I. Die Ausgangslage
Die Auseinandersetzung mit den Klimaskeptikern ist vorerst entschieden: Gegen die Hypothese, der Anstieg der Kohlendioxid-(CO2-)Konzentration in der Atmosphäre sei hauptsächlich vom Menschen verursacht, konnten bislang keine stichhaltigen Gegenargumente vorgebracht werden.
Die These, Klimaschutzpolitik schade der Wirtschaft, hat jüngst Björn Lomborg wiederholt und effektvoll popularisiert.
Wer diese Fragen verneint, wird seine Argumente vor allem in der ökonomischen Auseinandersetzung stählen müssen. Der Herausgeber des "Economist", Bill Emmott, hat davor gewarnt, zu viel in den Klimaschutz zu investieren. Es könnten Mittel gebunden werden, die im Kampf gegen Armut und Terrorismus dringend benötigt würden.
II. Klimapolitische Optionen
Um die Optionen bewerten zu können, bedarf es eines Gesamtbildes. Welche strategischen Optionen hat die Menschheit, sich der Herausforderung des Klimawandels zu stellen?
Vermeidungsstrategien
CO2-Emissionen können einerseits dadurch vermindert werden, dass die Effizienz der Nutzung von Kohle, Gas oder Öl erhöht wird. Andererseits können die fossilen Energieträger durch erneuerbare (Wind, Biomasse, Sonnenenergie) oder durch Kernenergie ersetzt werden. In der europäischen Diskussion steht vor allem die Effizienz- und Substitutionsoption im Vordergrund. So hat sich die Bundesregierung auf dem Gipfel in Johannesburg für die Förderung erneuerbarer Energieträger stark gemacht.
Umstritten ist die Rolle der Kernenergie, die diese beim Umbau des Energiesystems spielen soll. Wie immer man in den OECD-Staaten ihre Bedeutung einschätzen mag: Es ist ausgeschlossen, dass sie in den nächsten Dekaden global eine entscheidende Rolle spielen kann. Derzeit beträgt ihr Anteil am weltweiten Primärenergieverbrauch gerade fünf Prozent. Angesichts der staatlichen und institutionellen Sicherheitsanforderungen, derer sie bedarf, ist es nicht wahrscheinlich, dass sehr viele Staaten außerhalb der OECD sie anwenden können oder sollten. Aber auch innerhalb der OECD ist die Kernenergie gegenüber fossilen Energieträgern nicht konkurrenzfähig. In Abschnitt III soll geprüft werden, ob die weltweite Energieversorgung auch ohne den Ausbau der Kernenergie möglich ist. Erst wenn sich zeigen sollte, dass es keinen anderen Weg zu einem nachhaltigen Energiesystem gibt, wäre der Rückgriff auf diese Variante verantwortbar.
Sowohl die Effizienz- als auch die Substitutionsoption sind energiepolitische Optionen. Der Verzicht auf Wirtschaftswachstum (Suffizienzoption) und die Verminderung des Bevölkerungswachstums greifen weit über das Feld der Energiepolitik hinaus und sollen daher nicht weiter diskutiert werden.
Kohlenstoffmanagement
In den USA werden vermehrt die Möglichkeiten eines Industriellen Kohlenstoffmanagements (IKM) diskutiert. Hier soll das CO2 an Kohlekraftwerken zunächst eingefangen werden (capturing), um es anschließend in ausgeförderten Erdgas- oder Erdölfeldern zu lagern (sequestration). Da 50 Prozent der Emissionen in den Industriestaaten von Kraftwerken ("Punktquellen") emittiert werden, erscheint diese Option vielversprechend. Diskutiert wird auch, CO2 in flüssigem oder superkritischem Zustand in die Ozeane einzuleiten. Die Speicherwirkung nimmt umso stärker zu, je tiefer injiziert wird; mit der Injektionstiefe steigen aber auch die Kosten. Modellrechnungen behaupten, dass bei einer Injektion in 3 000 Metern Tiefe nach hundert Jahren noch 97 Prozent des Kohlendioxids gespeichert bleiben, nach 500 Jahren noch 48 bis 82 Prozent.
Eine weitere Option des Kohlenstoffmanagements ist die Aufforstung von Wäldern, um in die Atmosphäre entwichenes CO2 zu binden. Wie viel CO2 die Wälder binden, ist umstritten. Klimapolitisch bedeutsam wäre eine Aufforstung dann, wenn Holz zur Verbrennung genutzt wird, um Wärme, Strom oder Treibstoffe zu erzeugen, die ansonsten mit fossilen Energieträgern hergestellt würden. Auch die vermehrte Nutzung von Holz als Baustoff, um Zement zu ersetzen, bietet die Möglichkeit, CO2 zu vermindern. Mit diesen wirtschaftlichen Möglichkeiten verbinden manche Fachleute die Hoffnung, eine ökologisch nachhaltige Forstwirtschaft zu ermöglichen. Nach ihren Berechnungen könnte der Anteil der Biomasse an der weltweiten Primärenergieproduktion bis 2050 auf 100 Exajoule (EJ) steigen. Dies scheint jedoch die Obergrenze für eine nachhaltige Nutzung zu sein.
Geo-engineering
Der Begriff des Geo-engineerings wird in der Literatur oft nicht klar vom Kohlenstoffmanagement abgegrenzt.
Anpassung
Schließlich wird intensiv diskutiert, ob es nicht kostengünstiger sei, sich an den Klimawandel anzupassen und weitgehend auf Vermeidung von CO2-Emissionen, das Kohlenstoffmanagement und das Geo-engineering zu verzichten. So behaupten der Soziologe Nico Stehr und der Physiker Hadi Dowlatabadi, man könne abwarten, wie sich der Klimawandel in den Weltregionen entwickelt, um lokal angepasst darauf zu reagieren:
Es ist klar, dass Anpassung allein keine sinnvolle Option ist, denn ohne eine drastische Verringerung der CO2-Emissionen würde es zu einem Anstieg der Konzentration in der Atmosphäre von heute 350 ppm auf möglicherweise 900 oder gar 1 000 ppm im Jahr 2100 kommen. Es ist unwahrscheinlich, dass es unter dieser Bedingung vor allem den Entwicklungsländern noch möglich sein würde, sich zu moralisch akzeptablen Kosten dem Klimawandel anzupassen.
Die Debatte
Die Wissenschaft hat zwar erst begonnen, den Optionenfächer angemessen auszuloten, aber es zeichnet sich ab, dass nicht eine Option allein das Problem wird lösen können. Unglücklicherweise stehen sich zwei Lager gegenüber, die darüber zu diskutieren scheinen, ob für die Menschheit die Pest besser sei als Cholera: So behaupten viele Ökonomen, es sei viel zu teuer, die Treibhausgasemissionen so weit zu senken, dass bis zum Ende des Jahrhunderts 550 ppm erreicht werden könnten.
Das Intergovernmental Panel of Climate Change (IPCC)
Diese Szenarien träfen jedoch nur mit einer geringen Wahrscheinlichkeit ein, erwidern die Ökonomen, und die Kosten der Vermeidung schadeten der Wirtschaft erheblich. Unbeantwortet bleibt, ob nicht die innovative Kraft vor allem der amerikanischen Wirtschaft dramatisch unterschätzt wird. Eine zweite Position, die vor allem in Europa Anhänger hat, folgt der Überzeugung, dass die Effizienz des Energiesystems dramatisch gesteigert werden soll; darüber hinaus könnten regenerative Energien den heutigen Energiebedarf der Menschheit decken.
Man wird die Polarisierung nur überwinden und den Klimaverhandlungen eine neue Dynamik verleihen können, wenn neue Optionen ins Spiel kommen. Es könnte sich dann herausstellen, dass sich die USA produktiv an den Klimaverhandlungen beteiligen, ohne auf die Nutzung fossiler Energieträger verzichten zu müssen, denn vor allem die Option des Industriellen Kohlenstoffmanagements böte für die USA erhebliche Vorteile. 73 Prozent aller ihrer Kohlekraftwerke befinden sich im Radius von 80 Kilometern in der Umgebung einer geologischen Formation, in die CO2 eingelagert werden kann. Darüber hinaus wird der Kraftwerkspark in den Vereinigten Staaten in den nächsten Jahren erneuert, so dass die neuen Kraftwerke mit entsprechenden Verfahren zur Abtrennung von CO2 ausgestattet und in der Nähe geologisch geeigneter Formationen gebaut werden könnten.
III. Wege zu einem nachhaltigen Energiesystem
Der Wissenschaftliche Beirat für Globale Umweltveränderungen (WBGU) hat in seinem jüngsten Gutachten zur Energiewende versucht, einen Transformationspfad zu einem nachhaltigen Energiesystem zu beschreiben.
Es bleibt zu prüfen, ob mit den folgenden drei Optionen ein sowohl technisch machbarer als auch ökonomisch nachhaltiger Umbau bewerkstelligt werden kann, der zugleich den Ansprüchen des Klimaschutzes genügt: 1. Effizienzsteigerung des fossilen Energiesystems; 2. Ersatz fossiler Energien durch erneuerbare Energien; 3. Einfangen von CO2 an Kraftwerken und seine Lagerung in geologischen Formationen. Mit Hilfe dieser Optionen müsste zunächst ein Emissionspfad gefunden werden, der die Geschwindigkeit des Anstiegs der globalen Mitteltemperatur begrenzt. Der WBGU hat Emissionspfade errechnet, die es erlauben könnten, den Anstieg der globalen Mitteltemperatur auf 2° C bis 2100 zu begrenzen und die Geschwindigkeit nicht über 0,2° C pro Dekade ansteigen zu lassen.
Für dieses Klimaschutzziel wurden mit Hilfe des Modells MIND die Implikationen für das Wirtschaftswachstum ausgelotet.
In der Phase des Umbaus steigt daher die Nachfrage nach Energiedienstleistungen für den Aufbau einer regenerativen Infrastruktur. Wenn die Emissionen nicht in gleichem Umfang steigen sollen, muss die Energieeffizienz drastisch erhöht werden. Erst die gestiegene Effizienz des fossilen Energiesystems schafft den Spielraum, den Anteil der erneuerbaren Energieträger bis 2050 auf nahezu 27 Prozent zu steigern, ohne das Klimaschutzziel zu verletzen. Selbst wenn man dieses Ziel als Anhaltspunkt akzeptiert, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass der mit MIND errechnete Emissionspfad dieses Klimaschutzziel tatsächlich erreichen wird, da viele der Modellannahmen (z.B. über die Klimasensitivität) unsicher sind. Es besteht die Möglichkeit, dass dieser Pfad zu optimistisch oder zu pessimistisch ist; das Szenario kann daher nicht Sicherheit beanspruchen, sondern lediglich Plausibilität.
Mit Hilfe eines Energiesystemmodells wurde im Rahmen des WBGU-Gutachtens ermittelt, welche Techniken ein ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltiges Energiesystem aufweisen würde.
Die Option, CO2 an großen Kohlekraftwerken einzufangen und in geologischen Formationen zu lagern, bietet die Möglichkeit, fossile Energieträger zu nutzen, ohne das Klimasystem weiter zu destabilisieren. Diese Option ist für die internationalen Klimaverhandlungen von großer Bedeutung: Sie könnte es den USA, aber auch Ländern wie China und Indien erleichtern, an den Klimaverhandlungen teilzunehmen, da die Einkommen der Besitzer von Kohle, Öl und Gas weit weniger geschmälert werden als bei einer Klimaschutzpolitik, die auf diese Option verzichtet.
Es stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, ob ein solcher Umbau des Energiesystems mit hohen Wachstumsverlusten verbunden sein würde. Es zeigt sich, dass es in der "heißen" Phase des Umbaus durchaus zu geringfügigen Einschränkungen des Wirtschaftswachstums (bezogen auf das Sozialprodukt) käme und die Verluste auf maximal zwei Prozent gegenüber dem so genannten Business-as-usual-Pfad (ohne Klimaschutzpolitik) anstiegen. Nach dem Umbau kehrt die Wirtschaft zunächst zum ursprünglichen Wachstumspfad zurück, am Ende des Jahrhunderts wächst die nachhaltige Wirtschaft sogar etwas schneller.
Energieszenarien können hilfreich sein, um einen Eindruck von den Größenordnungen und den anzustrebenden Zielen zu vermitteln. Man würde sie missverstehen, wenn man glaubte, sie seien eine Blaupause für ein künftiges weltweites Energiesystem, denn niemand kann im Einzelnen vorhersehen, wie hoch der Anteil etwa der Geothermie oder der Photovoltaik bis 2050 am Primärenergieverbrauch sein wird. Die Energiepolitik bedarf daher Verfahren, die dieses Nicht-Wissen produktiv nutzen.
IV. Drei Bausteine einer "Global Carbon and Energy Governance"
Um die skizzierte Strategie zur Vermeidung von Kohlenstoffemissionen umzusetzen und Wachstum und Klimaschutz gleichermaßen realisieren zu können, bedarf es der dazu notwendigen Instrumente. Diese sind bislang nur sehr unzureichend vorhanden. Es wäre ein Illusion zu glauben, es sei vor allem Aufgabe "der Politik", angemessene Instrumente zu (er-)finden und diese auch einzusetzen. Diese Herausforderung können nur Investoren, Unternehmer, Verbraucher, Wissenschaftler und Politiker gemeinsam bewältigen. Der Begriff "Governance" drückt aus, dass diese Akteure vernetzt werden müssen. "Governance" unterscheidet sich von "Government" darin, dass staatliche Organe zwar eine wichtige Rolle spielen, aber ihre Fähigkeit begrenzt ist, das Spiel zu dominieren. Eine Weltregierung mit Gewaltmonopol ist daher für eine "Global Carbon and Energy Governance" weder notwendig noch hinreichend. Die hier diskutierten Instrumente können auf nationaler, supranationaler und internationaler Ebene eingesetzt werden - "Global" bezieht sich darauf, dass das Menschheitsgut Atmosphäre geschützt werden soll.
Handel mit CO2-Zertifikaten
Unstrittig ist, dass die Atmosphäre nicht länger als freies Gut behandelt werden sollte - gestritten wird darüber, wie teuer das Nutzungsrecht sein darf, um der Wirtschaft nicht zu schaden. Emissionszertifikate entsprechen dem Recht, eine bestimmte Menge an Kohlendioxid zu emittieren. Da die Menge der ausgegebenen Zertifikate genau der Menge der erlaubten Emissionen entspricht, wird der Preis für Zertifikate steigen, wenn die Nachfrage nach Emissionen steigt, Zertifikate also knapper werden. Je strikter die Emissionsverpflichtungen sind, die im Kyoto-Protokoll vereinbart werden, umso höher ist der zu erwartende Zertifikatspreis oder die Nutzungsgebühr. Damit steigt aber auch die Rentabilität sowohl der erneuerbaren Energieträger als auch des Einfangens und Lagerns von CO2, was wiederum einen Anreiz für Unternehmen darstellt, zusätzliche Mittel in die Verminderung von Emissionen zu lenken. Die fossile Energiewirtschaft in den USA, aber auch in Europa, befürchtet, der Anstieg dieser Nutzungsgebühr könnte zu drastisch ausfallen. Im Augenblick werden 50 Dollar pro Tonne Kohlenstoff als Obergrenze betrachtet. Die Nutzer erneuerbarer Energieträger und der innovative Teil der fossilen Energiewirtschaft, die sich mit dem Einfangen und Lagern von CO2 beschäftigen, werden einen hohen Zertifikatspreis bevorzugen, da dies die Rentabilität ihrer Investitionen erhöht.
Der Preis für Kohlenstoff muss aber nicht dauerhaft hoch sein. Durch den technischen Fortschritt bei den erneuerbaren Energien und beim Einfangen und Lagern von CO2 kann der Zertifikatspreis irgendwann wieder sinken: Je stärker die Kosten sinken, desto weniger wird die Atmosphäre genutzt, da durch die Verwendung dieser Techniken zunehmend weniger Kohlenstoff in die Atmosphäre gelangt. Eine dauerhaft geringere Nutzung der Atmosphäre geht daher mit einem sinkenden Nutzungspreis einher. Dieser (der Zertifikatspreis) muss nur vorübergehend stark steigen, um die entsprechenden Investitionen und Innovationen zu mobilisieren.
Förderung erneuerbarer Energien durch "Green Energy Certificates"
Durch die Einführung eines Zertifikatssystems allein wird sich der Anteil erneuerbarer Energien nicht ausreichend erhöhen, denn ein Zertifikatsmarkt sorgt nur dafür, dass für die Nutzung der Atmosphäre ein Preis gezahlt wird. Die Erhebung dieses Nutzungspreises würde nur dann zu verbesserten Ergebnissen auf den Energiemärkten führen, wenn diese störungsfrei funktionierten. Da aber die Märkte für Energie nur sehr unvollkommen funktionieren, bedarf es eines Instruments, das diesen Störungen abhilft. Der Grund für das "Marktversagen" liegt vor allem darin, dass die Energiemärkte im Allgemeinen und der Markt für regenerative Energien im Speziellen schon aus technischen Gründen nicht wie ein "idealer" Markt funktionieren können. Sowohl die erneuerbaren als auch die fossilen Energieträger weisen so genannte Größenvorteile auf: je höher das Produktionsvolumen (oder die installierte Kapazität), desto geringer die Kosten pro Kilowattstunde (kWh). Da die erneuerbaren Energieträger erst am Anfang ihrer Entwicklung stehen, während die fossilen am Markt bereits etabliert sind, würden Investoren auch dann nicht in erneuerbare Energieträger investieren, wenn diese langfristig zu niedrigeren Kosten führten als die fossilen. Der Grund liegt darin, dass Pionierunternehmer gerade in den Anfangsphasen der Einführung neuer Techniken viel dazu beitragen, dass es zu "learning by doing" kommt und die Kosten sinken. Die später in den Markt eintretenden Unternehmer nutzen diesen Kostenvorteil ohne die entsprechenden Anfangsinvestitionen. Auf Märkten mit steigenden Skalenerträgen besteht daher ein Anreiz, nicht Pionierunternehmer zu sein. Wenn aber alle dem Pionierunternehmen folgen wollen, wird keiner folgen können. Dieser Effekt ist umso ausgeprägter, je kürzer der Zeithorizont der Unternehmer ist.
Ob die erneuerbaren Energieträger überhaupt das Potential haben, so billig wie die fossilen Energieträger zu werden, ist ungewiss. Viele Studien gehen davon aus, dass sie auch langfristig teurer sein werden.
So könnte z.B. die Bundesrepublik festlegen, den Anteil erneuerbarer Energieträger bei der Stromerzeugung bis 2010 auf elf Prozent zu erhöhen. Die Betreiber des Stromnetzes werden verpflichtet, einen bestimmten Anteil (Quote) an "grünem" Strom einzuspeisen. Zugleich werden an alle Anbieter von regenerativem Strom handelbare Zertifikate ausgestellt, die ihrer Menge an eingespeistem regenerativen Strom entsprechen. Die Erfüllung ihrer Mengenverpflichtung müssen die Netzbetreiber durch den Besitz der Zertifikate nachweisen, nicht notwendigerweise durch die tatsächliche Einspeisung von Strom. Die Zertifikate erhalten sie entweder durch Kauf am Zertifikatsmarkt oder durch die physikalische Einspeisung von Strom. Damit entsteht ein doppelter Wettbewerb: auf dem Zertifikats- und auf dem Strommarkt. Auf dem Zertifikatsmarkt kann der Netzbetreiber, der mehr grünen Strom einspeist, als es seiner Quote entspricht, Zertifikate verkaufen; speist er weniger ein, muss er Zertifikate kaufen, da er die Erfüllung seiner Mengenverpflichtung nachweisen muss. Die Anbieter regenerativer Energien erhalten einen Anreiz, rasch die Kosten zu senken, um den Marktanteil und den Gewinn zu erhöhen. Durch die staatliche Festlegung der Mengen lässt sich der Anteil steuern, den die regenerativen Energien am Energiemix haben sollen - die Preisbildung und die Technikwahl wird dem Markt überlassen.
Die Effizienz des Instruments hängt entscheidend davon ab, dass sich die Quoten auf die Gesamtheit der regenerativen Energieträger beziehen und nicht etwa Teilquoten für Wind, Biomasse oder Photovoltaik sind. Nur so kann ein Wettbewerb um die kostengünstigsten regenerativen Energieträger entstehen. Bei der Festlegung von Teilquoten bedürfte es dagegen staatlichen Wissens, welche der regenerativen Primärenergieträger sich durchsetzen werden. Doch weder Behörden noch Unternehmen oder Wissenschaftler wissen, welcher Energiemix sich letztlich durchsetzen wird.
Man könnte einwenden, dass ebenfalls niemand weiß, wie der Energiemix zwischen fossilen und regenerativen Energien ohne Wettbewerb bestimmt werden soll. Grüne Energiezertifikate können aber nur dann sinnvoll eingesetzt werden, wenn man einer Behörde zutrauen kann, über Wissen zu verfügen, über das - so der mögliche Einwand - eine Behörde gar nicht verfügen kann. Dieses Argument ist deshalb nicht überzeugend, weil man weiß, dass der Wettbewerb zwischen fossilen und regenerativen Energieträgern (noch) nicht funktionieren kann. Das fossile Energiesystem hat nämlich seine hohen Anfangsinvestitionen längst abgeschrieben, während das regenerative Energiesystem diese noch vor sich hat. Daher würden die erneuerbaren Energieträger unter Wettbewerbsbedingungen auch dann nicht eingesetzt werden, wenn sie langfristig die Energiedienstleistungen zu geringeren Kosten bereitstellen würden. Da nahezu alle regenerativen Energieträger noch relativ junge Techniken sind, benötigen sie eine Starthilfe, damit sie ihr Kostensenkungspotential schnell realisieren können. Irgendwann muss aber diese Starthilfe auslaufen, und sie müssen mit den fossilen Energieträgern in einen ungeschützten Wettbewerb eintreten, durch den bestimmt wird, wie die langfristige Kostenstruktur des Energiemixes aussieht. Die Behörde maßt sich hier kein Wissen an, über das sie prinzipiell nicht verfügen kann, sondern sie ermöglicht den Wettbewerb, durch den herausgefunden werden soll, welches die kostengünstigste Alternative ist. Dieses Instrument könnte so weiterentwickelt werden, dass Grüne Energiezertifikate international gehandelt werden können, so dass grüner Strom und grüne Wärme auch in Entwicklungsländern produziert und verbraucht werden können.
Carbon Sequestration Bonds
Der Weg zu einem nachhaltigen Energiesystem führt über die Brücke der fossilen Energieträger. Daher kommt der Nutzung der geologischen Formationen hohe Bedeutung zu. Die Sequestrierung von 200 Gigatonnen Kohlenstoff, wie sie der WBGU vorgeschlagen hat, ist in ausgeförderten Erdgas- und Erdölfeldern mit geringen Risiken möglich. Um die geologischen Formationen nachhaltig nutzen zu können, müssen zwei institutionelle Probleme gelöst werden. Erstens: Da die Lagerkapazität begrenzt ist, muss ein Preis für die Nutzung von Aquiferen (Wasser in poröser Gesteinsschicht), Erdöl- und Erdgasfeldern erhoben werden - dieser Preis sei hier Deponiepreis genannt. Es lässt sich leicht einsehen, dass sich z.B. ein Kohlekraftwerksbetreiber entscheiden kann, für die CO2-Emissionen entweder die Atmosphäre zu nutzen oder zur Verfügung stehende geologische Formationen. Solange der Deponiepreis zuzüglich der Transport- und Kontrollkosten geringer ist als der Nutzungspreis der Atmosphäre (z.B. ausgedrückt im Zertifikatspreis), wird er sich für die Lagerung in der geologischen Formation entscheiden. Könnte man sicher sein, dass aus den geologischen Formationen kein CO2 entweichen kann, wären mit der Festlegung der Nutzungsrechte an der Atmosphäre und der Erhebung einer Deponiegebühr alle Vorkehrungen für eine vernünftige Nutzung eines knappen Gutes getroffen.
Es besteht aber zweitens das Risiko, dass aus den geologischen Formationen CO2 entweicht. Das wäre gewiss kein "katastrophales" Ereignis. Zwar sind die Wahrscheinlichkeiten des Schadenseintrittes nicht bekannt, aber die maximale Schadenshöhe lässt sich ermitteln: Es ist die Menge von entweichendem CO2 multipliziert mit dem zum Zeitpunkt des Austritts geltenden (Zertifikats-) Preis der Emissionen. Für den Fall des Entweichens müsste das Unternehmen für diese Nutzung der Atmosphäre ein Zertifikat erwerben. Da die Menge an Zertifikaten nicht vermehrt wird, steigt der Preis. Damit wird Investoren, Verbrauchern und Unternehmern signalisiert, dass die Nutzungsrechte der Atmosphäre knapp sind.
Mit dieser Lösung allein wird man jedoch nicht verhindern, dass Unternehmen bei der Lagerung in geologischen Formationen Missbrauch treiben. Das Management eines Unternehmens könnte darauf spekulieren, dass das CO2 erst entweicht, wenn das Unternehmen nicht mehr existiert, der Zertifikatspreis langfristig sinkt oder längst ein anderes Management sich mit dem Schaden herumzuschlagen hat. Ist der Zeithorizont der Investoren und Manager geringer als der vermutete Zeitpunkt des Entweichens von CO2 und die Risikobereitschaft hoch, so ist die Lagerung in geologischen Formationen für die Investoren in jedem Fall ein Geschäft, da das Risiko auf die spätere Generation abgewälzt werden kann. Es kommt daher vor allem darauf an, im Voraus einen Anreiz zu schaffen, dass Unternehmen aus Eigeninteresse CO2 in möglichst sicheren Formationen lagern.
Die Einführung von "Carbon Sequestration Bonds"
Carbon Sequestration Bonds müssen auf Märkten handelbar sein: Das Unternehmen kann seine Bonds verkaufen und sich liquide Mittel verschaffen. Das wird aber nur dann geschehen, wenn sie den Käufern eine verbesserte Verzinsung bieten als ein risikoloses Wertpapier. Wie hoch dieser Risikoaufschlag sein wird, hängt davon ab, wie hoch die Käufer das Risiko der Bondabwertung einschätzen, andererseits davon, wie stark das Unternehmen das Risiko einschätzt, dass CO2 entweicht. Je stärker das Unternehmen befürchtet, CO2 könnte entweichen, umso billiger wird es die Bonds verkaufen müssen. Das Unternehmen kann nur dann einen hohen Bondpreis erzielen, wenn es die Käufer (Bürger, Organisationen wie Greenpeace) davon überzeugen kann, dass die Deponie sicher ist. Es besteht also ein Anreiz für die Branche, das Vertrauen in die Bonds nicht zu unterminieren. Durch die drohende Abwertung wird der Sicherheitsstandard der geologischen Formation zu einem marktfähigen Gut. Da Carbon Sequestration Bonds handelbar sind, können Anleger, Analysten und Bürger das Vertrauen, das sie in diese Technik haben, dadurch ausdrücken, indem sie Bonds kaufen: je höher das Vertrauen der Öffentlichkeit, desto höher der Kurs. Damit bestimmt die Öffentlichkeit mit, in welchem Umfang sequestriert werden kann und soll. Damit wäre die Risikoabschätzung dieser Technik dem technokratischen Klüngel entzogen - ein Verfahren, das sowohl den Einsatz der Technik als auch die Investitionsentscheidungen demokratisieren würde.
Das Marktpotential für die Sequestrierung von CO2 dürfte beträchtlich sein. Geht man davon aus, dass in den nächsten hundert Jahren nach Annahmen des WBGU 200 Gigatonnen Kohlenstoff sequestriert werden müssen, wenn ehrgeizige Klimaziele erreicht werden (sollen), und der Preis für eine Tonne Kohlenstoff in der Atmosphäre über 20 US-Dollar beträgt (bei diesem Preis wird die Sequestrierung rentabel), so entspricht das jährliche Umsatzvolumen etwa 0,13 Prozent des heutigen Weltsozialproduktes.
V. Fazit
Der Weg zu einer nachhaltigen Klima- und Energiepolitik führt über drei Zwischenziele: Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energieträger, Steigerung der Energieeffizienz, Einfangen und Lagern von CO2 in geologischen Formationen. Diese Ziele lassen sich nur erreichen, wenn geeignete Instrumente für eine Global Carbon and Energy Governance zur Verfügung stehen. Governance-Strukturen entstehen nicht durch eine elitäre Blaupause, sondern durch Versuch und Irrtum. Experimente mit CO2-Zertifikaten, Grünen Energiezertifikaten und Carbon Sequestration Bonds ließen sich zügig beginnen. Diese drei Bausteine können zu einer durchdachten Architektur zusammengefügt werden, die mit anderen energiepolitischen Forderungen kompatibel ist, etwa mit dem Abbau von Subventionen für fossile Energieträger und den Nuklearstrom. Durch den Handel mit Zertifikaten wird ein Nutzungspreis für die Atmosphäre festgelegt, der als Berechnungsbasis für Carbon Sequestration Bonds notwendig ist, die wiederum ein Risikomanagement beim Einlagern von CO2 ermöglichen. Die entstehenden Einnahmen werden zur Subventionierung marktferner, erneuerbarer Energien verwendet. Grüne Energiezertifikate wiederum helfen, Marktstörungen zu beseitigen; sie schaffen einen fairen Wettbewerb, bei dem die erneuerbaren Energieträger ihr technisches und wirtschaftliches Potential zeigen können.
Diese Experimente bedürfen eines unternehmerischen und politischen Gestaltungswillens ebenso wie der wissenschaftlichen Begleitung. Aus Fehlern in der Anwendung werden wir lernen können, die Instrumente zu verbessern und - falls sie sich als unzureichend erweisen - neue zu erfinden. Am Ende eines solchen Lernprozesses könnte die Einsicht stehen, dass wir zwischen Wachstum ohne Klimaschutz und Klimaschutz ohne Wachstum - zwischen Pest und Cholera - nicht wählen müssen und darum auch nicht wählen dürfen.
Internet-Empfehlung
Homepage des Potsdam-Instituts
Externer Link: http://www.pik-potsdam.de