmut in der Bevölkerung über die Einwanderungs- und Integrationspolitik der Labor-Regierung u.a. im Erfolg der rechtspopulistischen One Nation Party unter Pauline Hanson. In ihren Reden geißelte Hanson den Multikulturalismus als Quelle sozialer Desintegration und forderte einen sofortigen Stopp des Einwanderungsprogramms, eine unverzügliche Rückkehr zur Assimilationspolitik und eine Wiedereinführung der 1966 offiziell abgeschafften White-Australia-Politik, nach der Zuwanderer nach ihrer Hautfarbe und kulturellen Assimilierbarkeit selektiert wurden. In den Wahlen von 1998 konnte die One Nation Party noch 8,4 Prozent der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen, mit einem überaus hohen Wähleranteil von 14,3 Prozent in Hansons Heimatbundesstaat Queensland. Bei den vergangenen Wahlen im November 2001 fiel ihr Anteil an den landesweit abgegebenen Stimmen auf 4,3 Prozent zurück, dies entspricht 412 000 Stimmen.

Dieser Rückgang an Wählerstimmen für die einwandererfeindliche, nationalistische One Nation Party wird auf parteiinterne Querelen, skandalisierte Korruptionsfälle sowie die USA-kritische Haltung der Partei im Kontext des Kriegs gegen den Terrorismus zurückgeführt. Andererseits ist die zunehmende Bedeutungslosigkeit der Rechtsextremen, wie im Folgenden näher ausgeführt werden soll, nicht zuletzt auch eine Folge der radikalen Änderungen in der australischen Einwanderungs- und Integrationspolitik unter der seit März 1996 regierenden Koalition von Liberal und National Party. Radikale Einschränkungen im Bereich der Familienzusammenführung verbunden mit einem eindeutigen Primat ökonomischer Kriterien bei der Auswahl potenzieller Neuzuwanderer, eine Reduktion der finanziellen Mittel und Umorientierung der multikulturellen Politik sowie eine auch in der internationalen Öffentlichkeit nicht unbeachtet gebliebene, rigide und partiell menschenrechtswidrige Behandlung unerwünschter Zuwanderer werden als Zeichen eines migrations- und integrationspolitischen Backlash gedeutet, der sich in mancher Hinsicht auch in neueren politischen Entwicklungen in Europa, wie etwa in Großbritannien oder den Niederlanden, zeigt.

II. Einwanderung nach wirtschaftlichen Auswahlkriterien

In den achtziger Jahren entwickelte die australische Regierung ein differenziertes Verfahren zur Regulierung der Einwanderung. Die staatliche Steuerung basiert auf Planungen für die erwünschten Höchstzahlen in verschiedenen Zuwandererkategorien. Die Gesamtzahl der gewünschten Einwanderer wird von der Regierung in einem Dreijahresplan festgelegt, wobei die Ziele jährlich verändert und den konkreten Bedürfnissen und Rahmenbedingungen angepasst werden können. Die Einwanderungsquote setzt sich zusammen aus Zielgrößen für Flüchtlinge (humanitarian program) und Migranten (migrant program). Im Rahmen der Kategorie der migrants wird zwischen "Family Stream" und "Skill Stream" unterschieden, d.h. zwischen Migranten, die ihr Einreisevisum im Rahmen der Familienzusammenführung erteilt bekommen sollen, und den aus ökonomischen Gründen zu erteilenden Visa. So sind von den für Juli 2002 bis Juni 2003 festgelegten 100 000 bis 110 000 erwünschten Einwanderern 43 200 für die familienbezogene Einwanderung und 60 700 für qualifizierte Arbeitnehmer vorgesehen. Damit liegen die Gesamtzahlen signifikant unter den Zuwandererzahlen der späten achtziger und frühen neunziger Jahre.

Nachdem die Anzahl der Einwanderer im Zeitraum 1989 bis 1990 ein Maximum von 145 000 erreichte, sank deren Zahl 1991 bis 1992 auf 121 690 (s. Abbildung auf S. 14). Infolge der restriktiven Einwanderungsplanung der Howard-Regierung wurden die Zahlen weiter reduziert auf 84 143 Einwanderer im Einwanderungsprogramm für das Jahr 1998/99. Seitdem ist wieder ein leichter Anstieg der Einwandererzahlen zu verzeichnen, doch liegt das Niveau noch immer deutlich unter dem der achtziger Jahre.

Kennzeichnend für die Wende in der Migrationspolitik unter der konservativen Koalitionsregierung ist nicht nur die allgemeine Reduzierung der Einwandererzahlen, sondern die interne Umschichtung im Verhältnis zwischen "Family Stream" und "Skill Stream". 1995 bis 1996 wurde 58 000 Einwanderern ein Einreisevisum aus Gründen der Familienzusammenführung erteilt; Ende der neunziger Jahre war diese Zahl auf 32 000 abgesunken. Der Wiederanstieg auf 38 000 in der Periode 2001 bis 2002 und auf 60 000 2002 bis 2003 ist allein auf einen Anstieg der Ehegatten-/Verlobten-Kategorie zurückzuführen, während das Nachholen von Eltern sehr restriktiv gehandhabt wird. Migration im Rahmen der Familienzusammenführung wird von Regierungsseite oft als Belastung für den Steuerzahler dargestellt, da man davon ausgeht, dass sie vor allem gering qualifizierte Einwanderer asiatischer Herkunft ins Land bringt, die überproportional von Arbeitslosenhilfe sowie anderen sozialstaatlichen Leistungen abhängen.

Demgegenüber werden die Vorzüge qualifizierter Einwanderer herausgestellt und deren Anteil an der Gesamteinwanderung wurde seit 1996 nicht zuletzt aufgrund des Drucks der Arbeitgeberverbände kontinuierlich erhöht: von 24 100 in der Periode 1995 bis 1996 auf 35 000 von 1998 bis 1999; 43 000 von 2000 bis 2001; 45 500 von 2001 bis 2002 und 60 700 in der Planung für die Einwanderungsperiode 2002 bis 2003. Prozentual stieg damit der Anteil des "Skill Stream" an der Gesamteinwanderung von 29 Prozent in der Periode 1995 bis 1996 auf mehr als 60Prozent in den aktuellen Planungsziffern.

Mit der allgemeinen Erhöhung des Anteils der qualifizierten Arbeitsmigranten wurde zugleich die Anforderung an die englischen Sprachkenntnisse potenzieller Einwanderer erhöht und Bewerbern, die ihre Qualifikationen an australischen Bildungsinstitutionen erworben haben, ein Vorrang eingeräumt. Bevorzugt sind damit vor allem die - hohe Studiengebühren zahlenden - ausländischen Absolventen besonders nachgefragter Studiengänge wie Informatik, Betriebswirtschaft oder Elektrotechnik sowie Krankenschwestern, die ihre Ausbildung an australischen Krankenhäusern absolvieren.

Der "most dramatic change" in der australischen Migrationspolitik besteht nach Mary Crock in der erheblichen Ausweitung temporärer Visa für Arbeitnehmer. Um die Wettbewerbsfähigkeit und Flexibilität in der Einstellungspraxis der Unternehmen zu stärken, ohne die populistischen Ressentiments gegen eine Erhöhung der Einwandererzahlen auf sich zu ziehen, förderte die Howard-Regierung die Ausstellung von zeitlich befristeten Arbeitserlaubnissen in einem bisher ungekannten Ausmaß. So wurden allein 1997 bis 1998 251 454 zeitlich befristete Arbeitserlaubnisse erteilt, d.h. mehr als doppelt soviel befristete wie zeitlich unbefristete Einreisevisa. Mit der Forcierung zeitlich befristeter Arbeitsmigration brach die konservative Regierung mit der australischen Tradition, im Rahmen ihrer Migrationspolitik nur dauerhafte Niederlassungen von Einwanderern zuzulassen. Seit 1905 war es nach Mary Crock "almost as difficult to bring in contract workers as it was to gain admission to the country as a coloured person". Mit der Einführung dieser neuen Art von Gastarbeiterpolitik wurde nicht nur die heftige Kritik der Gewerkschaften provoziert, sondern auch der langjährige Parteienkonsens in der Einwanderungspolitik aufs Spiel gesetzt. So versprach die ALP in ihrem Wahlprogramm 2001 "to review the system of temporary entry visas and act to prevent the establishment in Australia of a semi-permanent group of 'guest workers' on short term but renewable visas".

III. "Living in Harmony" - die Aushöhlung des Multikulturalismus

Das offizielle Bekenntnis zum Multikulturalismus, zuerst formuliert vom Labor-Premier Gough Whitlam und dann bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Variationen immer wieder als Staatsdoktrin und Grundlage der nationalen Identität der australischen Gesellschaft bekräftigt, war ein Eingeständnis des Scheiterns der rassistischen Einwanderungs- und assimilatorischen Integrationspolitik der Vergangenheit. Mit der Gründung des Australischen Bundes 1901 wurde vor allem zur Ausgrenzung potenzieller asiatischer Einwanderer die Gesetzesgrundlage für die White Australia-Politik geschaffen, nach der Einwanderung primär aus dem anglo-keltischen Raum zugelassen wurde. Erst infolge der Bedrohungserfahrung im Zweiten Weltkrieg wurde die Bevölkerungsarmut des australischen Kontinents als geopolitische Schwäche wahrgenommen und entsprechend der Devise "Populate or Perish" eine aktive Politik zur Anwerbung von Einwanderern entwickelt. Als in den fünfziger und sechziger Jahren der auch aus ökonomischen Gründen gestiegene Bedarf an Einwanderern nicht mehr durch Migration aus den angelsächsischen Kernländern sowie aus West- und Nordeuropa gedeckt werden konnte, ging man sukzessive dazu über, Südeuropäer und seit den siebziger Jahren auch asiatische Einwanderer ins Land zu lassen.

Verschiedene von der Regierung in Auftrag gegebene Untersuchungen wiesen auf klare Defizite in der sozialen Integration der südeuropäischen und asiatischen Einwanderergemeinschaften hin. Sie empfahlen eine Abkehr von der als illusorisch empfundenen Politik der Assimilation zugunsten einer allgemeinen Politik der Anerkennung kultureller Differenzen und der staatlichen Berücksichtigung der besonderen sozialen Bedürfnisse der Einwanderer. In der von allen Parteien im nationalen Parlament unterstützten "National Agenda for a Multicultural Australia" wurden 1989 kulturelle Identität, soziale Gerechtigkeit und ökonomische Effizienz als Kernelemente der multikulturellen Politik festgelegt und folgendermaßen definiert:

- "cultural identity: the right of all Australians, within carefully defined limits, to express and share their individual cultural heritage, including their language and religion;

- social justice: the right of all Australians to equality of treatment and opportunity, and the removal of barriers of race, ethnicity, culture, religion, language, gender or place of birth, and

- economic efficiency: the need to maintain, develop and utilise effectively the skills and talents of all Australians, regardless of background."

Multikulturalismus sollte mehr sein als nur ein Bekenntnis zu Minderheitenrechten. Er galt als Grundlegung der allgemeinen staatsbürgerlichen Rechte in einem demokratischen Staat und umfasste ein Recht auf Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit ebenso wie das zum ersten Mal fixierte Recht auf Anerkennung kultureller Ansprüche.

Noch im Wahlkampf 1996 war John Howard pessimistischen Vorahnungen entgegengetreten und hatte die ihm unterstellten Absichten einer radikalen Änderung der Einwanderungs- und multikulturellen Politik bestritten. Nach seiner Amtsübernahme zeigte sich jedoch bald, wie sehr er der rechtspopulistischen Kritik an der so genannten "ethnic industry" entgegenkam. Zunächst wurde der zentrale institutionelle Träger der multikulturellen Reformen, das National Bureau of Multicultural Affairs in Canberra, abgeschafft, und es wurden die finanziellen Ausgaben für die Reformen radikal gekürzt. Hatten Einwanderer früher nach sechsmonatigem Aufenthalt im Land einen Anspruch auf Sozialleistungen, so wurde die Warteperiode nun auf zwei Jahre verlängert. Zugleich wurde nationalen Forschungseinrichtungen wie dem Bureau of Immigration, Multicultural and Population Research sowie zahlreichen universitären Forschungseinrichtungen auf dem Gebiet der Migrationsforschung die weitere Finanzierung verweigert. Entgegen früheren Zusicherungen erfolgte für den multikulturellen Radio- und Fernsehsender SBS (Special Broadcasting Service) auch eine signifikante Einschränkung der Mittel.

Die Kürzung und Schwächung der bisherigen Programme und Maßnahmen ging einher mit einer grundlegenden Umdeutung und Neuausrichtung der multikulturellen Politik. Zwar wurde der Terminus "multiculturalism" beibehalten, sein Inhalt jedoch weitgehend ausgehöhlt.

Nicht soziale und kulturelle Rechte, sondern nationale Harmonie und Zusammenhalt stehen im Zentrum der von der Howard-Regierung 1999 beschlossenen "New Agenda for Multicultural Australia". Zur Betonung des spezifisch australischen Verständnisses von Multikulturalismus sind alle Verwaltungsabteilungen gehalten, wann immer möglich bei Nennung des Begriffs "multiculturalism" diesen mit dem Präfix "Australian" zu versehen. Ziel des "Australian multiculturalism" soll die Stärkung der nationalen Einheit sein, "a united and harmonious Australia, built on the foundations of our democracy, and developing its continually evolving nationhood by recognising, embracing, valuing, and investing in its heritage and cultural diversity".

Symbolisch bedeutsam ist auch die Einführung eines jährlichen Harmony Day. Er wird gefeiert am 21. März, dem von den Vereinten Nationen deklarierten International Day for the Elimination of Racial Discrimination, und finanziell von zahlreichen australischen Unternehmen unterstützt. Die Schlüsselbegriffe des Harmony Day, "inclusiveness", "productive diversity" und "community harmony", spiegeln die spezifische ökonomische Nutzen- und Harmonieorientierung im konservativen Verständnis des australischen Multikulturalismus wider.

IV. Restriktive Politik gegenüber unerwünschten Einwanderern

In der nationalen Debatte heftig umstritten und auch in der internationalen Öffentlichkeit nicht unbeachtet geblieben sind vor allem die restriktiven Eingriffe der konservativen Koalitionsregierung im Bereich der Asylpolitik und der Politik zur Bekämpfung illegaler Einwanderer. Seit 1996 wurden u.a. folgende Reformen eingeführt:

1. Asylbewerbern, die ihren Antrag auf ein Visum von australischem Territorium stellen, wird anstelle einer dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung maximal ein dreijähriges Schutzvisum (Temporary Protection Visa) erteilt. Sie dürfen innerhalb dieser drei Jahre weder das Land verlassen noch haben sie einen Anspruch auf Familienzusammenführung.

2. Möglichkeiten, gegen einen negativen Bescheid von Regierungsbehörden Einspruch zu erheben und eine Berufungsinstanz anzurufen, wurden stark eingeschränkt.

3. Zahlreiche Maßnahmen wie Verstärkung der Küstenwache, der Marine und der Zollbehörden wurden ergriffen, um die Grenzsicherheit zu erhöhen und die unautorisierte Einreise von Migranten zu verhindern.

4. Im Rahmen der so genannten "Pacific Solution" errichtete die Howard-Regierung 2001 besondere Zentren zur Bearbeitung von Asylanträgen außerhalb des australischen Territoriums (z.B. auf Papua Neuguinea oder auf der kleinen Pazifikinsel Nauru). Damit potenzielle Asylbewerber erst gar nicht die australische Migrationszone erreichen und im Falle eines negativen Asylbescheids ohne größere Probleme deportiert werden können, hat die australische Regierung sogar einzelne Inseln und Inselgruppen wie Christmas Island, Ashmore and Cartier Islands und die Cocos Islands aus der Australian Migration Zone ausgeschlossen.

5. Die Höchststrafe für Menschenschmuggel wurde auf 20 Jahre Gefängnis und eine Geldstrafe von A$ 220 000 erhöht.

6. Zur Abschreckung von illegalen Einwanderern wurden staatliche soziale Hilfsleistungen bis auf die Leistungen im Rahmen des staatlichen Gesundheitsdienstes (Medicare) gestrichen.

7. Arbeitgeber, die illegale Einwanderer beschäftigen, haben mit hohen Strafen zu rechnen.

8. Abgewiesene Asylbewerber sollen unverzüglich deportiert werden, sofern nachgewiesen werden kann, dass ihnen auch ein anderes Land angemessenen Schutz gewährt.

Seit 2001 wird in der nationalen und internationalen Öffentlichkeit immer wieder die Zwangsunterbringung von Asylbewerbern in zuweilen sehr abgelegenen Lagern angeprangert. Die Lagerinsassen versuchen durch verschiedene Protesthandlungen wie Hungerstreiks und andere Formen der körperlichen Selbstverletzung die Öffentlichkeit auf die inhumanen Lebensbedingungen in den Lagern sowie die oft mehrjährige Unterbringung dort - der Aufenthalt hängt ab von der Dauer des Asylverfahrens - aufmerksam zu machen. Auf Interventionen von Menschenrechtsorganisationen bis hin zur UNO reagierte die Howard-Regierung bisher scharf abweisend; sie insistiert auf dem Prinzip der nationalen Souveränität und erklärt die internationale Kritik als illegitime Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes. Geradezu zynisch mutet eine Formulierung im vergangenen Wahlprogramm der Liberal and National Party aus dem Jahr 2001 an, mit der die lange Zwangsunterbringung in den detention camps den Asylbewerbern selbst angelastet wird: "Detainees who remain in detention for longer periods are usually exercising their choice to pursue appeal through the judicial system and this can sometimes take several years."

Um seine harte und restriktive Politik gegenüber unerwünschten Einwanderern zu verdeutlichen, scheute sich die Regierung im Wahlkampf 2001 auch nicht vor extremer Propaganda: Als am 8. Oktober 2001 das australische Marineschiff HMAS Adelaide vor den Weihnachtsinseln ein sinkendes Boot mit Asylbewerbern abfing, fanden die Marineangehörigen vierzehn Flüchtlinge, unter ihnen auch Kinder, die vom sinkenden Schiff ins Meer gesprungen waren. Bilder dieser ums Überleben kämpfenden Menschen wurden in den australischen Medien verbreitet und wider besseres Wissen von Vertretern der Regierung so kommentiert, dass der Eindruck entstehen musste, die Flüchtlinge hätten ihre Kinder absichtlich ins Meer geworfen, um das Mitleid der australischen Bevölkerung zu wecken und so die Regierung unter Druck zu setzen, die Flüchtlinge auf australischem Boden aufzunehmen.

V. Australien - eine multikulturelle und ängstliche Nation

In den sechziger Jahren entstand die von dem Autor Donald Horne nicht ganz so optimistisch gemeinte, jedoch in weiten Teilen der australischen Öffentlichkeit bis heute euphorisch interpretierte Formel von Australien als "The Lucky Country". In der sozialwissenschaftlichen Literatur wird dieser Euphemismus zwar nicht geteilt, doch wird bei aller Kritik an den Umsetzungsdefiziten des australischen Multikulturalismus häufig auf die besonderen Vorzüge der australischen Nation als postmoderne oder post-nationale Nation hingewiesen. Nach Mary Kalantzis - zum Beispiel - besteht die Besonderheit der australischen Nation darin, dass sie die Nation der Zukunft repräsentiere und mehr als andere Nationen dazu geeignet sei, die Herausforderungen einer globalisierten ökonomischen und politischen Welt positiv aufzunehmen: "(...) with its weak sense of nationalism and its history of commitment to government policies of cultural and linguistic diversity, Australia has a chance of producing the nation of the future: a nation with a post-nationalist sense of common purpose, a nation without nationalism. Australia is a nation where it is already almost possible to conceptualise the public realm as one that facilitates and negotiates diversity in such a way that groups can self-determine in significant ways at the local and personal level."

Dagegen wurden in den vergangenen Jahren angesichts der politischen Erfolge der rechtsextremen One Nation Party und der populistischen Reformpolitik der neo-konservativen Howard-Regierungen zunehmend kritische Stimmen laut. Australien, so der Soziologe Ghassan Hage, sei noch immer eine "White Nation", die Politik des Multikulturalismus nicht mehr als eine die gesellschaftlichen Machtverhältnisse reproduzierende Geste der Tolerierung kultureller Differenzen. Ähnlich kritisiert auch Jon Stratton die in der australischen Gesellschaft und Politik fortwirkende Praxis der rassistischen Ausgrenzung von Einwanderern, die keine weiße Hautfarbe haben, nicht europäischer Herkunft sind und nicht dem christlichen Glauben angehören.

Die in der anglo-keltischen Mehrheit der Bevölkerung weit verbreiteten Ressentiments gegen asiatische Einwanderer und gegen die als Gefahr für nationale Gesundheit und Sicherheit diffamierten unerwünschten Asylbewerber zeugen von tief liegenden Ängsten in der australischen Bevölkerung. Zwar hob die australische Regierung in den siebziger Jahren die Selektion von Einwanderern nach rassistischen Kriterien auf. Doch zeigen die positive Resonanz auf die einwandererfeindlichen Parolen der One Nation Party ebenso wie die Wahlerfolge der neokonservativen Koalition, dass die multikulturelle Öffnung des Landes primär imSinne einer Top-down-Strategy durchgesetzt wurde. Das Bekenntnis zum Multikulturalismus basierte auf rationalen Entscheidungen der politischen Eliten, nicht jedoch auf einem umfassenden Einstellungswandel der breiten Bevölkerung. Der Zweite Weltkrieg hatte die militärische Verwundbarkeit des gering besiedelten Landes aufgezeigt und die Notwendigkeit eines umfassenden auch für Süd- und Nicht-Europäer offenen Einwanderungsprogramms dringlich werden lassen. Die Möglichkeiten, weiße Einwanderer anzuwerben, waren mit dem Nachkriegsboom in Europa relativ schnell erschöpft, die europäischen Länder hatten sich in den fünfziger und sechziger Jahren selbst von Auswanderungs- zu Einwanderungsländern entwickelt. Hinzu kam die Integration des kolonialen Mutterlands Großbritannien in die Europäische Gemeinschaft und die damit implizit schwächer werdende Beziehung des Vereinigten Königreichs zum Commonwealth.

Für Australien hatte die Lockerung der Bindungen an Großbritannien sowohl politische als auch ökonomische Konsequenzen: Politisch motivierte die zunehmende Hinwendung Großbritanniens nach Europa das Bedürfnis nach nationaler Unabhängigkeit in der ehemaligen Kolonie. Ökonomisch ging die Distanzierung von Großbritannien mit einer signifikanten Intensivierung der wirtschaftlichen Austauschbeziehung mit den asiatischen Nachbarn einher. Australien ist Mitglied der Asiatic Pacific Economic Cooperation (APEC). Während der Export von Waren in die EG, insbesondere nach Großbritannien, seit den siebziger Jahren stark abgenommen hat, nahm der Export in die asiatischen Länder - zuerst nach Japan, dann aber auch in die anderen boomenden Länder Asiens - signifikant zu.

Mit den ökonomischen Austauschbeziehungen und dem wachsenden Bedürfnis nach politischer Eigenständigkeit ging eine zumindest auf der regierungsoffiziellen Ebene wirksam werdende Umorientierung einher. Danach wird Australien nicht mehr als Vorposten Europas, sondern als Teil von Asien verstanden. Diese pragmatische Wende hat jedoch im Bewusstsein der Bevölkerung unterschiedliche Reaktionen erzeugt. Während die Eliten der städtischen Zentren die multikulturelle Öffnung des Landes begrüßten, stieß sie vor allem unter den Globalisierungsverlierern, den städtischen unteren Mittelschichten und der ländlichen Bevölkerung, auf große Skepsis und Ablehnung. Im kollektiven Selbstverständnis dieses Teils der Nation wird die Zuwanderung aus den asiatischen Ländern als Quelle der Bedrohung gesehen und entsprechend die Bindung an das koloniale Mutterland und die anglo-keltischen Traditionen des Landes hoch gehalten. Die Angst vor unkontrollierter Einwanderung aus den ärmeren und bevölkerungsreicheren asiatischen Nachbarländern ist tief in der australischen Geschichte verankert und eine der treibenden Kräfte der australischen Einwanderungspolitik. Erst wenn es gelingt, die aus dem Gegensatz von geographischer Lage in Asien und historisch-kultureller Selbstverortung in Europa erwachsenden Spannungen positiv zu lösen, wird es möglich sein, die Furcht vor einer asiatischen Invasion abzubauen und damit die Grundlage für eine angstfreie multikulturelle Öffnung des Landes zu legen.

Hinweise auf relevante Internetseiten: Department of Immigration & Multicultural & Indigenous Affairs (www.dimia.gov.au/facts/) Centre for Immigration and Multicultural Studies (www.cims.anu.edu.au) Australian Centre for Population Research (www.acpr.edu.au) Federation of Ethnic Communities' Councils of Australia (www.fecca.org.au) Refugee Council of Australia (www.refugeecouncil.org.au)

Fussnoten

Fußnoten

  1. Murray Goot, More "Relaxed and Comfortable": Public Opinion on Immigration under Howard, in: People and Place, 8 (2000) 3, S. 46 - 60, hier S. 47.

  2. Zit. nach ebd. S. 50.

  3. Vgl. Katherine Betts, Immigration and Public Opinion in Australia, in: People and Place, 4 (1996) 3, S. 9 - 20, hier S. 18.

  4. Vgl. Sydney Morning Herald vom 12. November 2001.

  5. Vgl. Angaben des Department of Immigration and Multicultural and Indigenous Affairs (DIMIA), Australian Immigration Fact Sheet, Canberra January 2003.

  6. So der Minister für Einwanderung und Multikulturelle Angelegenheiten, Philip Ruddock: "However, the Government has not been prepared to ask the Australian taxpayer to bear the lion's share of the cost associated with large numbers of parents seeking permanent residence in this country. Research has shown that aged migrants place a disproportionate burden on our health and welfare systems. With around 20 000 parents currently wishing to migrate, our health and welfare systems simply cannot afford to carry the burden. This is an example of how the immigration program had come to be seen as operating in the interest of a narrow section of the community at the expense of the rest, and had contributed to the undermining of public confidence in immigration." (Philip Ruddock, The rationale for Australia's current immigration policy, in: Individual, Community, Nation: the 50th Anniversary Australian Citizenship Conference, Canberra 1999, S. 14 - 24, hier S. 20).

  7. Vgl. Mary Crock, Sustaining Migration: Immigration, Population and Global Questions for Australia, in: The Sydney Papers, Winter 1999, S. 75 - 88, hier S. 79.

  8. Ebd., S. 84.

  9. Australian Labor Party, ALP Platform, Adopted at the 42nd National Conference - Hobart, 31 July to 3 August 2001.

  10. Office of Multicultural Affairs, National Agenda for Multicultural Australia: Sharing our Future, Canberra 1989, S. vii.

  11. Vgl. Stephen Castles, Multicultural Citizenship: The Australian Experience, in: Veit Bader (Hrsg.), Citizenship and Exclusion, Houndsmills 1997, S. 113 - 138, hier S. 127.

  12. Vgl. Federation of Ethnic Communities Councils of Australia, Multiculturalism and Democracy in Australia, Conference Report 1998, S. 7f.

  13. Australian Government Publishing Service (Hrsg.), A New Agenda for Multicultural Australia, Canberra 1999, S. 11.

  14. The Howard Government. Putting Australia's Interests First, Election 2001. Immigration - Its Role in our Future, Statement of the Liberal and National Party vom 22. Oktober 2001, S. 16.

  15. Donald Horne, The Lucky Country: Australia in the Sixties, Ringwood 1964.

  16. Mary Kalantzis, Multicultural Citizenship, in: Wayne Hudson/John Kane (Hrsg.), Rethinking Australian Citizenship, Melbourne 2000, 107f.

  17. Vgl. Ghassan Hage, White Nation. Fantasies of White Supremacy in a Multicultural Society, Sydney 1998.

  18. Vgl. Jon Stratton, Multiculturalism and the whitening machine, or how Australians become white, in: Ghassan Hage and Rowanne Couch (Hrsg.), The Future of Australian Multiculturalism. Reflections on the Twentieth Anniversary of Jean Martin's The Migrant Presence, Research Institute for Humanities and Social Sciences, Sydney 1999, S. 163 - 188.

  19. Vgl. Mark McGillivray, Australia's Economic Tied with Asia, in: ders./Gary Smith (Hrsg.), Australia and Asia, Melbourne 1997.

  20. Vgl. Katherine Betts, The Great Divide: Immigration Politics in Australia, Sydney 1999.

  21. Vgl. Anthony Burke, In Fear of Security. Australia's Invasion Anxiety, Sydney 2001 und Don McMaster, Asylum-seekers and the insecurity of a nation, in: Australian Journal of International Affairs, 56 (2002) 2, S. 279 - 290.

  22. Vgl. neben A. Burke (Anm. 21) auch David Walker, Anxious Nation. Australia and the Rise of Asia 1850 - 1939, Brisbane 1999.

Dr. phil., geb. 1957; Professur für Politikwissenschaft an der Universität Siegen.
Anschrift: Universität Siegen, Fachbereich 1 Politikwissenschaft, Adolf-Reichwein-Str. 2, 57068 Siegen.
E-Mail: Baringhorst@politikwissenschaft.uni- siegen.de

Veröffentlichungen u.a.: (Hrsg.) Politik der Multikultur, Baden-Baden 1994; Politik als Kampagne, Opladen 1998; Australien, in: Wolfgang Gieler (Hrsg.), Handbuch zur Zuwanderungs- und Integrationspolitik, Münster 2002.