Atomare, biologische und chemische Waffen unterscheiden sich in vielerlei Weise: Die Optionen ihres Einsatzes und ihre möglichen Folgen sind ebenso vielfältig wie die Möglichkeiten von Schutzmaßnahmen. Auch die Abkommen über Verbote beziehungsweise Begrenzungen dieser Waffen unterscheiden sich stark voneinander, vor allem im Hinblick auf die jeweiligen Instrumente zur Kontrolle der Vertragseinhaltung. Zwar ist allen drei Waffenarten gemeinsam, dass sie auf Technologien beruhen, die auch im Rahmen friedlicher Anwendungen benutzt werden. Der Grad der Überschneidung von zivilen Zwecken einerseits und verbotenen militärischen Zwecken andererseits ist aber wiederum höchst unterschiedlich. In diesem Beitrag werden die zentralen völkerrechtlichen Abkommen zu den drei Waffenbereichen in Hinblick auf ihre jeweiligen Stärken und Schwächen analysiert.
Atomwaffensperrvertrag
Ziel des am 1. Juli 1968 unterschriebenen und am 5. März 1970 in Kraft getretenen Nuklearen Nichtverbreitungsvertrages (NVV) ist, die Anzahl der Atomwaffenmächte so gering wie möglich zu halten. Bis auf die fünf Staaten Frankreich, Großbritannien, USA, Russland und China, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits Atomwaffen besaßen und nach wie vor nicht zu einem vollständigen Verzicht bereit sind, haben die 191 Vertragsstaaten für immer auf Nuklearwaffen verzichtet. Die vier Länder außerhalb des Abkommens verfügen jedoch über Kernwaffen: Indien, Pakistan, Nordkorea und Israel, wobei der israelische Nuklearwaffenbesitz nie offiziell bestätigt wurde.
Der NVV ist also ein ungleicher Vertrag. Um den nuklearen Verzicht akzeptabel zu machen, bedurfte es zweier Zugeständnisse: des unbehinderten Zugangs zur friedlichen Nutzung der Atomkraft (Art. IV) sowie des Versprechens, Verhandlungen über die nukleare Abrüstung im Rahmen der allgemeinen Abrüstung zu führen (Art. VI).
Indem der friedlichen Nutzung der Kernkraft keine Grenzen gesetzt wurden, stellte sich die Frage, wie der militärische Missbrauch von als friedlich deklarierten Nuklearprogrammen festgestellt und verhindert werden könnte. Problematisch sind hier besonders Technologien an den beiden Enden des nuklearen Brennstoffkreislaufs: die Urananreicherung und die Wiederaufbereitung. Brennstäbe zur Nutzung in Atommeilern basieren auf schwach angereichertem Uran. Die Anreicherungstechnologie kann aber auch zur Produktion hoch angereicherten Urans genutzt werden, dem Spaltstoff für Kernwaffen. Eine ähnliche sogenannte Dual-use-Technologie ist die Wiederaufbereitung: Mit ihrer Hilfe können Brennstäbe zur Wiederverwendung in Reaktoren bearbeitet, aber auch waffenfähiges Plutonium für militärische Zwecke abgetrennt werden.
Prinzip Freiwilligkeit
Um die Einhaltung des NVV zu gewährleisten, müssen die Vertragsstaaten mit der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) mit Sitz in Wien Abkommen zur Kontrolle ihrer Nuklearprogramme (safeguards) schließen, die durch Inspektionen vor Ort überprüft werden. Diese müssen jedoch im Vorfeld angemeldet werden und betreffen ausschließlich Kernkraftanlagen, die von der jeweiligen Regierung zur Begehung angeboten werden. Die Aufdeckung des irakischen Atomwaffenprogramms 1991 offenbarte, dass diese Vorkehrungen nicht ausreichten. Saddam Hussein hatte sein geheimes Atomwaffenprogramm an Orten vorangetrieben, die er vor der IAEO verborgen gehalten hatte. Die IAEO entwickelte daher ein Zusatzprotokoll zu den safeguards, das erweiterte Meldepflichten umfasst und den IAEO-Inspektoren verbesserte Zugangsrechte einräumt. Der Beitritt zum Zusatzprotokoll ist jedoch freiwillig, und nur etwa die Hälfte der NVV-Mitgliedsstaaten hat es ratifiziert.
Testfälle Iran und Nordkorea
Eine besondere Herausforderung für die nukleare Nichtverbreitung stellt das iranische Atomprogramm dar, seitdem 2002 bekannt wurde, dass Teheran Urananreicherungsanlagen und einen im Bau befindlichen Schwerwasserreaktor, der waffenfähiges Plutonium erzeugen könnte, nicht der IAEO gemeldet hatte. Zudem stellte sich 2011 heraus, dass Iran bis 2003 systematisch ein Atomwaffenprojekt verfolgt hatte. Unter Rückbezug auf die im NVV verankerte nukleare Nichtverbreitungsnorm bildete sich daraufhin eine internationale Koalition aus den fünf ursprünglichen Atommächten Frankreich, Großbritannien, den USA, Russland und China sowie Deutschland und der EU, die mit Iran Verhandlungen über besondere Beschränkungen für sein Atomprogramm und intensive Inspektionen führte. Diese mündeten 2015 in ein Abkommen: Iran sollte seinen Willen zur künftigen Vertragstreue durch Taten unter Beweis stellen;
Ein weiteres NVV-Sorgenkind ist Nordkorea, das bislang einzige Land, das das Abkommen gemäß der Austrittsklausel nach Art. X verlassen und Atomwaffen getestet hat. Offenbar hatte Pjöngjang nie vor, sich an die NVV-Bestimmungen zu halten. Bereits unmittelbar nach Aufnahme von IAEO-Inspektionen im Land stellte sich 1992 heraus, dass Nordkorea die Plutoniumbestände seines als zivil deklarierten Atomprogramms nach seinem Beitritt zum NVV 1985 nicht vollständig offengelegt hatte. Von den USA angeführte diplomatische Bemühungen, Nordkorea zu einem Verzicht auf Nuklearwaffen und eine Einhaltung der NVV-Bestimmungen zu bewegen, scheiterten, und auch scharfe internationale Sanktionen blieben wirkungslos. Im Januar 2003 trat Pjöngjang aus dem NVV aus und erklärte ein Jahr später, Kernwaffen zu besitzen. Am 9. Oktober 2006 folgte ein erster Atomwaffentest, mittlerweile hat das Land insgesamt sechs durchgeführt. Beim bisher letzten Test im September 2017 handelte es sich vermutlich um eine Wasserstoffbombe. Nordkorea unterhält Anlagen, in denen waffenfähiges Plutonium und hoch angereichertes Uran für den Bau von Nuklearwaffen hergestellt werden können. Es verfügt zudem über Raketen mit Reichweiten von mehreren Tausend Kilometern, wobei unklar ist, ob es diese Raketen mit funktionstüchtigen Nuklearsprengköpfen ausstatten könnte.
Auf dem Weg zum Verbot?
Seit Jahren werfen viele Nichtkernwaffenstaaten den Nuklearmächten mangelnden Willen zur atomaren Abrüstung vor. Zwar ist die Anzahl der Kernwaffen weltweit von mehr als 60.000 während des Kalten Krieges durch Rüstungskontrollabkommen und einseitige Reduzierungen auf etwa 15.000 gesunken.
Trotz aller Kritik hat die nukleare Nichtverbreitungsnorm des NVV Wirkung entfaltet. Sie dient als Bezugspunkt zur Bildung internationaler Koalitionen gegen Vertragsverletzer. Ferner haben die auf dem NVV basierenden IAEO-Inspektionen die Transparenz gefördert. Doch sind die Krisensymptome seit Jahren kaum zu übersehen. Dass Indien, Pakistan und Israel als Nicht-NVV-Mitglieder Atomwaffen besitzen und Nordkorea das Abkommen verlassen hat und zum Kernwaffenstaat geworden ist, ist vielen NVV-Mitgliedern ebenso ein Dorn im Auge wie die aus ihrer Sicht mangelhaften Fortschritte bei der nuklearen Abrüstung. Vor allem westliche Staaten möchten zugleich die Überprüfungsmöglichkeiten und Transparenzauflagen für zivile Nuklearprogramme verbessern.
Biowaffenkonvention
Das 1975 in Kraft getretene Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung biologischer Waffen und von Toxinwaffen (BWÜ) ächtet diese Waffenarten in ihrer Gesamtheit. Biologische Kampfstoffe dürfen nicht entwickelt, produziert, gelagert oder anderweitig beschafft oder zurückbehalten werden. Existierende Kampfstoffbestände gilt es zu vernichten. Für die Definition des Vertragsgegenstandes ist das sogenannte allgemeine Zweckkriterium ausschlaggebend, demzufolge biologische Agenzien wie Bakterien oder Viren sowie Toxine, also Gifte natürlichen Ursprungs, nicht in Arten und Mengen existieren dürfen, die nicht durch prophylaktische, Schutz- oder andere friedliche Zwecke gerechtfertigt werden können. Diese breite Definition soll es ermöglichen, alle künftigen wissenschaftlichen Entwicklungen mit Bezug zum BWÜ so zu erfassen, dass seine Umgehung ausgeschlossen bleibt. Dem Abkommen gehören derzeit 179 Staaten an.
Das BWÜ geht zurück auf den einseitigen Verzicht der USA auf Biowaffen vom November 1969. Der damalige US-Präsident Richard Nixon wollte damit der Kritik an der amerikanischen Kriegsführung in Vietnam entgegenwirken, die den Einsatz von Entlaubungsmitteln umfasste. Überdies war das US-Militär der Ansicht, dass der Einsatz von Viren und Bakterien auf dem Gefechtsfeld keinerlei Vorteile bringe, sondern vielmehr die eigenen Soldaten gefährde. Zugleich sei die amerikanische Zivilbevölkerung vor allem in den großen Städten gegenüber Angriffen mit Biowaffen sehr verwundbar.
Zahnloser Tiger
Die Sowjetunion stimmte dem BWÜ zwar zu, akzeptierte jedoch keinerlei Vor-Ort-Inspektionen. Daher ist das BWÜ das schwächste Abkommen im Bereich der ABC-Waffen-Rüstungskontrolle. Es enthält keine effektiven Verifikationsvorschriften und verfügt auch nicht über eine eigene Organisation zur Umsetzung der Vertragsinhalte. Die BWÜ-Mitgliedsstaaten können sich im Falle des Verdachts auf einen Vertragsverstoß gegenseitig konsultieren (Art. V) und bei der Aufklärung zusammenarbeiten. Oder ein Mitglied kann im Falle eines Verdachts auf Vertragsverstoß den UN-Sicherheitsrat anrufen (Art. VI), der Maßnahmen zur Klärung des Sachverhalts ergreifen und Strafmaßnahmen einleiten kann.
Während der 1970er und 1980er Jahre wurden keine bedeutsamen Fälle des Verstoßes gegen das BWÜ oder des Einsatzes biologischer Kampfstoffe bekannt. Doch wurde die Schwäche des BWÜ offenbar, als mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion zu Beginn der 1990er Jahre die Existenz eines bis dahin streng geheim gehaltenen umfangreichen Biowaffenprogramms der ehemaligen Supermacht bekannt wurde. In einem über die gesamte Sowjetunion verteilten Netzwerk von Laboratorien, das als zivile Organisation getarnt worden war, hatten Forschungen zu militärischen Zwecken an einer Vielzahl von Krankheitserregern stattgefunden. Auf einer Insel im Aralsee waren sie in den 1970er und 1980er Jahren teilweise unter freiem Himmel getestet worden. Da Russland als Nachfolger der Sowjetunion und ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat Maßnahmen nach Art. VI BWÜ mit einem Veto blockieren konnte, drängten die USA und Großbritannien im Rahmen eines "Trilateralen Prozesses" auf Aufklärung mit Moskau. Das gesamte Ausmaß des sowjetischen Biowaffenprogramms wurde in der Öffentlichkeit jedoch nie bekannt.
Stockende Weiterentwicklung
Zwischen 1995 und 2001 verhandelten die BWÜ-Vertragsstaaten über ein Zusatzprotokoll. Kernpunkt sollten verbesserte Möglichkeiten zur Verifikation sein, darunter auch Vor-Ort-Besuche. Diese Verhandlungen scheiterten am Widerstand der USA, aber auch andere Vertragsstaaten hatten kein Interesse an einer Stärkung des BWÜ. Tatsächlich ist die Verifikation des BWÜ besonders schwierig, da Viren und Bakterien sich schnell vermehren. Ferner können Forschungen und Entwicklungen hinsichtlich Krankheitserregern mit medizinischen und anderen friedlichen Absichten sowie entsprechende Projekte im Bereich des B-Schutzes schwer von verbotenen Aktivitäten mit dem Ziel der Herstellung von Erregern oder Toxinen zu offensiven militärischen Zwecken unterschieden werden. Dies würde ein Ausmaß an Transparenz erfordern, das für viele Vertragsstaaten nicht akzeptabel ist – teils, weil sie die wirtschaftlichen Interessen ihrer nationalen Pharmaindustrie schützen wollen, teils, weil sie ihre Absichten und Fähigkeiten im Bereich des B-Schutzes nicht offenlegen möchten.
Immerhin haben sich die BWÜ-Vertragsstaaten auf vertrauensbildende Maßnahmen geeinigt. Dazu gehört der Austausch von Informationen über B-Schutzprogramme, Laboratorien ab einer bestimmten Sicherheitsstufe, Impfstoffproduktionsanlagen und den Ausbruch ungewöhnlicher Krankheiten. Diese Maßnahmen sind jedoch rechtlich nicht verbindlich, und so nimmt nur ein Teil der Vertragsstaaten an dem jährlichen Datenaustausch teil. Ferner finden seit 2003 regelmäßige Treffen der Vertragsstaaten statt, auf denen verschiedene Themen diskutiert werden, wie etwa nationale Gesetzgebungen, um unautorisierten Zugang zu gefährlichen Agenzien zu verhindern und die Sicherheit von Laboratorien zu gewährleisten, sowie Verhaltenskodizes für Wissenschaftler und die Diskussion der Fortschritte der Biowissenschaften unter dem Gesichtspunkt des B-Waffenverbots.
In der Tat ist die Schwäche des BWÜ umso gravierender, als die Bio- beziehungsweise Lebenswissenschaften derzeit rasant voranschreiten. Daraus werden beispielsweise für die Bekämpfung von Krankheiten nützliche Anwendungen entstehen. Doch ist die militärische Zweckentfremdung dieser Forschung etwa zur Herstellung von Erregern mit gesteigerter Virulenz, die als Kampfstoffe genutzt werden können, oder Antibiotikaresistenz nicht ausgeschlossen.
Chemiewaffenübereinkommen
Die Verhandlungen über ein Verbot chemischer Waffen profitierten vom Klima der internationalen Zusammenarbeit nach Ende des Kalten Krieges. Das Chemiewaffenübereinkommen (CWÜ) wurde im Januar 1993 in Paris zur Unterzeichnung aufgelegt und trat im April 1997 in Kraft. Ihm gehören 192 Staaten an. Das CWÜ verbietet Entwicklung, Herstellung, Besitz, Lagerung und Weitergabe sowie den Einsatz chemischer Waffen. Sämtliche Kampfstoffbestände müssen gemeldet und vernichtet werden. Mittel zur Bekämpfung von Unruhen wie beispielsweise Tränengas dürfen nicht zur Kriegsführung eingesetzt werden. Ähnlich dem BWÜ basiert die Definition chemischer Waffen auf einem allgemeinen Zweckkriterium, um auch alle künftigen toxischen Chemikalien zu umfassen. Demgemäß sind toxische Chemikalien und ihre Vorprodukte dann verboten, wenn sie in Arten, Mengen und dem beabsichtigten Verwendungszweck nicht mit den Zielen des CWÜ vereinbar sind. Verboten sind zudem Munition, Geräte und Ausrüstungen, die eigens entworfen wurden, um toxische Chemikalien zu verbotenen Zwecken einzusetzen.
Weitreichende Kontrollmechanismen
Anders als das BWÜ ist das CWÜ ein starkes Abkommen und enthält umfassende Überprüfungsmechanismen. Für die Umsetzung der Vertragsinhalte wurde die Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) mit Sitz in Den Haag gegründet, die 2013 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Ihr obliegen die Überwachung der Vernichtung chemischer Kampfstoffvorräte, die Kontrolle der chemischen Industrien zur Verhinderung der heimlichen Entwicklung, Herstellung und Produktion neuer Kampfstoffbestände sowie die Förderung der internationalen Zusammenarbeit zu friedlichen Zwecken im Bereich der Tätigkeiten auf chemischem Gebiet.
Mittels Inspektionen in der chemischen Industrie werden die Meldungen der Vertragsstaaten überprüft, um die heimliche Entwicklung und Herstellung chemischer Kampfstoffe auszuschließen. Um alle Chemikalien zu erfassen, das Inspektionswesen jedoch nicht uferlos auszudehnen, wurden die Chemikalien entlang der Kriterien Toxizität, Verwendung zur chemischen Kriegsführung und Ausmaß der kommerziellen Nutzung in drei Listen geordnet. Je nachdem, auf welcher Liste Chemikalien erscheinen und in welchen Mengen sie hergestellt werden, müssen sie und auch ihre Produktionsorte gemeldet oder sogar regelmäßig inspiziert werden. Ungeachtet dieser Listen bleiben sämtliche Chemikalien verboten, falls sie für kriegerische Zwecke oder deren Vorbereitung vorgesehen werden.
In Ergänzung der geschilderten Routineinspektionen sieht das CWÜ Verdachtsinspektionen vor, die in jeder beliebigen Einrichtung des verdächtigen Staates durchgeführt werden können. Jeder CWÜ-Vertragsstaat kann sie beim OPCW-Exekutivrat beantragen. Bislang fanden jedoch keinerlei Verdachtsinspektionen statt. Denn die Beantragung einer Verdachtsinspektion setzt einen zu begründenden Anfangsverdacht voraus, sodass möglicherweise nachrichtendienstliche Quellen offengelegt werden müssen. Falls eine Verdachtsinspektion die Anhaltspunkte für einen Vertragsverstoß nicht bestätigt, stünde der beantragende Staat blamiert da. Im Gegenzug könnte er selbst Gegenstand einer Verdachtsinspektion werden.
Lange Zeit war die Arbeit der OPCW von der Überwachung der Vernichtung gemeldeter Kampfstoffvorräte geprägt. Inzwischen sind 96 Prozent der erfassten Kampfstoffe zerstört worden. Darunter befindet sich seit September 2017 auch das komplette Arsenal Russlands, das mit rund 40.000 Tonnen den größten Bestand an chemischen Kampfstoffen gemeldet hatte. Verzögert hat sich die vollständige Vernichtung der in den USA gelagerten Chemiekampfstoffe, unter anderem wegen lokaler Widerstände an geplanten Vernichtungsanlagen. Fast 90 Prozent der ursprünglich von Washington gemeldeten Kampfstoffe sind jedoch zerstört. Spätestens bis 2023 wollen die USA den Vernichtungsprozess abschließen. Mit Indien, Südkorea, Albanien und Libyen haben vier weitere Länder die Vernichtung ihrer wesentlich kleineren Bestände abgeschlossen. Im Irak befinden sich in zwei Bunkern noch kampfstoffrelevante Rückstände, deren Entsorgung derzeit als zu aufwendig angesehen wird.
Gespaltene Vertragsstaatengemeinschaft
Im Fokus der Bemühungen der OPCW steht derzeit Syrien. Anders als die anderen CWÜ-Mitglieder ist das Land im September 2013 dem Abkommen nicht freiwillig beigetreten, sondern erst unter massivem Druck der USA und Russlands. Vorausgegangen waren Einsätze chemischer Kampfstoffe im syrischen Bürgerkrieg, die nach internationaler Vermutung größtenteils auf das Konto der syrischen Armee gehen. Damaskus meldete 1.300 Tonnen chemischer Kampfstoffe sowie Vorläuferprodukte. Sie wurden außer Landes gebracht und im Rahmen einer internationalen Operation unter Führung der USA bis Januar 2016 vernichtet. Allerdings war die syrische Meldung offenbar unvollständig. Zudem kam es immer wieder zu erneuten Chemiewaffeneinsätzen. Daher wurde Syrien einem besonderen Verifikationsregime unterworfen, ohne dass jedoch das syrische Chemiewaffenprogramm vollständig aufgeklärt werden konnte.
Zur Untersuchung von C-Kampfstoffeinsätzen wurde mittels einer Resolution des UN-Sicherheitsrates ferner ein gemeinsamer Mechanismus der Vereinten Nationen und der OPCW zur Untersuchung solcher Vorfälle initiiert. Die Verlängerung des Mandats für die Untersuchungsmission in Syrien endete aufgrund russischen Widerstands im November 2017. Moskau hielt auch seine schützende Hand über Damaskus, um Sanktionsmaßnahmen gegen die Assad-Regierung zu verhindern. Da Russland im OPCW-Exekutivrat anders als im UN-Sicherheitsrat nicht über ein Veto verfügt, wurden dort zwar im Rahmen einer Kampfabstimmung gesonderte Inspektionsmaßnahmen für Syrien verabschiedet, diese konnten jedoch nicht umgesetzt werden. Die Kampfabstimmung war zwar insofern gerechtfertigt, als andernfalls das CWÜ-Mitglied Syrien trotz unvollständiger Meldungen seiner Kampfstoffvorräte und weiterer C-Waffen-Einsätze völlig unbehelligt geblieben wäre. Aber die Kampfabstimmung schwächte den Zusammenhalt der bis dahin im Konsens entscheidenden CWÜ-Vertragsstaatengemeinschaft. Der Streit zwischen Russland und anderen Syrien unterstützenden CWÜ-Mitgliedern einerseits und auf Verurteilung Syriens für seine Verfehlungen drängenden CWÜ-Mitgliedern andererseits stellt derzeit ein massives Problem für die Handlungsfähigkeit der OPCW dar.
Diese Kontroversen wurden durch den Giftgasanschlag auf den ehemaligen russischen Agenten Sergei Skripal und seine Tochter im britischen Salisbury im März 2018 weiter verschärft. Analysen britischer Labore sowie entsprechender Forschungseinrichtungen der OPCW kamen übereinstimmend zu dem Schluss, dass es sich dabei um den Nervenkampfstoff "Nowitschok" handelte.
Gegen den entschiedenen Widerstand Moskaus, das vor allem bei Syrien und Iran Unterstützung fand, beschloss eine Sonderkonferenz der CWÜ-Vertragsstaaten im Juni 2018 in einer weiteren Kampfabstimmung, dass das Technische Sekretariat der OPCW Maßnahmen ergreifen solle, um die Verursacher von C-Waffen-Einsätzen in Syrien zu identifizieren, und dass auch künftig die Verantwortlichen für solche Angriffe auf dem Territorium von Vertragsstaaten festgestellt werden sollen.
Das CWÜ ist zwar ein sehr starkes Abkommen, jedoch befindet es sich aktuell in einer formidablen Krise. Denn die OPCW, die für ihre Arbeit dringend auf die Kooperation ihrer Mitglieder angewiesen ist, ist zerstritten. Zugleich gilt, was auch für das BWÜ zutrifft: Die rasanten naturwissenschaftlichen Fortschritte könnten schon bald völlig neuartige Kampfstoffe ermöglichen.
Fazit
Damit künftig der Einsatz atomarer, biologischer und chemischer Waffen unterbleibt, gilt es, die bestehenden Vertragsregime über die Verbote oder die Nichtverbreitung von ABC-Waffen zu erhalten und zu stärken. Dies bedeutet eine große Herausforderung, befinden sich doch alle Verträge in einer Krise. Deutschland und seine europäischen Partner sollten sich daher weiterhin mit viel Energie für die Rüstungskontrolle bei ABC-Waffen engagieren.